Himar Ojeda: „Der Rekrutierungsprozess dauert zwei bis drei Jahre“
Himar Ojeda spricht im großen Podcast-Interview über seinen Weg nach Berlin, Basketballkulturen und wie er Aito nach Deutschland locken konnte. Außerdem zieht der Sportdirektor von ALBA BERLIN einen Vergleich vom Jugendspieler zum Medizinstudenten.
Himar Ojeda ist ALBA BERLINs Mann hinter den Kulissen. Seit 2016 zieht der Spanier die Strippen beim Hauptstadtclub mit einer beträchtlichen Bilanz: Drei deutsche Meisterschaften und zwei Pokalsiege sowie eine dreijährige EuroLeague-Wildcard sackte ALBA seitdem ein. Damit prahlt Ojeda jedoch nicht. Er hat eher ein Auge fürs Detail. Für die Kleinigkeiten, die oft untergehen. Im Podcast-Interview stand Ojeda basketball.de stand Ojeda knapp eine Stunde lang Rede und Antwort.
Dienstag, 09. Mai 2023, ALBA-Trainingszentrum in der Schützenstraße: Himar Ojeda führt mich hoch in sein Büro. Dass er hier seit sieben Jahren arbeitet, sieht man kaum: Viele Kartons, Akten und Papiere erwecken eher den Anschein, dass Ojeda frisch eingezogen ist. Auch die Dekoration lässt zu wünschen übrig. Ein „Papa“-Schriftzug mit Bildern der Kinder steht auf der Fensterbank. Kein Foto des so erfolgreichen Profi-Teams, nur ein Bild der WNBL, JBBL und NBBL von ALBA inklusive Coaches etc. hängt an der Wand.
Ojeda und ich verweilen vor dem Bild. Er zeigt mir, wie ein stolzer Onkel, die verschiedenen Spieler*innen und wo sie heute als Profis spielen: Bennedt Hundt, Filip Stanic, Franz Wagner, Malte Delow… The list goes on and on.
Wenn wir beide nicht terminlich gebunden wären, hätte Ojeda locker eine Stunde vor dem Poster philosophieren können. Ein Bild, das sinnbildlich für ALBA und die Beziehung von Ojeda zum Verein steht. Talente sollen zuhause entwickelt werden. Berlin soll Basketballhochburg werden. Wir sprechen über Basketballkulturen, seinen Weg zu ALBA, wie er Aito nach Berlin locken konnte. Über Spielersichtung und Prioritätensetzung. Trainer sein und den Vergleich vom Jugendspieler zum Medizinstudenten.
Über Nachwuchsförderung: „Das größte Problem ist, dass wir in einer Highlightkultur leben. Wir haben Spieler, die ein paar Minuten in der BBL spielen. Dann wirkt deren Umgebung auf sie ein und sagt: ,Nächstes Jahr musst du dich unbedingt festspielen‘. Ich sage: ,Nein, Nein! Spiel erstmal weiter in der NBBL, vielleicht kannst du in der ProB Erfahrung sammeln.‘ Dann sagen sie: ,Aber ich habe doch schon ein Jahr ProB gespielt.‘ Dann versuche ich immer, einen Vergleich mit einem Medizinstudenten anzuführen: Du wirst mit der Schule fertig und gehst zuerst an die Uni. Und an der Uni studierst du erstmal vier, fünf Jahre. In den ersten Jahren lernst du vielleicht schon ziemlich viel. Aber deswegen gehst du nicht einfach auf die Straße und führst Operationen durch. […] Du brauchst doch zehntausende Wiederholungen. […] Wieso pushen wir unsere [Nachwuchsspieler] so sehr? Arbeite doch erstmal vier, fünf Jahre an deinem Spiel, […] dann kannst du auf den Markt kommen.“
Über die Suche nach dem passenden Fit: „Das ist eine Kultur in der wir alles, den Erfolg sowie die Misserfolge, teilen. Das Rampenlicht wird nicht auf der einen Person liegen. Vor allem im Damenbasketball ist das sehr unüblich: Die Import-Spielerinnen, die Amerikanerinnen, erwarten oft 35 Minuten zu spielen und 20 Punkte und 15 Rebounds aufzulegen. Für unsere Amerikanerinnen war das am Anfang auch ein Schock, aber mittlerweile haben sie unsere Kultur sehr gut angenommen. Der Rekrutierungsprozess dauert oft 2-3 Jahre. Das hilft mir Informationen zu sammeln. So hab ich zum Beispiel Peyton Siva angerufen: „Hey Peyton, wie ist Yanni Wetzel so drauf?“ […] Dann höre ich sehr auf mein Bauchgefühl. Das ist zwar nicht wissenschaftlich, aber so mache ich es halt.
Über den Start mit Aito: „Ich wollte Aito in meinem ersten Jahr bringen, aber er wollte ein Jahr Pause machen. […] Mein erster Gedanke: Es wird das erste Jahr von Aito außerhalb von Spanien sein und er ist sehr speziell, sehr genau mit seinen Vorstellungen. […] Ich dachte also, dass wir jemanden brauchen, der dem Rest der Truppe erklären kann, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit Aito startet alles sehr langsam […] sehr viele Basics. Wenn du ihn nicht kennst, dann kannst du durchdrehen. […] Vor einigen Jahren habe ich mit Israel [anm. Gonzales] über Aito gesprochen und er hat mich gefragt: „Himar, guckst du unsere Spiele?“ Ich habe geantwortet: „Ja klar sehr oft!“ Er daraufhin: „Weißt du welches unser Baseline Play ist?“ Ich: „Nein.“ Er: „Ich weiß es auch nicht.“ [schmunzelt]. „Es war Dezember und wir hatten kein Baseline Play. Er hat einfach gesagt: Du machst den Einwurf und der Rest passt sich an.“ […] Auf jeden Fall wollte ich jemanden der zwischen ihm und den anderen vermitteln kann. Ich habe direkt an Israel gedacht, den ich auch nach Gran Canaria gebracht habe und mit dem ich zusammen studiert habe. Er war vor Aito in Gran Canaria […]. Ich habe also mit Aito gesprochen und ihm gesagt, dass ich gern einen Assistenten hätte der schonmal mit dir gearbeitet hat. Aito meinte daraufhin nur: „Das denke ich auch. Ich würde gern einen Vorschlag machen.“ Das war dann Israel Gonzales […]. Er wusste nicht, dass wir uns kennen.“