Heiße Hände in der BBL: Eine Datenanalyse
Welche Spieler in der BBL laufen heiß? Wer kühlt eher ab? Die Analyse vergleicht T.J. Bray, Will Cummings, Rickey Paulding sowie Peyton Siva und lässt in einem Recherche-Tool alle Akteure der vergangenen fünf Jahre abgleichen.
Dass, und wie Spieler „heiß laufen“ können, ist weitreichend gut durch Highlight-Zusammenschnitte dokumentiert. Dafür stellvertretend impliziert das oft zitierte, maschinengewehrartige „Ratatatata“ in Basketballdeutschland, dass ein Spieler mehrere Würfe in Serie verwandelt. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattete Spieler sind über Mannschaften hinweg bekannt.
Doch lässt sich dieses „Heißlaufen“ auch statistisch aufzeigen? Dieser Artikel analysiert die Daten der vergangenen fünf BBL-Spielzeiten hinsichtlich des Phänomens der „heißen Hand“. Welche Muster lassen sich erkennen? Welche Spieler laufen regelmäßig heiß? Und wie stark basiert ihr Spiel auf solchen Serien?
Dazu soll ein interaktives Recherche-Tool eine Hilfestellung bieten, die eigene Wahrnehmung mit den Zahlen abzugleichen. Die Betrachtung der wissenschaftlichen Perspektive ist in diesem Zusammenhang ebenfalls relevant.
Auf der Suche nach Spuren: anhand Rickey Paulding
Eine erste Annäherung an die „heiße Hand“ soll mit Rickey Paulding erfolgen: Durch seine Konstanz im Dress der EWE Baskets Oldenburg lassen sich für Paulding im Zeitraum der vergangenen fünf Jahre knapp 2.000 Würfe für diese Recherche (Freiwürfe ausgeschlossen) auswerten. Im Durchschnitt verwandelt er 49 Prozent aller betrachteten Feldwürfe.
Trifft der US-Amerikaner nach einem Fehlversuch (oder zu Beginn des Spiels) den ersten Wurf, findet der folgende zweite Versuch zu 46 Prozent sein Ziel. Die unten abgebildete Grafik bemisst die Wurfquoten auch nach zwei, drei oder vier verwandelten Würfen in Folge. Den fünften Wurf (nach vier erfolgreichen Abschlüssen) verwandelt Paulding mit einer Quote von 41 Prozent. 30 Mal hat Paulding fünf Versuche in Serie (ohne Freiwürfe) verwandelt.
Als Gegenspieler der „heißen Hand“ existiert äquivalent die „kalte Hand“. Letzterer kann sich auch das BBL-Urgestein Paulding nicht entziehen. 21 Mal sind ihm sechs Würfe in Folge misslungen. Für Paulding überwiegt ab Serien von fünf Würfen mit dem gleichen Ausgang die „kalte Hand“.
Analyse 2018/19: anhand Bray, Cummings, Siva
Für die BBL-Saison 2018/19 bringt die deutsche Twitter-Basketball-Community verstärkt Peyton Siva, Will Cummings und T.J. Bray mit der „heißen Hand“ in Verbindung (euer Vorschlag wurde nicht genannt? Nutzt das Tool am Ende des Artikels).
Der Hauptrunden-MVP Will Cummings hat auch durch sein allgemein höheres Wurfvolumen die meisten Wurfserien der drei Kandidaten aufgewiesen. Dies zeichnet sich besonders in Serien von zwei Würfen ab: ca. 70 Mal verzeichnete Cummings 2018/19 zwei Korberfolge in Folge. Bei bereits drei oder vier verwandelten Würfen hintereinander traf Cummings den nächsten Wurf mit je 50 bzw. 51 Prozent.
Ähnlich zeigte auch T.J. Bray nach erfolgreichen Würfen eine nur gering abfallende Effizienz bei seinen folgenden Würfen. Im Gegensatz dazu sank beim Berliner Guard Peyton Siva die Wurfquote nach vier erfolgreichen Feldversuchen schlagartig ab.
Sivas Spiel basiert, so die Abbildung zur linken, deutlich weniger auf langen Wurfserien von mehr als drei Versuchen. Erklären lässt sich dies zu Teilen auch durch die Rolle der Spieler innerhalb ihrer Mannschaft: Bray in Vechta und Cummings in Oldenburg waren jeweils gefragte Schützen und Initiatoren der Offensive. Siva agierte in Berlin, so zumindest die Interpretation der Zahlen, stärker innerhalb einer eher auf das Kollektiv ausgerichteten Offensive, in der Korbabschlüsse mehr gleich verteilt sind.
Im Gegensatz zu den für Rickey Paulding präsentierten Werten sei hier allerdings hinzugefügt, dass diese statistischen Werte auf einer kleineren Datengrundlage basieren. Schwankungen in den Feldwurfquoten und Serien treten dadurch stärker heraus. Die Werte von T.J. Bray sind dementsprechend auch durch seine starken Leistungen in den Playoffs beeinflusst.
Und wer nimmt den nächsten Wurf?
Der erste Wurf des potenziell „heißen“ Spielers sitzt. Also auch bei den nächsten Versuchen? Die Datenanalyse zur vergangenen BBL-Spielzeit widerspricht dieser Vermutung zumindest. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem, zwei oder auch drei in Serie getroffenen Würfen den nächsten Versuch selbst zu nehmen, steigt kaum signifikant an.
Bekommt der gleiche Spieler dann doch den Ball, ist auffällig, dass einzig nach zwei erfolgreichen Würfen die Wahrscheinlichkeit, erneut zu treffen, höher ist als die eines seiner Mitspieler. Bei drei Würfen in Serie sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen Folgetreffer des selbigen Spielers sogar auf 35 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Mitspieler den nächsten Wurf versenkt, ist hingegen 10 Prozentpunkte höher.
Und die Wissenschaft?
Das Phänomen der „heißen Hand“ wurde in der Sportwissenschaft bereits intensiv behandelt. Etliche Studien setzen sich sowohl mit dem Wurfverhalten als auch mit dem Glauben von Außenstehenden an erhöhte Wurfquoten nach Korberfolgen auseinander. In einer der ersten Studien zu diesem Thema untersuchten die Psychologen Amos Tversky, Daniel Kahneman, Robert Vallone und Thomas Gilovich das Wurverhalten von NBA- und College-Spielern („The Hot Hand in Basketball: On the Misperception of Random Sequences“). Nur bei wenigen Spielern konnten sie verbesserte Wurfquoten nach erfolgreichen ersten Würfen feststellen. Ebenfalls für Freiwürfe stellten die Autoren keine signifikanten Trends fest. Auf Basis der nackten Zahlen entlarvten sie die heiße Hand.
Für ihre Studie führten sie zusätzlich ein Experiment unter Einbezug eines externen Beobachters durch. Dabei nahmen Spieler eine Reihe von Würfen, bei denen sowohl der Spieler selbst als auch ein Zuschauer auf den Erfolg des nächsten Wurfes wetten sollte. Dabei zeigte sich, wie stark die Vorhersagen für den nächsten Wurf von dem vorherigen abhängig gemacht wurden.
Durch Einbeziehung moderner Statistiken der NBA wurde 2014 im Rahmen der Sloan Sports Conference der Diskussion eine neue Richtung gegeben. Unter Verwendung detaillierter Parameter wurde die Schwierigkeit von Würfen gemessen – ein Faktor, der in den bisherigen Untersuchungen zur heißen Hand außen vor blieb. Unter Miteinbezug dieser Information zeigte sich, dass, insofern Spieler aus fünf Würfen in Folge einen Wurf mehr als erwartet treffen, so im folgenden sechsten Versuch die Trefferwahrscheinlichkeit ansteigt. Dabei tendierten die Spieler auch dazu, innerhalb der selben Dynamik schwierigere Würfe zu nehmen. Eine detaillierte Beschreibung dieser Untersuchungen finden sich bei Go-to-Guys.de.
Heiße Hand, kalte Hand
Kahnemann, Tversky und Co. zeigten also durch das Einbeziehen externer Beobachter die Beziehung und das Neigen des Zuschauers zur „heißen Hand“. Das folgende Tool erlaubt es, sich ein statistisches Bild über heiße und halte Hände bei BBL-Spieler der vergangenen fünf Spielzeiten zu machen.
Wie oft läuft ein Spieler heiß? Und wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit trifft er seinen nächsten Wurf? Entsprechen die Zahlen euren persönlichen Beobachtungen?