Andi Obst: „Wir brauchen uns vor keinem verstecken“

Andreas Obst will mit der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft für Furore sorgen. Im Exklusivinterview spricht der Guard über die ACB, Jaka Lakovič und Henrik Rödl.

Andreas Obst hat bei ratiopharm ulm unterschrieben und kehrt damit in die easyCredit BBL zurück. Davor will der Edelschütze aber erst einmal zur Weltmeisterschaft nach China und dort mit der deutschen Nationalmannschaft für Furore sorgen. Im Exklusivinterview erklärt der 23-Jährige, wer ihm im Nationalteam beim Werfen das Wasser reichen kann und was er von Ulms neuem Coach Jaka Lakovič erwartet.

„In der ACB ist jedes Spiel ein Kampf“

basketball.de: Nach einem Jahr in der spanischen ACB bist du zurück in Deutschland. Was waren die Gründe für deinen Wechsel nach Ulm?

Andreas Obst: Der Hauptgrund war, dass ich in Ulm EuroCup spielen kann, also auf dem zweithöchsten internationalen Niveau in Europa, was schon sehr cool ist. Das wird auf jeden Fall eine große Herausforderung, wenn man sieht, welche Teams bei uns mit in der Gruppe sind. Da ist zum Beispiel Virtus Bologna mit Miloš Teodosić, Stefan Marković und noch anderen starken Spielern.

Und Ulm ist auch ein guter und stabiler BBL-Verein. Das reizt mich natürlich schon und passt zu dem Weg, den ich gehen möchte. Auch mit dem neuen Trainer Jaka Lakovič, der ein sehr guter Spieler war und schon einiges an Erfahrung gesammelt hat als Spieler und auch als Assistant Coach. Und deswegen bin ich überzeugt, dass Ulm der richtige Schritt für mich ist.

Jaka Lakovič ist ein gutes Stichwort. Hast du ihn bereits kennengelernt?

Ich habe mit ihm bisher nur telefoniert. Als ich in Ulm war, war er leider nicht da. Er macht einen sehr netten, einen sehr entspannten und ruhigen Eindruck. Er ist jemand, der weiß, was er will. Er weiß, wie er spielen lassen will. Und ich denke, dass er auch weiß, wie er eine gute Spielphilosophie und Team-Chemie in die Mannschaft reinbringt.

Jetzt habt ihr jüngst mit Zoran Dragić noch einen Kracher verpflichtet, auch jemand für deine Position eventuell. Was sagst du dazu?

Das ist natürlich sehr gut für uns. Wir haben jetzt einige Guards, und die müssen natürlich auch alle irgendwie ihre Spielzeit bekommen. Von daher wird Zoran, denke ich, mehr auf der Drei spielen. Trotzdem ist es natürlich gut, so einen Spieler in der Mannschaft zu haben, der bereits viel Erfahrung gesammelt und in guten Mannschaften gespielt hat. Das wird uns jüngere Spieler auf jeden Fall weiterbringen.

Du hast vor der Saison bei Obradorio im Interview mit uns die spanische Liga für ihre Taktik und Technik gelobt. Haben sich deine Erwartungen bestätigt, oder gab es Dinge, von denen du überrascht warst?

Ja, ich war positiv überrascht. Die Liga ist sehr kompetitiv. Da ist jedes Spiel ein richtiger Kampf. Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Es wird sehr guter Teambasketball gespielt mit sehr hohem IQ. Da kann jeder jedem irgendwie weh tun. Es kommt selten vor, dass einer mal allein spielt sozusagen, also ein Ego-Zocker ist. Da wird wirklich sehr technisch gespielt, viel der Ball bewegt und an sehr viel Details gearbeitet. Es war daher keine einfache Entscheidung für mich, die ACB wieder zu verlassen, aber letztlich wollte ich lieber nächstes Jahr im EuroCup spielen.

Gleichzeitig hattest du damals sehr ehrliche Worte über die BBL gefunden. Du hast von einem „Gebolze“ gesprochen und gesagt, dass du keine Lust mehr auf Deutschland hast. Siehst du die BBL nach wie vor so?

Klar gibt es immer noch ein paar Dinge an der deutschen Liga, die mir nicht so gefallen. Aber am Ende ist es auch ein Business, und es geht um die Frage „Wie komme ich am besten weiter“? Ich denke, dass es in der Liga noch ein paar Sachen gibt, die nicht jedem passen oder die nicht immer perfekt sind. Das ist klar, es ist niemals alles perfekt.

Aber es ist gut, wenn jetzt auch wieder ein paar Deutsche mehr in der BBL spielen und die Liga dadurch pushen. Man hat auch in den letzten Jahren gesehen, wie Trainer wie Aíto in Berlin oder Pedro Calles in Vechta eine Teamphilosophie und diesen Teamgedanken in die Liga reinbringen, der typisch spanisch ist. Das macht schon Spaß, dort zuzuschauen, und bringt auch den Basketball voran: Denn es ist erstens attraktiv anzuschauen, und zweitens macht es der Mannschaft Spaß, weil jeder im Team involviert ist. Ich denke, dass das auch bei uns unter Lakovič so ähnlich sein wird, da er lange in Spanien gespielt hat sowie als Assistant Coach dort schon tätig gewesen ist und auch weiß, wie man Basketball spielt.

Also erhoffst du dir, dass er einen ähnlichen Basketball spielen lässt wie in der ACB?

Ja. Also einen sehr schnellen Basketball, viel Basketball-IQ und Ballbewegung, viele Freiheiten.

„Rödl identifiziert sich zu 100 Prozent mit der Nationalmannschaft“

Du hast zwar erst im November 2017 für die A-Nationalmannschaft debütiert, bist aber gefühlt schon richtig etabliert. Du warst bei den meisten Qualifikationsspielen dabei. Wäre es für dich daher eine Überraschung, wenn du es am Ende nicht in das finale Aufgebot schaffen solltest?

Da kann man nicht viel zu sagen. Es wurden 16 Leute nominiert, von denen noch vier gecuttet werden müssen. Und jetzt muss man schauen, wen der Trainer mit zur WM mitnehmen will und welche Vorstellungen er an den Kader hat. Es ist klar, dass jeder dabei sein will. Jeder möchte sich dort zeigen und dieses Erlebnis mitmachen und seinen Teil dazu beitragen. Aber wie gesagt, am Ende kommt es darauf an, wie der Trainer spielen will und wie er sich die Mannschaft vorstellt.

Dennoch bist du bereits ein wichtiger Bestandteil des Teams. Das erkennt man beispielsweise daran, dass auch Plays für dich gelaufen werden und du wichtige Würfe am Ende des Spiels nimmst, wie vergangenen Februar gegen Israel. Gibt dir das zusätzliches Selbstvertrauen?

Definitiv. Es gibt mir schon Selbstvertrauen, wenn ich merke, dass das Vertrauen da ist vonseiten der Mitspieler und sie mir den Ball in die Hand geben und sagen, dass ich das Ding draufwerfen soll.

Der Wurf ist ja irgendwie dein Markenzeichen im DBB-Team. Gibt es hier jemanden, der da mithalten kann?

Ja, vorhin habe ich ein Shooting-Duell gegen Robin Benzing verloren, das wurmt mich schon noch ein bisschen. (schmunzelt) Aber klar, Robin ist auch ein hervorragender Schütze, der aus allen Lagen treffen kann. Und es bleibt auch nicht lange so, also die Revanche kommt demnächst. (lacht)

Du kennst Henrik Rödl schon etwas länger als die meisten anderen, da du in der U20 unter ihm gespielt hast. Was zeichnet ihn aus? Was ist er für ein Typ?

Er ist ein Trainer, der weiß, was er will. Er gibt Sachen vor, an die wir uns halten sollen, aber lässt den Spielern gleichzeitig auch Freiheiten. Letztlich sagt er, dass jeder seine Stärken ausspielen soll. Jeder von uns hat seine Stärken, die kennt er, die kennen wir. Und die spielen wir dann aus. Er will, dass wir ihn in Szene setzen, damit er uns in Szene setzen kann. Jeder spielt seine Stärken aus, und daraus entsteht dann Teambasketball.

Henrik hat viel Erfahrung, sowohl als Trainer als auch als Spieler. Er hat bereits einiges mitgemacht, und das merkt man auch an der Art und Weise, wie er spricht und mit den Spielern umgeht.

Ist er auch ein Grund für die gute Atmosphäre im Team?

Natürlich. Ich denke mal, egal ob jetzt hier NBA-Spieler sind oder nicht, er würde es gerne machen, weil es ihm Spaß macht. Für ihn war es schon immer eine Herzensangelegenheit, deutsche Spieler auszubilden, zu pushen und auch spielen zu lassen, weil es auch einfach eine Identitätssache ist. Er identifiziert sich zu 100 Prozent mit der Sache Nationalmannschaft und deutschem Basketball.

Ihr habt einen starken Kader, aber auch die Konkurrenz ist sehr gut besetzt. Schaust du auch auf die Konkurrenz? Welche Teams schätzt du stark ein?

Ja, man schaut schon ein bisschen, wer dabei ist. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt hinschaue und sage „Oh, die sind dabei, jetzt wird‘s schwierig“. Wie du sagst, wir haben auch eine sehr gute Mannschaft. Von daher brauchen wir uns vor keinem verstecken, egal ob es die USA, Kanadier oder Australier sind. Die sind auch in einer sehr guten Besetzung, aber die sollten auch Respekt vor uns haben. Generell sollte man Respekt haben, aber man muss sich nicht verstecken.

Wie lief die erste Woche der Vorbereitung ab? Habt ihr erst mit Grundlagen begonnen, oder seid ihr schon tief reingegangen, was Taktik betrifft?

Wir haben schon die Grundstellung unserer Plays alle gesetzt und durchgespielt. Jetzt geht es darum, diese einzuspielen, den Ball laufen zu lassen und wirklich da Sachen rauszuziehen.

2015 und 2017 war es so, dass Deutschland gegen Island bzw. Ukraine gegen vergleichsweise leichte Gegner ins Turnier eingestiegen ist. Nun müsst ihr gegen Frankreich im ersten Spiel gleich auf den Punkt da sein. Wie bereitet ihr euch darauf vor?

Wir schauen erst einmal hauptsächlich auf uns. Wie wollen uns erst einmal selber als Mannschaft finden und den Rhythmus in der Offensive und Defensive finden. Das ist das, was uns in den nächsten Wochen beschäftigen wird. Wenn es näher Richtung WM geht, werden wir uns natürlich darauf vorbereiten, was wir gegen Frankreich machen, aber im Moment zählt das, was uns als Mannschaft ausmacht.