Verstummt. Verstimmt. Verstanden?

Die Stimmen der Spieler, die einer Saisonfortsetzung in der BBL kritisch gegenüberstehen, mehren sich. Doch wer vertritt eigentlich die Interessen der Akteure? Die aktuelle Situation macht deutlich, dass es eine Gewerkschaft benötigt.

„Im Moment spüre ich von den Spielern der Basketball-Bundesliga nicht das Bedürfnis danach, [die Gewerkschaft] SP.IN wiederzubeleben.“ Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Johannes Herber jenen Satz gesagt hat. Im Deutschlandfunk äußerte sich der ehemalige deutsche Nationalspieler hinsichtlich der brachliegenden Gewerkschaft im deutschen Profibasketball. Ein Bedürfnis, das aktuell rapide gestiegen sein dürfte, wenn man sich folgende Kommentare vergegenwärtigt: 

„Das Verletzungsrisiko ist in meinen Augen relativ hoch.“

„Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass man die Spieler etwas mehr in die Entscheidungsfindung einbezogen hätte.“

„Es ist eine klare Frustration zu spüren.“

So äußerten sich kürzlich Akeem Vargas gegenüber der FAZ, Danilo Barthel im MagentaSport-Podcast und Niels Giffey gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Das Trio bezog sich dabei auf das geplante BBL-Turnier zur Saisonfortsetzung und äußerte Bedenken hinsichtlich Umstände, Konzept und Planung.

Am 27. April hatte die easyCredit BBL ihren Plan zur Saisonfortsetzung vorgestellt, zehn Teams sollen an einem Standort einen Meister küren. Am 7. Mai legte die Liga das notwendige Hygiene- und Sicherheitskonzept den Behörden vor, das unter anderem eine Quarantäne-Umgebung der Spieler in einem Hotel beinhaltet. Doch erst am heutigen Montag, dem 11. Mai, scheint man sich mit den Spielern näher zu besprechen.

„Wenn das Konzept im Detail den Spielern erklärt wird – das wird sicherlich am Montag im Lauf des Tages sein –, werden viele Fragen beantwortet, und viele Sachen relativiert sein“, sagte Marko Pesic, Geschäftsführer des FC Bayern München, im Aktuellen Sportstudio.

Danilo Barthel: „Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass man die Spieler etwas mehr in die Entscheidungsfindung einbezogen hätte.“

Unter anderem Danilo Barthel hätte sich ein früheres Einbeziehen gewünscht, wenn der Kapitän des FC Bayern München im jüngsten MagentaSport-Podcast erklärt: „Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass man die Spieler etwas mehr in die Entscheidungsfindung einbezogen hätte.“ Für Barthel wäre dafür keine Abstimmung nötig gewesen, aber der Nationalspieler hätte gewollt, „einfach auch die Spieler mit zu involvieren, dass man einen Weg findet, wo alle happy sind. Dass man auch die Spieler hört, welche Sorgen sie bei dem ganzen Prozedere vielleicht haben.“

Welche Sorgen diese haben, sprechen Akeem Vargas und Niels Giffey aus. „Als Profisportler erachte ich es als schwierig, sich nach der Wettkampfpause in dieser kurzen Zeitspanne auf einen Level zu bringen, mit dem man spielfähig ist. Das Verletzungsrisiko ist in meinen Augen relativ hoch“, erklärt Vargas im Interview mit der FAZ. Dem pflichtet Giffey im Gespräch mit der BILD-Zeitung bei: „Wir haben drei Wochen Mini-Vorbereitung – und dann sollen wir spielen. Optimal ist das nicht.“

Nun haben sich Spieler in den vergangenen Wochen natürlich selbst fit gehalten; mitunter konnten sie auch die Trainingseinrichtungen ihrer Clubs nutzen. Nichtsdestotrotz muss man zwischen individuellen Home-Workouts mit eingeschränktem Equipment und gruppendynamischen Trainings mit direktem Feedback seitens der (Athletik) Trainer unterscheiden. Zumal auch die Umstände vieler US-amerikanischer Spieler zu berücksichtigen sind, welche sich noch in ihrer Heimat befinden bzw. befanden. So führt Marcus Lindner, Athletiktrainer beim russischen Club UNICS-Kazan, im basketball.de-Interview aus:

„Wenn man draußen laufen, extensive Tempoläufe und Sprint- und Sprungkrafttraining machen kann, ist das etwas anderes, als wenn sich ein Athlet in der Wohnung aufhalten muss und nur einen metabolischen Kraftzirkel machen kann, um sein Ausdauerniveau auf einem gewissen Niveau zu halten“, sagt Lindner über die unterschiedlichen Bedingungen, ab wann Spieler wieder einer größere Belastung – wie bei einem Turnier im Wettkampfmodus – ausgesetzt sein sollten. „Im Prinzip verhält es sich aber so wie die Vorbereitung: sechs bis zehn Wochen – das wäre wahrscheinlich ein verantwortungsbewusster Ansatz.“

Dies ist die physische, das andere ist die psychische Komponente: Wie gehen Spieler mit einem wochenlangen Quarantäne-Zustand um? Und wie sehr können sie sich auf andere verlassen?

Akeem Vargas: „Für mich ist es schwer vorstellbar, dass bei 200 Leuten keiner das Gefühl hat oder den Drang verspürt, mal aus der Sache auszubrechen.“

„Für mich ist es schwer vorstellbar, dass bei 200 Leuten keiner das Gefühl hat oder den Drang verspürt, mal aus der Sache auszubrechen und sich eine Cola an der nächsten Ecke zu holen“, fragt sich deshalb Akeem Vargas in der FAZ. So abgeschottet und damit vermeintlich sicher das Hotel für die Spieler auch sein mag, Niels Giffey wendet in der BILD ein: „Das ist doch alles Theorie. Die Realität sah man in Salomon Kalous Video. Es hängt alles davon ab, dass man sich auf die anderen Spieler verlässt – und das ist das große Fragezeichen.“

Große Fragezeichen gibt es auch hinsichtlich der Gesundheit, als dass das Coronavirus einfach noch nicht stark genug erforscht ist. Mittlerweile scheint sich beispielsweise abzudeuten, dass Covid-19 mehr als „nur“ eine reine Lungenkrankheit ist und stattdessen auch andere Organe betrifft. Und welche Langzeitschäden können auftreten? Selbst wenn die Krankheit milde verläuft, scheinen laut einer Studie der Universität Innsbruck auch Ausdauersportler Lungenschäden davonzutragen, die ihre Karriere gefährden können.

Bei diesen vielen Fragezeichen macht Giffey auch deutlich: „Ich warte noch auf die richtige Erklärung für das Turnier.“ Eine Antwort ist wie so häufig das Geld. „Bei uns ist es nicht so, dass wir unglaubliche Umsätze generieren, wenn wir spielen. Es geht eher darum, dass wir nicht Geld zurückzahlen müssen, dass wir Regressforderungen gegenüber Sponsoren und Partnern nicht zurückzahlen müssen“, erklärt Pesic im Aktuellen Sportstudio.

Womit sich manche Teams nach anfänglicher Abneigung gegenüber einer Saisonfortsetzung doch noch für eine Teilnahme am Turnier entschieden haben – wie RASTA Vechta. „Durch die neuen Informationen bezüglich der Höhe möglicher Rückforderungen und weiterer Konsequenzen mussten wir unsere zuvor geäußerte Absicht also noch einmal überdenken“, legt Geschäftsführer Stefan Niemeyer auf der Vereins-Homepage offen: „Hätte es keine zehn Teams gegeben, die dieses Turnier spielen wollen, dann flögen allen Klubs Rechnungen um die Ohren, bei denen dem ein oder anderen Hören und Sehen vergeht.“

Es geht um die Existenz vieler Clubs und Standorte, damit um die Zukunft der (Profi-) Sportart – und damit auch um die Zukunft der Profispieler. Womit manche auch auf die Rolle der Spieler als Arbeitnehmer verweisen. Wie immer im Leben gibt es also nicht nur schwarz und weiß. Im konkreten Fall der Fortsetzung dieser, sowie einem Start der kommenden Saison geht es um das „kleinere Übel“. Doch man muss bedenken, dass Spieler nunmal das größte Gut sind. Dass sie anscheinend so wenig gehört wurden, ist kontraproduktiv.

So hat sich der Athleten Deutschland e.V. in einem Positionspapier für die Sorgen der Sportler stark gemacht, wenn unter anderem das Prinzip der Freiwilligkeit aufgestellt wird: „Für alle Athlet*innen, auch jenen mit Profi-Verträgen, muss Freiwilligkeit für die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen und etwaigen Wettkämpfen gelten. Eine Nicht-Teilnahme darf in keiner Weise sanktioniert werden oder nachträglich Einfluss auf den Kaderstatus der Athlet*innen nehmen“, heißt es dort.

Geschäftsführer der Athleten Deutschland e.V. ist übrigens Johannes Herber. Der 2017 gegründete Verein will unter anderem die „Unterstützung bei der Bildung von Gewerkschaften für einzelne Sportarten“ anbieten – womit sich ein wenig der Kreis schließt. So blickt Herber im zuvor erwähnten Deutschlandfunk-Interview auf SP.IN zurück: „Es muss eine Nachhaltigkeit sichergestellt sein – etwas, das wir bei SP.IN verpasst haben. Wir haben es verpasst, neue Anführer heranzuziehen und wirtschaftlich auf solide Füße zu stellen.“

So schwierig die aktuelle Situation, so unsicher die Zukunft auf Grund der Corona-Pandemie auch für Profibasketballer in Deutschland ist, so sehr kann sie auch als Chance begriffen werden, nun eine Gewerkschaft oder Interessenvertretung voranzutreiben. „Es wird extrem viel kommuniziert unter den Spielern. Man merkt, dass es eine Sammelstelle für Meinungen geben muss in Zukunft“, meint auch Giffey in der SZ.

So unsicher eine Durchführung des geplanten BBL-Turniers auch ist (nach jüngsten Lockerungen und der nun steigenden Neuinfektionen dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis es wieder Beschränkungen geben wird), die Anliegen der Akteure dürften in mittlerer Zukunft relevant bleiben. Die Budgets der Clubs werden einbrechen – was passiert demnach mit neuen Verträgen? Wird es für Clubs einfacher sein, Spieler zu entlassen? Werden bestehende Verträge nachverhandelt werden (können)? Andere Ligen und Länder haben aktuell stärker mit der Corona-Pandemie zu kämpfen – wonach Deutschland und die BBL für ausländische Spieler (noch) attraktiver werden könnten. Wie sieht es demnach mit der 6+6-Regel aus, deren Vereinbarung von Clubs und Liga in diesem Jahr ausläuft?

Die Interessen der Spieler waren auf Grund einer fehlenden Interessenvertretung lange Zeit verstummt. Aktuell präsentieren sich manche verstimmt. Aber vielleicht werden sie in Zukunft wieder verstanden.