Post-Dirk-Jazz

WM-Debakel hin oder her: Im deutschen Basketball kommt einiges nach – wie zwölf Talente zeigen. Unter anderem auf Philipp Herkenhoff, Kostja Mushidi und Joshua Obiesie sollte man in der BBL-Saison 2019/20 öfter einen Blick werfen.

Der einbeinige Fadeaway ist das Vermächtnis von Dirk Nowitzki. Oder vielmehr eines von vielen Vermächtnissen. Schon allein diese Parkettsignatur deutet an, wie sehr Nowitzki die Evolution des Basketballs vorangetrieben hat: mehr zu wurfstarken Big Men, entsprungen aus unorthodoxen Methoden.

Nicht erst nach Nowitzkis Karriereende ist immer wieder die Frage gestellt worden, was denn nach „Uns Dirk“ kommen und wo der deutsche Basketball stehen werde. Würde ein melancholischer Post-Dirk-Blues folgen? Die Auftritte einiger Nachwuchsnationalmannschaften in den vergangenen Jahren und die unbestreitbare Qualität wie Quantität des aktuellen DBB-Kaders (WM-Debakel hin oder her) schreit mehr nach progressivem Post-Dirk-Jazz.

Zwischen Russland und Texas, zwischen Michigan und Mannheim hallt dieser vielerorts nach. Dieser Artikel blickt auf die einheimischen Talente in der deutschen Beletage: Auf welche Spieler des Jahrgangs 1998 oder jünger sollte man in der kommenden easyCredit BBL-Saison öfter einen Blick werfen?

Philipp Herkenhoff (Big Man, Jahrgang 1999, RASTA Vechta)

Der einbeinige Fadeaway von einem Spieler im DBB-Trikot mit der Nummer 14 … Auch im Länderspielsommer 2019 war dieser zu sehen – jedoch von einem U20-Nationalspieler: Philipp Herkenhoff packte diese Bewegung während der U20-EM aus, in einer Highlight-Aktion nicht aus dem Post-up am Zonenrand, sondern per Face-up von der Dreierlinie – inklusive Anklebreaker.

Herkenhoff ist (noch) davon entfernt, diese Bewegung als Signature-Move sein Eigen zu nennen, sie schneidet aber die Stärken des 20-Jährigen: das Attackieren von Closeouts, die gute Fußarbeit (beim Dribbling) und seine Koordination gepaart mit Finesse.

Diese Attribute waren auch in den diesjährigen BBL-Playoffs zu beobachten, als Herkenhoff vor allem nach dem Pick-and-Pop immer wieder den Ball auf den Boden setzte und attackierte. Der Big Man verstand es aber auch, etwaige Mismatches auszunutzen – indem er nach einem Switch den gegnerischen Guard mit in die Zone nahm und dort seine Größenvorteile ausnutzte. Und Aktionen wie die eines angedeuteten Spin-Moves samt Drehung zurück für einen Baseline-Jumper im Zurückfallen verdeutlichen: In Herkenhoff stecken Guard-Skills.  

Pick-and-Pop, Spot-up: So wurde Herkenhoff in Vechta hauptsächlich eingesetzt. Bei der U20-EM nahm der 20-Jährige, verständlicherweise, eine noch größere Rolle ein als bei RASTA – und auch eine vielseitigere.

„Dass er der kompletteste Spieler ist, der er sein kann. Ich möchte ihn nicht in eine Rolle zwängen und aus ihm einen Spezialisten machen“, hatte Pedro Calles die zukünftige Rolle Herkenhoffs während eines Gesprächs im Februar dieses Jahres skizziert. „Das Ziel bei Philipp ist für mich nicht, dass er nur ein Stretch-Vierer ist; er soll auch mit dem Rücken zum Korb spielen, nach Blöcken herauspoppen sowie abrollen, Closeouts attackieren und im Catch-and-Shoot agieren können.“

Und genau dies bewies Herkenhoff bei der U20-EM, wenn man sich die ausgeglichenen Anteile bei seinen Offensivaktionen ansieht: Sechs Play-Types nahmen einen Anteil von 8,8 bis 23,8 Prozent ein.

Herkenhoff hat in den vergangenen Jahren eine interessante Transformation durchlaufen: Beim Albert-Schweitzer-Turnier 2016 beispielsweise, als das DBB-Team zum ersten Mal die inoffizielle U18-Weltmeisterschaft gewonnen hat, bewegte sich Herkenhoff noch als 2,05-Meter-Schlaks über das Parkett, agierte als Small Forward, übernahm aber teilweise auch den Ballvortrag.

In der vergangenen Spielzeit lief Herkenhoff hingegen immer wieder auf der Fünf auf und verteidigte Kolosse wie John Bryant oder Rasid Mahalbasic. In der neuen Saison könnte Herkenhoff in Vechta auf der Fünf starten.

Die Vielseitigkeit, die Herkenhoff bei der U20-EM gezeigt hat, dürfte sich in seinem zweiten vollen Profi-Jahr in Vechta nun noch stärker abzeichnen. Seine Ballhandling-Fähigkeiten machen Herkenhoff umso interessanter: mit Spielmacherpotential von den großen Positionen; mit der Möglichkeit, den Schnellangriff selbst zu initiieren, oder Inverted Pick-and-Rolls zu laufen – also, indem ein kleiner Spieler für den Ballführer Herkenhoff den Block stellt. Derweil hat sich der Big Man bei der U20-EM im Post-up sehr abgebrüht und geduldig präsentiert.

Diese Vielseitigkeit sowie die Entwicklung unter Coach Pedro Calles machen Herkenhoff zum vielleicht interessantesten, deutschen Nachwuchsspieler der kommenden BBL-Saison. Zumal Herkenhoff mit der FIBA Basketball Champions League auch auf internationalem Parkett auflaufen wird. Diese Doppelbelastung wird gerade für einen 20-Jährigen, der in seiner körperlichen Entwicklung noch am Feinschliff ist, sicherlich eine Herausforderung darstellen.

Zudem ist Herkenhoffs weitere Entwicklung auch mit  Blick auf die Nationalmannschaftszukunft relevant, bewegt sich der Big Man doch schon seit vergangener Saison im Dunstkreis des A-Kaders. Die Qual der Wahl für Henrik Rödl oder zukünftige Bundestrainer wird damit noch größer werden – womit es langfristig auch auf Alleinstellungsmerkmale eines Spielers ankommen wird. Herkenhoff mit seinen Anlagen ist hierfür ein ganz spannendes Prospect.

Kostja Mushidi (Swingman, Jahrgang 1998, Basketball Löwen Braunschweig)

Als die deutsche U18-Nationalmannschaft vor drei Jahren das AST gewonnen hat, war Herkenhoff nicht mehr als ein Rollenspieler – und Kostja Mushidi der Turnier-MVP. Seitdem hat sich aber einiges getan, für Mushidi nicht immer zum Positiven.

Beim Nike Hoop Summit 2017 sorgte Mushidi zusammen mit Isaiah Hartenstein für Aufsehen, Mushidi als Topscorer der Weltauswahl. Damals wurde der Guard als Kandidat für die späte erste, frühe zweite NBA-Draft-Runde gehandelt. Mushidis Umfeld wollte aber sichergehen, in der ersten Runde gezogen zu werden – und zog für den Draft zurück. Wenig später folgten zwei Ermüdungsbrüche im Fuß …

„Das hat meinen ,Hype’ ein wenig gekillt. Es war einfach schade, weil ich dachte, dass das mein Jahr werden könnte. Dann habe ich mich in der Vorbereitung verletzt. Dann bin ich zurückgekommen und habe mich direkt wieder verletzt“, blickte Mushidi während der U20-EM 2018 auf sein Verletzungspech zurück. In der vergangenen Saison wurde er schließlich von der Talentschmiede Mega Bemax zu OKK Belgrad ausgeliehen, die nur in der serbischen, aber nicht der länderübergreifenden Adria-Liga aktiv sind. Mushidi scheint 2019 weit von der NBA entfernt zu sein.

Darauf sollte in der Gegenwart weniger der Fokus liegen. Nach vier Jahren im Ausland und der Rückkehr nach Deutschland sollte es mehr darum gehen, sich als BBL-Spieler zu etablieren, gesund zu bleiben und somit Konstanz zu wahren. Einen Sprung in die NBA haben (Jung) Profis aus der BBL in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft. In Braunschweig scheint Mushidi eine gute Situation vorzufinden, ist dort mit Liviu Calin doch auch ein Nachwuchsexperte am … oh, Moment, das ist aber eine andere Sache … 

Unter dem neuen Head Coach Pete Strobl versammelt sich mit Mushidi sowie Garai Zeeb, Lukas Wank, Karim Jallow und Lars Lagerpusch eine U22-Formation aus ehemaligen U20-Nationalspielern. Mit seiner Kreativität und seinem Swag sticht Mushidi hierbei sicherlich heraus. Auf deutschem Boden hat zuletzt die letztjährige U20-EM gezeigt, wie sehr der Flügelspieler ein Spiel an sich reißen kann – und vor Verantwortung nicht zurückschreckt.

Gerade mit aktuell 20 Jahren wird Mushidi als sekundärer Ballhandler lernen müssen, wann es gilt, selbst den Abschluss zu suchen (und wie sehr auf den Dreier zu gehen) und seine Mitspieler einzusetzen. Dass er die Passfertigkeiten besitzt, ist unbestritten.

Neben seinen Offensivskills besitzt Mushidi dank seiner Armspannweite und Größe auch die Anlagen, ein solider Verteidiger auf der Zwei zu werden. Eine Position, die in der deutschen Nationalmannschaft die wohl vakanteste ist. „Ich sehe schon, dass in den kommenden Jahren dort irgendwie Platz für mich sein wird“, hatte Mushidi vor einem Jahr seine potentielle Rolle eingeschätzt. „Ich muss weiter dranbleiben und gesund bleiben. Dann kann ich in die Rotation auf der Zwei oder Drei rutschen.“ Ihm wäre es zu wünschen. Die Station in Braunschweig könnte nach zwei Schritten zurück mindestens einer nach vorne sein.  

Joshua Obiesie (Ballhandler, Jahrgang 2000, s.Oliver Würzburg)

Joshua Obiesie hat sich seinen Sommer sicherlich anders vorgestellt: Für manche etwas überraschend, behielt der 19-Jährige seinen Namen im Draft – wurde aber nicht gezogen. Bei der U20-EM schöpfte der Guard sein Potential nicht wirklich aus: mehr Turnover als Assists, nicht einmal 32 Prozent aus dem Feld – Obiesie kann mehr.

Und deutete das durchaus auch an: In kurzen Phasen verstand es Obiesie, sein Team offensiv zu schultern. Im EM-Vorrundenspiel gegen Spanien beispielsweise legte der Guard innerhalb von vier Minuten 13 Punkte in Folge auf! Dies bewerkstelligte Obiesie durch Dreier und Drives. Seine 1,6 Assists im Turnierverlauf täuschen darüber hinweg, dass der Guard mit durchaus soliden Spielmacherfähigkeiten ausgestattet ist – Obiesie hat ohne Zweifel das Zeug, als primärer Ballhandler zu agieren. In der Zone versteht es Obiesie, auch im Getümmel per Durchstecker seine Mitspieler zu finden.

Man sollte von Obiesie nicht zu schnell zu viel erwarten. Man bedenke: Erst am 26. Dezember 2018 absolvierte der Guard sein erstes Bundesligaspiel, elf weitere BBL-Partien kamen danach hinzu. Die U20-EM war für ihn die erste Kontinentalmeisterschaft im DBB-Trikot. Erst zu Saisonbeginn der vergangenen Spielzeit verstärkte Obiesie s.Oliver Würzburg – pendelte aber noch zwischen Würzburg und München, weil er weiterhin für die IBAM in der NBBL aufgelaufen war.

Obiesie wird eine volle Profisaison in Würzburg samt Saisonvorbereitung sicherlich gut tun: um sich weiter an das BBL-Niveau zu gewöhnen und eine gewisse Konstanz zu entwickeln. Sicherlich herrscht im mit starken Guards gespickten Würzburger Kader eine gewisse teaminterne Konkurrenz vor – doch zurückschrecken wird Obiesie davor nicht.

Immer wieder hat der 19-Jährige in der vergangenen Saison bewiesen, dass er forsch auf dem Parkett auftritt und direkt nach Einwechslungen dem Spiel seinen Stempel aufdrücken kann – Angst vor großen Namen hat er nicht (siehe das folgende Video). Obiesie besitzt mit 1,98 Metern ein Gardemaß für die Zwei und lässt dabei in seinen Drives, bei denen er immer wieder den Kontakt sucht, auch eine gewisse Athletik durchblitzen.

Zwischen Mushidi und Obiesie sind sicherlich ein paar Parallelen zu beobachten – für die Vakanz auf der Shooting-Guard-Position im deutschen Basketball verheißt dies nur Gutes.

Jonas Mattisseck (Ballhandler, Jahrgang 2000, ALBA BERLIN)

Eins oder Zwei? Die Frage richtet sich weniger nach Toren wie bei „Geh aufs Ganze“ oder Feldern wie bei „1, 2 oder 3“, sondern nach der Position von Jonas Mattisseck. Der 19-Jährige war eine der Entdeckungen der vergangenen BBL-Saison und schoss bei ALBA BERLIN als unerschrockener Schütze sogar den FC Bayern München aus dem BBL-Pokal. Bei der vergangenen U20-EM gab er den designierten Spielaufbau des deutschen Teams – abgeklärt und verlässlich. Welche Rolle wird der Guard zukünftig bekleiden?

Ob die Saison 2019/20 darüber schon Aufschluss geben wird, bleibt abzuwarten. Denn mehr als Obiesie sieht sich Mattisseck im Berliner Kader mit großer teaminterner Konkurrenz auf den Guard-Positionen konfrontiert – galt es für die Albatrosse doch, sich für den EuroLeague-Marathon zu wappnen. Makai Mason und Marcus Eriksson sind neue Guards in Berlin, während Stefano Peno nach seiner Verletzungspause ebenfalls zurückkehren wird.

Dreier in der Early Offense, Dreier nach ballfernen Blöcken – Mattisseck übertrug die ALBA-DNA in sein Spiel bei der U20-EM, wobei er bei der DBB-Auswahl viel mehr als Ballhandler agierte. Dort bewies er Übersicht, die er dank seiner Größe in Crosscourt-Pässe übertragen kann. Bei seinen Drives bestach Mattisseck weniger mit Schnelligkeit, als mit Abgeklärtheit – er ist nicht der Typ Spieler, der die Defense zum Kollabieren zwingt und daraus den Kickout-Pass spielt. Auch wenn er sich beim Zug zum Korb auf seine starke linke Hand fokussiert, agierte er als Kreativposten mit seinen Verzögerungen und Entscheidungen grundsolide.

Ballabseits hat Mattisseck dies auf BBL-Ebene auch in Spot-up-Situationen bewiesen, wenn er zum Closeout sprintende Verteidiger verlud und so ruhig zum Distanzwurf kam. In 21 Pflichtspielen für die Berliner Profimannschaft 2018/19 verwandelte Mattisseck überragende 52,1 Prozent seiner Dreier, bei der U20-EM waren es immer noch überdurchschnittliche 40 Prozent.

Es wird interessant zu beobachten, inwieweit Mattisseck in Berlin auch eine solche Verantwortung in der Offensive wird schultern dürfen. Die Herausforderung von zwei Saisons in einer dürfte Mattisseck zumindest in der BBL einiges an Minuten bescheren.

Luc van Slooten (Swingman, Jahrgang 2002, RASTA Vechta)

Die ersten BBL-Punkte per Fastbreak-Dunk nach Ballgewinn? Gegen den amtierenden Deutschen Meister? Um das 18-Punkte-Statement perfekt zu machen? Es gibt langweiligere Aktionen, um sich das erste Mal mit Punkten auf einen Statistikzettel der deutschen Beletage einzutragen. Luc van Slooten gelang genau dies – als im März dieses Jahres erst 16-Jähriger!

Zu erwarten, dass van Slooten in der kommenden Saison durchgängig Rotationsminuten sehen wird, wäre zu viel – zumal der Forward in der vergangenen Spielzeit zusammengenommen nur 67 Minuten auf dem BBL-Parkett gestanden ist. Dennoch machen die Saisonvorbereitung, Vechta als Standort der Spielerentwicklung unter Coach Calles und der Ausblick auf eine Saison im internationalen Wettbewerb Hoffnung, dass dem doch so sein könnte.

Von van Slootens vergangener BBL-Saison auf die kommende Spielzeit bzw. kommenden Jahre zu schließen, fällt hinsichtlich seiner (noch) kleinen Rolle schwer. Besser eignet sich ein Blick auf die diesjährige U18-EM, um van Slooten als Spielertyp zu skizzieren.

Ein Spielmacher im Körper eines 2,02-Meter-Vierers (der wohl noch wächst) – so ließe sich van Slootens Rolle bei der U18-Auswahl definieren. Im System von Bundestrainer Patrick Femerling bekleidete van Slooten hauptsächlich die Power-Forward-Position, agierte aber dennoch vermehrt auf dem Flügel. Mit seinen einhändigen Baseball-Pässen aus dem Pick-and-Roll sowie seinen schnellen Entscheidungen zum Start eines Angriffs – für einige Football-ähnlichen Outlet-Anspiele – sorgte van Slooten für die größte Highlights. Eine solche Gedankenschnelligkeit, gespeist aus Intuition, ist kaum zu erlernen.

Beim eigenen Abschluss am Ring verstand es van Slooten nicht immer, mit dem Kontakt umzugehen; beim Distanzwurf präsentierte sich der Forward etwas „streaky“. Doch mit diesen Spielmacherfähigkeiten sollte das eigene Scoring gar nicht so sehr im Vordergrund stehen. Ob mittelfristig auf der Drei oder Vier: Ein solches Playmaking von den Forward-Positionen könnten für van Slooten ein Herausstellungsmerkmal werden.

Mit einem Fantasy-Gehalt von 0,15 Millionen Euro ist van Slooten beim easyCredit BBL-Manager sicherlich eine Überlegung wert. Doch wird der Jungspund konstant Fantasy-Punkte liefern können? Vielleicht ist man da bei Philipp Herkenhoff besser aufgehoben, der für 0,37 Millionen Euro zu haben ist. Melde dich jetzt kostenlos an und erstelle dein eigenes Fantasy-Team.

Ein Heraus- oder vielmehr Alleinstellungsmerkmal von Louis Olinde (Forward, Jahrgang 1998, Brose Bamberg) aufzustellen, fällt nicht ganz so leicht. Was zum einen für die Vielseitigkeit des 2,05 Meter langen Forwards spricht, zum anderen auch nach dessen herausragenden Qualität fragt.

In nur eineinhalb Jahren hat Olinde mit vier verschiedenen Head Coaches zusammengearbeitet (lässt man seine Zeit in Baunach außen vor), der neue Trainer Roel Moors ist nun der fünfte. Umstände, die für einen 21-Jährigen sicherlich nicht einfach sind. Welche Rolle nimmt Olinde ein? Auf welcher Position spielt er bevorzugt?

Olinde muss sich als Basketballer noch definieren. Hoffentlich gibt die kommende Saison mehr Aufschluss darüber. Kostja Mushidi, Olindes Teamkollege bei der U20-EM 2018, hat für ihn hingegen schon eine Definition parat: „Er macht die Drecksarbeit, die nicht viele machen wollen. So einen Spieler braucht du im Team: einen Glue-Guy, Draymond-Green-mäßig.“

Zusammengespielt auf DBB-Ebene hat Olinde in den vergangenen Jahren auch mit Nelson Weidemann (Ballhandler, Jahrgang 1999, Brose Bamberg), und wird dies auch in der kommenden Saison in Bamberg tun. Weidemann ist einer von vielen Nachwuchsspielern, die beim FC Bayern München nicht die Chance und Zeit erhalten haben, an das BBL-Niveau herangeführt zu werden (so talentierte Spieler wie Kilian Binapfl, Bruno Vrcic, Richard Freudenberg, Marko Pecarski, Amar Gegic und Karim Jallow verließen die Bayern jüngst).

Mit insgesamt sechs BBL-Minuten weist Weidemann von den bisher genannten Nachwuchstalenten die geringste Erfahrung auf höchstem deutschem Niveau auf. Allein deshalb bleibt abzuwarten, was man vom Guard erwarten kann. Der 20-Jährige besitzt das Potential eines „Three and D“-Akteurs, der sich aber in Sachen Spielaufbau und Abschluss in der Zone noch verbessern muss. Kann Weidemann als Backup ein BBL-Team offensiv dirigieren?

Mit Bruno Vrcic (Swingman, Jahrgang 2000, FRAPORT SKYLINERS) verließ ein weiterer talentierter Akteur München, um nach Frankfurt zu gehen. Der 18-Jährige machte bei der jüngsten U20-EM als Sixth-Man-Scorer mit starkem Dribbling und step-back-Dreiern von sich reden.

In den Vergangenheit hat sich Frankfurt als Standort etabliert, der einigen deutschen Spielern den nächsten Schritt ermöglicht hat (v.a. Joe Voigtmann, Danilo Barthel und Isaac Bonga). Allein deshalb und auf Grund der Ambitionen der SKYLINERS ist immer ein Blick auf einheimische Akteure in Mainhattan zu werfen – auch wenn Vrcic in der kommenden Saison noch nicht viel BBL-Luft schnuppern sollte.

Frankfurts Geschäftsführer Gunnar Wöbke gab in einer Ausgabe des teameigenen Podcasts das Ziel aus, 2021/22 um die Meisterschaft mitzuspielen: „Das heißt, dass wir in den nächsten zwei Jahren vier, fünf deutsche Spieler entwickeln müssen […], die das Niveau haben, in einer solchen Mannschaft mitspielen zu können. Wir haben jetzt schon ein paar davon – und viele, die die Leute noch gar nicht auf der Agenda haben, wie zum Beispiel Len [Schoormann]“, schnitt Wöbke damit auch an, deutsche Spieler erneut selbst entwickeln zu müssen. Dieser Aufgabe gepaart mit dem Ziel 2022 werde alles andere untergeordnet.

Neben Leon Kratzer oder Maxi Begue, die Wöbke zusammen mit Niklas Kiel genannt hat, könnte auch Vrcic dazustoßen – schließlich führte Wöbke im vor drei Monaten veröffentlichten Podcast aus: „Wir suchen noch zwei Spieler in den nächsten ein, zwei Jahren. Wenn wir sie dieses Jahr schon finden, umso schöner.“

Der lizenztechnische Aufstieg blieb Nils Haßfurther (Ballhandler, Jahrgang 1999, s.Oliver Würzburg) mit den Falcons Nürnberg verwehrt, durch seinen Wechsel nach Würzburg wird sich der 20-jährige Point Guard nun aber doch in der deutschen Beletage beweisen können. Haßfurther hat schon vermehrt Profiluft geschnuppert – eine große Portion Abgezocktheit kann man dem Guard eh zuschreiben. Zuletzt bewies Haßfurther bei der U20-EM, dass er ein Baller ist – er nahm häufig Würfe spät in der Wurfuhr, und traf davon viele. Eine solche Ruhe in brenzligen Momenten ist bei einem Spieler seines Alters beachtenswert.

Athletik und Größe (1,84m) gehen Haßfurther ab, was seine mittelfristige Zukunft auf BBL-Niveau beeinflussen könnte. Doch mit seiner Fähigkeit, beispielsweise Switches zu attackieren, hat der Guard sein Durchsetzungsvermögen bewiesen.

Dass die Würzburger zu ihrem Guard-Trio Bowlin/Hulls/Wells mit Obisie und nun Haßfurther zwei weitere Guards stellen, macht das Wucherer-Team zu einem im postmodernen Basketball interessantesten unter den BBL-Clubs.

Haßfurthers Limitationen lassen sich auch auf Bennet Hundt (Ballhandler, Jahrgang 1998, BG Göttingen) übertragen – dennoch haben beide als Starter auf der Eins deutsche Nachwuchsnationalmannschaften angeführt. Der 1,80 Meter große Hundt ist vom Sommer von der ALBA-Schule nach Göttingen gewechselt, wo er unter Head Coach Johan Roijakkers eine gute Situation vorfinden sollte. Dominic Lockhart oder Dennis Kramer sind Beispiele von jüngeren deutschen Akteuren, die bei den Veilchen einen oder gleich mehrere Schritte nach vorne gemacht haben.

Hundt wusste in der Saisonvorbereitung zu überzeugen. Und da der designierte Anführer Kyan Anderson auf Grund von „Lustlosigkeit“ bei Roijakkers derzeit zwischen „vier und 34 Minuten“ pendelt, dürfte sich für Hundt die Gelegenheit ergeben, einiges an Einsatzzeit abzugreifen.

Eine gewisse Konstante in Gießen ist Bjarne Kraushaar (Ballhandler, Jahrgang 1999, JobStairs GIESSEN 46ers). Der 20-Jährige gefiel als mannschaftsdienlicher Kreativposten schon in kurzen Phasen der vergangenen Saison, bestätigte dies auch bei der U20-EM und dürfte in der kommenden Spielzeit eine größere Rolle einnehmen – vor allem zu Saisonbeginn, haben sich die Hessen von ihrem eigentlichen Starter Alexander Abreu kurzfristig getrennt.

Lust but not least: der mit van Slooten jüngste Akteur dieser Auflistung, der aber körperlich schon enorm weit ist, Ariel Hukporti (Big Man, Jahrgang 2002, MHP RIESEN Ludwigsburg). Der 17-Jährige misst 2,13 Meter und ist, zumindest auf Nachwuchsebene, ein Biest in der Zone. In 20-minütiger Einsatzzeit markierte Hukporti bei der U20-EM 6,4 Rebounds und 1,6 Blocks im Schnitt. Offensiv kommt der Big Man noch sehr roh daher und löst im Zonenrand viel mit Power. Sein linker Hakenwurf könnte sich dennoch zu einer Waffe entwickeln.


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