NBA Finals Vorschau: Lakers gegen Heat, Zonen im Fokus
Die Miami Heat zogen auch wegen ihrer Zonenverteidigung in die Finals ein. Die Los Angeles Lakers dominierten derweil dank ihrer Größe und vieler Fastbreaks in der Zone. Die Vorschau auf die NBA Finals blickt auf weitere spielerische Details.
Kein Spieler hat die vergangene Dekade der NBA so sehr geprägt wie LeBron James. Neun Finals-Teilnahmen in den vergangenen zehn Jahren sind Ausdruck dessen. 2011 hatte diese beeindruckende Serie begonnen – am South Beach jedoch zunächst mit Sand im Getriebe, mit James’ „not one, not two, not three …“-Proklamation bisweilen arrogant.
Die damalige Meisterschaft der Dallas Mavericks war auch ein Sieg des Underdogs gegen eines dieser „Superteams“. Vom langersehnten Titel Dirk Nowitzkis ist vieles hängengeblieben, ein Schlüssel des Erfolgs aber vielleicht weniger: die Zonenverteidigung Dallas’.
Seit 2011 hat sich viel verändert (gut, eines bzw. einer blieb: Udonis Haslem): Die Heat stellten keine Dynastie mit sieben Titeln, nach nur vier Jahren verabschiedete sich James wieder in Richtung Cleveland. Eine solche Dynastie erschufen schon vielmehr die Golden State Warriors, welche dabei die Basketballevolution vorangetrieben haben – was sich in Elementen auch bis zu den diesjährigen Conference-Finals fortgesetzt hat. Und doch spricht man 2020 wieder von einer Sache: Zonenverteidigung.
Mit diesem für NBA-Verhältnisse ungewohnten Defensivkonzept sind die Miami Heat bis in die NBA Finals vorgedrungen. Eine Mannschaft, die beileibe kein „Superteam“ ist, da sie mehr ungedraftete Spieler als Top-Ten-Picks in der Playoff-Rotation weiß. Ließ Heat-Coach Erik Spoelstra jene Zone in den ersten beiden Playoff-Runden noch unter Verschluss, packte er sie in den Eastern Conference Finals gegen die Boston Celtics aus. Und so brachen die Heat auch im Schlussviertel des sechsten Spiels den Rhythmus’ Bostons dank ihrer 2-3-Zone.
Miamis 2-3-Zonenverteidigung
Die Heat stehen an der Spitze einer Entwicklung, die in dieser Saison so viel Zonenverteidigung auf das NBA-Parkett gebracht hat wie zuletzt in der Lockout-Saison 2011/12. Das Besondere an Erik Spoelstras Konzept ist, dass nicht die beiden Guards, sondern die beiden Forwards vorne in der Zone stehen: Jimmy Butler und Jae Crowder als Starter sowie Andre Iguodala (wobei der eher den Smallball-Center gibt) oder Derrick Jones Jr. sollen mit ihrer Länge und auch athletischen Vorteilen gegenüber den kleinen Spieler Miamis die gegnerische Offensive aus dem Konzept bringen, Würfe erschweren und Passwege zustellen.
Die beiden Guards stehen hinten an den Außenpositionen. Goran Dragic, Tyler Herro oder Duncan Robinson sollen dabei unter anderem „stunten“ – also mit einem schnellen, kurzen Schritt nach vorne Druck machen, falls ein Offensivspieler vom 45-Grad-Winkel aus attackieren will. Und in der Mitte patrouilliert Bam Adebayo als Ringbeschützer.
Es wird spannend zu beobachten sein, wie häufig die Heat auch in den Finals mit einer Zone verteidigen werden. Gegen die Celtics nutzte Miami die Zone auch deshalb, um die Pick-and-Roll-Spieler Bostons wie Kemba Walker oder Jayson Tatum eben dieser Stärke zu berauben. Die Zone der Heat will in erster Linie Drives und einfache Punkte am Ring unterbinden – und nimmt stattdessen, wie es für eine Zone üblich ist, Dreier in Kauf.
Die Lakers treffen in der Endrunde bisher gerade mal 35,5 Prozent ihrer Distanzwürfe: nur der zwölfte Platz unter den 16 Playoff-Teams. Derweil erzielt keine Mannschaft pro 100 Possessions mehr Punkte in der Zone als die Lakers – was zum Teil auch an deren Fastbreak-Stil liegt. Auf Grund dessen dürften die Heat zumindest zu Serienbeginn mit der Zone operieren und evaluieren, wie die Lakers darauf reagieren. Zwar hatten die Lakers in der Hauptrunde mit der Zone Miamis weniger Probleme, doch gerade die Heat sind in der Bubble ein ganz anderes Team, womit die Duelle in der regulären Saison kaum Aussagekraft besitzen.
Los Angeles‘ Post- und Fastbreak-Offense
Den Heat wird es derweil weniger darum gehen, wie gegen die Celtics Pick-and-Rolls zu unterbinden. Denn die Offensive der Lakers ist kaum auf diesen Standardspielzug ausgelegt: Nur zwölf Prozent ihrer Offensivaktionen entfallen auf einen Abschluss des Ballführers nach einem direkten Block. Vielmehr agieren Anthony Davis und LeBron James als Offensivmittelpunkt aus dem High- und Low-Post. Der Bereich um die Freiwurflinie ist derweil einer, den es gerade in Miamis 2-3-Zone zu attackieren gilt.
Die Celtics verstanden es ab und an durchaus, die Angriffspunkte Miamis Zone zu finden – und durch Cuts gute Würfe in der Zone zu generieren (sie waren dabei aber nicht effizient). Das kann man auch von den Lakers erwarten, deren Rollenspieler wie Alex Caruso, Markieff Morris oder Kyle Kuzma (wenn dieser auch nicht die Rolle der konstanten dritten Option erfüllt hat) gute Cutter sind. Das zeigt sich zumindest bei Anspielen aus Post-ups. In ihrer Serie gegen die Denver Nuggets hatten sich die Lakers jedoch noch nicht mit einer Zonenverteidigung beschäftigen müssen.
Wichtig wird es für die Heat sein, schnell in die eigene Defense zurückzukommen und die Lakers in eine Halbfeldoffensive zu zwingen. Denn dort sind die Lakers nur ein Durchschnittsteam – wohingegen keine Mannschaft mehr Fastbreak-Punkte erzielt hat als die Gold-Violetten.
Eine Schwachstelle der Zone liegt bisweilen im Rebounding, da sich die Verteidiger erst einen Gegenspieler suchen müssen, den sie ausboxen. Die Lakers agieren derweil ohnehin stark am gegnerischen Brett, ihre großen Formationen haben den Gegnern häufig Probleme bereitet. Auf der anderen Seite bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit JaVale McGee und Dwight Howard defensiv gegen die Heat-Offensive spielbar sein werden.
Die Offensive Denvers war stark auf das Two-Man-Game zwischen Jamal Murray und Nikola Jokic ausgelegt. Miamis Offensive hingegen operiert durch viele Hand-Offs mit viel mehr Bewegung, was für Los Angeles’ Fünfer eine Herausforderung sein wird. Macht es da nicht Sinn, dass Anthony Davis noch häufiger auf die Fünf rutscht? Defensiv kann die „Monabraue“ ja eh gegen kleine Gegenspieler bestehen.
Dann würde noch häufiger das Matchup zwischen Davis – der eine unglaublich imposante Playoff-Stat-Line auflegt (28,8 PpG, 9,3 RpG, 3,6 ApG, 1,2 SpG, 1,2 BpG, 66,3% TS), mit dem „Kobe“-Buzzerbeater als Krönung – und Adebayo in den Fokus rücken. Jenes Matchup besitzt das Potential, vielleicht noch entscheidender zu sein als das Duell zwischen LeBron James und Jimmy Butler.
Zumal die Heat mit Verteidigern wie Jae Crowder und Andre Iguodala neben Butler in der Defense gegen James noch stärker variieren könnten. Auf der Gegenseite könnte James in kleinen Formationen der Lakers eher jemanden verteidigen wie Crowder statt beispielsweise Butler.
Adebayo als Hand-Off-Playmaker
Beim Blick auf Adebayos Spiel kann man die Frage stellen: Wie definiert sich eigentlich ein Spielmacher? Der Heat-Center versteht es ungemein gut, durch seine Dribble Hand-Offs die Offensive der Heat zu initiieren. Daraus feuern Flügelspieler wie Tyler Herro oder Duncan Robinson ihre Dreier. Zudem kann Adebayo nach solchen Aktionen (und einem möglichen Ball-Screen) mit seinem Slippen eine Gefahr über Ringniveau darstellen.
In der regulären Saison erzielten die Heat 10,2 Punkte pro Spiel nach Hand-Offs – der ligaweite Höchstwert. Der Abstand auf die zweitplatzierten Golden State Warriors war so groß wie der Abstand zwischen jenen Warriors und den Portland Trail Blazers auf dem 23. Platz …
Adebayos Entwicklung zum Basketballeinhorn (seine Playmaking-Fähigkeiten sowie Defense als Ringbeschützer sowie Switch-Verteidiger lassen ihn durchaus dieses Etikett tragen) ist eine Blaupause der Heat-Kultur: Denn unter Erik Spoelstra und dessen Coaching-Stab haben es die Heat in den vergangenen Jahren ungemein gut verstanden, Spieler zu entwickeln und sie nach ihren Stärken einzusetzen.
Die Heat-Kultur scheint derweil auch gut zu Jimmy Butler zu passen. Durch seine vergangenen Stationen in Chicago, Minneapolis und Philadelphia und seine fordernde Art gab es von manchen Seiten Bedenken, welch schwieriger Charakter Butler denn sei. Vielleicht hat der Flügelspieler auch nur eine Organisation gebraucht, die von ihren Spielern selbst ebensoviel einfordert. Wenn man Butler in den High-School-Trikots von Tyler Herro oder Erik Spoelstra sieht, mag man dessen Teamfähigkeiten gar nicht in Frage stellen.
So sehr Butler bei seinen vergangenen Stationen gezeigt hat, welchen Wert er besitzt, in die Riege der Superstars gehört der 31-Jährige weniger. Butler ist nicht der Typ Spieler, der forciert – dabei könnte er das durchaus öfter tun, da in den aktuellen Playoffs sein Dreier verhältnismäßig gut fällt. In der Crunchtime weiß Butler dann doch zu übernehmen – wie vor allem auch Backcourt-Partner Goran Dragic, der im Heat-Diskurs fast ein wenig unterschätzt wird. Die beiden Guards, wie auch Herro, schrecken in der Crunchtime nicht zurück – und untermauern dabei auch eine gewisse Unberechenbarkeit Miamis.
Auf ihrem Weg in die NBA Finals mögen die Los Angeles Lakers diversen (kommenden) (Super-) Stars begegnet sein: Damian Lillard, James Harden sowie Nikola Jokic und Jamal Murray. Von der individuellen Qualität mag dieses Heat-Team nicht solche Spieler aufweisen, doch gerade deren Ausgeglichenheit sowie die bewegungsreiche Hand-Off-Offensive und die andere Verteidigungsart dürfte für die Lakers ein neuer, da anderer Prüfstein sein.
LeBron James als Katalysator
Seit 2011 hat sich viel verändert: auch für LeBron James. Von einem Superteam samt „Big Three“ in Miami über ein Cavs-Team mit nicht mehr ganz so großen zwei Partnern hin nun zu den Lakers, bei denen die Frage nach der dritten Option offen ist – bei denen aber in Anthony Davis ein Spieler an der Seite James’ steht, der dank seiner „Two-Way“-Fähigkeiten der wohl stärkste in James’ Karriere ist.
Durch Davis’ starke Playoff-Leistungen konnte sich James offensiv etwas zurücknehmen. Doch der 35-Jährige versteht es mehr denn je, wann er zu übernehmen hat. Bekommt man das Gefühl, im vierten Viertel sinkt James’ Effizienz, kickt er im nächsten Spiel die Nuggets raus: mit vier von vier getroffenen Würfen innerhalb von 1:43 Minuten des vierten Viertels, mit neun Lakers-Punkten in Folge, für ein imposantes „38 / 16 / 10“-Triple-Double.
Natürlich steht gerade James’ Auftritt gegen sein ehemaliges Team im Fokus – zumal der Abschied des „King“ für manche Verantwortliche Miamis unverständlich war (und Pat Riley sich beinahe zu einem Dan-Gilbert-Schritt verleiten ließ). Und zumal James die Lakers zum ersten Titel seit 2010 führen könnte – gerade in jenem Jahr, in dem die Franchise mit dem Tod von Kobe Bryant eine teameigene Legende verloren hat.
Neben solcher Emotionalität hat die NBA Finals-Paarung zwischen den Los Angeles Lakers und Miami Heat auch basketballerisch einiges zu bieten: Der Lakers-Fastbreak-Show beiseite, hat es Frank Vogels Team in dieser Saison vor allem geschafft, defensiv eine Identität herauszubilden. Offensiv ist die Paarung James / Davis eine imposant zu verfolgende.
Die Heat gehen offensiv wie defensiv andere Wege und haben als Franchise gezeigt, dass der Abschied eines Superstars nicht unbedingt in die Tanking-Niederungen führen muss – sondern durch umsichtiges Management (mit zugegeben teils auch schlechten Verträgen), gute Draft-Picks, etwas Glück und einer ansprechenden Kultur bis in die NBA Finals führen kann. Dort wartet nun mit James der Spieler, der mit seinem Abschied diesen Umbau losgetreten hat – und es schließt sich der Kreis.