BBL-Neuzugänge: Viel US-, wenig EuroLeague-Input
Hat die BBL in dieser Saison an Qualität eingebüßt? Darüber geben vielleicht auch die BBL-Neuzugänge Aufschluss. Während einige Akteure aus der G-League und NCAA in die BBL gewechselt sind, trifft dies nur auf wenige letztjährige EuroLeague-Spieler zu.
Luke Sikma und Will Cummings eint auf den ersten Blick nicht viel: Der eine ist ein Playmaking-Big-Man, der zuerst eine Auge für seine Mitspieler hat. Der andere ein Scoring-Guard, der als erstes den eigenen Drive anvisiert. Doch der Berliner Power Forward und der ehemalige Oldenburger Point Guard haben auch etwas gemeinsam: einen MVP-Titel, den sie direkt in ihrem ersten Jahr in der BBL gewonnen haben.
In der vergangenen Saison befand sich Khadeen Carrington, damaliger Liga- und RIESEN-Neuzugang, auf einem ähnlichen Kurs. Alle drei Akteure dürfen auch deswegen zu den stärksten Neuzugängen der jeweiligen Offseason zählen. Doch welcher Spieler könnte der Königstransfer des diesjährigen Sommers sein?
Für Award-Spielereien ist es natürlich zu früh; zumal unter der neuen Realität, in der sich so viele Profisportarten bewegen (2019/20 gab es auch „nur“ einen Final-Turnier-MVP-Award). Doch gerade mit Saisonbeginn lohnt sich ein Blick auf die Neuzugänge der Liga: Wie schlagen sie sich bei ihren neuen Teams? Welche Rolle übernehmen sie dort? Was zeichnet ihr Spiel aus? Und aus welchen Ligen kommen sie überhaupt in die deutsche Beletage?
Aus welchen Ligen kommen die BBL-Neuzugänge?
Die folgende Grafik führt auf, aus welchen Ligen wieviele Spieler in die BBL gewechselt sind. Berücksichtigt werden dabei nur Akteure, die voraussichtlich in der festen Rotation bei ihren Clubs stehen werden. Ist ein Spieler in der Saison 2019/20 für mehrere Teams aufgelaufen, ist sein letzter Verein vor dem BBL-Engagement berücksichtigt.
Weiterhin ist aufgelistet, in welchen internationalen Wettbewerben die BBL-Neuzugänge aufgelaufen sind – wenn sie mit ihren Clubs 2019/20 denn in einem aktiv waren. Hat ein Spieler an mehr als zwei internationalen Wettbewerben teilgenommen, wird der höher angesehene berücksichtigt. Partien in Qualifikations-Runden sind ausgenommen.
Es verwundert sicherlich nicht, dass die einzigen BBL-Neuzugänge, die 2019/20 bei EuroLeague-Teams gespielt haben, eben zu den beiden deutschen EuroLeague-Vertretern gewechselt sind. Mit Wade Baldwin (2019/20 bei Olympiacos Piräus), Jaylen Reynolds (Maccabi Tel Aviv) und Malcolm Thomas (Fenerbahce Istanbul) hat der FC Bayern München drei solcher Spieler verpflichtet, ALBA BERLIN mit Jayson Granger (Baskonia Vitoria Gasteiz) einen.
Die FIBA Basketball Champions League ist gegenüber dem EuroCup klar in der Mehrzahl. Mit dem FIBA Europe Cup haben einige Spieler auch im vermeintlich schwächsten der vier internationalen Wettbewerbe gespielt. Ist diese Abstufung ein Indiz dafür, dass die BBL-Clubs – im Vergleich zu anderen europäischen Teams – mit kleineren Brötchen backen müssen? Oder erklärt sich dies auch mit der Tatsache, dass in dieser Saison nur vier BBL-Teams für einen internationalen Wettbewerb gemeldet haben?
Derweil zeigt sich, wie US-geprägt die Offseason aus BBL-Sicht war: Die meisten Spieler wechseln aus der NBA G-League und der NCAA in die deutsche Beletage. Auch hier mögen finanzielle Gründe mitschwingen. Doch auch für die BBL-Neuzugänge macht dies Sinn – eröffnet sich für solche Akteure doch der europäische Markt noch mehr, da derzeit nicht abzusehen ist, wann und in welcher Form die Spielzeiten in der NBA sowie G-League beginnen werden.
„Der europäische Markt ist für solche Spieler interessanter als die G-League“
„Normalerweise wusste ein Spieler ab November, ob er in der G-League spielt, wenn er im Training-Camp eines NBA-Teams gecuttet worden ist. […] Nun ist es aber so: Du hast im August entweder einen Job in Europa oder hoffst darauf, vielleicht ab im Januar dich in ein paar Bubble-Turnieren oder in einer drei- oder viermonatigen Saison NBA-Teams präsentieren zu können. Und das mit großen Fragezeichen: Denn vielleicht wird in der G-League auch gar nicht gespielt“, hat Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath im basketball.de-Interview erklärt.
„Wenn du dann vier weitere Monate kein Geld verdienst, ist der europäische Markt für solche Spieler interessanter als die G-League, auch wenn der Markt hier finanziell etwas eingebrochen ist“, führt Leibenath aus. „Wobei ich gar nicht weiß, ob er wirklich eingebrochen ist – zumindest der deutsche Markt arbeitet mit kleineren Brötchen.“
Auffällig bei der Übersicht an Neuzugängen ist auch, dass es den BBL-Teams gelungen ist, immerhin siebe Spieler aus der spanischen ACB zu rekrutieren – immer noch das Aushängeschild der nationalen Ligen Europas. Danach folgt die israelische Liga. Damit haben die BBL-Clubs am stärksten aus jenen Ligen rekrutiert, die wie die BBL ihre Saison 2019/20 fortsetzen konnten.
Vechta und Ludwigsburg als Sprungbretter
Vier der insgesamt fünf BBL-Neuzugänge von ProA-Teams sind derweil bei RASTA Vechta zu finden: Tim Hasbargen, Jannes Hundt, Björn Rohwer und Will Vorhees. In der Vergangenheit hatten die RASTAner mit diesem Konzept auch schon Erfolg: Seth Hinrichs (2018 mit Vechta aufgestiegen) und Ishmail Wainright (2019 von Nürnberg gekommen) gelang der Übergang von der zweiten zur ersten Liga nahtlos, in ihrem BBL-Premierenjahr empfahlen sie sich sogar direkt für höhere Aufgaben: Hinrichs schloss sich ratiopharm ulm an, Wainright wechselte zu SIG Strabourg. Beide Big Men schafften damit sogar den Sprung zu international spielenden Clubs.
Apropos Königstransfers: Es lohnt sich auch immer ein Blick auf die MHP RIESEN Ludwigsburg. Die oft als „Hire and Fire“-titulierte Transferpolitik von John Patrick darf sicherlich kritisiert werden: die Verpflichtung von (Trainings-) Spielern, von denen nicht wenige nach Vor-Ort-Begutachtung im gemeinsamen Training wieder gehen müssen (Lukas Feldhaus hat hierzu eine lange Liste erstellt). Auf der anderen Seite hat es Patrick jährlich geschafft, Spieler zu verpflichten, die danach groß rausgekommen sind:
Nick-Weiler Babb (2019 nach Ludwigsburg, danach Wechsel nach München), eigentlich auch Khadeen Carrington, Kelan Martin (2018, Timberwolves), Thomas Walkup (2017, Zalgiris) oder Royce O’Neale (2015, Gran Canaria / Jazz) haben Ludwigsburg als Sprungbrett genutzt. Findet sich auch 2020/21 einen solchen Spieler in John Patricks Team?