Herberts Erbe
In Gordon Herberts Nachname steckt das Worte „Erbe“, Alex Mumbru tritt als neuer DBB-Bundestrainer kein einfaches an. Denn in den ersten beiden Länderspielen gegen Schweden muss er mit einem Kader arbeiten, der in dieser Form kaum bei weiteren Fenstern auf dem Parkett stehen dürfte – wobei zwei Debütanten auf sich aufmerksam machen.
Nach der erfolgreichsten Ära eines DBB-Bundestrainers in der Verbandsgeschichte fragt man sich natürlich, was der neue vom alten, so erfolgreichen, Bundestrainer übernehmen wird. Welche Elemente Alex Mumbru in seinem System von dem von Gordon Herbert beibehalten wird, mag nach zwei Spielen noch nicht endgültig zu beantworten sein, sicher ist jedoch, dass Mumbru die schwierigen Voraussetzungen hinsichtlich des Kaders von Herbert übernommen hat.
Als Herbert bei seinem Debüt als DBB-Bundestrainer am 25. November 2021 im WM-Qualifikationsspiel gegen Estland eine 66:69-Heimniederlage einstecken musste, standen mit Chris Sengfelder, Justus Hollatz und David Krämer nur drei Spieler auf dem Parkett, die später bei einem der drei großen Turniere im DBB-Kader auflaufen würfen. Ähnliches dürfte bei Mumbrus Debüt der Fall sein, bei der 72:73-Auswärtsniederlage gegen Schweden liefen nämlich nur drei Spieler auf, die in der Herbert-Ära bei einem großen Turnier dabei waren: neben Sengfelder und 43-Punkte-Mann Krämer zudem noch Johannes Thiemann. Derweil gaben gleich fünf Akteure ihr DBB-Debüt – bei Herbert war es nur einer.
„Wir hatten nur wenige Trainingseinheiten, es ging um Ideen“
Wie sind also die ersten beiden Spiele unter Mumbru zu bewerten und einzuordnen, setzte die DBB-Auswahl seine Ideen in der Offensive oder Defensive besser um? „Schwer zu sagen. Wir hatten nur wenige Trainingseinheiten gehabt, weswegen es nur Konzepte oder sogar nur Ideen waren“, relativierte Johannes Thiemann nach dem 80:61-Heimerfolg. Laut Thiemann, der seit dieser Saison in Japan spielt, hätte das Team die von Mumbru geforderte Arbeit beim Offensiv-Rebound im ersten Spiel „sehr gut umgesetzt. Eine aggressive Verteidigung haben wir auch größtenteils gespielt.“
Vieles klappte im zweiten Duell mit Schweden besser, wo das deutsche Team nicht nur häufiger nach gegnerischen Ballverlusten punktete (25:14), sondern auch mehr Zähler nach Schnellangriffen erzielte (11:7). „Wir wollen sehr schnell spielen und nach vier bis acht Sekunden im Fastbreak den Abschluss suchen“, antwortete Christian Sengfelder auf die Frage nach Parallelen bzw. Unterschieden zu Gordon Herbert. „Es gibt ein paar Dinge, die verändert worden sind, im Endeffekt kann man das Rad im Basketball aber nicht so neu erfinden.“ Was Mumbru nach einer so erfolgreichen Zeit wahrscheinlich auch gar nicht versuchen sollte.
Von den fünf Debütanten stachen derweil zwei heraus: Dylan Osetkowski, der während seiner BBL-Zeit im Mai 2020 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat und der seit 2022 für Unicaja Malaga spielt, und Jack Kayil, der in diesem Sommer mit der deutschen U18-Auswahl die Europameisterschaft gewonnen hat und zur serbischen Talentschmiede Mega Belgrad gewechselt ist.
Ein 18-jähriger Veteran
„Manch einer mag denken, ich sei verrückt, weil er erst 18 Jahre alt ist“, sagte Mumbru über die Rolle, die er Kayil zugeteilt hat. Der Guard steigerte seine Einsatzzeit von 13:44 Minuten im ersten auf 21:35 Minuten im zweiten Spiel, bei dem er mit zehn Punkten, drei Rebounds, vier Assists und zwei Blocks ein Impulsgeber war und viel Spielwitz ausstrahlte. „Er hat großartig gespielt und innerhalb des Teams wie ein Veteran agiert“, lobte Mumbru den 18-Jährigen, mit dem die deutsche Offensive besser aussah als mit dem eigentlichen Starter auf der Eins Nelson Weidemann.
„Er ist ein sehr talentierter Spieler, bei dem man sehr viele gute Ansätze sieht. Nicht nur offensiv, auch defensiv hat er viele Akzente gesetzt“, zollte auch Thiemann dem Nachwuchstalent Respekt. Im dritten Viertel blockte Kayil gleich zweimal Barra Njie, immerhin einer der schnellsten Spieler der BBL. „An sich würde ich natürlich gerne versuchen, ihn vor mir zu halten und nicht an mir vorbei zu lassen“, übte sich Kayil im Understatement. „Aber wenn es passiert, muss man natürlich versuchen, ihn irgendwie am Abschluss zu hindern – und das habe ich geschafft.“
In Nachwuchs-Nationalmannschaften eher auf der Zwei zuhause oder als Combo-Guard unterwegs, agierte Kayil nun also fast ausschließlich auf der Eins – was für die mittel- und langfristige Perspektive der deutschen Nationalmannschaft auch von Bedeutung sein kann. „Ich bin aber nicht auf der Eins oder Zwei festgelegt, sondern flexibel einsetzbar“, stellte Kayil selbst klar, an den Ballhandlings-Skills werde zudem immer gearbeitet.
Dylan Osetkowski als Playmaking-Big
Nicht unbedingt Ballhandling-, dafür aber Playmaking-Skills zeigte auch Dylan Osetkowski. Schon während seiner Ulmer Zeit bewies der Big Man am Flügel Passfertigkeiten, die nun vor allem auch im ersten Spiel gegen Schweden ersichtlich wurden. Nach 17 Punkten, neun Rebounds und fünf Assists beim Debüt ließ Osetkowski 13 Zähler, sieben Rebounds und zwei Assists beim zweiten Einsatz folgen.
Nun mag bei voller Kaderstärke wenig Platz auf den großen Positionen für Osetkowski sein, fehlten doch Weltmeister wie Moritz Wagner, Johannes Voigtmann und Daniel Theis und gibt es neben dem Olympioniken Oscar da Silva mit Isaiah Hartenstein und Ariel Hukporti zwei weitere deutsche Bigs in der NBA, die für die DBB-Auswahl von Interesse wären. Zudem müsste sich Mumbru zwischen Osetkowski und Nick Weiler-Babb entscheiden, der Backcourt scheint vakanter, Weiler-Babb demnach mehr gefragt zu sein. Doch allein dieser Fenster, punktuell, hat bewiesen, wie wichtig Osetkowski für die DBB-Auswahl sein kann.
Gordon Herberts Ära war unter anderem vom Wort „Commitment“ geprägt. Inwieweit Alex Mumbru auf etwaige Zusagen von Spielern für einen bestimmten Zeitrahmen pochen wird, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert war derweil, wie sich Mumbru auf der Pressekonferenz „bei jedem Spieler, der sich bereit erklärt hat, in diesem Fenster zu spielen“, bedankte. Den Herausforderungen bei seinem Debüt, den Challenges als Bundestrainer scheint sich Mumbru ganz bewusst zu sein. Zunächst mag daher nicht ein Commitment im Vordergrund stehen, sondern ein Kompromiss.