Wem gehört die NBA? (2) – Die Fans

Zum Start der neuen NBA-Saison diskutieren wir in vier Teilen darüber, wem die stärkste Basketballliga der Welt gehört. Im zweiten Teil geht es um die Fans.

Nachdem im ersten Teil die Struktur, die die NBA umgibt, dargestellt und kritisiert worden ist, soll sich in den folgenden Teilen den drei unmittelbaren Akteuren des Spiels gewidmet werden: die Fans, die Eigentümer*innen und die Spieler. Die Fans sollen dabei als meist unsichtbarer, doch eigentlich unverzichtbarer Teil der Liga den Auftakt bilden. Wie kann man Fans im 21. Jahrhundert überhaupt noch definieren? Welchen Einfluss können Fans auf die Liga nehmen? Und sind Fans, wie man sie eigentlich kennt, überhaupt noch wichtig für die größte Basketballliga der Welt?

Die neue Saison steht vor der Tür, und all die Geschichten um den Draft, die Free Agency und die Trades halten uns in Atem. Dabei wird recht schnell deutlich, welche zwei Akteure der NBA uns immer wieder aktiv ins Geschehen ziehen: die Spieler als zentraler Bestandteil des eigentlichen Spiels und die Eigentümer*innen als Strippenzieher im Hintergrund, ohne die ein professioneller Basketball, wie man ihn in der NBA seit Jahrzehnten kennt, nicht funktionieren würde.

Die dritte, unmittelbare Gruppe besteht aus den Fans. Doch auch wenn sie durch ihre schiere Anzahl eigentlich einen großen Einfluss auf die Liga haben müssten, so scheinen sie am ehesten entbehrlich zu sein. Angefangen mit der Bubble in Orlando scheint es auch in der neuen Saison wieder zu leeren Arenen kommen zu müssen.

Und so stellt sich die Frage: Wie wichtig sind Fans für die NBA überhaupt noch? Um diese Frage zufriedenstellend beleuchten zu können, müssen wir in einem ersten Schritt definieren, was man unter einem Fan eigentlich verstehen kann. So simpel das klingt, aber das Fansein von vor 30 Jahren hat mit dem heutigen nicht mehr viel gemein. Deshalb ist es so wichtig, darüber nachzudenken, wie man Fans für die NBA heutzutage verstehen kann.

Sind wir alle nur noch Gelegenheitsfans?

Das Fansein hat sich verändert, keine Frage. Es gibt nicht mehr nur die Fans aus Leidenschaft, die sich als Teil einer Franchise begreifen und diese bedingungslos unterstützen. Gewiss, einige Fantraditionen haben auch in der NBA überdauert. Doch die Bindung zu einem Team, das Verständnis, ein aktiver Teil des Geschehens zu sein, geht verloren.

Durch die Globalisierung der NBA entsteht eine andere Art des Fanseins, womit man von konsumorientierten Gelegenheitsfans sprechen kann. Das soll nicht anmaßend oder bewertend klingen, sondern die Veränderung in den Blick nehmen. Es geht um die Frage, was das heutige Fansein ausmacht.

Ein Großteil der Menschen, die sich in der einen oder anderen Weise mit der NBA verbunden sehen und zu dem Akteur „Fans“ gezählt werden können, konsumieren den Sport über soziale Netzwerke. Auch das soll per sé nichts Schlechtes sein, aber es befördert eine Tendenz, die in Richtung der Unterhaltungsorientierung geht. Wie bereits im ersten Teil beschrieben, ist diese Tendenz grundlegend angelegt und notwendigerweise mit der Profitorientierung verbunden. Der NBA nützt es finanziell mehr, wenn sie Highlights und besondere Augenblicke vermarktet und darüber Klicks und als Resultat Geld generiert.

Diese Unterhaltungstendenz schlägt sich vor allem bei den Fans nieder, die – ob sie wollen oder nicht – für das Spektaktel rund um die NBA mittlerweile mindestens einen Twitter-Account, wenn nicht sogar auch noch Instagram, benötigen. Das sorgt für eine Aufmerksamkeitsverschiebung, die weg vom eigentlichen Spiel geht und sich eben mehr der Unterhaltung, dem Drumherum widmet.

Fans, die sich als aktiven Teil begreifen und mit der Liga und einer Franchise möglicherweise etwas Identitätsstiftendens verbinden, werden nicht gefördert. Im Gegenzug erscheint ein Fansein, das durch Reiz und Spannung getriggert wird und neben dem Spiel auch die Unterhaltung an sich hochhält.

Der Bedeutungsverlust der Fans

Die Wichtigkeit der Fans vor Ort, der Fans aus Leidenschaft geht auch finanziell verloren. Die NBA zeigt mit einem Blick auf die Gesamteinnahmen recht deutlich, dass ein Trend vorliegt, der dies bestätigt. Ticketverkäufe sind seit langem keine Haupteinnahmequelle mehr und nehmen hinter den Fernsehverträgen, dem Merchandising und den Sponsoring-Einnahmen nur den vierten Platz ein.

Selbstverständlich gilt das nicht für alle Franchises. So lässt sich das Argument finden, dass Teams in kleineren Märkten eben doch mehr von einer vollen Arena abhängig sind als beispielsweise die Clippers, die mit dem Markt Los Angeles im Rücken ein leeres Staples Center eher vertragen würden. Doch auch das greift zu kurz, denn die Bubble in Orlando hat gezeigt, dass man im Fall der Fälle auch komplett ohne Fans spielen kann. Bei der jetzigen finanziellen Situation würde dies vermutlich nicht auf Dauer gehen. Allerdings ließe es sich vorstellen, dass die Liga insgesamt einen neuen Verteilungsschlüssel finden könnte, um auch solche (gedachten) Realitäten zu meistern.

Denn generell betrachtet ist die Profitorientierung der Liga gleichbedeutend mit einem Verlust der Macht der Fans. Ein James Dolan verbannt immer wieder ihm unliebsame Fans aus „seiner“ Arena. Wenn die Franchises nun für die kommende Saison beschließen würden, insgesamt auf Fans in Arenen verzichten zu können, dann wäre dies ein Machtbeweis, der ein für alle Mal die Verhältnisse klärt.

Für die Liga ist es deshalb nicht mehr wichtig, bei den Menschen vor Ort anzukommen. Für die Franchises ist es nicht mehr unbedingt notwendig, den Rückhalt der eigenen Stadt oder des eigenen Bundesstaats zu haben. Finanziell geht es mehr um den bereits beschriebenen Gelegenheitsfan, der eine Menge Profit verspricht und dem man sich aus der Logik des kapitalistischen Wettbewerbs heraus öffnen muss.

Der Verlust im Wettbewerb

Dieser Wettbewerb findet nicht nur zwischen einzelnen Franchises statt, sondern auch die NBA an sich muss sich auf dem Markt der Sportligen beweisen, um attraktiv zu bleiben. Ohne Attraktivität und gewisse Einzigartigkeiten verliert sie an Sponsoren, an hoch dotierten Fernsehgeldern und so weiter. Sie muss also auch in schwierigen Zeiten, auch in Zeiten von Corona weiter anlaufen, funktionieren und dann spannend sein, um nicht irrelevant zu werden und finanziell fortan kleinere Brötchen backen zu müssen.

Deshalb darf man wohl davon ausgehen, dass eine Variable, wenn sie den Ablauf der neuen Saison ins Wackeln bringen könnte, eben hinterfragt wird. Um die Einnahmen aus den Haupteinnahmequellen zu retten, kann dies im Notfall nur eins bedeuten: Die Fans müssen wieder einmal draußen bleiben.

Damit könnte man nun zufrieden sein und Freude darüber zeigen, dass die NBA überhaupt stattfindet. Doch die Abgrenzung zu den eigenen Fans über dann mehr als ein Jahr birgt eine Gefahr, die auch vorher schon spürbar war. Es geht um den vorangeschrittenen Entfremdungsprozess der Fans aus Leidenschaft.

Natürlich muss professionell organisierter Basketball im Kapitalismus an den Profit denken, all das wurde bereits im ersten Teil erläutert. Doch Basketball hat wie jeder Sport neben der unterhaltenden Wirkung auch eine zweite Funktion innerhalb einer Gesellschaft: es geht um das Gemeinwohl. Auch wenn es mehr betont wird, als danach gehandelt, ist die Orientierung zu den Communities und der Gesellschaft im Allgemeinen für die NBA notwendig, um sein Stammpublikum, seine Fans zu integrieren. Ohne diese lokale und auch identitätsstiftende Verwurzelung verliert die Liga ihre eigentliche Grundlage. Wenn diese Bindung zu den Fans aufgegeben wird, um den Profit zu retten, darf man sich nicht sicher sein, ob diese dann der NBA weiter ihre Treue halten. Denn was würde passieren, wenn das nicht der Fall ist?

„Tipping point“ für die NBA?

In der Klimawissenschaft wurde in den letzten Jahren immer wieder von sogenannten „tipping points“ gesprochen. Damit sollen Ereignisse beschrieben werden, die – mit ihrem Eintreten – dafür sorgen, dass sich Dinge in eine andere Richtung verändern.

Genau einen solchen „tipping point“ oder eben Wendepunkt könnte mit der weiteren Ausgrenzung der Fans in der neuen Saison stattfinden. So machtlos involvierte Fans aus Leidenschaft oftmals wirken, die NBA baut auf ihre Treue und ihren Konsum des Basketballs. Geht diese Masse verloren, kann es zu einer Wende kommen, an deren Ende die Liga in die Bedeutungslosigkeit stürzt. Denn das Produkt NBA wird auch durch die Emotionen vor Ort transportiert. Und eben jene Leidenschaft geht oftmals von den treuen Fans aus, die in den Arenen der NBA sind und ihr Team anfeuern. Wenden diese sich aus Enttäuschung ab, wird das Produkt deutlich schwerer zu verkaufen sein und es droht der finanzielle Absturz. Die Frage stellt sich: Wie kann die NBA diesen Entfremdungsprozess auffangen und abwenden?