Satou Sabally: Mehr als ein Athlet

„Mittlerweile bin ich mit LeBron James in Kontakt.“ Satou Sabally hat im Zuge des WNBA Drafts für viel Aufsehen gesorgt – und auch die Aufmerksamkeit der größten Basketballpersönlichkeit der Welt gewonnen. Die 21-Jährige hat das nicht nur sportlich nach einer starken College-Saison bei Oregon vollbracht – Sabally hegt den Anspruch, mehr als nur eine Sportlerin zu sein.

Satou Sabally mag im deutschen Basketball schon jetzt Historisches gelungen sein. Zweiter Draft-Pick? Nie wurde ein/e Basketballer/in aus Deutschland in einem WNBA- oder NBA-Draft höher gezogen! Doch die 21-Jährige scheint über so etwas hinwegsehen zu können, denn Sabally will mehr sein – „mehr als ein Athlet“.

So steht es auf ihrem Hoodie, den Sabally am Draft-Abend eine Stunde vor Beginn der Talentziehung während einer Instagram-Live-Übertragung von Uninterrupted stolz trägt.

Dass sich Sportler in diesen quarantäneähnlichen Zuständen derart auf Social Media präsentieren, mag nicht weiter der Rede wert sein. Doch bei Uninterrupted handelt es sich um die Plattform, die LeBron James – zusammen mit seinem Freund und Geschäftspartner Maverick Carter – ins Leben gerufen hat. Dass nun Sabally auf diesem Kanal spricht, illustre Gäste wie unter anderem Dirk Nowitzki einlädt und dabei einen Hoodie mit dem mittlerweile berühmten Slogan „More than an athlete“ – nun eben in einer deutschen Übersetzung – überstreifen darf, ist eine Ehre, die deutschen Basketballern in einem solchen jungen Alter noch nicht zuteil geworden ist.

„Shut up and dribble“? In der jüngeren Vergangenheit sind Sportler immer öfter aus der Rolle des bloß unterhaltenden Athleten zum sich politisch, gesellschaftlich und soziokulturell äußernden Akteur herausgetreten. So auch LeBron James, der nach der Aufforderung einer Fernsehmoderatorin von Fox News, „die Klappe zu halten und bloß zu dribbeln“, nur entschlossener den Weg beschreitet, „more than an athlete“ zu sein – was Sabally natürlich beobachtet und bestärkt hat.

„Ich bin mittlerweile mit LeBron in Kontakt getreten“

In die Rolle einer Athletin kann Sabally derzeit gar nicht schlüpfen – in dem Sinne, zusammen mit ihren (zukünftigen) Mitspielerinnen der Dallas Wings zu trainieren und sich auf den Wettkampf der WNBA vorzubereiten. Gerade diese Zeit möchte Sabally nun nutzen, um sich zu gesellschaftlichen Themen zu positionieren, wie sie bei einer Telekonferenz mit deutschen Medienvertretern gegenüber basketball.de bekräftigt:

„Ich bin mittlerweile mit [LeBron James] in Kontakt getreten. Wir haben uns darüber unterhalten, was ich machen kann, um meine Plattform zu nutzen“, erzählt Sabally. In dem Zusammenhang schätzt die 21-Jährige an der WNBA, ihren „Athleten den Freiraum zu geben, das zu tun und das zu sagen, was sie möchten – auch zu sozialkritischen Themen.“

So verwundert es nicht, dass Sabally bei Vorbildern neben LeBron James auch Colin Kaepernick oder Serena Williams sowie Maya Moore nennt, welche ihre Profikarriere in der WNBA ausgesetzt hatte, um sich für ihren ungerechtfertigt eingesperrten Cousin einzusetzen. „Mir bleiben Sportler im Gedächtnis, die mehr sind als ein Athlet“, offenbart Sabally – ein Anspruch, den sie auch an sich selbst zu stellen scheint.

So erklärt Sabally in einem Interview bei The Undefeated, dass LeBron James’ Kampagne die „perfekte Beschreibung“ von ihr gewesen sei: „Ich wollte nie nur als Athlet wahrgenommen werden“. Im A Glass Box-Podcast – von einer Studentin Saballys Alma Mater, der Oregon University – spricht Sabally im Zuge des „Black History Month“ über ihre Erfahrungen, schwarz zu sein. Auch im Gespräch mit The Undefeated schildert Sabally, welche Form von Rassismus sie in Deutschland im jungen Alter erfahren musste: „Rassismus hat mehr unterbewusst stattgefunden, nicht direkt gegen mich: Sie haben Kommentare von sich gegeben, mein Haar angefasst – solche Dinge. Meine kleinen Brüder konnten nicht in einen Supermarkt gehen, ohne dass sie auf Schritt und Tritt verfolgt wurden.“

Bei der angesprochenen Instagram-Live-Runde mag im deutschen Basketballkosmos die lockere Gesprächsrunde mit Dirk Nowitzki herausstechen; sympathisch war es allemal, wie die beiden ab und an ins Deutsche abgerutscht sind. Doch für Saballys Bewusstsein als Mensch, weit mehr als bloße Sportlerin, mag das Gespräch mit Ibtihaj Muhammad noch mehr von Belang sein – einer Säbelfechterin, die als erste Muslimin aus den USA eine Medaille bei den Olympischen Spielen gewann und dabei einen Hijab trug.

Schaut man Sabally bei jener Instagram-Live-Runde zu, welche später auch den Draft selbst ausstrahlt, sieht man eine junge Frau, die ihre Herkunft feiert. Ihr „Mehr als ein Athlet“-Hoodie ist von der afrikanisch-inspirierten Modedesign-Firma KUTULA konzipiert. Sabally schreibt, „ein Kind der USA, Gambia und Deutschland“ zu sein. Ihr sei es demnach wichtig, „diese Ursprünge an meinem größten Tag zu feiern“. Sabally tut dies zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Nyara und ihrem jüngeren Bruder Lamin.

Der Unsinn von Nowitzki-Vergleichen

Erscheint in diesen Tagen jemand Neues auf der Basketball-Oberfläche des Mainstreams, werden häufig Vergleiche herangezogen. Es ist eine deutsche Eigenart, dass sich viele Basketballer mit Dirk Nowitzki messen lassen müssen. Ein Vergleich, dem sportlich niemand gerecht werden kann.

Wenn man Satou Sabally in einem Atemzug mit anderen Basketballern nennt, warum nicht in dem ihrer Geschwister Nyara und Lamin?

Nyara Sabally holte 2018 mit der deutschen U18-Nationalmannschaft den Titel bei der Europameisterschaft – die erste Goldmedaille einer DBB-Nachwuchsmannschaft überhaupt – und avancierte dabei zur Turnier-MVP! Mit ihrer Schwester konnte Nyara in den letzten beiden Jahren in Oregon jedoch nie zusammen auflaufen; zweimal hat sich die 20-Jährige das Kreuzband gerissen – worüber Nyara in einem hörenswerten „Hoop Diaries“-Beitrag spricht.

Lamin Sabally wurde im vergangenen Jahr zum renommierten Basketball Without Boarders Europe Camp eingeladen und ist zur vergangenen Saison an eine Prep School in Arizona gewechselt, um sich für seine College-Zeit vorzubereiten. Deshalb: Watch out for the Saballys!

Zudem: Nowitzki-Vergleiche sollten eigentlich nur dann zulässig sein, wenn man das gleiche Alter oder den gleichen Karrierepunkt der Protagonisten heranzieht. Ein „weiblicher Dirk Nowitzki“? „Auf Nowitzkis Spuren“? Auf welchem Weg befand sich Dirk Nowitzki eigentlich nach seinem Draft und vor seinem Ligadebüt in der NBA? Wurde ihm – zum Draft-Zeitpunkt – das Potential eines „Generationentalents“ bescheinigt? Und war er in so jungem Alter derart „outspoken“ wie Sabally?

Natürlich kann man keinen Sportler verpflichten, sich öffentlich über nicht-sportliche Themen zu äußern. Und selbstverständlich sollte man einen Sportler zuvorderst auch hinsichtlich seiner sportlichen Leistung beurteilen. Doch bei etwaigen Vergleichen tut man beiden unrecht.  

Sabally geht mit derartigen Vergleichen gleichwohl sympathisch um: Wurde sie zuletzt auf Dallas angesprochen, nannte sie auch Maxi Kleber und andere deutsche Profis, die bereits in der texanischen Metropole aufgelaufen sind. Nowitzki ist nicht der einzige Vergleichspunkt für Sabally – auch mit Kevin Durant wird sie in Verbindung gebracht und auf Grund ihrer Vielseitigkeit in die Riege der „Einhörner“ gestellt.

Auf die Frage von basketball.de, wie wohl sie sich mit der Beschreibung eines „female KD“ fühle, antwortet Sabally: „Sehr wohl. Er kann werfen und von überall scoren – so sehe ich mich auch. Es ist gerade für junge Basketballer wichtig, nicht nur eine Position zu spielen.“ Doch Sabally fordert hinsichtlich der eigenen Bedeutung auch ganz richtig ein: „Eine ,female KD’ zu sein, ist super – solange mein eigener Name noch mit einbezogen wird.“

Sabally macht den Eindruck einer sowohl bodenständigen (wenn die WNBA-Saisonstart noch länger dauert, steht mal eben ein Studium der Rechtswissenschaften an) als auch selbstbewussten Frau, die um ihr Potential weiß. Schade, dass die Aufmerksamkeit – die ihr und auch ihren deutschen Mit-Draftess Lisa Geiselsöder und Leonie Fiebeich gerade zuteil wird – wohl nicht bis zu ihrem WNBA-Debüt andauern wird. Normalerweise liegt zwischen Draft und Saisonauftakt in der WNBA weit weniger Zeit als in der NBA.

Sabally will diese ungewisse Zeit nutzen. Auch wenn das sportliche Leben gerade still steht, Sabally wird das weniger tun – wie es eben ist, wenn man „mehr als ein Athlet“ sein möchte.