BBL-Halbfinal-Vorschau: Ludwigsburg gegen München, Berlin gegen Ulm

Im BBL-Playoff-Halbfinale stehen sich die MHP RIESEN Ludwigsburg und der FC Bayern München sowie ALBA BERLIN und ratiopharm ulm gegenüber. Wo könnten die vier Teams taktisch ansetzen?

MHP RIESEN Ludwigsburg gegen den FC Bayern München

Status Quo: Die MHP RIESEN Ludwigsburg haben ein historisches Playoff-Aus abgewendet. Als Hauptrundenerster hatten sie gegen den Achten Brose Bamberg ein 2-0 in der Serie fast noch verspielt. Wobei: Auch wenn die Schwaben den Serienausgleich kassiert hatten, in der entscheidenden fünften Begegnung dominierten sie und zogen ihr Spiel durch – aus Offensiv-Rebounds holen, Ballverluste forcieren und mehr Feldwurfchancen generieren.

Der FC Bayern München hatte mit dezimierten HAKRO Merlins Crailsheim auch so seine Probleme. Vor allem den besten Offensivspieler der Liga Trae Bell-Haynes wussten die Münchener nicht in den Griff zu bekommen. Bell-Haynes ausgenommen, verteidigten die Bayern aber besser als noch in der BBL-Hauptrunde – auch wenn ihre Defense (noch) nicht EuroLeague-Niveau erreicht hat.

Ludwigsburger Ansätze

Immerhin verteidigten die Münchener im Spot-up viel effizienter – was enorm wichtig gegen den Hauptrundenersten sein wird, eines der besten Teams im Catch-and-Shoot. Kein Team hat in der regulären Saison mehr Dreier genommen als die Schwaben (30,7 3FGA) – ein großer Unterschied im Vergleich zu den Bayern (22,8 3FGA, 16.) Ludwigsburg hat von Downtown einige Optionen, und Coach John Patrick teilweise auch die Qual der Wahl bei seiner Rotation: Jonah Radebaugh und Andrew Warren begannen die Serie gegen Bamberg, ehe Barry Brown und Desi Rodriguez im vierten Spiel zurückkehrten. In der fünften Partie war es eine Kombination aus Offense (Brown) und Defense (Radebaugh).

Vor allem Brown könnte eine wichtige Rolle spielen: Denn der Guard ist die beste Eins-gegen-Eins-Option Ludwigsburgs. Die Münchener Verteidigung switcht viel – und forciert damit Abschlüsse aus der Isolation. Und das verteidigen die Bayern auch enorm gut. In dieser Saison sind die Schwaben nicht mehr so stark im und fokussiert auf das Eins-gegen-Eins (0,80 PPP; 8,0% Freq) wie noch in der vergangenen Saison (0,96 PPP; 12,6% Freq).

So sollten die Ludwigsburger versuchen, auf das Tempo zu drücken. Hier muss natürlich die unterdurchschnittliche Defensiv-Rebound-Arbeit besser werden. Die Merlins zeigten, wie man in Fastbreaks effizient agiert und so der starken Münchener Halbfeld-Verteidigung aus dem Weg geht.

Und vielleicht kann sich John Patrick auch von der Crailsheimer Verteidigung inspirieren lassen. Ging der Ball in den Post, wechselten die Merlins von einer Mann-Mann- in eine 2-3-Zonenverteidigung. Das nahm zumindest den Münchener Big Men die Abschlüsse, mitunter begingen Jalen Reynolds und Co. daraus Ballverluste. Dennoch schienen die Bayern dies antizipiert zu haben.

Als die Ludwigsburger in der vergangenen Spielzeit den Bayern deren erste BBL-Saisonniederlage hinzufügt hatten, probierte es mit Patrick mit einer besonderen Art des Doppelns im Low-Post – nicht von der Baseline, sondern von oben.

Münchener Ansätze

Die Bayern werden derweil, wie angesprochen, weiter auf ihre Switch-Defense setzen. Mit dem Wissen, dass die Ludwigsburger keinen Offensivspieler eines Kalibers wie Trae Bell-Haynes in ihren Reihen haben. Aber den MVP … der jedoch in der Serie gegen Bamberg nicht konstant zu überzeugen wusste. Die Bamberger schickten bei Pick-and-Rolls von Jaleen Smith immer wieder eine Hilfe in die Zone – sei es vom abgesunkenen Weakside-Flügelverteidiger oder von einem Verteidiger tief – und nahmen ihn so teilweise aus dem Spiel. Die starke Münchener Post-Verteidigung dürfte das Doppeln gegen Jamel McLean gar nicht so sehr brauchen – eine Option, das hat Bamberg gezeigt, ist dies dennoch in Phasen allemal. Denn sind Smith und McLean aus dem Spiel, tut sich die Ludwigsburger Offensive enorm schwer.

Die Bayern dürften das Halbfeld-Spiel bevorzugen, jedoch machten die Bamberger vor – die in der Hauptrunde ebenfalls langsam agierten und nur einen Platz vor dem 16. München rangierten –, wie man in der Early Offense Cross-Matches gegen Ludwigsburg forcieren kann. Dort haben die Münchener natürlich einige Waffen, vor allem wenn die Bayern groß spielen. Gegen die Merlins waren es so auch die Außenspieler wie D.J. Seeley oder Paul Zipser, die immer wieder das Spiel am Zonenrand suchten. Je nach Matchup, könnten die Bayern das also vermehrt forcieren (wie gegen einen Jordan Hulls).

In der EuroLeague wussten die Münchener mehr mit ihrer Defensive statt Offensive zu überzeugen. Auf BBL-Niveau sind die Bayern aber offensiv sehr talentiert: Wade Baldwin machte gegen die Merlins – neben seiner starken Eins-gegen-Eins-Verteidiger – gute Schritte als Ballverteiler, während D.J. Seeley als Ballhandler zu punkten wusste. Und Paul Zipser scheint stets früh seinen Rhythmus zu finden.

Fazit

Die einen haben bisher 82 Pflichtspiele absolviert, die anderen erst 42 – die mussten aber im Viertelfinale über die volle Distanz. Ludwigsburg und München eint derweil die Möglichkeit der Rotation: Die Schwaben haben acht ausländische Profis zur Verfügung, die Münchener ebenso (klammert man den verletzten Nick Weiler-Babb aus). Andrea Trinchieri rotierte dabei zwischen James Gist und James Johnson, Diego Flaccaodri blieb bisher außen vor – was Trinchieri vor allem dann weiterführen sollte, wenn er sich für „Big Ball“ entscheidet. Gut möglich, dass die Halbfinal-Serie ein Duell zwischen jenem „Big Ball“ und Ludwigsburger Smallball werden könnte.

Derweil ist Nihad Djedovic zurückgekehrt, nach seiner langen Pause wirkte der Flügelspieler, verständlicherweise, etwas eingerostet.. Dafür spielte sich Robin Amaize durch ordentliche Defense in die Rotation. So sind die Fragezeichen auf den deutschen Positionen bei München aktuell (noch) nicht so relevant.

Im aktuellen BBL-Podcast haben wir nach Ende von drei Viertelfinal-Serien und vor dem fünften Spiel zwischen Ludwigsburg und Bamberg unsere Eindrücke zusammengefasst und außerdem die bisherigen Playoff-Top-Performer aufgestellt.

ALBA BERLIN gegen ratiopharm ulm

Status Quo: Kein Luke Sikma, kein Johannes Thiemann, im Lauf der ersten Partie gegen die Hamburg Towers kein Louis Olinde mehr – und dennoch lieferte ALBA BERLIN das wohl überzeugendste Auftreten in der ersten Playoff-Runde ab. Nicht nur wegen des Sweeps, sondern vor allem wegen des auf dem Parkett gebrachten Offensivstils, den man von den Albatrossen kennt: viel Catch-and-Shoot, häufig in Transition, vermehrt nach Off-Screen-Aktionen abgeschlossen – und das alles sehr effizient.

In der Hauptrunde war eigentlich ratiopharm ulm das stärkere Offensivteam als Berlin, zieht man das Offensiv-Rating heran. Doch ihre historische Wurfsaison wussten die Ulmer gegen die EWE Baskets Oldenburg nicht auf das Parkett zu bringen. Überraschend stärker lag der Fokus jener Serie auf der Verteidigung. Bleibt für die Ulmer zu hoffen, dass ihr bester Verteidiger fit ist: John Petrucelli schien sich in der ersten Hälfte des vierten Spiels gegen Oldenburg verletzt zu haben, zumindest kam der Flügelspieler nach der Pause nicht mehr zurück. Auf einen Einsatz von Guard Thomas Klepeisz dürfte Ulm voraussichtlich verzichten müssen.

Berliner Ansätze

In fittem Zustand haben die Ulmer das wohl stärksten Pick-and-Roll-Quartett unter den Ballhandlern in ihren Reihen. Auftrumpfen konnte auf Berliner Seite dort zuletzt vor allem Maodo Lo und Peyton Siva. „Wenn [Lo] anfängt zu tanzen, sieht das nicht nur schön aus, es ist auch wahnsinnig schwer zu verteidigen“, weiß auch Marco Baldi. Durch ihre starke Guard-Riege, Off-Screen-Läufer Marcus Eriksson und die physisch starken Forwards Simone Fontecchio und Niels Giffey dürfte Berlin die Ulmer Außenspieler defensiv ganz schön beschäftigen.

Jedoch bewiesen die Ulmer gegen Oldenburg, dass sie im Pick-and-Roll stark verteidigen und einen Schützen wie Keith Hornsby aus dem Spiel nehmen können (wobei Oldenburg mehr aus Set-Plays agiert, und Berlin mehr aus einem freien Spiel). Die Ulmer schafften es durch eine viel stärkere Offensiv-Rebound-Arbeit, das Oldenburger Transition-Spiel einzuschränken. Genau auf den Schnellangriff sollten auch die Albatrosse setzen. Hier wäre die Rückkehr der Frontcourt-Spieler wichtig, um die Defensiv-Rebounds zu sichern.

Auch offensiv: Oldenburgs Rasid Mahalbasic legte ab und an Schwächen in der Ulmer Post-Defense offen, doch den Berlinern fehlt(e) eben ein solcher Spieler: Vor allem Luke Sikma, in ähnlicher Rolle wie Mahalbasic als Post-Spielmacher, wäre hier wichtig. Jedoch suchen die Berliner eh gerne Post-ups ihrer Flügelspieler, in erster Linie von Akteuren wie Niels Giffey und Simone Fontecchio.

Defensiv werden die Berliner vom Auftreten Oldenburgs etwas mitnehmen können: Denn die Baskets störten den Ulmer Offensivrhythmus dank einer Zonenverteidigung enorm. Dabei sind es eigentlich die Albatrosse, die für ihre Zone bekannt sind. So dürften die Berliner – vor allem mit Chris Koumadje – häufiger auf diese Verteidigungsart zurückgreifen. Übrigens: Verteidigte der 2,21-Meter-Mann Hamburger Werfer, forcierte Koumadje eine Wurfquote von nur 21,7 Prozent!

In der Mann-Mann-Verteidigung attackierten die Ulmer häufig Mahalbasic im Pick-and-Roll, mit Ben Lammers (der im basketball.de-Interview über die Kunst des Verteidigen gesprochen hat) wartet bei Berlin aber ein anderes Defensivkaliber. Die Berliner spielten gegen die Towers häufiger mit einer Drop-Coverage – und nahmen so Maik Kotsar aus dem Spiel.

Ulmer Ansätze

Die Ulmer haben mit Dylan Osetkowski aber einen offensiv versierteren Center in den Reihen als Kotsar. Sehr häufig hat der Ulmer Big Man den Ball am Flügel in den Händen – als Passgeber für Baseline-Cutter oder als Pick-and-Pop-Option. Für gewöhnlich hat Osetkowski ein gutes Gespür für den Offensivfluss seines Teams – wenn er sich nicht selbst aus dem Spiel nimmt – und forciert nichts. Dabei könnte Osetkowski ruhig noch häufiger den Abschluss aus dem Sprungwurf suchen.

Offensiv muss Jaka Lakovic die Zeit genutzt haben, um sich gegen Zonenverteidigung etwas einfallen zu lassen. Backup-Center Isaiah Wilkins ist eigentlich ein guter Passer nach Short-Rolls, Osetkowski eh, doch am High-Post waren die Ulmer Center selten zu finden.

Troy Caupain mag seine Zahlen aus dem Ende der Hauptrunde, als er wie ein Late-Season-MVP agiert hat, nicht gehalten haben. Doch den Ball aus seinen Händen zu bekommen, darauf fokussierten sich die Oldenburger auch. Dennoch wusste Caupain in kurzen Momenten oder in der Crunchtime doch noch aufzudrehen sowie das Spiel auf andere Weise zu beeinflussen, als durch sein Scoring. Das Pick-and-Roll mit Osetkowski ist dabei eine Waffe. Und gegen kleinere bzw. schmächtigere Berliner Guards – wie Lo und Siva – könnte Caupain auch wieder vermehrt das Post-up suchen (was die Ulmer gerne forcieren, und was ein Zeichen ihrer Vielseitigkeit in der Offense ist).

Die Ulmer kamen gegen Oldenburg durchaus immer wieder zu offenen Würfen, doch mitunter standen dort die „falschen“ Spieler frei. Auch gegen Berlin ergeben sich offene Würfe – wenn die Berliner in ihrer „Next“-Defense verteidigen und so den Raum am Flügel freimachen, wo sich Dreier (bzw. auch Cuts) von 45 Grad ergeben. Genug Wurfoptionen haben die Ulmer, allen voran durch Andi Obst. Der Ulmer war unter den Werfern der effektivste Spieler der Hauptrunde – übrigens vor Berlins Marcus Eriksson.

Fazit

Berlin gegen Ulm klingt nach begeistertem Offensivbasketball, aber beide Teams agieren auch stark in der Verteidigung – die Albatrosse als beste Defense der Liga. Die Ulmer haben gegen Oldenburg gezeigt, wie sie ein offensiv vielseitiges Team an die Kette nehmen können. Doch die Berliner dürften dank ihres Sweeps sowie der Minutenverteilung mit frischeren Beinen in die Serie gehen, und von den Guards dürfte mehr kommen als von den Oldenburgern.