Wem gehört die NBA? (1) – Die Struktur

Zum Start der neuen NBA-Saison diskutieren wir in vier Teilen darüber, wem die stärkste Basketballliga der Welt gehört. Im ersten Teil geht es um die Struktur.

Wir alle warten sehnsüchtig auf den Start der neuen NBA-Saison. Auch wenn es mit dem Draft und der anschließenden Free Agency schon heiß her gegangen ist: Am am Ende ist es doch der Basketball, auf den wir uns alle freuen.

Dabei sind die Vorzeichen alles andere als gewohnt. Durch die Corona-Pandemie gibt es nicht nur neue Regelungen im Ablauf, sondern auch ganz konkret einen Zeitplan, wie wir ihn noch nie gesehen haben und bei dem bestimmt schon einige überlegt haben, ob das eine so gute Idee ist. Die Kritik an der verkürzten Offseason konnte man von vielen Seiten vernehmen, und das damit verbundene Risiko von Häufungen an Verletzungen durch eine verkürzte Vorbereitung ist nicht so leicht von der Hand zu weisen, wie man das bereits bei der ohne Preseason gestarteten NFL beobachten konnte. Auch die fehlende Zeit für die Spieler zur Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten oder zur Erweiterung ihrer Möglichkeiten auf dem Parkett spielen hier völlig berechtigt ihre Rolle.

Um diese aufregende Zeit nicht nur im üblichen Kosmos rund um Diskussionen zu Spielerwechseln zu verbringen, soll an dieser Stelle eine grundlegende Auseinandersetzung mit der NBA und ihren Akteuren stattfinden. Lasst uns die Zeit bis zum Tip-Off nutzen und gemeinsam kritisch über die Lage der größten Basketballliga der Welt diskutieren!

In dieser Reihe soll es deshalb in vier Akten um die aktuelle Situation der NBA und um eine Prognose gehen. Zuallererst soll es um die Frage gehen, welche Zwänge das Konstrukt NBA eigentlich umgeben. Darauf aufbauend werden drei Akteure beleuchtet, die mehr oder weniger im Fokus sind und die Liga entscheidend beeinflussen: die Fans, die Eigentümer*innen und natürlich die Spieler. Wir stellen uns die Frage, welche Rolle die drei Akteure spielen, wie die NBA eigentlich insgesamt funktioniert und was sich daraus für ihre mögliche Entwicklung ableiten lässt.

Was auffällt: Die Medien sind nicht Teil der Untersuchung. Das hat den Grund, dass die Rolle der Medien so spannend und einzigartig in diesem Konstrukt ist, dass sie an anderer Stelle erörtert werden muss. Wer sich für den Einfluss und die Ausrichtung der Medien interessiert, der sei (mal wieder) an Christian Bartlaus „Ballverlust. Gegen den marktkonformen Fußball.“ verwiesen, da die dortige Analyse über den Fußballjournalismus in etlichen Punkten auch auf den NBA-Journalismus übertragbar ist.

Alles eine Frage der Perspektive…

Zu Beginn muss dabei geklärt werden, dass meine Perspektive zur Analyse der Liga eine ist, die vermutlich nicht jede*r teilt. Für die Einordnung und die Analyse der Akteure nutze ich kapitalismuskritische Gedanken, die sich immer der Frage des Cui bono? Wem nützt es? bedienen.

Anstelle einer herausgerissenen Darstellung der NBA soll diese im Strukturgeflecht von Wirtschaft und Politik untersucht werden. Denn auch für die Liga ist es wichtig, Geld zu erwirtschaften. Und wer glaubt, dass das nicht im Vordergrund aller Gedanken steht, der sei darauf verwiesen, wie schnell die NBA eine Bubble in Orlando hochziehen konnte. Es ging dabei insbesondere um die Erlöse durch die jeweiligen Fernsehverträge, die einen Großteil der Gesamteinnahmen ausmachen und deshalb überlebenswichtig sind. Die NBA kann sich nicht von eben jener Profitlogik der Marktwirtschaft trennen, denn sie ist ja ein Teil dieser. Auch sie muss darauf achten, Geld zu verdienen und zu wachsen.

Anders als diese wirtschaftsorientierte Analyse könnte man entgegnen, dass man auch mit der Kategorie der Moral untersuchen sollte, inwiefern die NBA und ihre hauptsächlichen Akteure zum Sport stehen und wie sie sich zueinander verhalten. Doch die Problematik hinter einer solchen Kritik der Moral wäre die Individualisierung von Problemen. Es soll jedoch gerade nicht um einige offensichtlich habgierige Eigentümer*innen gehen oder um Spielergruppen, die vermeintlich nicht das Wohl des Sports oder wenigstens der Liga im Blick haben. Denn eine solche verkürzte Kritik greift nicht an der Wurzel, an die wirklichen Ursachen solcher Erscheinungen.

Wenn es um eine wirkliche Kritik geht, dann sollte eine Analyse eben radikal, gründlich, erfolgen. Dafür können nicht nur einzelne Akteure oder gar Personen herangezogen werden. Um zu veranschaulichen, in welchen Zwängen die NBA sich befindet, kann man folgenden Vergleich heranziehen: Befindet sich ein Mensch in einem Gewässer, dann zwingt ihn die Umgebung dazu, dass er schwimmen muss, um zu überleben. Wie er das genau macht, kann er selbst entscheiden, aber die Zugrichtung ist vorgegeben, um an der Oberfläche zu bleiben. Das Gleiche gilt für die NBA. Möchte sie überleben, muss sie nach den gleichen Bedingungen handeln, wie alle anderen es auch tun. Übertragen bedeutet das, dass man in einem kapitalistischen System, in dem auch die Sportarten professionalisiert und in die Unterhaltungsindustrie eingebettet worden sind, eben auch nur durch eine profitorientierte Haltung überleben kann. Und damit wird man zum Geschäft.

Die NBA als Geschäft

Sport ist in unserer heutigen Welt zu einer Ware geworden. Egal, was für Absichten dem Sport einmal zugeschrieben worden sind oder auch heute mit ihm identifiziert werden, es geht vordergründig um Profit.

Das klingt sehr pessimistisch, und eigentlich soll es das gar nicht, denn es gibt immer wieder Momente, in denen man sehen kann, dass die NBA im Speziellen wieder viel mehr sein kann als eine Ware der Unterhaltungsindustrie. Man erinnere sich an die Boykotte in Orlando, um auf den systemischen Rassismus in den Vereinigten Staaten aufmerksam zu machen. Oder das Engagement für ihre Communities, dss für viele Franchises bis heute – auf die eine oder andere Weise – wichtig ist. Doch sie machen den modernen Basketball nicht aus und sind höchstens Begleiterscheinung.

Die NBA definiert sich über ihren ökonomischen Wert, und allerspätestens, wenn es wieder um Vergleiche mit anderen nordamerikanischen Profiligen geht, dreht sich alles um das Produkt, das verkauft werden muss. Kein Wort über die Bedeutung eines Sports, die über erfassbare Zahlen, Gewinne und Profite hinausgeht. Und genau das ist das Problem.

Die Struktur des Kapitalismus zwingt den professionellen Sport, zu den Gesetzen des Marktes zu agieren. Die NBA ist somit Teil der Unterhaltungsindustrie. Der damit einhergehende Druck des Wettbewerbs verändert die Liga immer mehr. Anstelle eines Spielplans, der für Spieler und Franchises sinnvoll ist und das sportlich Bestmögliche fördert, muss die Liga sich darum kümmern, wie sie sich am besten verkaufen kann.

Beliebigkeit durch Marktkonformität?

Diesen Zwang der Struktur zur Wettbewerbsorientierung kann man auch Marktkonformität nennen und beschreibt gleichzeitig den Ausblick für die Zukunft der NBA recht passend. Im Druck des ständigen Wettbewerbs und des ständigen Wachsens kann es passieren, dass die NBA früher oder später ihren Kern verliert: ihre Zuschauer*innen.

Wenn es nur noch darum geht, Events zu entwickeln, die sich gut verkaufen lassen und möglichst hohe Fernsehgelder einbringen, dann könnte das Interesse ab einem gewissen Punkt abrutschen.

Als mahnendes Beispiel sollte hier der europäische Fußball genannt werden, der – durch das Gieren nach immer mehr Profiten – mehr und mehr an Interesse verliert. Wer von den Fußballinteressierten hier verfolgt denn ernsthaft die UEFA Nations League?

Auch wenn die NBA in einer anderen Situation steckt und allein die Geschlossenheit der Liga solche Planspiele vorerst nicht ermöglicht, sollte man sich die Frage stellen, wie weit die NBA gehen würde, um mehr Profite erwirtschaften zu können. Corona hat bewiesen, dass man auf volle Arenen mit Fans verzichten kann und die politischen Belange der Spieler hintenanzustellen weiß, um das Spektakel wie eh und je durchführen zu können.

Je weiter man auf diesen Pfaden wandelt, desto näher rückt die Gefahr der Beliebigkeit. Denn je deutlicher sich eine Liga den Profiten hin orientiert und dabei ihre Zuschauer*innen vergisst, desto eher wenden sich diese ab und verlieren das Interesse. Auch das war in Ansätzen schon in den diesjährigen Playoffs zu sehen, bei denen die TV-Quoten, im Vergleich zu den letzten Jahren, einbrachen. Man kann dies als Ausnahmeerscheinung betrachten, die durch die außergewöhnlichen Umstände der Pandemie zu erklären sind. Doch vielleicht erkennen wir durch diesen Schimmer eine Veränderung der NBA, die immer mehr zur Unterhaltung wird, um die Massen anzuziehen.

Das Spiel steht nicht mehr im Mittelpunkt, die NBA muss auf anderen Wegen dafür sorgen, dass sie relevant bleibt, und genau das sehen wir in den letzten Jahren durch die aufsehenerregenden Trades und Free Agency-Entscheidungen. Was das für das Spiel und die größte Basketballliga der Welt bedeutet, ist schwer abzusehen, aber es riecht nach mehr Spektakel und weniger Spiel.