U19-WM 2017: Das DBB-Team im Check

RICHARD FREUDENBERG

Stretch-Forward, 2,04 Meter, geb. August 1998, FRAPORT SKYLINERS
Turnier: 18,9 MpG, 5,4 PpG, 3,3 RpG, 0,9 ApG, 2,0 TpG, 31,7% FG, 34,8% 3FG
Play-Type-Stat: Spot-up: 47,3% Freq, 1,27 PPP, 44,0% FG, 3,8% FT Freq, 3,8% TO Freq

Richard Freudenberg blieb wohl am stärksten hinter den Erwartungen zurück. Beim Albert-Schweitzer-Turnier 2016 mit Kostja Mushidi noch der Offensivmittelpunkt der deutschen Auswahl, war von Go-to-Guy-Qualitäten bei der WM wenig zu sehen. Freudenberg agierte kaum aus dem Pick-and-Roll als Ballführer oder im Eins-gegen-Eins, sondern schlüpfte vornehmlich in die Rolle des Spot-up-Schützen – dabei kann er eigentlich mehr.

Eventuell mag sein (verlorenes) Jahr in der NCAA ausschlaggebend gewesen sein – sowohl bezüglich seiner Rolle als auch seines Selbstvertrauens. Im basketball.de-Interview Anfang des Jahres erklärte Freudenberg, dass er 20 Pfund zugelegt habe; bei St. John’s bekleidete er vornehmlich die Vier. Eine Rolle, in der er sich am College nie so wirklich zurechtfand. Und so gab er auch dem DBB-Team häufig eine Pick-and-Pop-Option.

Zum Vergleich der veränderten Rolle Freudenbergs: Rund 40 Prozent seiner Abschlussarten entfielen beim AST 2016 auf Eins-gegen-Eins- und Pick-and-Roll-Ballhandler-Aktionen. Kein einziges Mal schloss er damals als Blocksteller aus dem Pick-and-Roll, knapp 20 Prozent seiner Aktionen kamen aus dem Spot-up. Freudenbergs Werte bei der U19-WM: 47,3 Prozent seiner Offensivaktionen entfielen auf Spot-ups, 9,1 Prozent als Pick-and-Roll Man, 14,5 Prozent aus Eins-gegen-Eins und P&R-Ballhandler-Aktionen.

Freudenberg tat sich einfach schwer, seinen Gegenspieler beim Dribbling zu schlagen. Beim Drive zur Baseline beging er immer wieder Ballverluste, als er beispielsweise versuchte, den Pass zur anderen Ecke zu spielen. Dass er die Scoring-Qualitäten besitzt, zeigte er unter anderem mit seinen Fakes – es folgte der Wurf oder der Catch-and-Drive (siehe Video).

Auch in der Verteidigung zeigte sich seine veränderte Rolle: Bei der Defense gegen Drives agierte Freudenberg ab und an zu langsam und musste sich mit Fouls helfen; in der Verteidigung unter dem Korb machte er hingegen gar nicht so einen schlechten Job und hielt körperlich dagegen. Positiv: wie Freudenberg das Turnier beendet hat. Nach zwei Nullnummern in der KO-Runde (0/9 FG) legte er in den beiden Platzierungsspielen zusammen 20 Zähler auf (7/14 FG).

Nichtsdestotrotz wirft Freudenbergs Turnierleistung Fragen auf, vor allem, wo er denn am besten aufgehoben ist. Viel wird auch an der Spielpraxis liegen: Die könnte er demnächst schon wieder sammeln, wurde er doch für die U20-EM berufen. Und der Schritt vom College nach Frankfurt, wo gemeinhin deutsche Nachwuchsspieler eine gute Aus-/Weiterbildung erfahren, sollte ihm auch gut tun.

LOUIS OLINDE

Hybrid-Forward, 2,05 Meter, geb. März 1998, Brose Bamberg / Baunach Young Pikes
Turnier: 27,5 MpG, 9,4 PpG, 5,3 RpG, 3,6 ApG, 1,0 SpG, 3,1 TpG, 62,2% FG, 1/4 3FG
Play-Type-Stat: Isolation: 15,1% Freq, 1,00 PPP, 71,4% FG, 9,1% F Freq, 36,4% TO Freq

Louis Olinde hat mit am stärksten vom Fehlen Hartensteins und Mushidis profitiert: Seine Einsatzzeit bei der WM stieg im Vergleich zur U18-EM 2016 von 16,2 auf 27,5 Minuten. Doch dieses Mehr an Minuten und auch die größere Rolle hat sich Olinde vor allem selbst erarbeitet. Das vergangene Jahr in Bamberg bzw. in Baunach und die Arbeit an einem professionellen Standort scheint Olinde sehr gut zu tun.

Vor allem offensiv scheint er noch mehr an seinem Spiel gearbeitet zu haben: Augenscheinlich waren vor allem sein Attackieren im Catch-and-Drive und nach Cuts, Olinde zeigte sich noch aggressiver (als bei der U-18 EM) und mit mehr Durchsetzungsvermögen. Beweis seiner guten Ballhandling-Qualitäten für einen 2,05 Meter großen Forward: Aus der Isolation generierte er 1,00 Punkte pro Possession, nach dem Spot-up und dem Cut war dies seine dritthäufigste Abschlussart.

Dennoch ist Olindes Spiel bei weitem noch nicht ausgereift. Man merkt ihm an, dass er als Offensivmittelpunkt noch hineinfinden, das Spiel noch weiter lesen muss. Suchte er bei seinen Drives die Mitspieler, beging Olinde des Öfteren Ballverluste durch zu ungenaue Pässe. Dennoch markierte Olinde beeindruckende 3,6 Assists pro Spiel. Auf der anderen Seite des Parketts bewies Olinde hier eine Stärke: Er antizipiert gut die Pass- und Laufwege des Gegners und kam so zu einigen Ballgewinnen. Das Pick-and-Roll switchen kann der mobile Forward eh.

Körperlich wird Olinde in Zukunft mehr an Masse zulegen müssen. Hierbei stellt sich auch die Frage nach der Position: Ist er mehr auf der Drei oder Vier zuhause? Sein Sprungwurf sieht vom Ablauf her sehr gut aus, dennoch ist er kein konstanter Distanzschütze: Nur im Spiel gegen Neuseeland (1/4 3FG) warf Olinde von außen. Nichtsdesotrotz deutet Olinde an, dass die Bezeichnung „Tweener“ im modernen Basketball eine Umdeutung ins Positive erfahren hat.

OSCAR LEON DA SILVA

Hybrid-Forward, 2,05 Meter, geb. September 1998, Stanford Cardinal
Turnier: 25,7 MpG, 10,3 PpG, 4,0 RpG, 2,0 ApG, 1,7 SpG, 1,4 BpG, 57,1% FG, 1/5 3FG
Play-Type-Stat: Cut: 28,4% Freq, 0,81 PPP, 50,0% FG, 23,8% FT Freq, 14,3% TO Freq

Ein einziger Spieler hat im gesamten Turnier zweistellige Werte bei den Steals und Blocks aufgewiesen: Oscar Leon Da Silva. Allein dies mag schon ein Indiz für seine Vielseitigkeit sein.

Ein weiteres: Sieben Play-Types nahmen mindestens einen Anteil von 6,8 Prozent aus. Da Silva kann das Eins-gegen-Eins sowohl mit dem Gesicht als auch dem Rücken zum Korb forcieren. Ballabseits ist er am stärksten nach Cuts, weiß sich aber auch per Catch-and-Drive, im Schnellangriff oder nach Offensiv-Rebounds in Szene zu setzen. Und als Big Man strahlt er natürlich auch als Abroller im Pick-and-Roll eine Gefahr aus. Kurzum: Da Silva stellte wohl den besten deutschen Spieler des Turniers.

Was auch an seiner Verteidigung lag: Er mimte den Ringbeschützer des DBB-Teams. Am Mann präsentiert sich Da Silva ebenfalls mit starker Verteidigung und versteht es, Anspiele zu verhindern. Das Pick-and-Roll kann er auch switchen, jedoch wird er nicht konstant auf gegnerische Ballhandler angesetzt. Warum Da Silva in der vergangenen Spielzeit sowohl zum besten Verteidiger als auch zum MVP gewählt worden ist, lässt sich auch anhand seiner WM-Leistungen erkennen.

Da Silva mag sich zurücknehmen, dass er dennoch übernehmen kann, bewies er unter gegen Puerto Rico: Im Vorrundenspiel kamen die Südamerikaner im Schlussviertel auf drei Zähler heran, ehe Da Silva sieben der nachfolgenden neun Punkte Deutschlands erzielte. Im Platzierungsspiel gegen Litauen stellte er mit 18 Zählern den Topscorer und war in der Crunchtime zweimal per Cut zur Stelle.

Dass solche Aktionen nicht nur auf den Passgeber ankommen, beweist Da Silva immer wieder: Denn er besitzt ein exzellentes Verständnis dafür, wann er sich wohin bewegen muss. Immer wieder findet er die Nahtstellen in der gegnerischen Defense. Eine weitere Stärke: Häufig rotiert Da Silva zum High-Post und gibt blitzschnell den Ball per Bodenpass weiter auf den Baseline-Cutter.

Da Silva hat bisher einen interessanten Weg hinter sich: Die U18-EM im vergangenen Jahr war sein erstes Nachwuchsturnier. Mit der Internationalen Basketball-Akademie München lief er in der NBBL bei einem Programm auf, das nicht als Ausbildungsstätte eines BBL-Teams dient. Und nun wird Da Silva den Weg ans College einschlagen und fortan für die Stanford Cardinal (dort spielten u.a. die Lopez-Brüder, Collins-Brüder und Casey Jacobsen) auflaufen. Eine Universität mit einem renommierten Bildungsprogramm – passend, denn Da Silva hat erneut auch auf dem Parkett seine Spielintelligenz unter Beweis gestellt. 

PHILIPP HERKENHOFF

Hybrid-Forward, 2,06 Meter, geb. Juni 1999, RASTA Vechta
Turnier: 15,4 MpG, 6,4 PpG, 2,7 RpG, 1,0 ApG, 0,9 TpG, 47,2% FG, 38,5% 3FG
Play-Type-Stat: Transition: 35,7% Freq, 1,27 PPP, 66,7% FG, 6,7% FT Freq, 13,3% TO Freq

Da Silva der vielseitigste Spieler? Philipp Herkenhoff mag von seinen Anlagen sogar noch vielseitiger sein – nimmt man die Positionen als Grundlage, die Herkenhoff spielen kann. Denn ohne Weiteres bringt er den Ball nach vorne, agiert aber auch mal als Power Forward und gibt den Stretch-Vierer.

Herkenhoffs Vielseitigkeit zeigte sich derweil vor allem in der Verteidigung: als verteidigender Big Man switchte er häufig das gegnerische Pick-and-Roll und blockte dabei auch mal den Ballführer nach dessen Drive (siehe Video).

Als Forward eingesetzt, präsentierte sich Herkenhoff oftmals mit Schnelligkeitsvorteilen – der 2,06-Meter-Schlaks läuft gut den Fastbreak. Körperlich kann Herkenhoff sicherlich noch an sich arbeiten: Ungenaue Abschlüsse am Brett deuten an, dass er noch nicht die beste Körperstabilisation hat. Zudem mag man den Eindruck gewinnen, dass Herkenhoff noch mehr aus seinem Potential machen könnte. Spielmacherfähigkeiten, der Distanzwurf, das Switchen in der Verteidigung – Attribute, die man im modernen Basketball nur allzu gerne von seinem Flügelspieler sehen möchte. Man sollte bedenken: Herkenhoff war der drittjüngste Spieler im deutschen Kader.

LARS LAGERPUSCH

Big Man, 2,03 Meter, geb. März 1998, Basketball Löwen Braunschweig
Turnier: 21,0 MpG, 9,1 PpG, 5,3 RpG, 1,7 ApG, 0,9 SpG, 0,6 BpG, 65,7% FG
Play-Type-Stat: Cut: 35,1% Freq, 1,45 PPP, 70,6% FG, 20,0% FT Freq, 5,0% TO Freq

Zwei Drittel seiner Feldwürfe versenkt, nur elf Ballverluste in sieben Partien – Lars Lagerpusch stellte den effektivsten Akteur der deutschen Auswahl. Das lag auch an der Wurfauswahl des Centers: Häufig wurde Lagerpusch nach einem Cut, per Durchstecker eines Mitspielers bedient. Vermutlich einfache Würfe in Korbnähe muss man sich durch gute Antizipation aber auch erst ermöglichen – und Lagerpusch rotierte gut in um die Zone, verstand es, sich beispielsweise um seine Gegenspieler zu winden und das Anspiel auf ihn zu vereinfachen (siehe Video).

Erhielt der Braunschweiger Nachwuchsspieler am Ring den Ball, schloss er immer wieder autoritär ab: Lagerpusch mag nicht der athletischste Spieler sein, ließ es dennoch immer wieder krachen und bewies mit dem ein oder anderen And-One, sich auch nicht von Fouls bremsen zu lassen.

In der Verteidigung agierte Lagerpusch solide, ist aber im Post kein Stopper. In der Offensive fiel auf, dass er äußerst selten das Eins-gegen-Eins am Zonenrand suchte. In der Vergangenheit konnte man ihn hierbei nicht das effizienteste Spiel attestieren; so war es keine schlechte Entscheidung, vornehmlich per Cut offensiv aufzufallen. Lagerpusch als Sprungwerfer sieht man hingegen gar nicht. Wenn er in den High-Post rotierte, dann ab und an für das High-Low-Zuspiel auf einen Teamkollegen.

MORITZ SANDERS

Big Man, 2,08 Meter, geb. Mai 1998, Nürnberg Falcons
Turnier: 15,7 MpG, 7,3 PpG, 3,8 RpG, 1,5 ApG, 1,0 SpG, 0,3 BpG, 44,0% FG
Play-Type-Stat: Cut: 41,2% Freq, 1,21 PPP, 63,6% FG, 14,3% FT Freq, 14,3% TO Freq

Das Spiel von Moritz Sanders stahlt so viel mehr Reife aus als man von einem U18-Nationalspieler erwarten mag: gutes Stellungsspiel offensiv wie defensiv, kaum Fehler, viel Kommunikation. Fehlende Athletik versucht der Big Man der Falcons Nürnberg damit zu kaschieren.

In der Offensive gab er dem DBB-Team einen eher „klassischen“ Fünfer: Sanders fühlt sich am Zonenrand zuhause und trifft den Jumper nach dem Pick-and-Roll zwar nicht bis hinter die Dreierlinie, aber immerhin bis in die Mitteldistanz (siehe Video). Einen großen Output in der Offensive sollte man von Sanders aber nicht erwarten – zumeist schloss er nach Durchsteckern ab. Verletzungsbedingt konnte Sanders ab dem Viertelfinale nicht mehr eingreifen.

Play-Type Stats erhoben von Manuel Baraniak
Freq%: Prozentzahl der Abschlussart; PPP: Punkte pro Possession;
FT Freq%: Prozentzahl der gezogenen Freiwürfe pro Possession;
TO% Freq: Prozentzahl der Ballverluste pro Possession