U20-EM 2017: Das DBB-Team im Check

MORITZ WAGNER

Big Man, 2,08 Meter, geboren April 1997, Michigan Wolverines
Turnier: 20,3 MpG, 16,1 PpG, 5,3 RpG, 0,7 ApG, 2,0 TpG, 2,6 SpG, 50,6% FG, 16,7% 3FG
Play-Type Stat: Isolation: 17,0% Freq, 1,00 PPP, 56,7% FG, 16,7% FT Freq, 5,6% TO Freq

Nach seinem Breakout-Game gegen die Türkei zeigte Moritz Wagner über den restlichen Turnierverlauf, dass er dem U20-Niveau eigentlich schon fast entwachsen ist – zumindest in der Offensive. Hier präsentierte der gebürtige Berliner das ganze Arsenal: im Post den Spin-Move und sogar einbeinigen Fadeaway sowie eine schnelle Drehung zur Baseline, ehe sich sein Verteidiger auf eine Aktion eingestellt hat. Als Abroller im Pick-and-Roll inklusive Mitteldistanzwurf. Mit Abstrichen als Sprungwerfer von außen. Und, erstaunlich für einen Center, im Face-up mit ansehnlichem Ballhandling. So brachte er teils selbst den Ball im Schnellangriff nach vorne. Sechs Play-Types nahmen einen Anteil von mindestens elf Prozent ein!

„Ich geh’ vorne weg, bin Pionier/
Nein ich werd’ nie satt.“

Wagner kann mit dieser Vielseitigkeit in der Offensive ein Spiel auch komplett übernehmen: 32 Punkte legte der College-Junior gegen Island auf. Gegen Litauen erzielte Wagner acht seiner 23 Zähler in den ersten zweieinhalb Minuten. Und gegen die Türkei führte er sein Team mit 20 Punkten in den letzten 15:30 Minuten zum Crunchtime-Erfolg.

Nicht aus der Not geboren, sondern als Signature-Move dient Wagners Dribbling hinter dem Rücken, wenn er nach dem ersten Schritt attackiert hat. Das tat Wagner auch gerne, in dem er einen Pass oder Hand-Off antäuschte und seinen Gegenspieler überraschte. Dazu kommt eine starke Arbeit beim Offensiv-Rebound. Hustle, Emotionen und Kommunikation kommen zu den reinen Skills hinzu.

Sein Einsatz stimmt auch beim Defensiv-Rebound. In der Verteidigung verstand es Wagner gut, bei gegnerischen Drives oder Aktionen zum Korb den Offensivspieler mit der Brust aufzunehmen, ohne ein Foul zu begehen. Hier und in der Deny-Defense kam Wagner zu einigen Ballgewinnen. In den Helpside-Rotationen agierte Wagner hier und da noch etwas langsam; dies ist aber ein Punkt, den ein Nachwuchsspieler noch lernen kann. Das lässt sich in der Offensive auch auf sein Spiel im Low-Post übertragen: Am Zonenrand zeigte sich Wagner am anfälligsten für Ballverluste. Und so sehr er in den zuvor genannten Partien übernahm, als Go-to-Guy trat er in den wichtigen Spiele gegen Griechenland und Spanien nicht wirklich auf.  

Dennoch: Wagner mag dem U20-Niveau fast schon entwachsen sein. Der Lohn: eine Nominierung für den EM-Vorbereitungskader unter Bundestrainer Chris Fleming.

LEON KRATZER

Big Man, 2,10 Meter, geboren Februar 1997, s.Oliver Würzburg (Ausleihe von Brose Bamberg)
Turnier: 18,5 MpG, 8,6 PpG, 4,3 RpG, 1,0 ApG, 0,3 BpG, 65,9% FG, 35,3% FT
Play-Type Stat: P&R Man: 28,1% Freq, 1,38 PPP, 84,6% FG, 12,5% FT Freq, 12,5% TO Freq

„Ich bin wie gute Aktien – einfach hochgestiegen“

Diese Marteria-Zeile schien Georg Beyschlag im Ohr zu haben. Zumindest bediente der Point Guard häufig seinen Big Man nach dem Muster: Pick-and-Roll laufen, Ball in die Luft werfen, Leon Kratzer wird ihn schon fangen. Dies soll nicht Beyschlags präzisen Anspiele unterbewerten, doch Kratzer ist einfach ein dankbarer Abnehmer für solche Pässe: Der Big Man hat gute Hände und lässt kaum das Spielgerät fallen, zudem ist er mit seiner Größe und Masse einfach ein Biest in der Zone.

Als Abroller generierte er sehr effiziente 1,38 Punkte pro Offensivaktion und verwandelte dabei elf seiner 13 Wurfversuche. Stark agierte Kratzer auch beim Offensiv-Rebound, 70 Prozent seiner Würfe per Putback verwandelte der ProA-Spieler des Jahres. Auch im Post deutete Kratzer sein Arsenal samt Hakenwurf an, doch dort agierte nicht so effizient. Das lag auch daran, dass die gegnerischen Teams Kratzer im Turnierverlauf besser zu scouten schienen. Immer wieder wurde Kratzer auch gedoppelt – aus solchen Aktionen kann der Center sicherlich noch lernen.

Mit seiner Größe und Masse ist Kratzer natürlich auch in der Zone eine Waffe, sprich Brocken, den es erstmal zu überwinden gilt. Doch ein Ringbeschützer ist er nicht. Ihm geht ein wenig die Athletik und die Sprungkraft ab, um einen gegnerischen Wurf schnell zu stören. Diese fehlende Schnelligkeit sieht man auch in der Help-Verteidigung. Nichtsdestotrotz sah Kratzer phasenweise im Verteidigen des Pick-and-Rolls, wenn er abgesunken war, ganz solide aus.

NIKLAS KIEL

Big Man, 2,07 Meter, September 1997, FRAPORT SKYLINERS
Turnier: 14,9 MpG, 4,1 PpG, 4,0 RpG, 0,4 ApG, 2,4 TpG, 32,3% FG
Play-Type Stat: P&R Man: 28,8% Freq, 0,73 PPP, 45,5% FG, 0,0% FT Freq, 26,7% TO Freq

Als unglücklich könnte man Niklas Kiels Turnierleistung zusammenfassen: einige Ballverluste in Form von Schrittfehlern nach Bewegungen im Post oder falsch gestellten Blöcken am Ball. Nie wollte der Knoten beim Frankfurter Big Man platzen. Seine schwache Wurfquote trug dazu bei, dass Kiel nie wirklich Selbstvertrauen tanken konnte.

Apropos Wurf: Von der Bewegung her lässt sich daran noch viel arbeiten, Kiel nimmt den Ball von der Brust heraus und stößt ihn dann eher Richtung Korb als hinter dem Kopf zu nehmen. Nichtsdestotrotz deutete der Frankfurter an, dass er eine solide Option im Pick-and-Roll ist – wenn er in die Mitteldistanz geht. Vor allem gegen Island präsentierte sich der 2,07-Meter-Mann hier stark. Der Koten mag dort geplatzt sein, nur blöd, dass es das letzte Turnierspiel war.

Kiel deutete seine Anlagen im Spiel am Zonenrand an, doch ab und an wurde er geblockt, wenn das Eins-gegen-Eins forcierte. Vielleicht muss er seinen Gegner einfach noch besser lesen. Dass Kiel beweglich ist, zeigte er nicht nur offensiv, sondern auch defensiv. Hier kann er durchaus mal kurzzeitig auf den Ballführer beim Pick-and-Roll gehen. Dann erschwert Kiel durch seine Verteidigung ein Anspiel oder ist schnell genug bei seinem Gegenspieler zurück. Schnelligkeit bewies Kiel auch im Schnellangriff: sein effizientestes Play-Type über das Turnier (1,29 PPP, 60,0% FG).

TIM SCHNEIDER

Stretch-Vier, 2,05 Meter, September 1997, ALBA BERLIN
Turnier: 17,6 MpG, 5,3 PpG, 4,6 RpG, 1,0 ApG, 50,0% FG, 45,5% 3FG
Play-Type Stat: Spot-up: 18,9% Freq, 2,00 PPP, 71,4% 3FG

Tim Schneider übernahm beim DBB-Team die Rolle des Stretch-Vierers: 42,3 Prozent seiner Feldwürfe waren Dreier. Von Downtown netzte der Berliner erstklassige 45,5 Prozent seiner Versuche ein, als Spot-up-Schütze waren es sogar 71,4 Prozent (siehe Video). Schneider vereinte in der DBB-Auswahl am stärksten Volumen und Treffsicherheit. Der Berliner besitzt einen schnellen und flüssigen Wurf sowie die Reichweite für Parkplatzdreier.

Schneider verstand es aber auch, gegnerische Closeouts zu attackieren: Nach dem Catch-and-Drive bewies der Forward ein Auge für den Mitspieler in der Zone, seine Passfertigkeiten in Form von Durchsteckern sind nicht zu unterschätzen. Schneider agierte meist ballabseits – nur zweimal schloss er als Blocksteller im Pick-and-Roll ab; nur einmal versuchte er sich im Eins-gegen-Eins.

In der Offensive überzeugte Schneider auch bei der Arbeit am Brett (Putbacks: 21,6% Freq, 1,13 PPP), auch wenn er nicht viel Masse mitbringt. Beim Defensiv-Rebound könnte er noch besser ausboxen. In der Verteidigung hatte er ab und an Probleme in der Post-Verteidigung sowie beim gegnerischen Pick-and-Roll.

Play-Type Stats erhoben von Manuel Baraniak
Freq%: Prozentzahl der Abschlussart; PPP: Punkte pro Possession;
FT Freq%: Prozentzahl der gezogenen Freiwürfe pro Possession;
TO% Freq: Prozentzahl der Ballverluste pro Possession

Die Zitate sind allesamt aus Liedern Marterias bzw. Marsimotos; der Reihenfolge nach sind das „Endboss“, „Sekundenschlaf“, „Zum König geboren“, „Aliens“, „Kids (2 Finger an den Kopf)“, „Pionier“ und „OC Beatz“.