Variationen des Back-Screen Pick-and-Rolls

Es gibt Spielzugelemente, die von jedem BBL-Team genutzt – durch diverse Einstiege aber unterschiedlich vorbereitet werden. Die Videoanalyse zeigt Beispiele des Back-Screen Pick-and-Rolls anhand der Teams aus Bayreuth, Berlin, Braunschweig, Frankfurt, Jena, Oldenburg und Ulm.

„Every possible art form has already been explored. All that’s left is to deconstruct and play with the pieces.”

In der Dramedy-Serie Six Feet Under zitiert der Künstler Billy den französischen Philosophen Jean Baudrillard. Dieser poststrukturalistische Ansatz passt nicht nur auf Kunst, auch auf Basketball.

„Im Basketball kannst du nichts neu erfinden, es gibt ja eigentlich alles“, meint beispielsweise Björn Harmsen. Jenas Head Coach offenbart sich im basketball.de-Gespräch im März dieses Jahres als Taktikexperte wie -liebhaber, was folgende Worte unterstreichen:

Ich schaue mir als Trainer ganz viele Spiele an. Gar nicht so sehr BBL, sondern gerne etwas anderes: EuroLeague, EuroCup oder ACB überwiegend. Die türkische Liga ist auch interessant. Dann sehe ich interessante Elemente. Das ist für mich ein total kreativer Prozess, der mir unglaublich viel Spaß macht. Ich setze mich dann hin und denke mir Sachen aus. Die kommen von der Idee vielleicht irgendwo her, sind aber natürlich auf meine Mannschaft angepasst […] Ich kombiniere diese auch in Vorbereitung auf den nächsten Gegner.

Harmsen antwortet bezüglich seines kreativen Prozess auf die Frage nach einem bestimmten Spielzug oder vielmehr Element: dem Back-Screen Pick&Roll. Dabei stellt ein Offensivspieler einen Block in den Rücken des gegnerischen Big Man, welcher ein Pick&Roll verteidigt. Ein Element, das auf Taktikguru Zeljko Obradovic zurückgeht, von Harmsen als erstes in der BBL eingeführt sowie von Andrea Trinchieri wiederbelebt worden ist und mittlerweile auf allerhand Taktiktafeln aufgezeichnet wird.

Dieses Back-Screen Pick&Roll sowie direkte Blöcke von kleinen Spielern aneinander „sind zwei Elemente, die Trinchieri wieder in die Liga gebracht und perfektioniert hat“, erläutert Harmsen. „Beide Elemente werden jetzt von allen Mannschaften gespielt. Das Back-Screen Pick&Roll von jeder. […]. Dadurch kann es auch fast jeder verteidigen.“

Zurück zum Poststrukturalismus: Gerade, weil das Back-Screen Pick&Roll von so vielen Trainern genutzt wird, gilt es, Spielzüge aufzubrechen und mit deren Elementen zu spielen. Bedeutet: Während das Hauptelement gleich bleibt, werden beispielsweise Einstiege variiert.

Folgende Videos veranschaulichen neben Harmsens Team von Science City Jena anhand von sechs weiteren Mannschaften, welche Optionen es gibt.

Science City Jena / Björn Harmsen

Zu Beginn aber Harmsen selbst mit einem seiner Einstiege in das Back-Screen Pick&Roll.

Dieses Offensivelement verdeutlicht auf zusätzliche Art, dass das Pick&Roll nicht als „Two-Man Game“ bezeichnet werden kann (denn die Spieler ballabseits sorgen für Spacing), sind nun doch drei Spieler involviert.

  • ein Ballhandler, der ein guter Passgeber sein sollte. Anspiele vor sich zum Abroller oder hinter sich zum herauspoppenden Blocksteller sind zwei Optionen.
  • ein Ball-Screener, also der abrollende Big Man. Von Vorteil ist, wenn dieser schnell abrollt, da drei in das Pick&Roll involvierte Spieler stärker einen engen Raum besetzen.
  • ein Back-Screener, der in den meisten Fällen zur Dreierlinie herauspoppt und von dort Gefahr als Dreierschütze ausstrahlen soll.

Nicht nur auf das Back-Screen Pick&Roll bezogen, hat Harmsen drei erfahrene Spieler zur Verfügung, die in Jena nicht das erste Mal zusammenspielen. Im basketball.de-Interview erklärt Harmsen:

„Als Luka Pavicevic Berlin trainiert hat, waren Julius Jenkins, Immanuel McElroy und Derrick Allen dort zusammen. Das war Pick&Roll zur Perfektion. Zum einen mit Sicherheit, weil sie das so trainiert haben. Zum anderen, weil du mit Derrick Allen einen Spieler hattest, der extrem schnell rollen kann und der eine unglaubliche Geschwindigkeit aufbaut. Dazu mit McElroy einen Spieler, der ein sehr guter Passer ist. Und mit Jenkins einen, der ein sehr guter Scorer ist.“

Basketball Löwen Braunschweig / Frank Menz

Einen ähnlichen Einstieg hat Braunschweigs Frank Menz in der Saison 2017/18 bei den Basketball Löwen laufen lassen. Dabei stehen die beiden Big Men auf Höhe der Freiwurflinie, noch etwas weiter auseinander, und stellen einen Staggered-Cross-Screen für einen Flügelspieler. Dieser nutzt diese beiden kurz hintereinander, in einer Linie gestellten Blöcke und cuttet auf den anderen Flügel („Iverson-Cut“).

Der Center, bei den Screenshots Scott Eatherton, stellt daraufhin einen weiteren Cross-Screen für den Power Forward, der sich zur freigewordenen Position auf den Flügel bewegt. Gleich daraufhin schließt die Back-Screen Pick&Roll-Aktion an – der Center stellt einen Block am Ball, der Back-Screener (hier DeAndre Lansdowne) kommt von unten hoch. Sechs Braunschweiger Aktionen sind in folgendem Video zu sehen.

Die ersten drei Aktionen zeigen eine Variation des Elements: DeAndre Lansdowne stellt keinen Back-Screen, sondern cuttet direkt nach außen. Da dieses Element mittlerweile so bekannt ist und ein Back-Screen von der Verteidigung auch erwartet wird, kann dieser direkte Cut die Defense überraschen.

EWE Baskets Oldenburg / Mladen Drijencic

Oldenburgs Mladen Drijencic ist bekannt dafür, in seine Plays ebenfalls Staggered-Screens zu integrieren. Bei folgendem Einstieg stellen der Vierer und Fünfer – Philipp Schwethelm und Rasid Mahalbasic – einen Staggered-Pin-Down für Frantz Massenat, der als Ballhandler im Back-Screen Pick&Roll agieren wird.

Dieser erhält per Hand-Off den Ball vom Einser, der daraufhin auf den freigewordenen Flügel oder in die Ecke rotiert. Schwethelm und Mahalbasic sind die beiden Spieler, die auch in das Back-Screen Pick&Roll involviert sind. Es muss also kein kleiner Spieler sein, der den Back-Screen stellt. Der postmoderne Basketball sieht auf der Vier häufig einen guten Schützen vor – wie Schwethelm –, der sich auch schnell genug für den Dreier in Position bringen kann.

medi bayreuth / Raoul Korner

Mit Pin-Downs leitet auch Bayreuths Raoul Korner das Back-Screen Pick&Roll ein. Zunächst stellt der Vierer, hier De’Mon Brooks, auf einer Seite einen Pin-Down für einen Flügelspieler, der das Back-Screen Pick&Roll als Ballführer laufen wird.

Daraufhin stellt der zweite Flügelspieler, hier Bastian Doreth, in der Mitte einen Pin-Down für den Fünfer. Der rotiert daraufhin zum Pick&Roll und wird von Doreth gefolgt, der den Back-Screen setzt.

FRAPORT SKYLINERS / Gordon Herbert

„Die Grundelemente sind immer die gleichen. Was ,neu in Mode’ ist: dass viel mit Ablenkungsmanövern gearbeitet wird. Du zeigst der Verteidigung irgendetwas, aber die richtige Aktion kommt erst danach. […] Ich glaube, das wird noch deutlich mehr Einzug halten“, blickt Harmsen im Interview auf die Evolution des Offensivbasketballs voraus. Mit einem Täuschungselement ließ auch Frankfurts Gordon Herbert eröffnen.

Dabei cuttet Shawn Huff als Power Forward nach oben Richtung Ballführer, als würde er ein Pick&Roll initiieren. Doch Huff kehrt ab, stellt keinen Block, sondern rotiert direkt auf den anderen Flügel. Stattdessen dribbelt der Ballführer, hier Quantez Robertson, auf eine Seite und übergibt per Hand-Off den Ball.

Während Huff vom Ball wegrotiert, bewegt sich mit WoBo der Fünfer gleichzeitig zum Ball – den im Screenshot Tai Webster in der Mitte übernommen hat. Richard Freudenberg als Small Forward kommt von der Baseline mit, um den Back-Screen zu stellen.

ratiopharm ulm / Thorsten Leibenath

Die gegnerische Verteidigung täuschen kann man auch auf eine andere Art: indem man einen Angriff mit Aktionen eröffnet, die auf einen bestimmten Spielzug deuten – dieser sich aber dann anders entwickelt. So hat Ulms Thorsten Leibenath einen Spielzug variiert.

Auch die Ulmer nutzen zu Beginn ein Dribble-Hand-Off auf einer Seite. Parallel stellt auf der anderen Seite der Vierer einen Pin-Down für den Dreier, hier Da’Sean Butler für Ryan Thompson.

David Krämer, der den Ball von Per Günther erhalten hat, dribbelt zur Mitte und passt auf Thompson. Isaac Fotu, auf der Fünf, stellt einen Back-Screen für Krämer. In einem anderen Spielzug wäre Krämer nun zum Korb gecuttet. Diesmal jedoch bewegt er sich auf den rechten Flügel und sorgt für Spacing. Stattdessen rotiert Günther Richtung Zone und wird als Back-Screener in Erscheinung treten.

ALBA BERLIN / Aíto Garcia Reneses

In seinem ersten Jahr bei ALBA BERLIN hat sich Aíto Garcia Reneses in der BBL nicht nur als Coach einen Namen gemacht, der Spieler individuell entwickelt, sondern ihnen auch im kollektiven Verbund Freiheiten lässt. Konkrete Spielzüge mit festen Einstiegen findet man bei ihm kaum vor. Und doch haben die Berliner auch das Back-Screen Pick&Roll integriert – meist aber zu einem besonderen Zeitpunkt: Kurz vor Ende eines Viertels ließ Aíto es meist laufen.

Im Video fallen noch ein paar andere Punkte auf:

  • Bei den ersten beiden Aktionen stellt mit Luke Sikma kein designierter Schütze den Back-Screen, sondern ein Big Man, der auch auf der Fünf aushelfen kann.
  • Vor dem Back-Screen Pick&Roll bewegen sich meist drei Berliner Akteure frei in der Zone – selbst vor dem Hauptelement scheint die Offensive noch zu improvisieren. So stark, dass in der vorletzten Aktion beinahe Joshiko Saibou zum Back-Screen geht.
  • In jener Aktion greift der Ball-Screener Dennis Clifford ein weiteres Mal ein – vielleicht auch, weil er nicht stark abrollen kann. Er stellt einen off-ball-Screen für Niels Giffey, der als Back-Screener hinter die Dreierlinie gepoppt war.

„Was kümmern mich mein Plays von gestern?!“, mag manch einer sagen. Die Kader aller hier genannten Teams haben sich verändert, dementsprechend werden die Trainer ihr System auch justieren. Und dennoch dürfen diese Videos auch als Vorschau auf die Saison 2018/19 herhalten – sollte das Back-Screen Pick&Roll als Element doch weiter genutzt und vor allem weiter variiert werden.


Videorohmaterial zur Verfügung gestellt von Telekom Sport. Alle Spiele der easyCredit BBL exklusiv. Alle Infos hier. 

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