David Krämer: „ein Hybrid aus spanischem und deutschem Basketball“

Nach der Golden-Herbert-Ära startet die deutsche Nationalmannschaft mit dem neuen Bundestrainer Alex Mumbru in einen neuen Zyklus. Im ersten Länderspielfenster wird David Krämer dabei eine große Rolle zukommen. Im Interview spricht der Flügelspieler genau darüber sowie seine Saison in der spanischen ACB bei Teneriffa.

basketball.de: Du kennt bestimmt das Spiel „Start, Bench, Cut“. Wenn ich dir jetzt drei NBA-Spieler nenne, musst du diese ranken: Wer startet, wer ist auf der Bank, wer wird gecuttet. Ich würde gerne eine DBB Literatur-Edition „Start, Bench, Cut“ mit dir spielen: „Die Jungs gaben mir mein Leben zurück“ von Gordon Herbert. „Glanz in ihren Augen“ von Beate Wagner, der Mutter von Franz und Moritz. „Bessermacher“ von Arne Greskowiak.

David Krämer: Start, Bench, Cut… (überlegt) Ich muss alle Bücher noch lesen. Aber Cut: auf jeden Fall Arne. (lacht) Das mit Franz und Moritz ist schon ’ne geile Geschichte – deswegen Start: „Glanz in ihren Augen.“ Und dann Gordies Buch: Bench.

Du bist bei diesem Länderspielfenster einer der wenigen Weltmeister bzw. Spieler, die bei einem der vergangenen drei großen Turnieren dabei waren. Ist das für dich nun auch die Gelegenheit, noch mehr Verantwortung zu übernehmen? Welche Rolle erwartet Coach Mumbru von dir speziell in diesem Fenster?

Natürlich. Wie du sagst, sind Johannes Thiemann und ich die einzigen aus der Weltmeistermannschaft, weswegen Coach Mumbru mir auch die Rolle gegeben hat, zusammen mit JT ein Leader zu sein, auf und abseits des Parketts. Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich werde versuchen, mein Spiel wie immer zu spielen, einen positiven Mindset zu haben und Energie zu bringen, aber gleichzeitig auch, die jüngeren Spieler mitzuziehen. Wir haben zudem Tibor Pleiß dabei, ich glaube, Dylan Osetkowski ist auch ein Spieler, der vorangehen wird. Wir sind eine neue Truppe und haben einen neuen Trainer, deswegen wird nicht alles perfekt sein. Wir müssen viel trainieren und erst viel aufbauen.

„Mumbrus Ansatz, früh in der Wurfuhr den Abschluss zu suchen, ist ein spanisches Element“

Du spielst in der spanischen Liga. Du wirst jetzt unter einem spanischen Bundestrainer spielen. Nach den ersten Gesprächen und Trainingseinheiten: Gibt es etwas, das Coach Mumbru auszeichnet, das du vielleicht auch aus der spanischen Liga kennst?

Ja, wie Mumbrus Ansatz, früh in der Wurfuhr den Abschluss zu suchen, das ist ein spanisches Element. Nur Dylan und ich spielen in der ACB, deswegen ist es vielleicht nicht so einfach, das in unser Spiel bei der Nationalmannschaft einzubauen. Wir müssen gleichzeitig unsere Identität als deutsche Nationalmannschaft beibehalten, weil das in den vergangenen Jahren nunmal sehr gut funktioniert hat. Mumbru versucht das Beste, einen Hybrid aus spanischem und deutschen Basketball zu installieren. Ich glaube, das könnte gut klappen.

Kannst du schon Dinge ausmachen, die er von Gordon Herbert übernehmen und die er anders machen will?

Das ist nach dem zweiten Training schwer zu sagen. Zudem haben viele Jungs, die bei diesem Fenster bei der Nationalmannschaft dabei sind, gar nicht so häufig mit Gordie zusammengearbeitet, vor allem bei den Turnieren. Das trifft ja nur auf JT, Chris Sengfelder und mich zu.

Was sind die größten Unterschiede zwischen spanischer Liga und der BBL?

Die spanische ist eindeutig die beste nationale Liga Europas, wenn nicht die zweitbeste der Welt. Es ist schon schwer, in dieser Liga zu spielen, als ich von Deutschland in die ACB gewechselt bin, dachte ich, das wird etwas einfacher werden. Es hatte länger gedauert, ehe ich mich angepasst habe. Es ist eine sehr schnelle Liga mit sehr viel Qualität, jedes Team hat eine sehr gute Bank. Die BBL ist auch eine gute Liga, aber der Qualitätsunterschied ist wie zwischen Tag und Nacht.

„In der ACB ist es wie Schach, in der BBL ist es eher Freestyle“

Als ich mich mit Andi Obst vor seinem Wechsel nach Spanien unterhalte hatte, meinte er, man spiele in der spanischen Liga „sehr taktisch, man hat sehr gute Techniker“ dort. Johannes Voigtmann sagte während seiner Zeit bei Baskonia: Basketball in der ACB sei wie Schach. Kannst du das nachvollziehen?

Ja, absolut. Die Vorbereitung auf jedes Spiel ist komplett anders, ebenso natürlich, wie sich gegnerische Teams auf dich vorbereiten. Hier in Deutschland wusste ich, wie ich in jedes Spiel reinkomme und wie ein Spiel in etwa ablaufen wird. Aber hier in Spanien ist es tough, da ist jedes Spiel anders. Dort macht ein Spieler in einer Partie 22 Punkte, in der nächsten nur fünf – es ist schwer einzuschätzen, die Gegner scouten einfach gut. Über jeden Spielzug in der Offensive wird nachgedacht. Jo hat es sehr gut ausgedrückt: In der ACB ist es wie Schach, in der BBL ist es eher Freestyle (schmunzelt).

In der spanischen Liga gibt es ja die relativ neue Regel, dass du den Ball nicht dem Schiedsrichter übergeben musst, wenn er im Halbfeld des Gegners ins Seitenaus geht…

Das finde ich richtig nice. Das macht das Spiel enorm schnell und es verkörpert eine „Next Play Mentality“: Wenn du den Ball verlierst und er beispielsweise ins Aus geht, ärgerst du dich ja oftmals – aber in der ACB hast dafür gar keine Zeit. Du verlierst den Ball? Egal, next Play, du musst direkt weiterspielen, du musst immer mit dem Kopf im Spiel bleiben. Das gefällt mir.

Mit Teneriffa stehst du in der Champions League bei einer Bilanz von 4-0, in der spanischen Liga bei 6-1. Die einzige Niederlage war gegen Barcelona mit -4. Was sind die Gründe für euren guten Saisonstart?

Wir haben erstmal einen guten Kader und eine sehr gute Teamchemie, wir verstehen uns alle sehr gut. Es gibt Jungs, die spielen schon vier, fünf Jahre zusammen: Marcelinho Huertas, Bruno Fitipaldo, Aaron Doornekamp, Tim Abromaitis, Giorgi Shermadini… Wir haben so viele Qualitätsspieler, die es einem wirklich einfach machen. Unser Scoring ist meist sehr ausgeglichen, der Ball läuft die ganze Zeit. Wir haben mit Txus Vidorreta einen sehr guten Trainer, der auch sehr gut weiß, wie er sein Team rennen lässt.

Für mich persönlich: Ich bin der jüngste Spieler der Rotation, ich lerne viel von meinen Mitspielern und kann jeden Tag besser werden. Es macht wirklich Spaß, dort zu spielen. Dazu die Lebensqualität, auf einer Insel zu leben… ich darf mich nicht beklagen. (grinst)