Ben Lammers: „Als guter Verteidiger musst du dich damit abfinden, nicht aufzufallen“

Ben Lammers ist in Europa angekommen. Nach einer hochdekorierten NCAA-Karriere an der Georgia Tech ist der Center über Bilbao in Berlin gelandet. Im Exklusiv-Interview spricht Lammers über seine High-School-Zeit, die Rekrutierung durch College-Coaches, Parallelen zwischen Maschinenbau und Basketball sowie die Kunst des Verteidigen.

basketball.de: Hast du dich mittlerweile in Berlin eingelebt?

Ben Lammers: Ja, auf jeden Fall. Bislang ist es ziemlich gut, trotz des Lockdowns, wegen dem ich Berlin noch nicht „richtig“ kennengelernt habe.

Wenn jemand aus den USA dich besuchen würde, was würdest du auf alle Fälle zeigen?

(überlegt) Ich bin echt schlecht, mir konkrete Sehenswürdigkeiten zu merken. Aber im Regierungsviertel – ich fahre da oft auf dem Weg zum Training durch – sind viele wichtige Gebäude. Und ich mag auch die alte Architektur.

Lustig eigentlich, wir Europäer finden eure Skylines so interessant, während es bei euch genau anders herum ist … Wie bist du in Berlin eigentlich unterwegs? Mit dem Auto oder Fahrrad?

Ich fahre meistens mit dem Auto. Wir bekommen ja alle eins vom Verein gestellt.

Ben Lammers überzeugt als starker Alley-Oop Finisher

Ich habe mitbekommen, dass du auch Ingenieur bist?

Ja, ich habe einen Abschluss in Maschinenbau. Das gibt es gar nicht so oft, dass Basketballspieler gleichzeitig Ingenieure sind. Es hat damals echt viel Zeit in Anspruch genommen.

Gibt es Parallelen zwischen dem Ingenieurwesen und dem Basketball? Die Winkel, wie die Bälle fliegen?

Ja, es gibt schon einige Verbindungen. Aber es ist nicht so, dass ich irgendwelche Rechnungen anstelle, bevor ich werfe. Trotzdem sind das ziemlich unterschiede Felder, was das Skill-Set angeht …

Kennst du Holger Geschwinder, den Coach von Dirk Nowitzki?

Ja. Ich habe mal auf Sport Science einen Beitrag gesehen. Ist er nicht der Typ, der mit Nowitzki in der Offseason diese unorthodoxen Übungen gemacht hat? Eigenartige Würfe und Floater?

Ja, genau. Er hat auch viele aus der deutschen „Goldenen Generation“, die Generation um Nowitzki, im Sommer trainiert. Da sind sie dann gerudert oder haben von einem Saxophon begleitet Basketball gespielt. Basketball und Jazz hieß das. Worauf ich aber hinaus will: Geschwindner hat einen Simulator entwickelt, der berechnet, wie man auf der Erde, dem Mond usw. werfen muss …

Das wusste ich nicht, dass er das alles berechnet hat.

Er hat tatsächlich Simulationen über Basketball auf dem Mond gemacht.

Wir hatten [am College] in Georgia Tech nur eine Maschine, die mir genau meinen Wurfwinkel angezeigt hat und wo ich auf dem Ring treffen würde: vorne, an der Seite. Das geht bestimmt in die gleiche Richtung.

„Tim Duncan ist der Spurs-GOAT“

Da du in San Antonio aufgewachsen bist, muss dich vorab fragen: Wer ist der Spurs-GOAT?

Ich wurde genau zur richtigen Zeit geboren, um Spurs-Fan zu sein: ein paar Jahre vor ihrem ersten Titelgewinn [1999, Lammers ist Jahrgang 1995, Anm. d. Red.]. Gleichzeitig war das natürlich die „prime-Prime“ von Tim Duncan. Also muss ich schon sagen, dass es Tim Duncan ist. Du kannst natürlich für viele Spieler argumentieren: David Robinson oder auch Manu Ginobili, das sind alles einflussreiche Spieler.

Du bist in Alamo, nahe San Antonio, zur High-School gegangen. Wann hast du dich dazu entschieden, Profi werden zu wollen?

Als Kind war es immer eine Art Traum von mir, Basketball professionell zu spielen. Als Heranwachsender wurde das immer realistischer, und als Senior in der High-School war es ein festes Ziel.

Aber auf der High-School war es erstmal dein Ziel, ein Sportstipendium an der Uni zu kriegen?

Ja, normalerweise ist das an der High-School so. Ich meine, nicht jeder ist LeBron James. In der Regel versucht man zuerst, ein Stipendium zu bekommen, und dann schaut man weiter.

Hast du in San Antonio AAU gespielt?

Ja, ich habe in einem Team gespielt. Wir sind auf viele Turniere gefahren, nach Las Vegas und eigentlich im ganzen Land.

Vollgestopfte Sommerferien, oder?

Ja, wir sind eigentlich nur herumgereist und haben Basketball gespielt.

Das muss der Traum eines Teenagers sein: herumfahren und Basketball spielen …

Ja, auf jeden Fall. Das ist eine dieser Sachen, die ich damals richtig genossen habe. Aber wenn ich jetzt darauf zurückblicke: Meine Eltern mussten ganz schön viel durchmachen. Mich überall bei der Hitze hinzufahren und dann acht Stunden in einer vollgestopften, künstlich klimatisierten Halle zu verbringen. Wirklich, Hut ab, dass meine Eltern das mit durchgezogen haben.

Ist San Antonio die beste Basketball-Stadt in Texas, wenn es um die Talentförderung geht?

Ich muss schon sagen, dass Houston und Dallas stärker sind. Aber die Städte sind natürlich auch viel größer. San Antonio ist aber schon in den Top-drei.

Zurück zum Spurs-Basketball. Mittlerweile ist er ja eine richtige Marke geworden. Was zeichnet Spurs-Basketball aus?

Ich glaube, es ist vor allem, Teambasketball zu spielen, nicht so viel Eins-gegen-Eins. Wenn ich mir jetzt die ganzen Highlights von damals anschaue, den Ball 15 Mal vor dem Werfen zu passen, dann schaut man sich das gerne an, das macht Spaß.

Das ist auch ein Ding bei ALBA BERLIN, oder? Kaum einer von euch spielt sehr viel mehr als 20 Minuten. Da ist es dann auf der anderen Seite schwer, Awards zu gewinnen. Und trotzdem scheint ihr alle ziemlich gut drauf zu sein und eine tolle Chemie zu haben. Was ist so speziell daran, bei ALBA zu spielen?

Zuerst hat ALBA einen super Job bei der Akquise von Spielern gemacht. Das macht mir diese Saison besonders viel Spaß. Wir haben echt niemanden, der sich in den Vordergrund stellen möchte. Ich mag meine Teamkameraden alle echt gern – was es dann auch einfacher macht, miteinander zu spielen. Das macht die Trainings und Spiele natürlich leichter. Es führt auch dazu, dass wir uns immer freuen, uns zu sehen. Und wir wollen uns gegenseitig in Szene setzen. Sowas färbt ab.

Noch einmal zurück zu deinen College-Tagen: Du warst ja auf der Georgia Tech, einer renommierten Uni, die u.a. auch Stephon Marbury besucht hat. Und in deinem Junior-Jahr hat Josh Pastner übernommen. Wie hat Pastner dich beeinflusst?

Das war eine interessante Zeit. Immer, wenn der Coach wechselt, weiß man nicht, was passiert. Vor allem im College, wo die Trainer so viel Macht besitzen, ist das eine große Sache. Und ich hatte nur noch zwei Jahre zu spielen. Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, aber es hat am Ende sehr gut funktioniert. Wir haben uns gut ergänzt, und sein Stil zu coachen passte zu meinem Stil zu spielen.

„Der Rekrutierungsprozess der College-Coaches kann ganz schön anstrengend sein“

In Deutschland haben wir nicht das System, dass du für deine Schule spielst und dann auf die Uni gehst und dort spielst. Wir haben eher die Club-Kultur, und dann später die erste bis vierte Liga, in der die Heranwachsenden spielen. In dieser Hinsicht ist so ein Rekrutierungsprozess, wie es die Colleges in den USA praktizieren, nicht gang und gäbe. Wie ist das bei dir abgelaufen?

Es war sehr wild. Ich schätze, dass ich doch einer der Typen war, der viel umworben wurde. Die College-Coaches dürfen mit den Schülern bis zu Beginn ihres Junior-Jahrs [das vorletzte Jahr in der High-School, Anm. d. Red.] keinen Kontakt mit uns haben. Es gibt einige Regeln für die Kontaktaufnahme zu Schülern. Und es ist schon lustig, wie dann die Coaches alle auf einmal ankommen. Aber ja, das kann auch sehr anstrengend sein. Ich würde mich als eher introvertiert beschreiben, ich rede nicht so gern. Und die Coaches rufen echt teilweise jeden Tag an, und du telefonierst dann eine Stunde mit ihnen. Das kann auch ganz schön anstrengend sein.

Das kann ich mir vorstellen. Wann hast du dich für Georgia Tech entschieden?

Zu Beginn meines Senior-Jahres. Vorher hatte ich meine Liste an Colleges auf vier reduziert: Marquette, Stanford, Miami und Georgia Tech. Letztendlich hat mir Georgia Tech am besten gefallen – und so bin ich dort gelandet.

Wie funktioniert es dann, wenn du deine Auswahl auf vier Schulen reduziert hast? Wird das dann den anderen Coaches mitgeteilt, oder rufen die immer noch an?

Wenn du deine Auswahl reduzierst, dann sagst du den Coaches ab. Einige nehmen es auch professionell. Es ist schließlich ein Geschäft. Aber andere, ich meine, die rufen dich ein Jahr lang jeden Tag an, ja, … (schmunzelt) die nehmen das nicht so gut auf.

Und du darfst ja keinen Agenten beauftragen, oder?

Ja, das kommt noch dazu. Das näheste an einem Agenten war mein AAU-Coach. Der konnte mir hier und da mit den Telefonaten helfen. Aber ja – einen Agenten durfte ich nicht beauftragen. [1]

Wieso hast du Georgia Tech den Zuschlag gegeben? Ich meine, auch Stanford hat einen super Ruf bei den wissenschaftlichen Fakultäten. Marquette hat dafür ein sehr renommiertes Basketball-Programm, mit Alumnis wie Dwyane Wade.

Beim Rekrutierungsprozess laden dich die Colleges auch auf den Campus ein und führen dich herum. Bei Georgia hat der Vibe gestimmt. Die Teammates waren nett, der Campus war schön.

„Mir hat dieser Trial-and-Error-Prozess Spaß gemacht“

War es für als Ingenieur auch ausschlaggebend, dass Georgia Tech eine technische Universität ist?

Definitiv! (lacht) Sie haben mir ihr Labor gezeigt, zu dem ich dann Zugang hatte. Da hatten sie viele coole Sachen drin. Allerlei 3D-Drucker und andere Maschinen, mit denen man Dinge bauen konnte. Das war auf jeden Fall imponierend.

Gibt es ein Teil, das du gebaut hast, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

(lacht) Ich habe einem Grad-Student bei seinem Projekt geholfen. Das hat Spaß gemacht. Meine Aufgabe war es, diese ziemlich komplizierte Maschine richtig einzustellen und zu programmieren. Andere würden vielleicht denken: „Das ist nicht meins.“ Aber mir hat dieser Trial-and-Error-Prozess, der sich teilweise über Wochen gezogen hat, Spaß gemacht. Dann Erfolg damit zu haben, das Gefühl ist schon vergleichbar mit einem getroffenen Gamewinner.

Wie hast du das alles unter einen Hut bekommen? In deinem Junior-Jahr warst du einer der besten Spieler der ACC – einer der besten, wenn nicht der besten Division im College-Basketball mit renommierten Programmen wie Duke oder UNC. Du hast quasi vier Jahre professionell Basketball gespielt und nebenher ein Ingenieur-Studium abgeschlossen.

(lacht) Ich würde ja gerne behaupten, dass ich ein gutes Zeitmanagement habe, aber das war nicht immer der Fall. Eigentlich war es vor allem meine Begeisterung für Basketball und das Ingenieuerwesen. Dafür habe ich auch ein paar Tage bzw. Nächte in Kauf genommen, an denen ich wenig geschlafen habe. Manchmal hatte ich vor Spielen auch echt viele Hausaufgaben auf, da musste ich Opfer bringen und ein paar Sachen auf und zur Seite schieben, wenn ich vor Spielen schlafen wollte. Es war schwer, die Balance zu finden – und es war definitiv Schlafentzug.  

Wer war der Gegenspieler in der ACC, der dir die meisten Probleme bereitet hat?

Wie du bereits gesagt hast, es gab viele Programme mit großen Talenten, die dann aber auch nur ein Jahr auf dem College waren. Mit denen konnte ich keine Rivalität starten, wenn ich nur ein-, zweimal gegen sie gespielt habe. Auf der University of Georgia, die nicht in der ACC war, aber gegen die wir doch oft gespielt haben, gab es einen Spieler, der einen ähnlichen Spielstil wie ich hatte. Bei unseren Spielen hatten wir dann oft beide 18 Punkte und zehn Rebounds; wir hatten versucht, uns gegenseitig auszustechen.

Gibt es einen Spieler, dem man sein Talent direkt angesehen hat?

(überlegt) Schwierig. Ich habe gegen Jayson Tatum gespielt, aber hey, die ACC hat viele gute Spieler, die aus unerklärlichen Gründen keine Profis geworden sind. Aber Jayson Tatum konnte 20 Punkte erzielen, ohne dass du irgendwas dagegen machen konntest.

Was sind die größten Unterschiede zwischen College-Basketball und dem Basketball in Europa?

Im europäischen Basketball sind die Spieler schon abgezockter. Vielleicht sind sie nicht so athletisch, aber sie haben mehr Know-How und wissen, was sie tun müssen, um ihrem Team zu helfen. Es gibt viele Spieler, die vielleicht nur acht Punkte machen, aber 15 Rebounds holen, ihre Nischen finden und so Profi bleiben.

Was ich mich beim College-Basketball gefragt habe: Du spielst gegen Syracuse, die nur 2-3-Zone spielen, und keiner geht in den High-Post. So etwas würde in Europa nicht passieren …

Ja, klar. Viele sind es nicht gewohnt, gegen Syracuse zu spielen. Die sind noch sehr jung und haben nicht den Basketball-IQ eines 35-Jährigen, der die Plays viel besser liest und besser darauf reagiert. Das braucht natürlich Zeit und Erfahrung, die fehlt am College.

Deine erste Profistation in Europa war Bilbao. Wie bist du dorthin gekommen?

Nachdem ich meinen Agent verpflichtet habe, hat er die ganze Arbeit übernommen. Es gab einige Optionen, und er hat mir zu Bilbao geraten. Es war die Möglichkeit, sich zu beweisen. Und obwohl wir nur in der zweiten Liga waren, hatten wir viel Glück und sind in die ACB aufgestiegen. Das hat dann dafür gesorgt, dass dich die Leute auch gesehen haben. So hat mein Name auch die Runde gemacht. Ich habe die ersten beiden Jahre dort sehr genossen. Und es ist auch ein Zufall, dass Coach Aíto mal in Bilbao trainiert hat.

Hat er dich dann auch nach Berlin geholt?

Mein Agent hat mir gesagt, dass ALBA interessiert sei. Alex Mumbru, mein Coach in Bilbao, hat natürlich gewusst, dass das ein Angebot ist, das schwer abzulehnen ist. Und über Aíto konnte er auch kein schlechtes Wort verlieren …

Ich habe Simone Fontecchio das gleiche gefragt: Auch du bist ein sehr guter, dekorierter Verteidiger. Was zeichnet einen guten Verteidiger aus? Welche Qualitäten muss man mitbringen?

Defense ist sehr anders als Offense. In der Defense fällst du nicht so auf. Du kannst ein guter Verteidiger sein, ohne, dass du dem Durchschnitts-Zuschauer auffällst. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die da zusammenspielen und gleichzeitig nicht auffallen. Als guter Verteidiger musst du dich damit abfinden, trotz einer guten Arbeit nicht aufzufallen.

Eine Sache, die heutzutage immer wichtiger wird, ist die Pick-and-Roll-Defense von Big Men. Big Men, die das können, werden immer wertvoller. Du bist ein ziemlich ansehnlicher Pick-and-Roll-Verteidiger.

Okay, lass mich mal ausholen. Es gibt zuerst verschiedene Arten, das Pick-and-Roll zu verteidigen. Dann musst du gleichzeitig wissen, wer der Point Guard ist. Du musst immer wissen, wie er mit dem Ball umgeht. Wenn es ein Guard ist, der auf den Pass schaut, musst du deinen Big Man mehr verteidigen und absinken. Scorer doppelt man mehr. Es gibt auch einige Spieler, da ist es egal, was du machst, z.B. Walter Tavares von Real Madrid. Da kannst du nichts machen, da kommst du schwer ran. Es ist wirklich viel Feinmechanik.

Du scheinst eine gute Balance zwischen dem Abfälschen von Lob-Pässen und der Beeinflussung von Würfen der Guards zu finden. Achtest du auf Indikatoren, wann du weiter absinkst oder den Ball unter Druck setzt?

Ja, das braucht natürlich viel Routine und Gefühl. Ich achte immer darauf, ob der Guard pausiert, wohin er schaut und ob er zum Wurf ansetzt. Gleichzeitig können dich gute Guards so natürlich ausspielen.

Das ist dann wie ein Schachspiel, oder?

(lacht) Das ist wahr!

„Ich will den Guard immer dazu bringen, seine Entscheidung zu hinterfragen“

Eine letzte Frage zu Pick-and-Rolls: Was sind die häufigsten Fehler, vor allem von Big Men?

Häufig die mangelnde Bewegung. Du darfst nicht aufhören, dich zu bewegen, auch wenn du geschlagen bist. Das hat auch mit Einsatz zu tun. Einsatz zu zeigen, ist sehr wichtig. Außerdem musst du deinen Gegner kennen. Sollst du einen Guard doppeln, der nicht werfen kann? Wie viel Spielraum gibst du einem Spieler, der für andere kreiert? Der Guard soll eine Fehlentscheidung treffen, das ist das Ziel.

Du willst den Guard also zu einer bestimmten Entscheidung zwingen?

Ja, genau. Ich will den Guard immer dazu bringen, seine Entscheidung zu hinterfragen. Wenn er zum Wurf ansetzt, gehe ich dichter drauf – soll er nun doch passen? Vielleicht pausiert er ein Sekündchen, was seinen Wurfrhythmus stört. Oder wenn er zum Pass ansetzt, muss ich zurückfallen, vielleicht fängt er in der Luft zu überlegen an und spielt so einen schlechten Pass.

In der Help-Defense wirkt es so, dass du sehr früh rotierst. Wieso rotierst du früh, welche Vorteile und Nachteile ergeben sich dadurch?

Für mich persönlich funktioniert das gut, du hast es ja bereits angesprochen, weil ich eben gut im Rückwärtslaufen unterwegs bin. Dabei habe ich immer einen guten Riecher, um den Lob-Pass abzufälschen. Auch hier versuche ich meine Vorteile auszuspielen. Mein Ziel ist es, zu verhindern, dass der Guard direkt scoren oder den Post so bedienen kann, dass er einen einfachen Wurf hat. Dabei muss ich aber natürlich aufpassen: Vor allem darf ich meinen eigenen Gegenspieler nicht aus den Augen verlieren.

Worauf achtest du beim Shotblocking?

Das kann ich dir gar nicht so genau sagen. Ich war einfach schon immer gut darin, Würfe zu blocken. Das Timing des Sprungs ist eine Sache, an der man arbeiten kann, aber auch hier muss man es im Spiel erfahren: Training durch Spiel. Was hilft, ist natürlich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein.

„Christ Koumadje wollen wir weiter integrieren, dazu hatten wir noch nicht so viel Zeit“

Ihr könnt nach dem Ende eurer EuroLeague-Saison wieder mehr trainieren. Woran arbeitet ihr individuell?

Vor allem ist es mal wieder schön zu trainieren. Viele versuchen, sich erstmal zu rehabilitieren. Wir hatten lange keine lange Pause mehr gehabt, dementsprechend ist es wichtig, zuerst auf den Körper zu schauen. Basketballtechnisch arbeite ich vor allem an den Skills, die mein Team von mir in dieser Saison braucht, z.B. das Finishen am Korb. Im Team vertiefen wir unsere Plays. Auch Christ Koumadje wollen wir weiter integrieren, dazu hatten wir noch nicht so viel Zeit. Das ist ein großer Punkt.

Sprichwörtlich groß. Aber er ist wirklich sehr lang und hat auch noch so lange Gliedmaßen. Weißt du, welche Armspannweite er hat?

Das kann ich dir aus dem Kopf nicht sagen. Ich weiß aber, dass er dunken kann, ohne zu springen.

Jeder Spieler hat einen Aspekt an seinem Spiel, den er als unterschätzt bewerten würde. Was ist das bei dir?

(überlegt) Was mittlerweile wertgeschätzt wird, aber in Berlin nicht mehr so oft zum Vorschein kommt, ist, dass ich ein guter Abroller beim Pick-and-Roll bin.

Ein hypothetischer Freund hat ein Angebot von ALBA. Was würdest du ihm sagen, dass bei ALBA heraussticht?

Die Atmosphäre in der Halle. Das liegt dann, würde ich mal sagen, am Personal auf dem Feld und abseits davon. Hier freuen sich wirklich alle, sich gegenseitig zu sehen und miteinander zu arbeiten. Es gibt ja auch Situationen, wo das nicht so ist. Aber hier arbeiten wir wirklich gut zusammen. Ich bin froh, hiervon ein Teil zu sein.

Wer ist der beste Eins-gegen-Eins-Spieler bei ALBA?

(überlegt) Wir hatten noch nicht viele Eins-gegen-Eins-Turniere mit dem ganzen Team. Das wäre eigentlich ganz interessant. Lass mich kurz überlegen. Aus dem Bauch heraus würde ich Maodo Lo nennen. Er kann sich aus dem Dribbling jeden Jumpshot erarbeiten, den er möchte. Aber wenn Luke Sikma von der Dreierlinie bis zum Korb aufposten kann, hat er es gegen ihn natürlich schwer. Jetzt sind bestimmt alle angepisst, weil ich sie nicht zuerst genannt habe.

Was glaubst du, hat Simone Fontecchio geantwortet?

(überlegt) Hat er sich selbst genannt (lacht)?

Nein, er hat tatsächlich auch Maodo genannt.

Naja, du hast ja auch die Spiele gesehen. Er ist so schnell. Wenn ich ihn verteidigen müsste, würde ich an der Freiwurflinie warten und versuchen, ihm den Dreier schwer zu machen. Er ist natürlich ein passabler Dreierwerfer, aber wenn ich zu eng an ihm dran bin, ist er einfach weg, dafür ist er zu schnell.

„Ich will an meinem Dreier arbeiten und mit mehr Power am Korb abschließen können“

Wie sieht deine Offseason aus? Was kommt in deine basketballerische Werkzeugkiste?

Normalerweise bin ich in Atlanta bei meiner Freundin, außerdem kann ich den Campus der Georgia Tech nutzen – das ist eine Win-Win-Situation. Dieses Jahr bin ich wegen vieler Gründe in Texas. Dort will ich vor allem an meinem Dreier arbeiten, um das Spiel noch breiter zu machen. Außerdem will ich mehr mit Power am Korb abschließen können.

Letzte Frage: Wie sieht dein All-Spurs-First Team aus?

Tim Duncan muss auf jeden Fall rein als Power Forward. David Robinson als Center. Dann natürlich Tony Parker und Manu Ginobilli.

Bruce Bowen oder Kawhi Leonard?

Weißt du, Kawhi ist der bessere Spieler, keine Frage. Aber wer hatte die bessere Spurs-Karriere? Ich glaube, da muss ich mich für Bruce Bowen und seine Dreier aus der Ecke entscheiden.

Okay, drei weitere Bankspieler, positionslos.

Da muss ich die letzten 20 Jahre nochmal kurz Revue passieren lassen … Ich mochte Matt Bonner schon immer sehr, die „Red Mamba“. Natürlich ist er kein Top-sechs-Spieler, aber er hat einfach Kultstatus. Jetzt würde ich auf jeden Fall auch Kawhi nehmen, auch wenn er keine lange Karriere bei den Spurs hatte. Und weißt du was? Das ist jetzt vielleicht etwas weird, aber ich nehme Speedy Claxton. Ich fand als Kind seinen Namen super – und er hat nicht schlecht gespielt.

Ich hätte sonst noch Boris Diaw und Avery Johnson nominiert …

Das sind natürlich gute Picks. Du hast so viele Möglichkeiten, aber klar. Diaw hatte wohl einen größeren Einfluss als Speedy Claxton …


[1] Da die StipendiatInnen an den Colleges den Status der Amateursportler haben müssen, dürfen die angehenden Stipendiaten weder einen Profi-Vertrag unterschrieben haben (was für viele europäische StipendiatInnen problematisch sein kann – ein berühmtes Beispiel ist Enes Kanter) oder einen Agenten anheuern. Das Anstellen eines Agenten ist gleichzeitig das inoffizielle Zeichen für die Talente auf den Colleges, dass sie sich für die Profi-Karriere, sprich: NBA-Draft, entschieden haben – und ihr Studium vorerst auf Eis legen.