McKinnie: Von Luxemburgs zweiter Liga in die NBA Finals

Vor drei Jahren spielte er noch in der zweiten Liga Luxemburgs, nun steht Alfonzo McKinnie mit den Golden State Warriors in den NBA Finals. Im Exklusivinterview spricht der 26-Jährige über seine besondere Geschichte und verrät, warum sich ein deutsches ProA-Team ein bisschen ärgern sollte.

basketball.de: Alfonzo, musst du dich manchmal selbst kneifen, um zu realisieren, wie verrückt dein Karriereweg gewesen ist?

Alfonzo McKinnie: Kneifen brauche ich mich nicht – stattdessen gehe ich auf YouTube. (lacht)

Wie meinst du das?

Auf YouTube gibt es Clips, in denen meine besten Szenen während der Saison 2015/16 in Luxemberg zu sehen sind. Die schaue ich mir regelmäßig an, um mir klar zu machen, wo ich herkomme und wie ungewöhnlich mein Weg verlaufen ist.

Dieser Weg, der dich innerhalb kürzester Zeit bis in die NBA Finals geführt hat …

Das ist unglaublich, wirklich kaum in Worte zu fassen. Es ist gerade mal drei, vier Jahre her, dass ich von einer Profikarriere in den USA weit entfernt gewesen bin. Und jetzt bin ich Teil der NBA Finals – der größten Bühne, die man im Basketball erreichen kann. Dafür bin ich so sehr dankbar. Und deshalb lese ich jetzt auch alle möglichen Artikel, die während der Finals über mich erscheinen.

„Ich schaue regelmäßig, was über mich geschrieben wird“

Bleibt dazu momentan überhaupt die Zeit?

Die versuche ich mir zu nehmen. Da bin ich ein bisschen anders als viele meiner Mitspieler, die sich in den Playoffs ein Stück weit abschotten. Sie lesen dann so wenig wie möglich, um sich komplett auf den Sport zu konzentrieren. Mir dagegen ist es wichtig, mir meine eigene Geschichte immer wieder bewusst zu machen. Daher schaue ich regelmäßig, was über mich geschrieben wird.

Und bist du zufrieden mit den Artikeln?

Na klar. (lacht) Mich freut es sehr, dass meine Geschichte aufgegriffen wird und manch anderen jungen Basketballern vielleicht als Motivation hilft. Schließlich war es für mich alles andere als leicht, als ich 2015 nach Europa kam …

Kannst du das konkretisieren?

Nach meinem College-Abschluss waren die East Side Pirates in Luxemberg meine erste Station als Profi-Basketballer. Gleichzeitig war es die erste Station fernab der Heimat. Ich musste lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und meinen Alltag zu organisieren.

Wie sah dein Alltag aus?

Ich habe nicht in Luxemburg gewohnt, sondern wurde von meinem Club in Deutschland untergebracht – und zwar in Trier. Ich komme selbst aus Chicago und bin das Großstadt-Leben gewohnt. In Trier sah das natürlich etwas anders aus.

Chicago hat drei Millionen Einwohner, Trier nur etwas mehr als 100.000 …

Ein kleiner Unterschied. (lacht) In meiner Nachbarschaft lebten viele ältere Menschen, die fast gar kein Englisch konnten. Und ich konnte kein Deutsch. Deshalb bin ich anfangs oft in meinem Zimmer geblieben. Um mich dann ein bisschen heimisch zu fühlen, bin ich regelmäßig zum einzigen Shopping-Center in Trier gefahren. Für kleinere Erledigungen war ich in einem Laden um die Ecke. Aber ich muss gestehen – dort waren meine Einkäufe immer eher Glückssache. Weil ich nichts verstanden habe, konnte ich bloß nach Aussehen einkaufen. (lacht)

Also ist ab und zu etwas Falsches im Einkaufswagen gelandet?

Sicherlich. Damals war das für mich nicht so einfach, doch jetzt kann ich darüber schmunzeln und blicke gerne zurück. Denn diese Zeit hat mich enorm geprägt und als Mensch weitergebracht. Und beinahe wäre ich sogar noch länger in Deutschland geblieben.

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Workout bei einem ProA-Team: „Mir wurde kein Vertrag angeboten“

Weshalb?

Dazu muss ich ein wenig ausholen. In Luxemburg waren die meisten meiner Mitspieler Studenten oder hatten normale Jobs, weshalb nicht so häufig trainiert werden konnte. Dann natürlich auch nur am Nachmittag. Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit, an jedem Vormittag beim ProA-Team in Trier mittrainieren zu dürfen. Dadurch, und natürlich auch aufgrund meiner Leistungen in Luxemburg [McKinnie erzielte 26 Punkte im Schnitt, Anm. d. Red.],  ist der eine oder andere in Deutschland auf mich aufmerksam geworden. So kam es dann, dass ich im Sommer 2016 bei einem weiteren ProA-Team ein Workout besuchen konnte.

Aber?

Ich wurde nicht ausgewählt, habe keinen Vertrag angeboten bekommen.

Welches Team war das?

Ich weiß den Namen leider nicht mehr … Aber wenn die Verantwortlichen des Clubs heute sehen, wo ich inzwischen spiele, denken sie vielleicht auch: „Hey, den hätten wir doch mal verpflichten sollten.“ Ich wäre gerne in Deutschland geblieben. Aber wahrscheinlich hat es einfach so sein sollen.

Wie ging es dann weiter für dich?

Kurzzeitig habe ich in Mexiko gespielt, bevor ich im Herbst 2016 einen Vertrag in der G-League unterzeichnen konnte. Das war dann endgültig mein Sprungbrett und die Möglichkeit, hier in den Staaten mein Talent unter Beweis zu stellen.

2017/18 hast du schließlich deine NBA-Premiere für die Toronto Raptors gefeiert, ehe du im Sommer 2018 zu den Warriors gekommen bist …

Ich hatte anfangs keine großen Erwartungen und wusste, dass die Konkurrenz beim amtierenden Meister riesengroß ist. Aber im Laufe der Saison hatte unser Team immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen – so auch jetzt in den Finals. Das ist meine Chance. Im Schnitt etwa eine Viertelstunde pro Partie auf dem Feld zu stehen, ist für mich eine großartige Sache.

Weißt du Näheres, ob auch die Basketball-Community in Luxemburg mit dir mitfiebert?

Oh ja! Ich habe immer noch Kontakt zu einigen Mitspielern. Im Laufe dieser Saison sind sie sogar in die Staaten gekommen, um mich hier zu besuchen – das war großartig! Bei nächster Gelegenheit habe ich in jedem Fall vor, mal wieder in Luxemburg vorbeizuschauen.