Auf großer Bühne(r)
Zum Auftakt der Heim-EM feiert die deutsche Frauen-Nationalmannschaft einen ungefährdeten Sieg gegen Schweden – vor den Augen von Geburtstagskind Dirk Nowitzki. Neben den WNBA-Spielerinnen Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder überzeugt in Frieda Bühner eine 21-Jährige, die erst vergangenes Jahr ihr Coming-Out gefeiert hat.
Die aktuelle Europameisterschaft im eigenen Land soll beim Deutschen Basketball-Bund der nächsten Schritt sein, den Frauen-Basketball zu pushen und auf eine noch größere Bühne zu stellen. In den vergangenen zwei Jahren hielt mit dem sechsten Platz bei der EM 2023 und der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 schon sportlicher Erfolg Einzug, nun soll darauf mit der Austragung einer EM-Vorrundengruppe und der kompletten Weltmeisterschaft 2026 aufgebaut werden.
Wenn dann zum EM-Auftakt gegen Schweden nicht nur 3.414 Menschen die Halle ausverkauft machen, sondern auch Dirk Nowitzki an seinem 47. Geburtstag vor Ort ist und den Glücksbringer gibt, dann ist endgültig eine große Bühne bereitet.

„Nowitzkis Besuch zeigt, wie sehr er den deutschen Frauen-Basketball pushen möchte“
„Es zeigt, wie sehr er momentan den deutschen Frauen-Basketball pushen möchte“, freute sich Luisa Geiselsöder über den hohen Besuch – welcher auch das Olympia-Gold der 3×3-Frauen in Paris im vergangenen Jahr aus der ersten Reihe miterlebt hatte. Schon bei der Heim-EM 2022 der Männer war Nowitzki vor Ort, als beim Auftaktspiel gegen Frankreich sein DBB-Trikot unter die Hallendecke gezogen worden war, auch damals klatschte er das Team vor der Partie ab, das tat Nowitzki unter breitem Grinsen so mancher Nationalspielerin auch in Hamburg. „Das Team war vor dem Spiel auch etwas aufgeregt, ihn zu sehen“, musste Leonie Fiebich gestehen. „Aber ist es voll cool, dass er hier ist und uns unterstützt.“
Eine Nervosität war dem deutschen Team derweil nicht anzumerken: Mit einem 19:4-Auftakt in den ersten sechs Minuten starteten die DBB-Frauen furios. Am Ende fuhren sie mit einem 89:76-Erfolg einen Pflichtsieg beim Projekt Piräus um den Einzug in die KO-Runde ein. Zeitweise setzte sich die DBB-Auswahl sogar auf 18 Zähler Differenz ab, phasenweise kam das schwedische Team aber auch auf sechs Zähler heran, womit die Thomaidis-Truppe am Ende auch noch etwas in der Crunchtime geprüft wurde.
So machte Fiebich zum einen „gute Runs“, zum anderen aber auch ein paar „Tiefs“ (wie beim 0:12-Lauf Ende des dritten Viertels) aus. Positiv für die amtierende spanische Meisterin und WNBA-Champion war das Zusammenspiel: „Wenn wir den Ball bewegen und miteinander spielen, können wir sehr guten Basketball spielen und sind auf jeder Position gefährlich.“ Auch in der Verteidigung sah Fiebich gute Dinge: „Wenn wir lang sind, unsere Arme benutzen und unsere Füße bewegen, dann ist es sehr schwer, gegen uns zu spielen.“ Die Länge war schon bei der Startformation ersichtlich, lief Fiebich doch auf der Zwei auf, während in Emily Bessoir, Frieda Bühner und Luisa Geiselsöder drei Spielerinnen von mindestens 1,86 Metern den Frontcourt bildeten.

Die (große) Starting Five übernimmt
Die Starting Five – dazu zählte noch Aufbauspielerin Alexis Peterson – stach eindeutig heraus. Alle Fünf wiesen einen „Plus / Minus“-Wert von mindestens +17 auf, keine Bankspielerin kam auf mehr als +2. Zwar ging Bundestrainerin Lisa Thomaidis tief in ihre Rotation und hatte Mitte des zweiten Viertels bereits elf Spielerinnen eingesetzt, drei davon (Emma Eichmeyer, Romy Bär, Clara Bielefeld) kamen am Ende aber nicht über drei Minuten hinaus. Jeder Starterin stand mindestens 29 Minuten auf dem Feld, auch Bessoir in ihrem ersten Pflichtspiel seit den Olympischen Spielen mit einer starken Leistung an beiden Enden des Parketts.
Fiebich spulte mit 34 Minuten die meisten des deutschen Teams ab, klagte über vereinzelte Krämpfe. Nicht die besten Voraussetzungen für das direkt am nächsten Tag anstehende Duell mit Spanien, das vermutlich über den Gruppensieg entscheiden wird.
Vor EM-Start hatte Lisa Thomaidis im basketball.de-Interview noch Fiebichs Drive Bedeutung beigemessen, „sie muss mit ihrer Athletik Druck auf den Korb ausüben. Wir haben nicht so viele Spielerinnen, die das Skillset haben, bis zum Ring zu kommen“, hatte die Bundestrainerin erklärt, doch gegen Schweden war mehr auf Fiebichs Shomaking Verlass: Vier ihrer sieben Dreier versenkte sie, zwei davon in einer Phase, nachdem Schweden Ende des dritten Viertels auf sechs Zähler Differenz verkürzt hatte.
Dort war auch auf Luisa Geiselsöder Verlass. Die WNBA-Rookie war eine gewohnt starke Präsenz im Post; es lässt sich früh erkennen, dass Thomaidis vor EM-Start erklärt hatte, dass die 25-Jährige in Reihen der Dallas Wings zu einer der besten Post-Spielerinnen der EM gehören werde. Mit 20 Punkten (dazu 7 Reb, 4 Ast) avancierte Geiselsöder zur Topscorerin des deutschen Teams, defensiv gab sie die Ringbeschützerin und veränderte viele schwedische Würfe in Korbnähe.
Ob die noch wenigen, dabei durchaus überzeugenden Spiele in der WNBA schon zu einem höheren Selbstverständnis bei ihr beigetragen haben? „Ich sage mal so: Sie hat davor schon sehr guten Basketball gespielt, dass sie jetzt in der WNBA spielt, ist eine Belohnung für ihre harte Arbeit, die sie die letzten Jahren reingesteckt hat“, antwortete Fiebich, die Geiselsöder schon seit der Jugendzeit kennt. „Ich bin super stolz auf sie, dass sie einen Schritt nach dem anderen geht und immer besser wird.“
„Frieda Bühner kannst du in jeder Situation den Ball geben und sie macht was Gutes daraus“
Einen weiteren Schritt hat auch Frieda Bühner gemacht. Die 21-Jährige debütierte erst Ende 2023 in der A-Nationalmannschaft, feierte bei den Olympischen Spielen gegen Belgien ihr Coming-Out und schulterte das deutsche Team inmitten von Personalsorgen in der Vorbereitung – das nahm sie nun auch zum EM-Start mit.
„Ich habe in meiner Saison in Spanien viel Selbstbewusstsein gewonnen und mit in die Vorbereitung gebracht“, erklärte Bühner, die Movistar Estudiantes im EuroCup als beste Scorerin und Rebounderin anführte. „Und mit so einer Vorbereitung kann ich selbstbewusst in das Turnier gehen – ich glaube, das hat man heute gesehen.“
Gewohnt unaufgeregt arbeitete Bühner unter dem Korb, gerne mit Spin-Moves, wenn sie als Abrollerin den Ball auf den Boden gesetzt hatte. Ihre Geduld und Fußarbeit am Zonenrand zeichnen eher das Spiel einer Veteranin. „Den Spin-Move hatte ich schon in Deutschland, in Osnabrück habe ich viel daran gearbeitet“, antwortete Bühner auf Nachfrage. „In Spanien habe ich das vielleicht noch weiter ausgebaut, weil ich dort gegen Spielerinnen spiele, die größer und physischer sind – da muss ich einen Weg außer Physis finden. Das geht mit Sternschritten und Spin-Moves am besten.“ Mit 18 Punkten und neun Rebounds verpasste sie nur knapp ein Double-Double.
Leonie Fiebich kennt die spanische Liga bestens und kann so auch die Entwicklung Bühners gut einordnen: „Ich bin nicht überrascht über Friedas Leistung, ich habe sie beobachtet und sehe ihre Mentalität: Sie traut sich viel zu und hat keine Angst“, lobte Fiebich ihre vier Jahre jüngere Mitspielerin. „Sie kann eigentlich alles. Du kannst ihr in jeder Situation den Ball geben und sie macht etwas Gutes daraus. Sie kriegt jetzt mehr Aufmerksamkeit von der Verteidigung, die Würfe sind nicht mehr offen.“ Da hilft die angesprochene Geduld unter dem Ring, wenn sich Bühner auch nicht von Kontakt beirren lässt.
Der Kontakt mit Dirk Nowitzki vor der Partie, die High-Fives, hat das vielleicht für ein paar Sekunden schon, zumindest erklärte Bühner lachend: „Ich bin dann immer so ein richtiges Fan-Girl. Dass eine solche Basketballlegende kommt und uns uns unterstützt, ist etwas sehr Besonderes.“
Auf großer Bühne scheint auf Bühner in diesem EM-Sommer derweil Verlass zu sein. Und in Zukunft werden dann vielleicht auch Mädchen und der Basketball-Nachwuchs einen Fan-Girl-Moment haben, wenn sie Frieda Bühner spielen sehen und nach einem Autogramm fragen.