Zwischen Höhen und Tiefen … und keiner tiefen Rotation
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft verliert, mal wieder, gegen Spanien. Zwar hält das DBB-Team lange mit, die Schwächen im Team zeigen sich aber dennoch.
Eine Rechnung wollte die deutsche Frauen-Nationalmannschaft mit Spanien eigentlich noch begleichen. Bei der Europameisterschaft 2023 hatte das deutsche Team im Viertelfinale mit 42:67 deutlich den Kürzeren gezogen und sich – zunächst – nicht das Olympia-Ticket sichern können. Nun, mit dem eigenen Publikum im Rücken, wollten die DBB-Frauen bei der Heim-EM zeigen, dass man den Rückstand auf einen Medaillen-Abonnenten verkürzt, wenn nicht schon aufgeholt habe.
Doch daraus wurde nichts: Mit 60:79 stand erneut eine Pleite zu Buche, die am Ende vielleicht etwas zu hoch ausfiel, aber auch zeigte, woran das deutsche Team derzeit und in der aktuellen Zusammensetzung krankt.
„In der Defensive haben wir zu viele einfache, offene Würfe hergegeben. Sie haben den Ball gut bewegt, da sind wir nicht hinterher gekommen“, analysierte Leonie Fiebich. „In der Offensive haben wir Schwierigkeiten gehabt, gute Würfe zu kreieren und zu punkten. Wir waren hektisch und haben schlechte Entscheidungen getroffen.“
Allen voran im dritten Viertel wurde diese ersichtlich, als die Wurfuhr mehrmals hintereinander heruntertickte, einmal erlaubte sich das deutsche Team einen 24-Sekunden-Ballverlust. Zu Spielbeginn hatten die DBB-Frauen noch gegen die aggressive spanische Verteidigung Probleme, dabei hatte Fiebich tags zuvor noch gewarnt, man dürfe sich früh nicht viele Turnover erlauben. Doch drei Ballverluste nach drei Minuten führten zu einem 2:8-Start. Doch auch ohne Druck ging das DBB-Team leichtfertig mit dem Spielgerät um, einige Ballverluste resultierten aus Fehlpässen nach Unstimmigkeiten, bei denen Rotationen einfach falsch gelesen wurden. „Wir haben untypische Fehler gemacht“, musste Bundestrainerin Lisa Thomaidis anerkennen.
„Wir gehen in Extreme – wir müssen einen Mittelweg finden“
Nach dem Sieg gegen Schweden hatte Fiebich auf das Duell mit Spanien vorausgeblickt, man müsse seine Länge nutzen und physischen spielen, „die meisten Spanierinnen mögen den Kontakt nicht so gerne.“ Doch es waren die Spanierinnen, die im ersten Viertel häufiger an die Freiwurflinie kamen und die selbst in der Zone mit Physis zur Sache gingen.
„Wir hätten da einen besseren Job machen können. Wir haben die Physis nicht so genutzt, wie wir wollten“, erklärte Luisa Geiselsöder, die mit fünf Fouls die Partie eine Minute vor Schluss frühzeitig beenden musste, die als Abrollerin aber dennoch die beste Offensivoption war. „Sie haben mehr Rebounds geholt, das war eigentlich eines unserer Ziele. Das müssen wir besser machen und das ist eine Lehre, die wir aus dem Spiel ziehen können.“
Auch Fiebich musste anerkennen, dass ihre Zielvorgabe nicht eingehalten werden konnte: „In Phasen haben wir physisch gespielt und haben gute Rebounds geholt. Aber bei uns ist das Thema, dass wir in Extreme gehen: mal sind wir richtig gut, dann sind wir schlecht – wir müssen einen Mittelweg finden.“
Neben dem schwachen Start musste das DBB-Team auch zu Beginn des zweiten Viertels einen 2:8-Lauf hinnehmen, noch vor der Pause und zum Start in die zweite Hälfte war das deutsche Team am Drücker. Die von Fiebich angesprochenen Extreme waren auch gegen Schweden ersichtlich, dort gab es zum einen einen 19:4-Auftakt, zum anderen aber auch einen 0:12-Lauf.
Höhen und Tiefen erlebte auch Fiebich persönlich. Zur Pause stand sie bei 1/6 aus dem Feld und vier Ballverlusten. „Wir wollten Druck auf sie ausüben, weil sie eine komplette Spielerin ist: sie kann werfen, zum Korb ziehen und passen“, erklärte Spaniens Alba Torrens, die mit Fiebich in der abgelaufenen Saison mit Valencia die spanische Meisterschaft gewonnen hatte. „Leo ist nicht nur eine der besten Spielerinnen Europas, sondern der Welt.“
Das zeigte sich in der zweiten Hälfte schon mehr, als sich Fiebich vom nicht fallen wollenden Dreier (1/8 3P) nicht beirren ließ und mehr in Korbnähe agierte, endlich auch mal im Post-up. Am Ende zeichnen 13 Punkte, neun Rebounds, drei Assists und vier Steals das von Torrens angesprochene komplette Paket.
Tags zuvor über Krämpfe klagend, spielte Fiebich diesmal sogar durch. „40 Minuten sind viel“, wollte das Fiebich aber nicht als Ausrede hernehmen. Doch Geiselsöder, die immerhin 37:34 Minuten auf dem Parkett stand, bestätigte, dass „Müdigkeit natürlich ein Faktor“ ist. Alle fünf Starterinnen spulten mindestens 33:25 Minuten ab. Nachdem Thomaidis zum EM-Auftakt Mitte des zweiten Viertels bereits elf Spielerinnen eingesetzt hatte, kamen diesmal nur Jennifer Crowder (8:40 Min), Alex Wilke (5:56) und Romy Bär (4:49) von der Bank zum Einsatz.
„Wir sind mit den Spielerinnen gegangen, bei denen wir dachten, dass sie uns am ehesten die Chance auf den Sieg geben“, erklärte Thomaidis hierzu. „Uns war vorher klar, dass wir die Rotation verkürzen würden.“ Doch hätten mehr Verschnaufpausen den Starterinnen am Ende nicht mehr geholfen? Oder haben die Bankspielerinnen letztlich nicht die Qualität, um viele Minuten gegen einen „Top-drei-Team des Turniers“, wie Fiebich es einordnet, zu gehen? Wie man diese beiden Fragen auch beantwortet, es zeigt letzten Endes auch, wo das deutsche Team bei dieser EM in dieser Zusammensetzung steht.

Emily Bessoirs Comeback-Story
Eine positive Begleiterscheinung hat diese kurze Rotation aber: Emily Bessoir darf lange ran – und ist überhaupt imstande, so viele Minuten zu gehen. Denn nach ihrem Kreuzbandriss und einer langen Reha (sie spielte bei den Olympischen Spielen ohne Kreuzband) absolviert die 23-Jährige bei dieser EM ihre ersten Pflichtspiele seit fast einem Jahr – und macht das bravourös.
„Ich bin unglaublich froh über die Unterstützung, die ich während meiner Reha erhalten habe, um jetzt so ready zu sein wie ich bin“, sagte Bessoir, die sich zwar noch nicht bei 100 Prozent fühle, viel fehle dafür aber nicht mehr. Während Fiebich und Geiselsöder als WNBA-Spielerinnen als Fixpunkt herausstechen und während Frieda Bühner weiter den Shooting-Star gibt, so ist auch Bessoir ein wichtiger Bestandteil, an beiden Ende des Feldes.
„Die kleine Dinge zu machen abseits des Kreierens“, beschreibt sie ihre Rolle. „Daraus zu cutten und die offenen Würfe zu nehmen, wenn die Defense bei einer Spielerin hilft. Dinge, die mit dem Spiel lesen zu tun haben. Und in der Verteidigung lang zu sein und switchen zu können.“
Bei Bessoirs Leidensgeschichte um zwei Kreuzbandrisse mag man vergessen, dass sie erst 23 Jahre alt ist – und Teil einer goldenen Generation samt zweier EM-Medaillen im Nachwuchs, zu der auch Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder angehören. Im Hier und Jetzt mag das spanische Team (erneut) zu stark gewesen sein, aber vielleicht ist es auch nur eine Frage der Zeit, wann auch dieser Gegner besiegt wird.