Neulinge und Rückkehrer im BBL-Turnier-Check (I)

In der Vorschau zum BBL-Final-Turnier stehen neue und alte Gesichter im Fokus. Im ersten Teil: Erol Ersek, Jito Kok, Leon Williams bei der BG Göttingen und Ismet Akpinar beim FC Bayern München.

Wenn am kommenden Samstag (6. Juni, 16:30 Uhr, alle Spiele live bei MagentaSport) der erste Tip-off des easyCredit BBL-Final-Furniers steigt, warten auf BBL-Fans viele bekannte, aber auch einige neue Gesichter. Weil nicht alle Spieler für das Turnier zu ihren Teams zurückgekehrt waren, durfte jede Mannschaft zwei Nachverpflichtungen tätigen und zusätzlich zwei U23-Spieler verpflichten, die bereits mit einer Doppellizenz für die laufende BBL-Saison gemeldet waren.

[zu den Kadern aller zehn Turnier-Teams]

Manche Teams nutzten die Gelegenheit, um aus der laufenden Spielzeit bekannte Leistungsträger zu verpflichten. Drei weitere Akteure kehren in die Basketball-Bundesliga zurück. Darüber hinaus gibt es fünf Liga-Neulinge in München zu beobachten. Die Karrieren und Fähigkeiten dieser Spieler werden in einer zweiteiligen Vorschau näher beleuchtet.

Der zweite Teil mit den FRAPORT SKYLINERS, den MHP RIESEN Ludwigsburg und RASTA Vechta ist hier zu finden.

BG Göttingen: ein Rückkehrer, ein Neuling und ein Quasi-Neuling

Schon einige Zeit vor dem Start des Turniers musste die BG Göttingen zwei Hiobsbotschaften verkraften: Point Guard Kyan Anderson und Center Dylan Osetkowski erklärten, dass sie dem Überraschungsteam aus Niedersachsen für das Finalturnier nicht zur Verfügung stehen. Zusammen mit dem nachverpflichteten Alex Ruoff bildeten die beiden das magische Dreieck von Göttingens Headcoach Johan Roijakkers. Zudem sagte der während der Saison aus Frankfurt zurückgekehrte Adam Waleskowski ab.

Dafür verpflichtete der Tabellenneunte der abgebrochenen Hauptrunde mit Leon Williams, Jito Kok und Erol Ersek drei Spieler nach, die die Qualitäten der Abgänge insgesamt nominell nicht ersetzen können. Die Neuzugänge sollen vor allem Energie und Defensivstärke einbringen.

Jito Kok: wiedervereint mit Ex-Center-Kollege

Center Jito Kok kommt von Kangoeroes Basket Willebroek aus Belgien. Dort verfügt der 2,06-Meter-Athlet bereits über einen Vertrag für die kommende Spielzeit. Der 26-jährige Absolvent der University of San Diego hat seine bisher stärkste Profisaison absolviert. Für die Kangoeroes (siebter Platz bei zehn Teams) legte der niederländische Nationalspieler im Schnitt 9,9 Punkte, 6,0 Rebounds und 1,9 Blocks auf.

Die belgische Liga hat sich jedoch in den letzten Jahren nicht unbedingt positiv entwickelt. Vor allem die zweite Hälfte der Liga ist wahrscheinlich deutlich schwächer einzuschätzen als das Niveau, das in der BBL in der Breite vertreten ist. Dies kann auch daran belegt werden, dass in der ProA solide bis überzeugende Spieler (Ex-Kölner und -Chemnitzer Hugh Robertson, Topscorer der belgischen Liga 2019/20) und in der BBL als solide Rollenspieler fungierende Akteure (Mike Smith/Bremerhaven, Amin Stevens/Braunschweig) in den vergangenen Jahren zu den besseren Scorern der belgischen Liga gehörten.

Von Jito Kok ist demnach erstmal rein vom Papier her nicht zu erwarten, dass er seine Statistiken aus der abgelaufenen belgischen Saison in die BBL übertragen kann. Der niederländische Nationalspieler ist ein Defensivspezialist, der vor allem seine Qualitäten als Ringbeschützer mitbringt. In der Offensive ist Kok im Wurf und im koordinativen Bereich relativ limitiert. Er punktet primär im Blocken-und-Abrollen und nach Offensivrebounds. Er verfügt zudem über einen ansprechenden Turnaround-Jumper im Low-Post. Allerdings ist er nicht der physischste Spieler, und es schleichen sich hier und da Probleme bei der Verarbeitung von Bällen ein. In der griechischen Liga, vom Level her mit der BBL in etwa vergleichbar, erzielte Kok in der Saison 2016/2017 3,9 Punkte, 3,9 Rebounds und 1,4 Blocks pro Spiel.

Fazit: Vom 26-Jährigen können vor allem Akzente in der Defensive erwartet werden. Zudem ist er ein Kämpfertyp, der über ein gutes Spielverständnis verfügt und sich voll für das Team einsetzt. Interessant: In Göttingen bildet er wie zu College-Zeiten in San Diego zusammen mit Dennis Kramer das Center-Duo.

Erol Ersek: ein Arbeiter nach dem Geschmack von Roijakkers

Ein weiterer Neuling bzw. Quasi-Neuling ist Erol Ersek. Der Österreicher spielte zuletzt für die ProB-Mannschaft des FC Bayern München. Wie Jito Kok kommt auch der erst 21 Jahre junge Shooting Guard aus seiner persönlich stärksten Saison. Er verfügte in der laufenden Spielzeit über eine Doppellizenz beim BBL-Team der Bayern, von dem Ersek nun ausgeliehen ist. Sein BBL-Debüt steht jedoch noch aus.

Ersek ist wie Kok ein Akteur, der mit viel Energie spielt. Seine primären Stärken liegen darin, im Halbfeld-Pick-and-Roll den Korb mit Physis zu attackieren und abseits des Balles Räume zu nutzen. In der ProB kam er für den Tabellenneunten (von zwölf Mannschaften) der Südstaffel auf 8,8 Punkte, 2,7 Rebounds und 3,4 Assists bei 1,8 Ballverlusten pro Partie. In der Defensive bringt der für sein Alter recht kräftige 1,93-Meter-Guard Flexibilität auf den Positionen Zwei und Drei sowie teilweise auf der Eins mit.

Der ausgeliehene Neuzugang aus München muss in seinem Spiel noch konsequenter und teilweise etwas ruhiger agieren. In der Spielzeit 2019/20 nahm Ersek fast genauso viele Dreier wie Zweier pro Spiel (4,3 Dreier, 4,5 Zweier), bei einer ausbaufähigen Dreierquote von 24,4 Prozent. In drei ProB-Saisons erreichte der 21-Jährige nicht die 30-Prozent-Marke von außen. Ersek geling es zu selten, seinen Mann für den Zug zum Korb zu schlagen, wenn sein Gegenspieler Abstand von ihm lässt.

Fazit: Insgesamt bringt der Youngster einige Eigenschaften mit, die Headcoach Johan Roijakkers schon immer gefallen haben. Ersek ist ein selbstbewusster, aggressiv spielender Zweier, der teilweise den Aufbau unterstützen kann. Auch Joanic Grüttner Bacoul und Marvin Omuvwie, die bei Vorläufer-Stationen in der ProB bzw. ProA statistisch nicht geglänzt hatten, erarbeiteten sich in der Vergangenheit bei Roijakkers über Aggressivität und Rollendisziplin ihre Spots in der Rotation.

Wie viel Erol Ersek letztlich spielen wird, bleibt jedoch auch deshalb abzuwarten, weil die BG über sieben ausländische Spieler (Leon Williams, Elias Lasisi, Ersek, Alex Ruoff, Mihajlo Andric, Terry Allen, Kok) verfügt und daher immer jemand aussetzen werden muss.

Im niederländischen Trikot: Leon Williams läuft mit Jito Kok ein Pick-and-Roll.

Leon Williams: Defense und Organisation

In der Saison 2016/2017 erfüllte Point Guard Leon Williams, der auch auf der Position Zwei einsetzbar ist, genau die Rolle, die sich Roijakkers von ihm erhofft hatte. Hinter Jesse Sanders legte der aktuelle niederländische Nationalspieler 5,5 Punkte, 2,5 Assists und eine Dreierquote von 40,7 (bei eher wenigen Versuchen) auf. Er brachte Leadership, Einsatz in der Verteidigung und Organisation in der Offensive ein.

In seiner zweiten Spielzeit bei der BG, 2017/2018, konnte Williams in einer insgesamt für den Verein komplizierten Saison nicht an seine Vorjahres-Leistungen anknüpfen. In einer auf dem Feld weniger harmonierenden Mannschaft schienen die Qualitäten, die Williams einbringt, weniger gefragt. Vor allem traf er aber auch den Dreier nur noch mit 23,2 Prozent. Am Ende der Saison musste Williams häufiger aufgrund der Quotenregelung aussetzen.

Die laufende Spielzeit war für den 28-Jährigen aufgrund von Verletzungen eher die schwächste in seiner bisherigen Laufbahn. Infolge einer Knöchelverletzung verpasste der Vorbildprofi etwa die Hälfte aller Spiele. Im FIBA Europe Cup bestritt er daher kein einziges Spiel. Bei seinen zwölf Einsätzen in der niederländischen Liga fand er wie sein Team keinen großen Rhythmus. Groningen stand bei Saisonabbruch als etatmäßiger Ligaprimus nur auf dem zweiten Platz. Williams erzielte im Schnitt 4,7 Punkte sowie 2,0 Assists und kam auf eine Dreierquote von lediglich 20 Prozent. Die niederländische Liga ist hinter den Spitzenteams aus Groningen, Zwolle und Den Bosch zwischen ProB- und ProA-Niveau anzusiedeln.

Williams soll bei der BG Göttingen wieder seine Qualitäten als Verteidiger, Spielorganisator und wortstarker Leader einbringen. Im Scoring ist Williams limitiert. Sein Brot-und-Butter-Spiel ist der Pull-up-Jumper aus der Mitteldistanz. Seine größte Schwäche liegt in der Konstanz beim Drei-Punkte-Wurf.

Fazit: Leon Williams ist nicht als Ersatz für Kyan Anderson zu sehen. Er bringt ganz andere Qualitäten ein, die eher im kämpferischen und teamstrukturellen Bereich anzusiedeln sind.

Anmerkungen zum Kader der BG Göttingen

Bei der BG Göttingen wird viel Last im kreativen Bereich auf Alex Ruoff und Bennet Hundt fallen. Auch Dominic Lockhart muss sich nach seiner vielleicht besten Saison als Profi wahrscheinlich noch mehr in der Kreation einbringen. Auf den großen Positionen bleibt abzuwarten, ob Jito Kok der Sprung auf das BBL-Level gelingt und ob das Duo um ihn und Ex-College-Kollege Dennis Kramer die gesamten 40 Minuten auf der Fünf abdecken kann. Möglicherweise wird Johan Roijakkers auch auf Smallball-Lineups mit Terry Allen oder gar Marvin Omuvwie auf der Fünf setzen.

Spieltaktisch sollte beim BBL-Turnier mit dem veränderten Personal im Vergleich zur bisherigen Saison der größere Fokus auf der Verteidigung liegen (bisher der 8. Platz beim Offensiv-Rating mit 112,7; 11. Platz beim Defensiv-Rating mit 114,2). Offensiv dürfte der Aderlass nicht bzw. allenfalls dann zu kompensieren sein, sollte sich herausstellen, dass durch die vielen Kaderveränderungen in der Liga das Grundniveau des Spiels wirklich signifikant gesunken ist.

FC Bayern München: eine Win-Win-Situation?

Die für deutsche Basketballfans namhafteste Verpflichtung tätigte der amtierende deutsche Meister. Mit Ismet Akpinar verpflichtete der FC Bayern München einen Spieler, der eine sehr solide Saison mit Besiktas Istanbul absolviert und nun die Chance erhalten hat, bei einem EuroLeague-Club den nächsten Schritt zu gehen. Den Münchenern werden mit Greg Monroe und dem ohnehin in dieser Saison oft und lange verletzten Nihad Djedovic zwei Leistungsträger fehlen.

Ismet Akpinar: Leistungsexplosion in Notlage des Clubs

„Ich habe den besten Januar meines Lebens gespielt“, erzählte Ismet Akpinar im vergangenen Februar im basketball.de-Interview. Möglicherweise war es auch die ereignisreichste Saison für den gebürtigen Hamburger.

Zu Beginn der Spielzeit 2019/2020 spielte Akpinar fast ausschließlich auf der Position Zwei und kam dabei meistens nur von der Bank. Die Position Eins bekleideten der Ex-Frankfurter Jordan Theodore und Youngster Ömer Al. Akpinar kämpfte auf der Position Zwei hinter Toddrick Gotcher um Einsatzzeit. Wäre die Spielzeit nach der ersten Saisonhälfte beendet gewesen, hätten viele vielleicht in der Bilanz einen stagnierenden Ismet Akpinar gesehen.

Ab Dezember jedoch verließen einige Spieler aufgrund von finanziellen Problemen Besiktas’ das Team. Center James McAdoo und Spielmacher Jordan Theodore waren nach circa zwölf Ligapartien und etwa neun Spielen in der FIBA Basketball Champions League die ersten Abgänge. Später folgte Shaquielle McKissic nach 17 von 23 Ligaspielen. Die letzten sechs Ligapartien und die letzten drei Begegnungen in der Champions League bestritt Besiktas mit nur zwei ausländischen Spielern

Mit dem Abgang von Jordan Theodore schlug die Stunde von Ismet Akpinar. Der ehemalige Ulmer und Berliner war nun Starting-Point-Guard. In den ersten neun Spielen nach Theodores Abgang erzielte Akpinar 14,8 Punkte und 4,1 Assists im Schnitt. Besiktas gewann acht dieser neun Partien. Gegen Bonn gelang ihm sogar der Gamewinner. Bevor Theodore den Verein verließ, kam Akpinar wettbewerbsübergreifend auf 8,0 Punkte und 1,0 Assists.

Zum Saisonabbruch hin verpasste der deutsche Nationalspieler aufgrund von einer kurzzeitigen Erkrankung selbst das eine oder andere Spiel. Zudem verlor er, wie auch der Club, nach dem Abgang von Shaquielle McKissic zumindest ein wenig den Rhythmus. Dennoch war Akpinar Teil eines Teams, das trotz enormem Personalmangel nicht nur konkurrenzfähig blieb, sondern auch gegen Teams wie Anadolu Efes Istanbul gewann.

Fazit: In München möchte Akpinar nun an seine Form anknüpfen – auch dann, wenn er vielleicht aufgrund der Konkurrenz in weniger Minuten abliefern muss. Für ihn ist es eine große Chance, sich für ein EuroLeague-Team zu empfehlen. In München muss Akpinar zeigen, dass er auch in limitierten Minuten konstant effektiv spielen kann, was ihm teilweise zu Beginn der Saison 2019/2020 nicht gelang. Aufgrund der Zeitspanne ab Mitte Dezember war die Spielzeit für Akpinar bisher ein deutlicher Schritt nach vorne.

In München wird Akpinar vermutlich vor allem auf der Position Zwei spielen und vielleicht teilweise Minuten hinter Maodo Lo und Zan-Mark Sisko auf der Position Eins abgreifen. Auch wenn die Vertragslage bei Bayern für die kommende Saison bereits einen recht tiefen Backcourt vorsieht, könnte die jetzige Verpflichtung mit Blick auf die kommende Spielzeit eine Win-Win-Situation für Ismet Akpinar und für den FC Bayern sein, sofern der 25-Jährige überzeugt.

Anmerkungen zum Kader des FC Bayern München

Mit Nihad Djedovic und dem zwar defensiv oft schwächelnden, aber offensiv auf BBL-Niveau starken Greg Monroe sind zwei offensive Leistungsträger weggefallen. Der Kader des FCB ist aber weiterhin hochtalentiert und wird neben ALBA BERLIN als Topfavorit ins Rennen gehen. Interessant wird es sein, ob Spieler wie Ismet Akpinar oder manche von den bisherigen Spielern, wie Danilo Barthel oder Mathias Lessort, nun offensiv mehr involviert sein werden.

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