NBA Draft: Auf der Suche nach dem Super-Rollenspieler
Zion Williamson, RJ Barrett und Ja Morant dominieren bei der NBA Draft 2019 die Schlagzeilen und werden die Top 3 aller Voraussicht nach unter sich ausmachen. Doch wer kommt danach? Wir stellen Euch eine Handvoll Spieler genauer vor, die nach der Top 3 in verschiedenen Regionen der ersten Runde anzufinden sein sollten.
Nach dem Anthony-Davis-Trade herrschte auch auf sämtlichen Draft-Boards und Online-Outlets Mock-Draft-Redigierungs-Alarm. Doch nicht nur AD wechselte sein Team. Auf der anderen Seite erhielten die New Orleans Pelicans einen weiteren Top-5-Pick und allerhand talentierte Spieler. Nach dem Davis-Trade stehen nun auch die Atlanta Hakws im Rampenlicht, die mehreren Berichten zufolge probieren, ihren achten und zehnten Pick für einen Top-5-Pick abzugeben. Während die New York Knicks diese Offerte bereits ablehnten, stehen nun – mal wieder – die Pelicans im Rampenlicht, die diesem Angebot wohl nicht so abgeneigt sein sollen. Doch wen kann man sich überhaupt nach der Top 3 holen? Im folgenden Artikel sollen drei Spieler detaillierter vorgestellt werden. In den Bereichen Combo-Guards, Three-and-D-Wings sowie (Versatile-)Stretch-Bigs werden zudem die potenziellen Konkurrenten von Darius Garland, Deandre Hunter und Bol Bol kurz skizziert, damit Ihr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag mit ein wenig Expertenwissen glänzen könnt.
Darius Garland (Vanderbilt)
Darius Garland ist ein klassischer Combo-Guard, der auf den ersten Blick vom Spielstil sehr gut in die heutige NBA passt. Als Ballhandler schaut der ehemalige McDonald’s-All-American zuerst auf seinen eigenen Abschluss. Dabei ist er, was diesen angeht, sehr versiert. Ein unfassbar gutes Pull-Up-Game und der Ruf als bester Shooter der Draft (neben UNC’s Cameron Johnson) lassen ihn in vielen Front-Offices besser ankommen als Peter Zwegert bei privatinsolventen Familien auf RTL. Trotz mittelmäßiger Athletik kann Garland auch am Korb ordentlich finishen, erinnert hier etwas an Trae Young oder einen Stephen Curry zu Anfangszeiten. Sein Pick-and-Roll-Spiel ist sehr stark; Garland nutzt jeden freien Zentimeter zu seinem Vorteil aus.
Vanderbilts Nummer zehn kann dabei die Offensive seiner Mannschaft als Ballhandler initiieren, weiß jedoch auch abseits des Balles als Spot-Up-Schütze zu überzeugen. Mit einem Fundament aus guter Fußarbeit und schnellem Release eignet sich der prognostizierte Top-10-Pick auch als Schützer, für den Plays gelaufen werden.
Ein Manko ist die Competition, mit der der wendige Guard es bislang zu tun hatte; es ist sehr schwer einzuschätzen, wie gut er sich gegen erfahrenere Gegenspieler behaupten kann. Nach nur sieben Spielen verletzte sich Garland am Meniskus und verpasste die restliche Saison. Paradoxerweise stieg sein Draft-Stock dennoch bei den meisten Mock-Drafts und Big-Boards.
Sein wirklich ausgezeichneter Wurf kaschiert dennoch nicht seine Schwächen:Diese ist vor allem seine Defensive. Eine durchschnittliche Athletik, keine überragenden Längenmaße und ein Einsatz, der die Schulnote „Ausreichend – 4“ verdient, sorgen für Sorgenfalten auf den Stirnen der General Manager in der NBA. Ein negatives Assist-Turnover-Ratio spiegelt außerdem seine teilweise unkontrollierte Spielweise wider. Als junger Spieler zeigte Garland dabei immer wieder Ansätze eines guten Auges, an dieser Stelle ist also eine Verbesserung zu erwarten. Garland braucht einen geduldigen Coach, der ihm Fehler verzeiht. Denn ein Hang zum Ballverlust sowie defensive Schwächen haben schon einige Spieler vor enorme Startschwierigkeiten gestellt.
Prognostizierte Draft-Position: Top 10
Best-Case-Szenario: Stephen Curry für Arme
Worst-Case-Szenario: Flip Murray
Positionsnahe Konkurrenz:
Jarrett Culver (Texas Tech, Top 8): Hart spielender, smarter Offensiver Allrounder mit Fragezeichen bezüglich eines konstanten Wurfs. Als Leader eines sehr starken Texas Tech-Teams war Culver der Spieler, der in den Big-Boards im letzten Jahr wohl am höchsten kletterte. Der Sophomore hat wenige herausragende Fähigkeiten, aber auch keine eklatanten Schwächen. Somit wird er als garantierter Top-10-Pick mit geringer Downside betrachtet.
Coby White (North Carolina, Top 10): Nicht nur wegen seines massiven Afros passt der Spitzname „Sonic“ zu Coby White wie die Faust aufs Auge. UNC’s Floorgeneral ist der wohl schnellste Spieler in der Draft. Ein ordentlicher Spot-Up-Dreier und ein gutes Ballhandling machten ihn am College sehr schwer zu stoppen. Auch bei White stehen Fragezeichen hinter seiner Defense. Außerdem tendiert er dazu, zu überdrehen. Dennoch: In den letzten Wochen schoss er bei den meisten Draft-Boards aus der 10- bis 20-Region in die Top 10.
De’Andre Hunter (Virginia)
Der erste National-Champion, der wohl in diesem Jahr gezogen wird, hört weder auf den Namen Ty Jerome, noch Kyle Guy. Dabei ist der Ex-Cavalier ein feuchter Traum eines jeden GMs, der auf der Suche nach Rollenspielern ist. Hunter ist ideal als dritte oder vierte Option von NBA-Teams geeignet.
Als Three-and-D(efense)-Spieler ist Hunter wohl sicher nach den ersten zehn Picks weg. Zu Virginias drittbestem Scorer passt das Sprichwort: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Hunter weiß, was er kann: Spot-Up-Dreier, Cuts zum Korb, den extra Pass spielen. Mit seiner effektiven Spielweise, ohne den Ball in den Händen halten zu müssen, ist er der ideale Ergänzungsspieler für jedes Team, das bereits einen Go-to-Guy in seinen Reihen hat.
Sein Steckenpferd ist dabei die Defense. Er weiß seine langen Arme und seinen kräftigen Körper exzellent einzusetzen. In der NBA wird Hunter vier Positionen verteidigen können, wobei er am College gegen physische Big Men und schnelle Guards seine Probleme hatte.
Virginias Nummer zwölf weiß auf alle Fälle, was sie kann – und sein zukünftiger Arbeitgeber auch. Es wird nicht von Hunter verlangt werden, eine Offensive zu tragen, wozu ihm klar die Kreativität, Explosivität sowie das Dribbling fehlen. Mit dieser „Verdammtheit“ zu einem Rollenspieler-Dasein ist der Flügelspieler quasi der Klassensprecher der Post-Top-3-Talenten – wo das Motto ist: Die NBA sucht den Super-Rollenspieler.
Prognostizierte Draft-Position: Top 8
Best-Case-Szenario: Shane Battier
Worst-Case-Szenario: Jae Crowder (Die Utah Memphis-Version)
Positionsnahe Konkurrenz:
Nassir Little (North Carolina, Top 20): Vor der NCAA-Saison 2018/19 galt Nassir Little als Top-5-Pick. Entgegen der allgemeinen Erwartungen tat sich Little bei UNC allerdings zunächst sehr schwer und konnte erst in der March Madness seinen Vorschusslorbeeren teilweise gerecht werden. Ähnlich wie Hunter verfügt Little über die körperlichen Voraussetzungen, um ein guter NBA-Verteidiger zu werden. Ihm fehlt ein konstanter Wurf, dafür ist er athletischer und hat generell mehr Potenzial in der Offense als sein Kontrahent aus der ACC. High Risk, high Reward.
Matisse Thybulle (Washington, Ende der ersten Runde): Dass Washingtons Senior in den Top 20 landen wird, ist eher unwahrscheinlich. Der Huskie gilt als bester Verteidiger der Draft: Thybulle legte über drei Steals UND zwei Blocks pro Spiel für das beste Team der Pac-12 auf. In vier Jahren stagnierte der Pac-12 Defensive Player of the Year jedoch bei seinen ausbaufähigen Wurfquoten. Nur 30 Prozent von der College-Dreierlinie lassen Jalen Rose bereits „Open for a reason“ skandieren. Seine ordentlichen Quoten von der Freiwurflinie (ca. 75% FT in seinen vier Jahren als Huskie) können jedoch ein Indiz dafür sein, dass in dieser Hinsicht bei Thybulle noch nicht aller Tage Abend ist.
Cam Reddish (Duke, Top 10): Reddish ist der wohl bekannteste Spieler in diesem Artikel. Vor der abgelaufenen Saison wurde Reddish noch als Top 3 an der Seite seiner beiden Super-Freshmen Barrett und Williamson gehandelt. Mittlerweile scheiden sich aber an ihm die Geister. Der Wurf von Dukes designierten Scharfschützen sieht gut aus, verfehlte allerdings sehr häufig sein Ziel. Eine Effective Field Goal percentage (eFG%) von 46 Prozentpunkten ist wirklich schwer zu fabrizieren, vor allem als designierter Shooter mit zwei Mitspielern, die einem allen Platz der Welt schaffen sollten. Das größte Enigma in dieser Draft ist, wer Cam Reddish wirklich sein wird: der elitäre Wing-Defender mit Elite-Shooting und Shotmaking à la Paul George oder ein überbewerteter Shooter und Flügelspieler mit durchschnittlicher Perimeter-Defense? Only time will tell.
Bol Bol (Oregon)
Letztens war ich an der Konsole und habe mir einen Spieler zusammengestellt. Er war 2,18 Meter groß, hatte eine Armspannweite von knapp 2,34 Metern und das Ballhandling sowie den Wurf eines Guards.
Was wie der Traum eines jeden Hobby-Managers klingt, wird von Manute Bols Sohn Bol Bol tatsächlich verkörpert. Wieso ist Bol Bol also kein designierter Top-3-Pick?
Trotz sehr ausgeprägter Grundlagen im Umgang mit dem Basketball fehlt es Bol Bol am Spielverständnis. Ein bisschen zu verliebt in seinen unorthodox aussehenden Wurf (gleichzeitig: Was sieht bei Bol Bol schon nicht-unorthodox aus?), nimmt er viele Abschlüsse aus dem Dribbling oder aus dem Face-Up. Auch als Passer aus dem Post oder am Perimeter wusste Bol bislang nicht zu überzeugen.
Hinzu kommen etliche Fragezeichen bezüglich seiner Verletzungsanfälligkeit und seines Körperbaus. Ein Ermüdungsbruch im Fuß mit zarten 19 Jahren spricht Bände. Wenngleich eine Reichhöhe von 297 Zentimetern traumhaft klingen, hat ein langer Körperbau auch seine Nachteile. Ähnlich wie sein Vater Manute ist Bol Bol ein Leichtgewicht mit unfassbar langen Gliedmaßen. Vor allem in der Defense verfügt er über eine geringe laterale Geschwindigkeit. Im Post ist für kräftigere Gegenspieler Bully-Ball angesagt. Wie gut verteidigt Bol das Pick-and-Roll?
Trotz all dieser Kritikpunkte sollte der wohl größte Spieler der ersten Runde (Tacko Fall ist als später Zweitrunden-Pick projiziert) Mitte bis Ende der ersten Runde einen Pick wert sein. Der 19-Jährige ist ein Sinnbild des „High risk, High reward“-Picks. Sein guter Touch von der Dreierlinie und seine guten Hände als Passempfänger machen ihn im Angriff zudem zu einem potenziell sehr starken Pick-and-Roll-Spieler. Auch als Stretch-Four oder -Five kann er nicht nur als Shooter, sondern auch mit Penetration gegen das Close-Out brillieren.
Prognostizierte Draft-Position: Top 20
Best-Case-Szenario: Brook Lopez (Die Milwaukee Version ohne Muskeln mit mehr Länge)
Worst-Case-Szenario: Thon Maker, Greg Oden (mit Fuß statt Knie)
Positionsnahe Konkurrenz:
PJ Washington (Kentucky, Top 20): Kentuckys PJ Washington ist ein Arbeitstier, das an Paul Millsap erinnert. In seinem zweiten Jahr konnte er seine Dreierquote um knapp 19 auf 43 Prozent steigern – was ihm auch auf den Draft-Boards nach oben schießen ließ. Trotz dieser steilen Entwicklungskurve ist unklar, wie gut Washington den NBA-Dreier treffen wird. Auch seine Entscheidungsfindung in der Offensive, vor allem nach Drives, lässt zu wünschen übrig. Der 20-Jährige gilt außerdem nicht als elitärer Verteidiger. Er muss früh beweisen, dass sein Motor an beiden Enden des Feldes auf Hochtouren läuft. Für mich ist er ein potenzieller All-Star-Sleeper, muss jedoch vom richtigen Team gedraftet werden.
Brandon Clarke (Gonzaga, Top 15): Brandon Clarke blockte in der NCAA-Saison 2018/19 117 Würfe. Brandon Clarke verwarf in der NCAA-Saison 2018/19 117 Würfe. Kumuliert: 3,2 Blocks pro Spiel und eine Wurfquote von 69 Prozent aus dem Feld. Seine Stärken liegen klar in der Defense und im Pick-and-Roll. Hinter Zion ist der 22-Jährige wohl der beste Leaper in der Draft, was er bei seinen Körpermaßen und seinem Spielstil jedoch sein muss. Denn ein 2,08 Meter großer Spieler, der keine Dreier wirft, muss athletisch von einem anderen Stern sein. Wo wird Clarke einzusetzen sein? Sein Wurf reicht (noch) nicht für die Position des Stretch-Bigs – gegen größere und kräftigere Spieler wird er defensiv seine Probleme haben. Clark(e) Kent oder Superman?