Simone Fontecchio: „Wenn du auf dem Feld glücklich sein willst, musst du Spaß haben“
Simone Fontecchio spielt seit diesem Jahr bei ALBA BERLIN und nimmt eine wichtige Rolle bei den Albatrossen ein. Im Interview spricht der Italiener über die besondere Defense von Aito, seine unterschätzten Skills sowie den Vergleich zwischen BBL und Serie A. Außerdem krönt Fontecchio die Pizza-Welthauptstadt.
Seit dieser Saison schnürt der 25-jährige Italiener Simone Fontecchio für ALBA BERLIN seine Sneaker. In Italien durchlief Fontecchio fast alle Jugendnationalmannschaften. Nachdem er in der Talentschmiede von Virtus Bologna 2015 zum besten Nachwuchsspieler der Serie A gewählt worden war,, wechselte Fontecchio nach Mailand. Doch beim Euroleague-Contender konnte er sich nicht durchsetzen.
Zurück nach Bologna und über Reggio Emilia verschlug es ihn dann nach Berlin, wo er einen Vertrag über drei Jahre unterschrieben hat. Bei ALBA, seiner ersten Station außerhalb Italiens, hat sich der 2,03 Meter große Forward zu einer wichtigen Größe entwickelt. Auf dem Weg zum EuroLeague-Spiel nach Lyon sprach Berlins zweitbester Scorer in der EuroLeague mit basketball.de über Basketball in Zeiten von Corona, die „ALBA-Mentalität“, Pizza und vieles mehr.
basketball.de: Wie hast du dich mittlerweile in Berlin eingelebt?
Simone Fontecchio: Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, viel herumzukommen, weil es nach dem Sommer direkt in den Lockdown ging. Auch unser Spielplan erlaubt es mir nicht viel rauszugehen. Das ist schon anstrengend. Frustrierend ist es auch, weil wir eine kleine Tochter haben, sie ist 14 Monate alt. Hoffentlich können wir in der Zukunft mehr von Berlin sehen. Bislang waren wir schon im Zoo und haben uns die Gegend angeguckt, Spaziergänge gemacht, als das Wetter schön war. Wir sind häufig in Parks und gerne im Tiergarten.
Hast du schonmal eine Tour mit Coach Aito und seiner Kamera gemacht? Er hat ja einen sehr spannenden Instagram-Account.
Ja, das habe ich gesehen, er macht wirklich gute Bilder. Eine Tour habe ich aber noch nicht gemacht.
„Es ist quasi unmöglich, bei diesem Club nicht motiviert zu sein“
Zurück zum Basketball: Beim Spiel gegen Oldenburg Anfang März hatte ich gesehen, dass du Louis Olindes Rolle als Motivator im Huddle übernommen hast. Du fühlst dich in der Mannschaft wohl?
Ich bin jetzt schon seit sechs bis sieben Monaten mit dem Team am Start und fühle mich gut. Nach ein paar Wochen waren mir alle direkt sehr sympathisch: nicht nur die Mitspieler, auch die Trainer, Organisatoren, der ganze Club. Hier herrscht eine richtige ALBA-Mentalität. Jeder soll sich wohlfühlen und sich als Teil des Ganzen fühlen. Wir wollen und sollen alle mit einem Lächeln auf dem Gesicht jeden Tag zum Training kommen. Schließlich machen wir das, was wir lieben: Basketball spielen. Es ist quasi unmöglich, bei diesem Club nicht motiviert zu sein.
Scheint, als würde sich die harte Arbeit auszahlen: Ihr habt eine Lizenz für die kommenden zwei Euroleague-Saisons bekommen.
Auf jeden Fall! Es ist eine große Errungenschaft für den Club. Von den Managern bis zum Coaching-Staff, alle im Verein haben hart gearbeitet und machen einen tollen Job. ALBA hat in den letzten zwei Jahren großes Potential gezeigt. Das wird jetzt belohnt. Wohlverdient.
Was ich sehr interessant finde, ist die Art, wie ihr spielt. Ihr spielt alle sehr dynamisch, jeder auf dem Feld hat viele Spielanteile, und egal wer ein- oder ausgewechselt wird, die Qualität auf dem Feld scheint immer bestehen zu bleiben, obwohl die Spielertypen sehr unterschiedlich sind. Das ist auch ein Anteil von Coach Aito. Was zeichnet ihn aus?
Natürlich! Seine Mentalität: Jeder spielt fürs Team. Wir haben eine super Teamchemie. Du sprichst seine vielen Auswechslungen aus: Er will immer die Intensität und das Tempo hochhalten. Er will uns die Möglichkeit geben, uns als Spieler immer von der besten Seite zu zeigen. Wir spielen sehr laufintensiv in der Defense und in der Transition-Offense] Da müssen wir viel wechseln. Jeder wird von Coach Aito in die Position gebracht, um bestmöglich zu performen.
Spielt ihr viele Sets oder eher mit Automatismen? Ihr startet zum Beispiel oft mit einem Pin-Down in der Ecke.
Wir haben viele Transition-Plays, das ist der Schlüssel, mit dem unsere Offense startet. In der Set-Offense haben wir nicht so viele Plays. Es geht eher darum, dass wir lesen sollen, was unsere Mitspieler machen. Wann sollen wir auch Sets einspielen? Wir können ja kaum trainieren … Aber wir passen uns an. Wir haben viele tolle Spieler, Luke Sikma, Peyton Siva, Jayson Granger – tolle Spieler, die auch gleichzeitig Leader auf dem Feld sind. Das hilft uns viel weiter.
„In den letzten Monaten haben wir vielleicht zehnmal trainiert“
Wie oft trainiert ihr?
In den letzten Wochen nicht so viel (lacht). Wir haben so viele Spiele, drei pro Woche, es ist ziemlich unmöglich, da noch zu trainieren. Vielleicht haben wir in den letzten Monaten zehnmal trainiert. Spiele machen mir natürlich mehr Spaß als Training, aber man muss auch mal trainieren …
Ihr hattet zu einem Zeitpunkt der Saison mal sieben Spiele in 14 Tagen. Anfang März wart ihr für zwei Spiele in St. Petersburg und Moskau, dann ging es zurück nach Deutschland, jetzt nach Frankreich. Verrückt.
Ja, das ist wirklich verrückt.
Mit so einem Spielplan, der qualitativ und quantitativ anspruchsvoll ist, und den leeren Hallen: Wie herausfordernd ist es, den mentalen Fokus aufrechtzuerhalten?
Es ist anders. In leeren Hallen zu spielen, ist ein Unterschied. Aber am Ende spielen wir Basketball. Das Spiel ändert sich, ob wir in einer vollen oder leeren Halle spielen, nicht. Wir alle vermissen die Fans natürlich. Aber wir müssen trotzdem mental bereit sein zu spielen.
„Ich bin nicht Magic Johnson, aber ich kann ganz gut passen“
Zum Individuellen Teil: Wie würdest du dich selbst als Spieler beschreiben?
Ich bin vielseitig, kann von allem etwas. Natürlich muss ich noch viele Dinge verbessern: in der Offensive als Ballhandler oder im Pick-and-Roll, da muss ich bessere Entscheidungen treffen. Auch an meinem Rebounding kann ich arbeiten. Mit meiner Größe muss ich, vor allem am offensiven Brett, besser werden. Andererseits kann ich sonst viel beisteuern. Ich kann sehr gut den Break laufen und bin ein akzeptabler Werfer.
Jeder Spieler findet einen Aspekt an seinem Spiel, der nicht richtig wertgeschätzt wird. Was ist das bei dir?
Ich bin nicht Magic Johnson, aber ich kann ganz gut passen, das erwarten nicht viele von mir. Aber hey, wir haben Luke im Team, da ist es schwierig, aufzufallen.
Was mir noch auffällt ist deine Defense. Ich habe die letzten sechs Heimspiele in Berlin gesehen, da bist du im Eins-gegen-Eins eigentlich nie geschlagen worden. Was sind die Simone-Fontecchio-Tipps für angehende Verteidiger“?
(lacht) Spezielle Tipps habe ich nicht. Am wichtigsten ist es, mental immer bereit zu sein. Man muss immer wissen, wann man wo und wie zu stehen hat, man muss ehr fokussiert sein. Bei ALBA spielen wir eine andere Art Defense als die, die ich vorher gewohnt war, aber ich gebe mein Bestes. In der Defense geht es immer um den Einsatz, den man gibt, und wie gut man miteinander redet. Jeder kann Defense spielen.
Wer ist der beste Eins-gegen-Eins-Spieler bei ALBA?
Definitiv Maodo Lo. Seine Handles, seine Skills, sein Speed, er kann von überall werfen … Zum Glück bin ich nicht sein Gegenspieler.
Musst du ihn im Training verteidigen?
Nein (lacht). Aber ich habe mit Louis und Niels Giffey alle Hände voll zu tun. Maodo überlasse ich den anderen.
Wenn du deine Basketball-Skills mit einem Spieler in der Welt tauschen könntest – mit wem würdest du tauschen?
Schwierige Frage. Es gibt so viele talentierte Basketballspieler. (überlegt) Puuuh. Vermutlich mit LeBron James. Ich mag ihn als Spieler. Sein Talent zu haben, seinen Körperbau … LeBron, definitiv.
Meine Wahl wäre auf CJ McCollum gefallen. Die Shiftiness, von überall gefährlich zu sein...
Ja, gute Wahl.
„Das Spielniveau in der BBL und Serie A ist im Großen und Ganzen gleich hoch“
Weiter geht’s mit der Offseason. Die Offseason ist nicht im Fokus der Basketballfans, dabei ist sie so ein wichtiger Teil bei den Spielern. Wie sieht deine Offseason in der Regel aus?
Ich komme aus Bologna, dort verbringe ich normalerweise meine Offseason. Letztes Jahr, mit der Pandemie und dem Abbruch der Saison, war es schwierig, wirklich an seinem Spiel zu arbeiten. Es hat mir immer viel gebracht, mit dem [italienischen] Nationalteam zu arbeiten. Da habe ich körperlich und an Skills zugelegt. Hoffentlich bekomme ich dazu bald wieder die Chance. Bald steht die Olympia-Qualifikation an, Ende Juni soll aller Voraussicht nach die Qualifikation anfangen. Außerhalb davon ist gar nicht so viel Zeit. Familien- und Ferienzeit braucht man auch, und nach so einer Saison wie dieser, die wohl erst im Juni vorbei ist, da bleibt gar nicht so viel Zeit. Trotzdem ist die Zeit sehr wichtig, um an seinem Spiel zu arbeiten.
Gibt es einen bestimmten Teil an deinem Spiel, den du verbessern möchtest?
Ja, ich möchte mein Ballhandling und mein Spiel Pick-and-Roll verbessern. Das hat erstmal Priorität. Man muss aber auch immer am Wurf und am Basketball-IQ arbeiten. Das ist auch sehr wichtig.
Was sind die größten Unterschiede zwischen der BBL und der Serie A?
(überlegt) Die BBL ist etwas physischer, würde ich sagen. Die Serie A, die italienische Liga, legt mehr Fokus auf Taktik. Außerdem gibt es in der BBL eine gute Struktur. Alle Teams haben gute Hallen und sind professionell aufgestellt. Da ist die Serie A etwas heterogener. Aber das Spielniveau, im Großen und Ganzen, ist in Deutschland und Italien gleich hoch. In beiden Ligen gibt es einige Euroleague-Teams, sehr gute Vereine. Die größten Unterschiede sind dann wohl eher im Spielstil zu erkennen.
Was kannst du den jüngeren Fans und Followern des Basketballsports, die selbst von einer Profi-Karriere träumen, mit auf den Weg geben? Du kommst ja auch selbst aus einer sehr sportlichen Familie. Dein Vater war Leichtathlet und deine Mutter hat selbst Basketball gespielt.
Basketball braucht einfach enorm viel Zuwendung. Man muss viele Opfer bringen. Arbeitsmoral und Hingabe hören nie auf. Du musst immer bereit sein, zu arbeiten, um ein besserer Spieler als gestern zu sein.
Gibt es Dinge, die du der jüngeren Generation raten kannst, wie sie auf dem Radar der Scouts und Coaches auftreten können? Worauf gucken Coaches normalerweise?
Schwierige Frage (denkt nach). Am wichtigsten ist, wie du dich auf dem Feld präsentierst: dass du eine gute Einstellung gegenüber deinen Mit- und Gegenspielern zeigst. Ich rede hier über Nachwuchsspieler, aber bin selbst erst 25 (lacht). Aber wenn ich jüngere Spieler sehe, die vier, fünf, sechs Jahre jünger sind als ich, dann gucke ich immer darauf, ob sie auch Spaß haben und es genießen, Basketball, dieses tolle Spiel, zu spielen. Wenn du das im Jugendalter nicht hast, wird es schwer, diesen Job langfristig zu machen. Das ist für mich am wichtigsten. Wenn du auf dem Feld glücklich sein willst, muss dir das Spielen Spaß machen.
„Neapel ist der beste Ort der Welt, um Pizza zu essen“
Noch ein paar Off-Topic-Fragen: Chicago hat zuletzt behauptet, die Pizza-Welthauptstadt zu sein. Du hast auf Twitter überrascht reagiert. Welche Stadt ist deiner Meinung nach Pizza-Welthauptstadt?
Pizza kommt aus Italien. Wie kann Chicago sagen, dass sie Welthauptstadt sind? Pizza wurde in Neapel erfunden, was nehmen die sich raus? (lacht) Dieses Jahr ist es mein erstes Jahr, in dem ich außerhalb von Italien lebe, da muss ich mich kulinarisch anpassen. Da reden wir auch oft im Team drüber.
Gibt es eine spezielle Art von Pizza in Italien, die heraussticht?
Neapel ist der beste Ort der Welt, um Pizza zu essen. Wenn du da mal hinfährst und Pizza isst, sag mir Bescheid, was deine Meinung ist.
Gibt es eine Pizzeria, die du hervorheben kannst?
Nein, geh‘ einfach irgendwo hin. Die sind alle gut.
Was ist die beste Pizzeria in Berlin?
Luke und ich haben eine gute Pizza bei „Standard“-Pizza gegessen. Die geben sich echt viel Mühe, die neapolitanisch zu machen, die war echt gut. Da sind wir regelmäßig.