Isaiah Ihnen: „Jetzt wissen alle, dass ich Dreier schießen kann“

Von München nach Minnesota, NCAA statt NBBL: DBB-Nachwuchsathlet Isaiah Ihnen wagte im vergangenen Sommer den Sprung über den großen Teich und schrieb sich an der University of Minnesota ein. Wie er seine Premierenspielzeit bei den Golden Gophers erlebte, erklärt Ihnen im Interview.

Außerdem verrät der 19-Jährige, welche Rolle sein Headcoach Richard Pitino bei der College-Wahl spielte, warum er als Freshman Geduld beweisen musste und in welchen spielerischen Bereichen er sich verbessern will.

basketball.de: Isaiah, du befindest dich momentan noch in Minnesota. Daher zum Einstieg direkt die wichtigste Frage: Wie ist bei dir die Lage?

Isaiah Ihnen: Mir geht es soweit gut. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind natürlich auch bei uns in Minnesota spürbar, die Universität hat zum Beispiel alle Vorlesungen und sonstige Campus-Aktivitäten abgesagt. Stattdessen finden die Kurse jetzt online statt, und den Studenten wurde die Möglichkeit gegeben, nach Hause zu gehen.

War es für dich denn auch eine Option, zurück nach Deutschland zu fliegen?

Grundsätzlich schon. Jedoch haben meine Trainer und ich die Befürchtung, dass es später zu Problemen bei meiner Einreise in die USA kommen und ich nicht spontan wieder an den Campus zurückkehren könnte. Es ist eine schwierige und komplizierte Situation. Es ist nicht klar, wann wir wieder trainieren können. Unser Trainerstab versucht aktuell herauszufinden, wie wir im Sommer unser Training wieder aufnehmen können. Von daher muss ich erstmal abwarten und schauen, wie sich hier alles entwickelt.

Ein kurzer Flashback zum 12. März: Ihr hattet am Vortag Northwestern mit 74:57 geschlagen und standet im Achtelfinale des Big-Ten-Tournaments. Kurz vor dem Tip-Off eures Spiels gegen die Iowa Hawkeyes wurde das Turnier abgebrochen. Was waren deine ersten Gedanken?

Es war schon mies … Wir hatten das erste Turnierspiel gewonnen, uns als Team sehr gut präsentiert und waren total motiviert. Wenn wir ehrlich sind: Unsere Saison war bis dahin nicht besonders gut verlaufen [Minnesota hatte eine Gesamtbilanz von 15-16; Anm.d.Red.]. Unsere Hoffnung war es, dass wir das Turnier gewinnen, um uns so noch für die March Madness zu qualifizieren. Wir waren  die gesamte Saison über in der Lage, jedes andere Team zu schlagen. Wir hätten einfach nur konstant unsere Leistungen im Big-Ten-Tournament abrufen müssen. Dass es dann auf diese Weise, so abrupt, endete, war schon schwierig – da will ich ehrlich sein.

War ein potenzieller Turnierabbruch schon vorher in euren Köpfen präsent?

Ja, eigentlich schon. Im Anschluss an unsere Partie gegen Northwestern spielten noch Nebraska und Indiana gegeneinander. Dem Headcoach von Nebraska, Fred Hoiberg, ging es an dem Abend richtig schlecht. Er saß schweißgebadet am Spielfeldrand und wurde daraufhin ins Krankenhaus gebracht. Als wir das gehört haben, war uns schon klar, dass das Turnier sehr wahrscheinlich nicht mehr fortgesetzt werden würde. Auch wenn Hoiberg negativ auf das Coronavirus getestet wurde, war die Gefahr einfach zu groß. Nichstdestotrotz hatten wir uns am nächsten Tag ganz normal auf das Iowa-Spiel vorbereitet. Wir waren schon getapt und bereit zu spielen, als die Nachricht kam, dass das Turnier abgebrochen wird.

Du hast eure durchwachsene Saisonleistung angesprochen. Wie hast du in deiner Premierensaison den Wettbewerb und das Leistungsvermögen in der Big-Ten-Conference wahrgenommen?

Ich würde schon sagen, dass die Big Ten in diesem Jahr die beste Conference war – auf jeden Fall war sie die ausgeglichenste Liga! Mit Ausnahme von Nebraska, die in dieser Saison ein sehr junges Team hatten, konnte quasi jeder jeden schlagen. Von der Tabellenspitze bis zum -Ende war das Qualitätsniveau eng beieinander. Das ist mir vor allem bei unseren Auswärtspartien aufgefallen. Gefühlt ist jedes Big-Ten-Team eine Heimmacht, und es ist unfassbar schwer, auf fremden Court zu bestehen. Es war schon echt eine sehr, sehr starke Liga.

Der Big-Ten-Conference eilt der Ruf voraus, eine sehr physische Liga zu sein. Mit Luka Garza, Xavier Tillman, Jalen Smith oder auch Daniel Oturu gehörten vor allem Frontcourt-Spieler zu den besten Akteuren der abgelaufenen Saison. Hat dir auch auf physischer Ebene das Spiel imponiert – oder war es genau das Niveau, das du erwartet hast?

Mir war schon klar, dass der Übergang vom deutschen Basketball, in meinem Fall von der NBBL, zum College-Basketball nicht einfach werden würde. Wie du schon sagst, es ist ein sehr viel physischeres Spiel. Das Problem bei mir war dann auch, dass ich aufgrund von bestehenden College-Regularien nicht zum Sommersemester starten konnte. Der Plan war eigentlich, dass ich schon im Sommer zum Team stoße und direkt viel Zeit im Kraftraum verbringe, um an Power dazuzugewinnen. Das klappte leider nicht.

Dazu kam noch, dass ich mir mein rechtes Handgelenk brach, weshalb ich weitere Zeit verlor … Die Spieler auf den Frontcourt-Positionen waren definitiv stark. Aber ich würde nicht sagen, dass mich das überrascht hat. Mir war schon klar, welches Level mich erwartet.

„Mir hat es mehr Spaß gemacht, den NCAA-Basketball anzuschauen als die NBA“

Lass uns doch einen Schritt zurückgehen und uns über deinen Gang ans College unterhalten. War es schon immer dein Plan, in der NCAA Basketball zu spielen?

Okay, also … (lacht) Als ich mit dem Basketballspielen angefangen habe, war mir früh klar, dass ich in die NBA will. Ich habe mich dann im Internet darüber schlau gemacht, wie der NBA Draft funktioniert – das hat mir vorher ja niemand erklärt. So habe ich dann herausgefunden, dass die meisten Spieler vom College in die NBA wechseln. Das hat mein Interesse am College-Basketball geweckt, und mir hat es dann auch mehr Spaß gemacht, den NCAA-Basketball anzuschauen als die NBA. Zu dem Zeitpunkt war es mein Ziel, für Duke zu spielen, weil die Blue Devils das beste College-Team waren (lacht). Es war für mich klar, dass ich in der NCAA Basketball spielen will.

Und dann klingelte „Coach K“ bei dir durch?

Nee. (lacht) Im Herbst 2018, meiner letzten NBBL-Saison, hat es dann gefühlt aus dem Nichts mit dem College-Recruiting angefangen. Ich weiß gar nicht mehr, wie es genau passiert ist. Auf jeden Fall ist ein Assistant Coach von Arizona State nach München gereist, um bei einem Training von uns [Internationale Basketball Akademie München; Anm. d.Red.] zuzuschauen.

Was ich im Vorfeld aber noch gemacht habe: Wir waren mit unserem Team bei einem Preseason-Turnier, und ich habe von diesen Spielen ein Highlight-Tape mit meinen besten Szenen zusammengeschnitten und auf YouTube hochgeladen. Die Rückmeldung jenes Coaches war, dass er sich vom reinen Tape noch unsicher gewesen sei, aber nach den Trainingseindrücken ganz viel Potenzial bei mir sehe und sehr daran interessiert sei, mir ein Stipendium anzubieten. Von da an war es ein Schneeballeffekt. Je mehr Schulen dich rekrutieren, desto mehr spricht sich dein Name herum. Und so fangen auch andere Schulen an, Interesse zu kriegen …

Wie kann ich mir so ein Recruting-Verfahren genau vorstellen? Rufen die Coaches dich ständig an, um bei dir Überzeugungsarbeit zu leisten?

Die Unis versuchen eine Art Beziehung zu dir aufzubauen. Meistens sind es die Assistant Coaches. Im Fall von Minnesota, Texas und TCU hatte ich auch viel direkten Kontakt mit den Headcoaches, die immer mal wieder mit mir „facetimen“ wollten.

„Coach Pitino scheut sich nicht davor, unorthodoxe Taktiken und Systeme zu bemühen“

Im vergangenen Jahr hast du in einem Twitter-Post die finale Auswahl deiner Top-sechs-Universitäten präsentiert: Texas, TCU, Oregon, Arizona State, Minnesota und Tennessee: prominente Colleges aus drei der besten Conferences des Landes. Erläutere uns doch mal deine Entscheidungsfindung.

Der Plan war, dass ich mir meine Favoriten direkt vor Ort anschaue, um so einen Gesamteindruck von den Universitäten zu bekommen. Aber zuerst wollte ich, dass die Unis mich in München besuchen. Mir ging es darum zu sehen, welche Colleges wirklich 100-prozentiges Interesse an mir haben.

Letztendlich sind die Verantwortlichen von Minnesota, Stanford und TCU gekommen. Texas und Oregon wollten eigentlich auch vorbeischauen, aber daraus ist am Ende doch nichts geworden. Daraufhin habe ich die von dir angesprochenen letzten sechs Kandidaten für mich festgehalten. Ich habe mit meinem Coach Robby [Robert Scheinberg, NBBL-Coach und Akademieleiter des IBAM] und meiner Mutter darüber gesprochen, welche Colleges ich mir vor Ort anschauen sollte.

Die Top-Rekruten in den USA haben ja den „Luxus“, dass sie ihre Campus-Trips über mehrere Monate verteilen können. Dann schauen sie sich eine Uni im September an, eine andere im Oktober und so weiter … Bei mir war aber die Schwierigkeit, dass es mein Abiturjahr war und ich im April nur ein kleineres Zeitfenster hatte, um alle Trips unter einen Hut zu bekommen.

Ich hatte dann die Entscheidung getroffen, mir Minnesota, TCU und Tennessee anzuschauen. Schlussendlich musste ich die Liste aber nochmal kürzen, da es mit einem Trip nach Tennessee aus Zeitgründen nicht mehr geklappt hätte. Wäre ich nach den Besuchen in Minnesota und TCU noch unschlüssig gewesen, wäre ich aber nach meinem Abitur noch mal nach Tennessee gereist.

Um die Campusbesuche der College-Rekruten ranken diverse Mythen. Es hat aus der Distanz aber auf jeden Fall den Anschein, dass für die umworbenen Rekruten der rote Teppich ausgerollt wird. Ist das korrekt?

Kann man so sagen, ja. (lacht) Die „Visists“ waren schon echt nice. Zum Beispiel in TCU, also in Fort Worth, sind wir auf einem Segway quer durch die Stadt gefahren und waren in richtig guten Restaurants essen … das war schon nicht schlecht.

Was hat schließlich den Ausschlag für die Minnesota Golden Gophers gegeben? Hochmotorisierte Segways waren es vermutlich nicht …

Ich hatte bei Minnesota einfach das beste Gefühl. Was mir sehr wichtig war: Was lässt der Headcoach für einen Basketball spielen, und mit welchen Spielertypen arbeitet er gern zusammen? Bei Minnesota spielte in der vorletzten Saison mit Amir Coffey ein großgewachsener Flügelspieler auf der Point-Guard-Position. Das zeigte mir, dass Coach Pitino sich nicht davor scheut, unorthdoxe Taktiken und Systeme zu bemühen. Die Situation dort hat mir einfach gefallen. Und das Trainingsgelände erst …

Ohja, das kann ich mir vorstellen. Da können die Turnhallen in Böblingen und Umgebung nicht mithalten …

Nee. (lacht) Das ist echt krass, sowas hatte ich vorher auch noch nie gesehen. Da dachte ich mir einfach nur: Wow.

„Oscar Da Silva nannte mir die Vor- und Nachteile von Stanford“

Du hast gerade schon Coach Pitino erwähnt. In der Welt des College-Basketballs hat kaum ein Name mehr Gewicht. Wie liefen deine ersten Gespräche mit Richard Pitino, Sohn der Trainerlegende Rick Pitino, ab? Hattet ihr schon früh einen Draht zueinander? Seine Coaching-Philosophie hat dir scheinbar direkt imponiert.

Richtig. Im Endeffekt war sein Spielstil genau das, was bei mir das Interesse geweckt hat. Und was soll ich sagen – ich mag Richard schon richtig. (lacht) Er ist einfach eine echt gute Persönlichkeit, lustig und sympathisch. Als wir unser erstes Gespräch hatten, hat es sofort geklickt. Ich hatte direkt das Gefühl, dass ich mit ihm auch auf langer Sicht sehr gut klar kommen würde.

Ich hatte die letzte NCAA-Saison der Golden Gophers natürlich genau verfolgt. Und was sie als Team auf dem Spielfeld gezeigt haben, hat mir wirklich gefallen.

Jerod Haase, Headcoach der Stanford Cardinals, ist auch jemand, der einen eher unorthodoxen NCAA-Offensiv-Basketball spielen lässt. Du hattest in einem Nebensatz erwähnt gehabt, dass Stanford Interesse gezeigt hat und nach München gekommen ist. Die Stanford-IBAM-Verbindung ist keine gänzlich neue Beziehung. Mit Oscar Da Silva spielt bereits ein Akademie-Abgänger bei den Cardinals. Hattest du mit Oscar über eine potenzielle Stanford-Zusage gesprochen?

Oscar hat noch einen sehr guten Draht nach München und auch zu Robby. Wenn er in der Heimat ist, dann trainiert er auch bei den Jungs mit. Natürlich habe ich mich auch mit ihm über Stanford ausgetauscht, und Oscar nannte mir die Vor- und Nachteile der Universität. Ich muss dazu sagen, dass Stanford schon echt großes Interesse gezeigt hat. Schließlich hatten sie mit Oscar bereits einen tollen Spieler aus der Münchener Akademie zu sich geholt.

Aber?

Am Ende des Tages hatte ich Zweifel, was meine Position auf dem Feld betrifft. Ich hatte die Befürchtung, dass sie mich wegen meiner Länge auf den Frontcourt-Positionen entwickeln wollen und nicht so sehr am Perimeter. Ob es wirklich so gekommen wäre – keine Ahnung. Aber ich bin sehr froh in Minnesota zu sein und fühle mich hier wohl.

Dann lass uns zusammen deine Freshman-Saison genauer betrachten. Noch vor dem Saisonstart kam der erste Rückschlag …

Richtig, ich hab mir mein rechtes Handgelenk gebrochen. Also meine starke Hand … Das war schon echt madig. (lacht)

Dazu kam, dass ihr mehr oder weniger eine komplett neue Mannschaft wart. Gleich sieben Spieler gingen in ihre Premierensaison bei den Golden Gophers. Wie war es da um den internen Konkurrenzkampf bestellt?

Puh … (überlegt) Ich war im Sommer ja noch nicht bei der Mannschaft dabei und kann deshalb auch nicht genau abschätzen, wie es so ablief. Als ich dann dazugekommen bin, war eigentlich schon klar, wer in der Starting Five steht. „Coach P“ lässt im Training immer „Maroon“ gegen „Gold“ spielen – also Startaufstellung gegen das Scouting-Team. Nach meiner Ankunft bei der Mannschaft spielte ich dann im Maroon-Team, aber auch immer mal wieder im Gold-Team. Pitino hat da durchaus noch mit den Lineups experimentiert und geschaut, wie die Sachen auf dem Court funktionieren.

Wie bewertest du im Nachhinein die ersten Trainingswochen und Preseason-Spiele?

Ich muss ehrlich gestehen, dass mir etwas die Kraft beziehungsweise Stärke gefehlt hat. Das hatte ich am Anfang unseres Gesprächs ja bereits angeschnitten. In der Preseason habe ich exklusiv auf der Drei gespielt. Dort habe ich mich ein bisschen schwerer getan, die schnellen Guards zu verteidigen. Ein Punkt, der im Laufe der Saison aber immer besser geworden ist.

„Es gab Phasen, in denen es im Training richtig gut lief und du am Spieltag trotzdem auf der Bank bleibst“

Was ich so bemerkenswert fand: Coach Pitino räumte dir in den ersten Saisonwochen- und Monaten nur wenig Spielzeit ein, aber äußerte sich im Rahmen von Interviews explizit zu deiner Person und sagte schon beinahe auf entschuldigende Art, dass er dir sehr gerne mehr Einsatzzeiten geben würde und das Team dich auf dem Feld brauche. Wie hast du diese Phase erlebt?

Wir hatten zu dieser Zeit immer wieder unsere Gespräche. Coach Pitino war auch sehr offen zu mir. Er sagte mir, dass er weiß, dass ich dazu in der Lage bin zu spielen, und er mich auch eigentlich spielen lassen müsste. Aber ich hatte auch Verständnis für seine Situation als Headcoach des Teams. Letztendlich ist es sein Job als Trainer, Spiele zu gewinnen. Und das haben wir am Anfang der Saison nicht geschafft.

Das hat ihn natürlich auch gestresst, und dann war es für ihn schwer, mich als Freshman ins Feuer zu werfen … vor allem auch nach meiner Verletzung. Das hatte ich schon verstanden. Andererseits denke ich mir, dass man auch Risiken eingehen muss. Sonst weißt du nie, was passieren wird. Aber grundsätzlich habe ich ihn da schon verstanden.

Du hattest zu dieser Zeit auch einen Tweet abgesetzt, der nur aus einem Wort bestand: Geduld. Für einen europäischen Freshman ist es auch nicht ungewöhnlich, zu Beginn einer Saison eine schwierige Phase der Akklimatisierung durchzumachen. Musstest du dich denn immer wieder selbst beruhigen und vor Augen führen, dass deine Zeit noch kommen wird?

Das schon. Aber machen wir uns nichts vor: Als Basketballer, egal in welchem Alter du bist, willst du spielen. Ich liebe es, Basketball zu spielen, und will auch spielen. Ich will meiner Mannschaft helfen und beweisen, dass ich auf diesem Niveau spielen kann. Es gab Phasen, in denen es im Training richtig gut lief und du am Spieltag trotzdem auf der Bank bleibst. In solchen Momenten musst du einfach lernen, richtig damit umzugehen.

Geduld zahlt sich bekanntermaßen aus. In deinem Fall kam der Wendepunkt Ende Januar. Im Spiel gegen Illinois standest du 16 Minuten lang auf dem Feld. Danach warst du ein integraler Bestandteil der Rotation und kamst bis zum Saisonende im Durchschnitt auf 17 Minuten pro Partie. Was ist damals geschehen?

Zu dem Zeitpunkt hatte unser nomineller Power Forward [Alihan Demir] Probleme mit seinem Wurf, und wir haben ein besseres Spacing benötigt, um unserem offensiven Go-to-Guy Daniel Oturu die nötigen Freiräume in der Zone zu verschaffen. Da mein Wurf mit der Zeit immer besser und besser geworden ist, hat mir der Trainer das Vertrauen geschenkt.

Ich würde aber nicht mal sagen, dass es das Spiel gegen Illinois war. Kurz zuvor haben wir gegen Ohio State gespielt, und ich musste Kyle Young, einen sehr physischen Power Forward, verteidigen. Dort hat „Coach P“ gesehen, dass ich auch gegen Vierer in der Big Ten bestehen kann. Da habe ich Vertrauen gewonnen, und er hat mir mehr Chancen gegeben.

Zum Beispiel gegen Illinois: Da hat der Trainer für mich ein Play aufgezeichnet, an dessen Ende ich einen offenen Dreier bekomme. Leider habe ich dann einen Airball geworfen. (lacht) Aber das hat mir gezeigt, dass der Coach mir wieder vertraut – und darauf habe ich aufgebaut.

Ich fand es interessant zu sehen, wie du dann von Coach Pitino offensiv eingesetzt wurdest. Du warst als Blocksteller in vielen „Screening“-Aktionen eingebunden und bist in der Regel dann nach draußen zum Perimeter, um als Catch-and-Shoot-Abschlussoption anspielbar zu sein. Hast du dich in dieser Rolle direkt wohl gefühlt – oder war es eher so, dass du einfach das umgesetzt hast, was dein Trainer von dir sehen will?

Puh, gute Frage. (überlegt) Ich würde sagen, dass ich eher ein Small Forward bin und auch mit dem Ball in der Hand agiere. Aber da mein Ballhandling noch etwas „tighter“ und stärker werden muss, hat sich der Coach gedacht, dass es am besten ist, wenn er mich als Screener und Floor Spacer einsetzt. Aber es ist auch nicht so, als hätte der Coach gesagt: „Isaiah, mach nur das und das und das.“ Stattdessen hat er gesagt, dass ich das machen soll, womit ich mich auf dem Feld wohl fühle. Coach Pitino ist niemand, der dir große Restriktionen auferlegt. Natürlich darf nicht jeder machen, was er will. Aber er gibt uns schon viel Freiraum – „Hauptsache es funktioniert“, ist da seine Mentalität.

Ich fühle mich aber schon wohl mit dem Dreier. Ich würde sagen, dass ich einen guten Touch habe. Und was der Trainerstab auf jeden Fall von mir sehen will, ist, dass ich mehr zum Korb ziehe. Das steht auf jeden Fall im Fokus für mich in dieser Offseason. Ich will mein Spiel breiter aufstellen. Jetzt wissen alle, dass ich Dreier schießen kann. Nächste Saison werden sich die Gegner darauf einstellen, und dann muss ich schauen, wie ich es zu meinem Vorteil nutzen kann, wenn der Gegner aggressivere Closeouts läuft.

„Dreier werfen ist schön und gut, aber ich muss auch meine anderen Stärken einbringen“

Da sprichst du einen interessanten Punkt an, der auch noch auf meiner Liste stand: In deinen letzten neun Partien kamen 72 Prozent deiner Würfe aus der Dreierdistanz (13/35 3FG) und du kamst nicht einmal an die Freiwurflinie. Würdest du sagen, dass dir in einigen Spielsituationen noch das Decision-Making gefehlt hat, um zu erkennen, wann du zum Korb ziehen kannst? Oder wolltest du dich primär auf die freien Distanzwürfe konzentrieren und das Spiel komplett auf dich zukommen lassen?

Ich glaube, dass es da eher am Selbstvertrauen gehapert hat. Du hast es in der Frage schon angesprochen: Ich wollte das Spiel auf mich zukommen lassen, freie Dreier nehmen und hart verteidigen. Mein Ziel war es, einen positiven Einfluss auf das Team zu haben – und überhaupt zu spielen. Die sicherste Option, um an Einsatzminuten und das Vertrauen des Coaches zu kommen, ist es, dich auf deine Stärken zu fokussieren und nicht zu überdrehen.

Eine schöne Spielszene, die mir in diesem Zusammenhang im Gedächtnis geblieben ist: Gegen Nebraska hast du den Ball am Perimeter erhalten, warst in der Triple-Threat-Position und hast die Defense dann per Drive über deine linke Hand attackiert. Dadurch hast du die Help-Defense erzwungen, die defensive Rotation gelesen und den Ball zu deinem freien Teamkollegen gepasst, der dann den Dreier getroffen hat. Dieses Attackieren „off-the-catch“, ist das etwas, dass du nächste Saison forcierst?

Zu 100 Prozent. Darauf liegt definitiv mein Fokus: Closeouts besser zu attackieren und Situationen besser zu erkennen. Wie du schon gesagt hast: Wenn du jemanden hast, der immer wieder den Korb attackiert, dann eröffnen sich für die Teamkollegen Räume. Und ich darf auf keinen Fall ein eindimensionaler Spieler sein. Ich bin 2,06 Meter groß, lang und athletisch. Dreier werfen ist schön und gut, aber ich muss auch meine anderen Stärken einbringen.

Wie hältst du dich in der momentanen Situation fit?

Ich arbeite zurzeit viel mit Hanteln und versuche so, an Muskelmasse im Oberkörperbereich zuzulegen, damit ich für den Reboundkampf und bei der Verteidigung von Post-up-Aktionen noch stärker werde. Mein Ziel für diese Offseason war es, rund 15 Pfund draufzupacken.

Was sind denn abseits von deiner Physis noch weitere Bereiche, an denen gezielt arbeiten möchtest?

Ganz allgemein gesprochen will ich einfach mein Offensivarsenal weiter ausbauen. Dazu gehört, dass ich an meinem Spiel in der Midrange arbeite und so ein „Three-Level-Scoring“ mitbringe: Dreier, Mitteldistanz und Abschlüsse in Korbnähe. Die Physis haben wir schon angesprochen.

Davon ab denke ich, dass sich viele Dinge mit mehr Spielerfahrung automatisch verbessern werden – dazu gehört dann auch das offensive und defensive Decision-Making, einfach Spielsituationen schneller zu lesen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die nahe Zukunft: Wie glaubst du, gehst in den nächsten Monaten weiter?

Ganz ehrlich: Ich habe wirklich gar keine Ahnung. Ich hab auch mit unseren Trainern gesprochen, und es gibt zurzeit keinen richtigen Zeitplan. Was ich aber gehört habe, ist, dass wir erst wieder richtig trainieren können, wenn im Sommersemester auch die Seminare und Vorlesungen wieder vor Ort besucht werden können. Man muss einfach abwarten.