Malte Ziegenhagen im Interview (Teil 1)

basketball.de: Fangen wir bei deiner ersten Profisaison an, 2015/16 in Bayreuth. Das war eine schwere Zeit für dich – gibt es aber auch positive Dinge, die du mitnehmen konntest?

Malte Ziegenhagen: Ich würde schon sagen, dass ich warm empfangen wurde; zudem habe ich gelernt, was Profibasketball eigentlich bedeutet. Es war aber definitiv eine schwere Zeit, in der ich schnell realisiert habe, dass man sich wirklich durchbeißen muss. Das war wie eine Wiederkehr meiner Freshman-Zeit am College. In meinem ersten Jahr an der Tulane University in New Orleans habe auch nicht viel gespielt und wurde nur in der Hälfte der Partien eingesetzt, dazu auch nur sporadisch, acht Minuten im Schnitt. Das war in Bayreuth genau das gleiche. Im Nachhinein sehe ich nicht sehr viel Positives an dieser Zeit.

Etwas Positives ist darauf ja entstanden: Du bist dadurch nach Chemnitz gekommen.

Ja, auf jeden Fall! Tim Nees [der damalige Co-Trainer in Bayreuth, Anm. d. Red.] hatte einen guten Draht zu Rodrigo Pastore, weil dieser auch mal in Bayreuth gespielt hat. Dadurch ist der Kontakt entstanden, und Tim hat mich als guter Werfer weiterempfohlen. Über diesen Umweg bin ich nach Chemnitz gekommen.

„Das war die schwerste Niederlage meiner Karriere“

Sprechen wir über die bessere Zeit: Dein erstes Jahr in Chemnitz verlief sehr gut, ihr seid als Drittplatzierte in die Playoffs eingezogen – im Halbfinale gegen die siebtplatzierten Rockets aber mit 2-3 ausgeschieden, obwohl ihr die ersten beiden Spiele gewonnen habt. Was geht in einem Spieler nach so einer Niederlage vor?

Das war zuerst wie in einer Cinderella Story, da keiner vor der Saison erwartet hat, dass wir so weit kommen würden. Wenn man im Nachhinein drüber nachdenkt, wie schwierig es eigentlich ist, in der ProA aufzusteigen bzw. die Chance zu bekommen, ins Finale einzuziehen, schätzt man das Ganze schon sehr. Ich war aber sozusagen ein Rookie in der ProA. Für mich war es eher normal, so viele Spiele zu gewinnen und so gut zusammenzuspielen.

Wir hatten das Gefühl, dass wir im vierten Spiel in Gotha von den Schiedsrichtern nicht wirklich fair behandelt wurden – das hat die ganze Serie weiter aufgeheizt. Als wir vor heimischer Kulisse und 3.000 Zuschauern gespielt haben, war das eine extreme Anspannung; es war zudem unglaublich warm in der Arena. Das fünfte Spiel dann zuhause zu verlieren, kann ich gar nicht wirklich beschreiben – ich war noch nie in meinem Leben so enttäuscht. Es war hart zu sehen, dass Gotha in unserer Halle so abgefeiert hat, das war das Schmerzhafteste von dem Ganzen. Man schrammt ganz knapp an der BBL vorbei, die ganze Enttäuschung hat man unseren Fans angesehen. Das war sehr heftig und die schwerste Niederlage meiner Karriere.

In der darauffolgenden Saison will man wieder angreifen, dann soll es erst recht klappen. Es hat aber nicht geklappt, und ihr habt sogar die Playoffs verpasst. Wie kannst du dir das erklären?

Das waren viele Faktoren. Einer war, dass das Team aus meiner ersten Saison total auseinandergefallen ist. Die ganz wichtigen Spieler sind entweder in die erste Liga oder woanders hin gewechselt, auch viele Bankspieler sind gegangen. Das Schlimme war, dass wir total selbstbewusst in die Saison gegangen sind; sowohl das Management als auch die Fans hatten sogar noch höhere Erwartungen. Dann kommt so eine Saison, in der du es nicht einmal in die Playoffs schaffst. Das Ziel war eigentlich, wieder unter den Top-vier zu stehen. Da wird man schnell auf den Boden der Tatsache zurückgeholt. Die ProA ist einfach kein Selbstläufer. Die Enttäuschung war auch wieder sehr hoch.

Man hat bei vielen Spielern gesehen, dass diese in der ganzen Saison nie wirklich angekommen sind. Ich habe versucht, meinen Stiefel herunterzuspielen, weil mein Motto ist: „immer kämpfen“. Ich habe auch versucht, eine Führungsrolle einzunehmen. Dementsprechend habe ich versucht, das Positive herauszuziehen, obwohl es gar keine positiven Anzeichen gab. Das einzige Mal, dass wir wirklich gut gespielt und auch gekämpft haben, war, als wir zuhause gegen Vechta gewonnen haben. Da hatte ich noch die Hoffnung, dass wir in die Playoffs rutschen würden, wir haben es aber nie geschafft, konstant mehrere Spiele hintereinander zu gewinnen.

„Dieses Jahr haben wir den perfekten Mix“

In dieser Saison läuft es sowohl für euch – mit 13 Siegen aus 16 Spielen seid ihr Tabellenführer – als auch für dich sehr gut. Woran machst du das fest?

Einerseits läuft es bei mir persönlich besser, weil ich weiß, was ich hier habe. Ich bin mit Selbstbewusssein in die Saison gegangen, weil ich weiß, dass ich auf jeden fall ein Leistungsträger in der ProA und in dem Team bin. Dementsprechend verhalte ich mich auch. Ich habe mir auch bewusst in der Offseason zwei bis drei Wochen freigenommen, direkt nach der letzten Saison bereits einen Monat. Ich brauchte einfach mal eine Pause von dem Sport und von den Enttäuschungen. Das hat mir auf jeden Fall geholfen.

Neben einer Selbstreflektion im Management und beim Trainer war auch die U20-EM in Chemnitz eine tolle Sache, das hat nochmal mehr Fans in die Halle gespült. Wir haben viele Spiele, in denen 2.500 Zuschauer in der Halle sind. Es ist der Wahnsinn, was man für einen Support man hier hat und was für eine Energie in dieser Halle ist. Das sagt mir jeder Spieler, der neu nach Chemnitz kommt.

Natürlich muss man auch sagen, dass sowohl mehr talentierte als auch mehr erfahrene Spieler im Team sind. Spieler, die erstens die Liga kennen und zweitens auch wissen, warum sie hier sind. Das hat uns letztes Jahr etwas gefehlt, da hat der Mix aus Erfahrung und Abgezocktheit und den jungen Spielern hat nicht gepasst. Dieses Jahr haben wir den perfekten Mix.

„Zwei von den drei Mannschaften werden absteigen“

Du hast erwähnt, dass die ProA kein Selbstläufer sei und stärker werde. Wenn eine Mannschaft aus der ProA in die BBL aufsteigt, hat diese meistens dennoch Probleme. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Ich glaube, es gibt bis jetzt immer die Fahrstuhl-Mannschaften. Ich bin der Meinung, dass die Vereine, die verstanden haben, sich über einen längeren Zeitraum etwas aufzubauen bzw. eine Struktur und eine Professionalität aufzubauen, eine höhere Chance haben, in der ersten Liga zu bleiben. Jena hat das perfekt gemacht. Clubs wie Weißenfels, Vechta und Crailsheim gehören meiner Meinung nach nicht dazu. Vechta hat sicherlich Tradition und spielt diese Saison auch hervorragend, aber wenn du ähnlich wie Quakenbrück abhängig bist von einzelnen Sponsoren, die dann irgendwann vielleicht einfach keine Lust mehr haben oder sich für andere Sachen interessieren, dann ist es einfach schwierig, in so einer professionellen Liga mitzuhalten.

Dieses Jahr wird es genau das Gleiche sein: Zwei von den drei Mannschaften werden absteigen, weil sie am Ende keine Ressourcen mehr haben. Und da fragt man sich: Was suchen die da oben? Entweder sie kriegen es hin, das Management umzustellen und einfach ein bisschen langfristiger zu denken, oder es läuft immer so weiter. Da frage ich mich: Ist es nicht vielleicht besser, in der ProA zu bleiben und ein dominates Team zu sein, als da oben „rumzukretzeln“? Das ist ja auch nicht schön für die Liga.

Ich glaube, wenn ein Team wie Hamburg, das auch finanzielle Probleme hat, es schafft, in die erste Liga zu kommen und Sponsoren zu finden, die langfristig Geld in die Organisation stecken, ist das zusätzlich interessant für die Stadt. Wenn ein Team wie Chemnitz, das sich das über mehrere Jahre aufgebaut hat und eine Vision mit den Sponsoren teilt, und diese sich darauf einstellen, dass ein Budget von über drei Millionen in der ersten Liga gefordert ist, dann ist das eine ganz andere Herangehensweise als die der anderen Vereine.

Würdest du sagen, dass es der BBL und dem deutschen Basketball gut tun würde, wenn in der ersten Liga „größere“ Städte wie zum Beispiel Hamburg und Köln vertreten wären? Beide hatten die Vision, innerhalb von ein paar Jahren in die erste Liga zu kommen. Köln spielt jetzt nur noch in der ProB.

Das Problem in denen größeren Städten ist, dass man mehr Wettkampf mit anderen Vereinen und Sportarten hat. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es für die Spieler reizvoller ist, in größeren Städten zu spielen. Außerdem müsste, wenn es richtig gehandhabt wird, in diesen Städten auch mehr Geld vorhanden sein. Ich will aber gar nicht sagen, dass es sich nur auf die großen Städte zentralisieren soll. Es gibt auch in der 1. Fußball-Bundesliga kleine Städte, die große Vereine haben.

Wäre für dich die Arbeit als Manager bei einem Basketballverein nach der Karriere mal interessant?

Ja, auf jeden Fall! Ich habe auch Sportmanagement im Studium, und das ist sehr interessant. Die Frage ist nur, in welcher Position. Ich finde den Sport allgemein selbstverständlich super interessant.

Als Spieler hat man nochmal ein ganz anderes Auge auf bestimmte Dinge. Letztens war im Rahmen unserer Jugendförderung eine Veranstaltung mit Matthias Sammer. Er hat auch erwähnt, dass viele hochrangige Funktionäre im Fußball nie wirklich Fußball gespielt und dafür gar kein Verständnis haben. Klar, Management zu studieren, hat auch seine Vorteile. Wenn man jemanden hat, der direkt aus der Sportbranche kommt und Verständnis für die Spieler hat, sollte man den an die Hand nehmen und ans Management heranführen. Dann kann man auch ein Umdenken erwirken. Man braucht selbstverständlich das Know-How, um Sponsoren anzuwerben und das Finanzielle zu planen.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Ziegenhagen über seine Karriere nach der Karriere sowie das Leben zwischen Profisportler und Student.

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