Dwyane Wade: Flash Forever

Im April dieses Jahres hat Dwyane Wade nach 16 Profijahren seine Erfolgskarriere beendet. Höchste Zeit, auf seinen letzten Tanz zurückzuschauen und einen übersportlichen Unterschiedsspieler zu würdigen.

Dwyane Wade ist in der Saison 2018/19 etwas gelungen, das vielen NBA-Profis verwehrt bleibt: ein würdevolles und selbstbestimmtes Karriereende. So kann der 37-jährige Altmeister auf eine gelungene Abschiedstour (#OneLastDance) zurückblicken, bei der ihm ligaweit echte Anerkennung und Liebe zuteil wurden.

„Ich habe es definitiv genossen“, betont Wade. „Und ich werde es noch mehr genießen, wenn ich zurückblicke. Denn es war ein großartiges Jahr.“ Auch weil er sich seine Gesundheit und den Respekt der Kollegen und Fans zu bewahren vermochte.

Schließlich hat der 13-fache All-Star in der vergangenen Saison bewiesen, dass er noch immer produktiv beitragen kann. Und zwar als Bankspieler. Eine Rolle, die kaum ein vormaliger Superstar so spät in seiner Karriere so reibungslos angenommen und gut ausgefüllt hat.

15,0 Punkte, 4,2 Assists und 4,0 Rebounds legte „D-Wade“ während seines letzten Tanzes für die Miami Heat auf – wobei er noch immer in der Lage war, die Offense phasenweise zu tragen und in der Crunchtime gewinnend Akzente zu setzen.

„Bei ihm geht es immer um die Momente“, weiß Erik Spoelstra. „Er tritt hervor und zeigt sich der Situation gewachsen.“ Daher fügt der Head Coach der Heat bekräftigend an: „Bis zu meinem Ende würde ich den Ball mit ruhigem Gewissen in Dwyane Wades Hände legen, wenn das Spiel auf der Kippe steht. Das ist es, was ich empfinde.“

Bemerkenswert ist indes nicht nur Spoelstras Vertrauen; sondern auch, dass Wade von der Weiterentwicklung des Basketballs nicht überrollt wurde, obwohl er seinen Old-School-Stil beibehalten hat.

So könnte „Father Prime“, wenn er denn wollte, sicher noch ein, zwei Jahre effektiv spielen. Stattdessen hat er sich selbstbestimmt erhobenen Hauptes verabschiedet. Als ein wichtiger Teil seines Teams – ein Glück, das gewiss nicht jedem vergönnt ist.

Denn oft erfolgt der Abgesang unzeremoniell, wofür Buddy Carmelo Anthony unfreiwillig Pate steht. Das ihm dies widerfährt, hat Wade selbstreflektiert vermieden: „Es fühlt sich einfach richtig an. Es ist ein Gefühl, das man bekommt. Ich habe auf meine gesamte Karriere geschaut, wo ich im Leben stehe, mein Alter und all das. Es war die Zeit gekommen, mich vom Spiel zu verabschieden.“

Dass sein Abschied (trotz der verpassten Playoffs) ein voller Erfolg war, lag sonach auch daran, dass Wade sichtlich in sich ruhte und seinen letzten Tanz in jeder Hinsicht genoss. Nicht zuletzt den Austausch mit den Medienvertretern.

Zugleich hat der Mann aus Chicago seinen würdigen Abgang auch den Miami Heat zu verdanken, in deren Dienste er 14,5 seiner 16 Profijahre stand. Entsprechend ließ er verlauten: „Ich weiß das zu schätzen. Ich bin froh, dass sie mir diese letzte Saison ermöglicht haben.“

Teamplayer und Ausnahmekönner

Im Hinblick auf Wades Erfolgskarriere mag es derweil nicht verwundern, dass ihm ein gelungener Abschied geglückt ist. Schließlich schien es immer schon so, als hätte er die Dinge im Griff gehabt. Zunächst als reifer Rookie, dann ab dem zweiten Jahr als Abo-All-Star sowie als Superstar, der es verstand, mit anderen Ausnahmekönnern wie Shaquille O’Neal freundschaftlich und einträglich zu interagieren. Nach seinem dritten Jahr durfte sich Wade daher bereits NBA-Champ und Finals-MVP nennen.

Später gewann er gemeinsam mit LeBron James und Chris Bosh in seiner Wahlheimat, die er von einer Football- zur Basketballstadt erhob, bei vier Finalteilnahmen zwei weitere Meisterschaften. Wade blieb dabei der Franchise-Player und unangefochtene Fanliebling, wenngleich er James das Team übernehmen ließ und bereitwillig Verantwortung abtrat.

„Nicht jeder hat die gleiche Mentalität“, merkte der zukünftige Hall of Famer hierzu einst an. „Wenn du willst, dass es nur um dich geht, kannst du Tennis spielen, wo du der Einzige da draußen bist … Das hier ist dagegen ein Teamsport.“

Auf die Erfolgsjahre am South Beach folgten unerfüllte Abstecher nach Chicago und Cleveland. Doch der Heatle machte sich auf den Weg zurück nach „Wade County“. Denn dort ist er eine Institution und „so einflussreich wie der Bürgermeister“, meint Coach Spoelstra. „Es war eine leichte Entscheidung“, wie Wade seinerzeit feststellte.

Als Leistungsträger hat er seine Karriere nun in diesem Jahr in Miami beendet. Was von dieser bleibt, sind unter anderem folgende Einsichten:

Wade war ein Ausnahmespieler, der die Ästhetik und Athletik der heute verwässerten Position des Shooting Guards verkörperte. Bevor Außenspieler als Flügel klassifiziert wurden, brillierte der 1,93-Meter-Mann als vielseitiger Topscorer, der zu seiner Blütezeit 26 Punkte, sechs Assists und fünf Rebounds pro Partie auflegte.

Nicht umsonst „Flash“ genannt, dominierte Wade mit seinem Zug zum Korb und der Abschlussstärke am Ring. Er war zwar kein nennenswerter Distanzschütze, aber dennoch ein effizienter Punktegarant, der für sich und andere jederzeit kreieren konnte. Zumal er damals neunmal pro Abend an die Freiwurflinie trat. Obendrein war der vielleicht beste Shotblocker unter den Guards ein starker Verteidiger (dreimal gehörte er der Defensivauswahl der NBA an).

Im Angriff bestach „D-Wade“ als agiler und smoother Kreativspieler, der es verstand, sich den kleinsten Vorteil zu verschaffen und diesen zu nutzen. Ob im Low- und vom High-Post oder als Dribbler – er vermochte es, Gegenspieler auszumanövrieren und zu überwältigen. Wade war sonach ein smarter und gewandter Athlet, der in jeder Ära Erfolg gehabt hätte. Nämlich ein Akteur, dem die Kollegen den Ball gaben und Platz machten …

„Ich weiß nicht einmal, wie ich das Wort aussprechen soll“, bekundet Erik Spoelstra. „Ich erkenne es einfach, wenn ich es sehe. Panache. Das ist Dwyane Wade. Er hat Elan, strahlt Durchsetzungskraft und Verve aus.“

In der historischen Zusammenschau darf der schwungvolle Heatle fraglos als Top-fünf-Shooting-Guard gelten. Das Spiel und seine Position hat er dabei nicht revolutioniert; sondern vielmehr das Vermächtnis von Michael Jordan und Co. sehenswert fortgeführt.

Beispielhaft stehen dafür die NBA-Finals 2006, als „Flash“ die Heat mit 34,7 Punkten, 7,8 Rebounds, 3,8 Assists und 3,7 Stocks nach einem Serienrückstand von 0-2 zum Titel powerte. Zum Leidwesen von Dirk Nowitzki …

Die Big-Three-Ära mit James und Bosh (2010 bis 2014) definierte sodann den Sport neu. Egalitäre „Superteams“, positionsloser Skillball und einnehmende Spielerfreundschaften rückten in den Fokus. Denn Wade hatte die Dinge weiterhin im Griff: Er zeigte seine Selbstlosigkeit, teilte das Rampenlicht und formte mit James sowie weiteren NBA-Kollegen eine „Bruderschaft“, die über den Basketball hinausgeht und einer erweiterten Familie gleichkommt.

Auch sei erwähnt, dass „D-Wade“ abseits des Feldes wiederholt seine Plattform nutzte, um soziale und systemische Missstände in den USA zu adressieren. Sei es die grassierende Waffengewalt oder der Rassismus gegenüber Minderheiten, die er nachhaltig zu ermächtigen sucht. Der 37-jährige Basketballpensionär darf daher als übersportlicher Unterschiedsspieler gelten, der vielen einen Schritt voraus war.