Richtiger Gedanke – richtiger Weg?

Ein Essay über die aktuelle Entwicklung in der NBA und die Boykottierung.

Boykott – Nun doch!

Die wiederkehrende Gewalt gegen people of color und die damit einhergehende Staatsgewalt durch die Polizei haben nun doch dazu geführt, dass Spieler der Milwaukee Bucks ihr Playoff-Spiel boykottiert haben. Der Ausgangspunkt dieser radikal gewählten Maßnahme der Spieler liegt nicht nur in der strukturellen Diskriminierung und Benachteiligung sogenannter Minderheiten, sondern insbesondere auch in den anhaltenden Protesten und der nicht enden wollenden Gewalt der Polizei, die in den letzten Monaten durch Ermordung people of color aufgefallen ist.

Wer die Aussagen der Spieler ernstnehmen und sich weiterbilden möchte über Begriffe wie strukturelle Benachteiligung oder insgesamt das Konzept von Rassismus, der sei an dieser Stelle an das Buch „Stamped from the beginning“ von Prof. Ibram X. Kendi verwiesen.

Dass sich auch Spieler der NBA darüber tiefgreifende Gedanken gemacht haben, lässt sich nicht erst seit der Bubble in Orlando beobachten, denn schon vorher gab es grundlegende Diskussionen darüber, ob man überhaupt Basketball spielen möchte.

Insbesondere Kyrie Irving tat sich mit der Forderung hervor, dass er in den momentanen Verhältnissen eher nicht bereit wäre, sein liebstes Hobby auszuüben. Und auch in den Wochen und Monaten danach haben sich die Diskussionen nicht in Luft aufgelöst und die NBA-Offiziellen sahen sich gezwungen, Zugeständnisse zu machen, um die Aufmerksamkeit für die „Black Lives Matter“ Bewegung hochzuhalten.

Die jüngsten Ereignisse rund um die Boykottierung einiger Spiele zeigen nun einmal mehr, dass die Mär von der Trennung von Sport und Politik und Ökonomie nichts weiter ist als eine Ideologie, die versucht, Menschen ihrer Stimme zu rauben und notwendige Kritik zu disqualifizieren. Eine Untersuchung und Einordnung von NBA oder auch Bundesliga kann nicht geschehen, ohne herrschende Verhältnisse zu berücksichtigen, in denen solche Unterhaltung eingebettet ist.

Wer sich auch an diesem Punkt weiterbilden möchte, dem sei das Buch „Ballverlust: Gegen den marktkonformen Fußball“ von Christian Bartlau empfohlen. Es ist ein guter Einstieg für all diejenigen, die es eher mit dem deutschen und europäischen Fußball halten und auch deshalb wichtig, da es hier herrschende Verhältnisse kritisch erklärt und auf ihre Beziehung mit dem Geschäft des Fußballs eingeht.

Wie und warum sollten die Spieler boykottieren?

Die Einordnung des Sports in die Gesellschaft, ihrer Politik und ihrer Wirtschaftsweise ist noch lange nicht breit akzeptiert und doch ist es der entscheidende Punkt, um genau solche Geschehnisse kritisch analysieren zu können.

Wer sich einmal mit der Frankfurter Schule auseinandergesetzt hat oder mal was mit Theodor W. Adorno und Max Horkheimer zu tun hatte, der kennt das Konzept der „Kulturindustrie“. Man muss die theoretische Konzeption nicht bis ins kleinste Detail nachvollziehen können, aber es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen, weil es die Grundlage für eine kritische Einordnung von Sport bietet.

Für eine Betrachtung der aktuellen Lage der NBA ist es dementsprechend wichtig, sich klarzumachen, dass Sport in kapitalistischen Staaten zu einer Ware geworden ist, wie alles andere in der Kultur. Ich bezahle ein Ticket für das Kino, ich erwerbe ein Jersey von LeBron James und dahinter steht eine Industrie, die den Sport und die Unterhaltungsbranche profitabel gemacht hat. Es geht um das Erzielen von Profiten. Dadurch fängt der Sport an, sich über seinen ökonomischen Wert zu definieren und wer kennt es nicht, dass wir in den letzten Jahren vermehrt über den Wert der NBA gegenüber anderen amerikanischen Profiligen debattieren oder in Bezug auf die WNBA davon reden, dass diese sich einfach nicht so gut vermarkten lässt. Das zentrale Thema sind die Verwertungslogiken: Wie verdiene ich an dem Produkt Sport am meisten Geld?

Sport wird somit auch Kitt einer Gesellschaft und einer Gesellschaftsstruktur, die momentan herrschende wirtschaftliche wie politische Verhältnisse als natürlich zu verkaufen versucht. Die
Eigenheiten von kapitalistischer Wirtschaftsweise und politischen Verhältnissen werden durch Sport verschleiert. Es ist ein Wohlfühlort der Menschen, der maximal unkritisch daherkommt und wo sich die Menschen nicht um den eigentlichen Alltag kümmern sollen. All das ist natürlich Unsinn.

Auch strukturelle Ungleichheiten sind im sportlichen Kontext naturalisiert und damit kontrollierbar. Doch was passiert in dem Moment, wo Sportler*innen nun aus dieser Sportindustrie auszubrechen versuchen, um auf reale Missstände aufmerksam zu machen?

Was kann jetzt passieren?

Die Frage nach den konkreten Folgen der jetzigen Situation, in der sich die NBA befindet, ist in diesem Kontext vollkommen berechtigt.

Neben einigen Artikeln, die die Rolle des Sports fundamental infrage stellen (und wie bereits dargelegt keine Existenzberechtigung haben sollten) kommt auch Kritik hoch, die exemplarisch Robert Arndt in seinem Artikel „Der richtige Gedanke, aber der falsche Weg?“ auf SPOX zusammenfasst. Ihnen geht es nicht um Legitimation der Proteste, sondern nur um die fehlende Abstimmung unter den Spielern und um ein gemeinsames Auftreten der Liga.

Nun könnte man an diesem Punkt ansetzen und sagen, dass genau diese Forderung die eigentlichen Inhalte der Proteste wieder verwischen lässt. Es darf in diesem gesellschaftlichen Kontext nicht sein, dass schwarze Spieler und hauptsächlich weiße Besitzerinnen gleiche Forderungen aufstellen. Denn an diesem Punkt werden grundlegende Machtverhältnisse nicht berücksichtigt: So zeigen sich die strukturellen Ungleichheiten beispielsweise bei der Ausbeutung mehrheitlich schwarzer Gefangenen in us-amerikanischen Gefängnissen, bei denen Unternehmen, die mehrheitlich von weißen Menschen geführt werden, profitieren. Und diese strukturellen Ungleichheiten, die von den NBA-Spielern bekämpft werden, werden durch Menschen wie die Team-Owner gesichert. Dabei geht es nicht um konkrete Biographien dieser Menschen, sondern um eine gesellschaftliche Reflexion. Egal wie progressiv ein Owner wie Mark Cuban auftritt; wenn es um strukturelle und damit auch ökonomische Ungleichheiten geht, von denen er profitiert, dann wird solch eine Person immer die Sicherung der eigenen Privilegien verfolgen.

Deshalb ist es wichtig, dass die Spieler sich dessen bewusstwerden und nicht versuchen, durch maximale Kompromisse und die daraus folgende Einhegung ihrer Forderungen eine Einigkeit innerhalb der Liga zu erzielen, die nicht möglich ist.

Final kann es nur eine Möglichkeit geben, die Forderungen und die Aufmerksamkeit weiter hochzuhalten: Sie müssen als Spieler die restliche Saison boykottieren!