Der nächste Schritt

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft beendet die Europameisterschaft auf dem fünften Platz – vor allem vor dem Hintergrund der Umstände ein sehr gutes Abschneiden. Der nächste Schritt ist nicht nur auf dem Parkett gemacht.

Nach dem sechsten Platz bei der Europameisterschaft 2023 zwei Jahre später der fünfte Platz: Schon allein hinsichtlich der bloßen Platzierungen mag man der deutschen Frauen-Nationalmannschaft attestieren, den nächsten Schritt gemacht zu haben. Dieser Eindruck verfestigt sich beim Blick auf die Umstände.

Zum einen fehlten in Satou und Nyara Sabally sowie Marie Gülich drei Eckpfeiler, zum anderen verpassten in Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder die verbliebenen beiden WNBA-Spielerinnen die komplette Vorbereitung, welche noch mehr in die Rolle der Anführerinnen schlüpfen mussten. Beide mussten (teils zu) viele Minuten abspulen, wie auch die anderen drei Starterinnen.

Fiebichs primäre Rolle im System von Lisa Thomaidis schien dabei nicht immer ersichtlich. Geschuldet ihrer Vielseitigkeit, ihrem zunächst fehlendem Rhythmus? Ja, Fiebich ist die beste Off-Screen-Option des deutschen Teams, aber mit ihrem Skill-Set und in der aktuellen Zusammensetzung der Mannschaft hätte man sie noch mehr on-ball erwarten können. Aus Isolationen und als Ballhandlerin verzeichnete sie jedoch nur zwölf Abschlüsse (mit 0,42 PPP trat sie dabei auch ineffizient auf). Fiebichs Backcourt-Partnerin Alexis Peterson schien noch weniger im Turnier angekommen zu sein, was zumindest ihren eigenen Abschluss als Guard mit einem eigentlich starken Zug zum Korb betrifft. Es war also sogar noch Luft nach oben. Am Ende musste die Thomaidis-Truppe dennoch nur zwei Niederlagen gegen die Finalisten Belgien und Spanien hinnehmen.

Mittelweg statt Extreme: Auch Leonie Fiebich fand im Turnierverlauf ihren Rhythmus.

Fiebich fand im Turnierverlauf noch ihren Rhythmus, und auch kollektiv war eine Verbesserung mit der Reise nach Piräus auszumachen. „Wir gehen in Extreme: mal sind wir richtig gut, dann sind wir schlecht – wir müssen einen Mittelweg finden“, hatte Fiebich nach der Niederlage gegen Spanien moniert, zumindest in den Platzierungsspielen waren jene Extreme nicht zu beobachten. Dort hatte Thomaidis mittlerweile auch ihre Rotation angepasst und etwas erweitert. Klar: Durch die wenige gemeinsame Vorbereitungszeit konnte das Team letztlich auch erst im Turnierverlauf besser zueinanderfinden, Umstände, die dies auf Grund des Basketballkalenders zwischen FIBA und WNBA aber auch in Zukunft erschweren werden.

Immer ausverkauft: Der Zuschauerzuspruch steigt

Die drei Vorrundenspielen in Hamburg waren mit 3.414 Zuschauern stets ausverkauft, schon die vorherigen Testspielen gegen Tschechien (2.414 Zuschauer in Bamberg) und die Türkei (2.508 Zuschauer in Heidelberg) waren gut besucht, obwohl da die WNBA-Spielerinnen Geiselösder und Fiebich noch fehlten. So hätte die DBB-Auswahl auch eine größere Halle als die Inselpark Arena füllen können, wenngleich die Barclays Arena wohl eine Nummer zu groß gewesen wäre. Zum Vergleich: Zum letzten Heimspiel vor der EM 2023, einem EM-Qualifikationsspiel immerhin gegen die Großmacht Belgien in Wolfenbüttel, kamen nur 943 Zuschauer. Wieviel sich in zwei Jahren, in dem es auch den Doubleheader in Berlin gab, getan hat …

Unter anderem Emily Bessoir (Jahrgang 2001), Leonie Fiebich (2000) und Luisa Geiselsöder (2000) waren Teil einer goldenen Nachwuchs-Generation, die 2018 Gold bei der U18-EM holte nachdem sie zwei Jahre zuvor bei der U16-EM Silber gewonnen hatte. Nyara Sabally (2000) war bei der U18-EM ebenfalls dabei. Nimmt man die nur etwas ältere Satou Sabally (1998) hinzu (Frieda Bühner ist natürlich auch zu nennen, die ist aber sogar erst Jahrgang 2004) könnte man einen Nukleus vorfinden, der über Jahre, wenn nicht ein Jahrzehnt, die Frauen-Nationalmannschaft prägt. Zwischen elf und 49 A-Länderspiele haben jene fünf Spielerinnen absolviert – doch gemeinsam stand dieses Quintett erst zweimal auf dem Parkett (am 9.11.2023 beim EM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien und am 23.7.2024 beim Testspiel gegen die USA)! Zwischen größeren Verletzungsakten und unterschiedlichen Karriereplanungen ist es fraglich, ob hier in zumindest kurzer Zeit so viele Länderspiele mehr hinzukommen.

Mehr Talent für mehr Tiefe

„Das ist das Wichtigste für uns: dass wir weiterhin die Tiefe an Talent entwickeln, das in der Nationalmannschaft mündet“, hatte Lisa Thomaidis im basketball.de-Interview vor EM-Beginn gesagt, „dass unser Team immer noch von Talent strotzt, selbst wenn die WNBA-Spielerinnen fehlen.“ Und genau hier hat die Frauen-Nationalmannschaft auch den nächsten Schritt gemacht. Mit den Sabally-Schwestern und Marie Gülich fehlte Qualität und Erfahrung im Frontcourt, die frei gewordenen Minuten nutzten die Starterinnen Emily Bessoir, Frieda Bühner und Luisa Geiselsöder allesamt aus. Alle drei überzeugten mit ihrem primären Offensiv-Skill: Bessoir als Schützin aus dem Catch-and-Shoot, Bühner auf großer Bühne mit Post-ups und Seals, Geiselsöder als Abrollerin samt Pick-and-Pop. Klar: Das Talent jenes Trios wurde bzw. wird nicht (mehr / lange) in der DBBL entwickelt, sondern im (europäischen Ausland).

Clara Bielefeld könnte die DBB-Frauen in Zukunft noch tiefer und talentierter machen.

Unter anderem mit der 17-jährigen Clara Bielefeld (welche in die NCAA wechselt) oder der 21-jährigen Hilke Feldrappe (welche schon ans College gewechselt ist) schnupperten zwei Talente immerhin EM-Luft, welche gut in die aktuelle Auswahl passen: in eine Mannschaft, die vor Länge strotzt, der dabei aber nicht die Skills abgehen und die Facetten eines positionslosen Basketballs zeigt.

„Auch wenn wir extrem viel Größe haben, sind einige dieser großen Spielerinnen nicht traditionelle Post-Spielerinnen“, hatte Thomaidis im basketball.de-Interview die „einmalige Eigenschaft dieses Teams“ skizziert. „Wenn alle Spielerinnen verfügbar sind, können wir eine einzigartige Lineup aufbieten, mit der kaum ein Team der Welt mitgehen kann.“ Und wenn die DBB-Frauen den nächsten Schritt nach dem nächsten Schritt machen, mündet dieser dann auch wirklich in eine Medaille.