Joe Voigtmann: „Veränderungen haben mir immer sehr gut getan“

Johannes Voigtmann bereitet sich aktuell mit dem DBB-Team auf die WM in China vor. Im Exklusivinterview spricht der Big Man über die vergangene Saison, die Offseason und die stärksten WM-Gegner.

Johannes Voigtmann hat eine ereignisreiche Offseason hinter sich: erst das Workout bei den Washington Wizards, schließlich die Vertragsunterschrift bei EuroLeague-Champion CSKA Moskau. Darüber und über den Nationalmannschaftssommer haben wir mit dem 26-jährigen Big Man exklusiv gesprochen.

„Ich hatte das Gefühl, die erste Option zu sein“

basketball.de: Du hast vor ein paar Wochen bei CSKA Moskau unterschrieben. Wie ist dein erster Eindruck von der Stadt und vom Verein?

Johannes Voigtmann: Ich bin bislang nur zwei Tage in Moskau gewesen, von daher habe ich noch nicht so viel gesehen. Aber es ist eine riesige Stadt. Im Sommer ist es sehr angenehm. Im Winter werden wir sehen, wie es ist.

Es ist alles sehr professionell bei CSKA. Der Klub hat viel Historie. Ich freue mich darauf.

Lass uns noch mal kurz über die letzte Saison sprechen. Es schien, als könnte man deine Saison in zwei Abschnitte unterteilen mit einem schwierigen Start und einer sehr starken zweiten Saisonhälfte.

Ja, auf jeden Fall. Das lässt sich ja sehr klar ablesen. Durch die Verletzung von „Toko“ [Tornike Shengelia], der von Ende letzten Jahres bis April ausgefallen ist, hatte ich viel mehr Spielanteile. Dadurch sind meine Leistungen auch besser geworden, und ich hatte viel mehr Einfluss. Das war ganz klar zu sehen.

Ich hatte den Eindruck, dass du noch mehr als in der Vorsaison auf der Vier gespielt hast, zumindest hast du fast immer mit einem anderen Großen auf dem Parkett gestanden. Du hast daher noch mehr von draußen agiert und geworfen. Warst du zufrieden mit der Art und Weise, wie du in der Offense eingesetzt wurdest?

Ich habe den Ball ja gerne in der Hand, auch um zu passen und um von draußen zu spielen. Und das kommt halt manchmal ein bisschen zu kurz, gerade wenn ich – wie zu Saisonbeginn der Fall – nicht eine der ersten Optionen im Angriff bin. Aber als ich dann viel und gut gespielt habe, hatte ich das Gefühl, dass ich die Nummer-eins-Option im Angriff war. Ich bekam viel mehr Würfe und war viel mehr involviert. Als ich am Anfang nicht so viel gespielt habe, habe ich oft auch nur in der Ecke gestanden – das ist nicht so mein Spiel, aber das hat sich dann auch ein bisschen geändert.

2017/18 hast du sehr gute Quoten von draußen geworfen, vergangene Saison war deine Dreierquote eher durchwachsen. Ist das etwas, worüber du nachdenkst, oder ist das normal?

Nein, das bereitet mir überhaupt keine Sorgen. Bei der Menge an Schüssen, die ich nehme, ist das eine ganz normale Abweichung. Ich habe in der Saison davor vielleicht ein bisschen über meinem Schnitt getroffen, und diese Saison ein bisschen darunter. Darüber mache ich mir aber keine Gedanken. Ich habe während des Sommers wieder viel an meinem Wurf gearbeitet, und ich glaube nicht, dass man sich da Sorgen machen muss.

„Siegermentalität bedeutet auch mehr Druck“

Bei der anstehenden WM gibt es die besondere Konstellation, dass du auf deinen – nun ehemaligen – Vereinskollegen Vincent Poirier treffen könntest. Vor zwei Jahren war das auch der Fall mit Tornike Shengelia, der vor dem Spiel uns gegenüber scherzhaft angekündigt hat, gegen dich zu dunken…

… das hat er auch geschafft… (schmunzelt)

Allerdings. Gibt es zwischen dir und Vincent nun auch ein bisschen Trash Talk oder Kampfansagen?

Also, wir haben die ganze Zeit, seit die Auslosung raus ist, ein bisschen Spaß gemacht. Ich werde auf jeden Fall alles dafür tun, dass er nicht über mich drüber dunkt. (lacht) Aber mal schauen. Wir haben uns immer so ein bisschen geneckt, aber in der letzten Zeit nichts Großes.

Er ist ja nun in die NBA gewechselt. Auch du bist in die USA geflogen für ein Workout bei den Washington Wizards. Wie nah warst du an einer Unterschrift dort? Hattest du da schon das Angebot aus Moskau oder kam das erst danach?

Es war so, dass ich direkt nach Saisonende [Anfang Juni] nach Washington geflogen bin. Das Angebot aus Moskau kam dann später.

Die Verantwortlichen bei CSKA wussten natürlich auch, dass man ab dem 1. Juli in der NBA offiziell verhandeln darf. Daher wollten sie schon recht schnell eine Entscheidung von mir haben, ob ich zu ihnen komme oder in die NBA gehe. Letztendlich habe ich mich dann vor dem 1.7. für ersteren Weg entschieden, und danach war das Thema mit der NBA auch durch.

CSKA hat auf dem eigenen Youtube-Kanal ein Vorstellungsvideo von dir veröffentlicht, wo du sagst, dass dich die Siegermentalität des Klubs beeindruckt. Mit Baskonia warst du in den letzten Jahren in allen Wettbewerben immer nah dran, aber es hat nicht zum großen Wurf gereicht. Verspürst du so eine Art Sehnsucht, mal wieder einen Titel zu gewinnen?

Ich glaube, dass in Moskau die besten Bedingungen geschaffen werden, ein Team aufzubauen, das Titel gewinnen kann. Und die Siegermentalität bedeutet natürlich auch ein bisschen mehr Druck. Dort wird halt erwartet, russischer Meister zu werden und das Final Four [der EuroLeague] zu erreichen. Und das ist auch eine spannende Sache. Aber ich bin nicht nur dorthin gewechselt nach dem Motto: „Ich brauche einen Titel, ich muss jetzt zu dem Verein wechseln“. Ich will natürlich meinen Teil dazu beitragen, dass wir eine erfolgreiche Mannschaft haben und eine erfolgreiche Saison spielen.

Es war mir auch wichtig, mal wieder eine Veränderung zu haben. Man hat in der Vergangenheit gesehen, dass es mir immer sehr gut getan hat, wenn ich irgendwelche Veränderungen in meinem Umfeld oder in meinem Spiel vorgenommen habe. Ich hoffe natürlich, dass das jetzt ebenfalls so sein wird.

„Die USA sind in diesem Jahr nicht unschlagbar“

Jetzt wollt ihr bei der WM ebenfalls möglichst weit kommen. Der Nationalmannschaftskader ist der beste seit langer Zeit, aber auch die Konkurrenz ist sehr stark. Schaust du da auch drauf? Wen schätzt du stark ein?

Natürlich schaust du ein bisschen auf die anderen Teams. Also es wäre jetzt gelogen, wenn du sagst, dass du das nicht machst. Wenn man die erste und zweite Runde zusammennimmt, haben wir schon sehr starke Gegner. Die beste Mannschaft werden natürlich die USA sein. Da können noch zehn Mann absagen, dann sind die wahrscheinlich immer noch der Top-Favorit. Aber sie werden ein sehr junges Team haben. Deswegen glaube ich nicht, dass sie unschlagbar sind, aber natürlich trotzdem der Top-Favorit. Die Spanier werden ebenfalls stark sein, ebenso Australien. Die sind alle ganz gut.

Es ist aber nicht so, dass wir jetzt die WM durchrechnen. Wer in der zweiten Gruppenphase auf uns zukommen kann, das ist ja klar. Das werden denke ich zwei aus Kanada, Litauen und Australien sein. So weit rechnen wir dann schon voraus, aber weiter nicht.

Im Gegensatz zu anderen Teams geht ihr quasi in Bestbesetzung an den Start, obwohl auch ihr alle eine lange Vereinssaison hinter euch habt. Was sind die Gründe dafür, dass ihr so gerne für die Nationalmannschaft spielt?

Wir verstehen uns alle gut. Es ist einfach eine gute Atmosphäre. Und für die Nationalmannschaft zu spielen, ist generell etwas Besonderes. Ich glaube, niemand nimmt das hier leichtfertig. Natürlich macht es auch Spaß. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es noch etwas anderes. Also insgesamt ist es die Ehre, für die Nationalmannschaft zu spielen, gepaart mit dem Spaß.

Du hast Chris Fleming knapp vier Jahre lang als Bundestrainer erlebt und nun Henrik Rödl auch schon eine Zeit lang, erst als Assistent und nun als Head Coach. Gibt es Unterschiede zwischen den beiden, was Kommunikation und Taktik betrifft?

Bei der Ansprache gibt es nicht wirklich einen Unterschied. Beide sind sehr besonnene, sehr ruhige Trainer, die auch immer für einen Spaß zu haben sind. Sie brauchen beide nicht ihre Stimme erheben, damit die Leute Respekt vor ihnen haben.

Was die Taktik betrifft, sind sie sehr ausgefeilt mit dem ganzen Trainerteam zusammen. Es macht einfach Spaß, unter ihnen zu spielen.