Einbeinig, einmalig: Thomas Klepeisz und Jovan Novak über ihre besonderen Dreier

Thomas Klepeisz und Jovan Novak haben James Harden etwas voraus: den einbeinigen Dreier schon lange im Repertoire zu haben. Die beiden BBL-Guards sprechen über den Ursprung ihres Wurfs, was ihre Trainer davon halten und wann sie den einbeinigen Dreier einsetzen.

Jeder, der den deutschen oder europäischen Basketball verfolgt, wird zuletzt mit Skepsis auf James Harden geblickt haben. Nicht wegen seiner vielen Dribblings, nicht wegen der forcierten Eins-gegen-Eins-Aktionen, vielmehr auf den Hype während der vergangenen Offseason. An einem neuen Move solle der Franchise-Spieler der Houston Rockets über den Sommer gearbeitet haben, war zu vernehmen. In Videos von Trainingsspielen war schließlich ein einbeiniger Dreier zu erkennen – seitwärts gesprungen, noch nicht wirklich sicher in das Offensivarsenal aufgenommen. Habe Harden hier einen neuen Wurf erfunden, fragten sich viele NBA-Beobachter.

Nicht wirklich. Dreier von einem Bein sind im europäischen Basketball schon seit geraumer Zeit zu beobachten – wie auch Thomas Klepeisz von den Basketball Löwen Braunschweig weiß: „Unglaublich, was für ein Hype um diesen einen Wurf von Harden entstanden ist – als ob er ihn neu erfunden hätte. Es wird damit ein wenig unter den Teppich gekehrt, dass es in Europa viele Spieler gibt, die einen solchen Wurf praktizieren bzw. praktiziert haben: Spieler wie Juan Carlos Navarro, Marcelinho Huertas oder Justin Dentmon, in der BBL einst auch Jared Jordan.“

Und auch Klepeisz selbst. Der Guard ist einer von zwei Spielern in der Basketball-Bundesliga, die einen einbeinigen Dreier seit ihrer Ankunft in der deutschen Beletage immer mal wieder auspacken. Der andere: Jovan Novak vom SYNTAINICS MBC.

„Ich habe 100 normale Dreier geworfen – dann wurde mir langweilig und ich begann, von einem Bein zu werfen“

Im Gespräch mit beiden Guards wird deutlich, wie lange der einbeinige Dreier schon Teil ihres Spiels ist und wie sicher sie sich mit diesem Wurf fühlen: Schon als Jugendspieler haben sowohl Klepeisz als auch Novak Dreier von einem Bein genommen. Ein Wurf, den sie – eine weitere Parallele – selbst entwickelt haben, statt ihn sich von anderen Spielern abgeschaut zu haben.

Novak geht bei der Frage nach dem Ursprung seines Dreiers zu seinem Heimatclub zurück: zu KK Hemofarm im serbischen Vršac, wo Novak 1994 geboren worden ist. „Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, hatte unser Trainer im Training gesagt, wir sollten rund 200 Dreier nehmen“, erinnert sich Novak. „Ich habe 100 normale Dreier geworfen – aber dann wurde es mir zu langweilig, immer die gleichen Würfe zu nehmen. Und dann begann ich, von einem Bein zu werfen: einfach, um etwas Neues auszuprobieren.“

Bei Klepeisz verhielt es sich etwas anders – was auch an der unterschiedlichen Wurfbewegung der beiden Guards liegt: Während Novak seinen einbeinigen Dreier meist per step-back nimmt, in der Bewegung zurück, packt Klepeisz den einbeinigen Dreier in der Vorwärtsbewegung, per Runner aus.

„Für mich war der Running-Shot schon immer ein normaler Wurf. Als ich jung war, haben noch nicht viele einen Floater geworfen – das war noch kein Go-to-Move. Aber ich habe den Runner aus dem Bereich des High-Posts schon mein ganz Leben geworfen“, erklärt der im österreichischen Güssing geborene Klepeisz den ersten Schritt – und schildert, wann er diesen Runner zum ersten Mal bis hinter die Dreierlinie verlagert hat:

„Es war ein U16-Training, es haben einige Bundesligaspieler zugeschaut. Die haben den Wurf gesehen und fanden den krass. Ich habe in etwa vier Angriffen in Folge viermal den Wurf getroffen. Da war dann ein richtiger Hype, es war eine ziemlich coole Atmosphäre in der Halle, alle sind ausgerastet“, erinnert sich Klepeisz strahlend zurück. „Seitdem werfe ich den einbeinigen Dreier richtig gerne.“

So unorthodox, wie man vermuten mag, findet Klepeisz den einbeinigen Dreier gar nicht: „Ich bin komplett ausbalanciert und fühle mich wohl damit; eigentlich ist dieser Wurf einfacher als ein normaler Dreier: Ich bin einen Meter näher am Korb, wenn ich den Ball loslasse, weil ich eben so weit nach vorne springe.“

Womit sich Klepeisz schon damals die Frage stellt, warum kein anderer Spieler diesen Wurf nimmt – bis er im Fernsehen Marcelinho Huertas sieht, damals in Diensten des spanischen Clubs Baskonia Vitoria-Gasteiz. „Danach habe ich mir mehr Spiele von ihm angesehen und auch darauf geachtet und gemerkt: Er verwendet ihn wirklich oft, wenn er unter Bedrängnis ist“, schildert Klepeisz.

Jovan Novak schaute sich früher nicht wirklich viele Basketballspiele an, weswegen er mit Blick auf seinen Dreier keine Vergleiche ausmachen kann. Dennoch wurde er zu seiner Zeit bei der serbischen Talentschmiede Mega Bemax daran erinnert, dass auch Juan Carlos Navarro – wenn auch per Runner – einbeinige Dreier wirft. „Immer, wenn ich den Wurf getroffen hatte, haben sie auf YouTube so etwas gepostet wie: ,Juan Carlos Nav… sorry, Jovan Novak strikes again’“, lacht Novak über den Vergleich mit der spanischen Legende, dessen hoher Floater als „La Bomba“ berühmt geworden ist.

„Die Regel meines Coaches Laci Öri war immer: ,Wenn du triffst, hast du recht’“

Dass sowohl Novak als auch Klepeisz den einbeinigen Dreier als Jugendspieler in ihr Arsenal aufgenommen haben, muss sicherlich auch am Vertrauen ihrer damaligen Coaches gelegen haben. „Mein damaliger Trainer war Laci Öri, ein ungarischer Trainer. Seine Regel war immer: ,Wenn du triffst, hast du recht.’ Er meinte, wenn ich wirklich daran arbeite und übe, könne das mein Wurf werden. Er ist hinter mir gestanden und hat mich unterstützt“, fühlt sich der junge Klepeisz bestätigt.

Vor allem zu Beginn der Karriere eines Spielers keine Selbstverständlichkeit. „Vor allem, wenn du jung bist, wollen viele deinen Wurf korrigieren: damit er lehrbuchmäßig aussieht“, weiß Novak. „Mein damaliger Coach Zare Vucurovic hat mir aber erklärt, dass ich derart werfen kann: Wenn ich treffe, brauche ich keine Angst zu haben. Ich bin wirklich froh, einen Coach gehabt zu haben, der mir ein solches Selbstvertrauen geschenkt hat.“

Nichtsdestotrotz sind viele Coaches, mit denen Klepeisz und Novak über ihren weiteren Karriereverlauf arbeiten, nicht von Beginn an von diesem einbeinigen Dreier überzeugt: „Als sie den Wurf das erste Mal gesehen haben, waren einige Coaches schon skeptisch“, erklärt Klepeisz, der deswegen den einbeinigen Dreier auch dosiert einsetzt. „Aber wenn sie sehen, dass du den hochprozentig triffst, dann erarbeitest du dir das Vertrauen auch. Ich hatte keinen Coach, der mich länger als ein Jahr gekannt und diesen Wurf schlecht geredet hat.“

Novak erinnert sich an eine Anekdote aus seiner Zeit beim polnischen Club Turow Zgorzelec, zu dem er 2015 gewechselt war: „Nach zwei Wochen hat der Coach meinen Agent angerufen und gesagt: ,Irgendetwas läuft bei Novak falsch: Er wirft im Training von einem Bein. Kannst du mit ihm reden und ihm klarmachen, dass das ein ernsthafter Job ist“, blickt Novak lachend auf diesen ersten Eindruck zurück. „Auch der Präsident des Clubs war sich nicht ganz sicher, was die Fans davon halten würden. Dann habe ich in einem der ersten Spiele drei oder vier Würfe von einem Bein getroffen – und alles war gut.“

Hinsichtlich des Feedbacks von Mitspielern führt Klepeisz ein Beispiel aus der vergangenen Saison an, als er mit Braunschweig Ende Oktober in Bayreuth gastierte und einen einbeinigen Dreier traf: „Shaquille Hines, der später zu uns gestoßen ist, hat mir später erzählt, was er darüber gedacht hat: ,Ach du scheiße, was spielen wir für eine Offense, was nehmen wir für Würfe?!’ Dann fällt der Wurf, und er so: ,Good job, good job’“, amüsiert sich Kleipeisz noch heute vom damaligen, verwunderten Teamkollegen Hines.

„Wenn wir Ball-Screen-Situationen im Individualtraining nachstellen, werfe ich zwischendurch immer einbeinige Runner“

Es dauerte, ehe der Österreicher den einbeinigen Dreier im Löwen-Trikot das erste Mal in einem Spiel ausgepackt hatte – den Fans stellte er sich damit aber schon früher vor: „In meinem ersten Jahr war ich verletzt und hatte einen Bänderriss im rechten Fuß. Wir hatten den ,Löwen-Tag’ in Braunschweig mit einem Eröffnungsspiel, Fan-Talks – und einem Spaß-Dreier-Contest. Ich konnte nicht springen, meinte aber, dass ich mitmache, wenn ich fünf Sekunden mehr bekomme – und ich von einem Bein werfe. Dann habe ich den Dreier-Contest gewonnen.“

Auch wenn Klepeisz den einbeinigen Dreier schon seit Jugendtagen in sein Repertoire aufgenommen hat, arbeitet er täglich am Wurf. „Ich streue ihn eigentlich immer wieder zwischendurch ein: Wenn wir Ball-Screen-Situationen im Individualtraining nachstellen und Pullups nehmen, dann werfe ich zwischendurch immer solche einbeinigen Runner – weil es eben eine Spielsituation simuliert“, beschreibt Klepeisz sein Training. „Jetzt ist es auch leichter, weil wir in diesem Jahr eine Rebound-Maschine haben: Dr. Dish. Mit der kannst du schnell mal 20, 30, 40 Dinger draufwerfen.“

Dass Mitspieler um Ratschläge gebeten hätten, sei bei beiden noch nicht vorgekommen. Aber „DeAndre Lansdowne hat einmal in zwei, drei Monaten den Wurf genommen, um ein Gefühl zu bekommen, ob das Sinn macht“, schildert Klepeisz zu seinem letztjährigen Teamkollegen. Und dieses Jahr? „Kostja Mushidi hat ein ganz gutes Gefühl und einen richtigen guten Wurf von einem Bein. Mit ihm habe ich schon ein paar mal geworfen und gesehen, dass er ihn hochprozentig trifft. Aber es dauert natürlich, ihn vom Training ins Spiel zu übertragen. Aber er könnte ihn auch in sein Repertoire aufnehmen.“

Bei Klepeisz hat es in dieser Saison bis zum sechsten Spieltag gedauert, ehe der 28-Jährige im Duell mit den JobStairs GIESSEN 46ers das erste Mal wieder einen Dreier von einem Bein genommen hat – gleich zweimal, einen seiner beiden Versuche traf er. „Ich spiele derzeit mehr off-ball, das ist vom Trainer auch so gewünscht“, erklärt Klepeisz seine Rolle neben Ballhandlern wie Trevor Releford und Lukas Wank. „Damit komme ich seltener in Pick-and-Roll-Situationen.“ Denn genau auf diese Weise packt Klepeisz den einbeinigen Dreier aus. Da er diesen Wurf mit Anlauf nimmt, kann er ihn beispielsweise nicht aus der Ecke nehmen.

In welchen Situationen tut er es sonst? „Ich verwende ihn meistens aus dem Pick-and-Roll, wenn der große Verteidiger absinkt und mein Verteidiger an meiner Seite oder hinter meinem Rücken ist“, erklärt der Braunschweiger. Früher habe er den einbeinigen Dreier auch ein paar Mal im Fastbreak geworfen, das komme aber selten vor. Vielmehr „werfe ich diesen Wurf auch mal beidbeinig: also im Nach-Vorne-Fallen. Das ist sozusagen eine Vorstufe zum einbeinigen Dreier.“

„Ich werfe den einbeinigen step-back-Dreier vor allem bei einem Mismatch gegen einen Big Man“

Während Klepeisz in dieser Saison zweimal einen einbeinigen Dreier genommen hat, versuchte Novak sage und schreibe 17 Mal diesen Wurf – mehr als „normale“, beidbeinige Dreier (13 Mal)! Interessant ist, dass der MBC-Guard den einbeinigen Dreier bislang hochprozentiger (41,2% 3FG) trifft als beidbeinige (30,8% 3FG).

Novak schildert seinen Anwendungsbereich wie folgt: „Vor allem, wenn es sich um ein Mismatch handelt und ein Big Man mich verteidigt, werfe ich den einbeinigen step-back-Dreier. Weil die Big Men größer sind, muss ich mir mehr Platz verschaffen.“

Novak, der sein zweites Jahr beim MBC und in der BBL absolviert, hat derweil beobachtet, dass die Gegner seinen Signaturve-Move verinnerlicht haben: „Mittlerweile weiß jeder, dass ich diesen Wurf nehme, weswegen ich mehr Fakes einbauen muss. Gegen Braunschweig hatte ich beispielsweise ein Mismatch gegen Aleksandar Marelja. Wir kennen uns gut und sind befreundet, wir haben ein Jahr beim MBC und bei Mega Bemax zusammengespielt. Er dachte auf jeden Fall, dass ich den einbeinigen Dreier nehmen würde – stattdessen bin ich gezogen. Ich muss nun geduldiger und smarter sein, wann ich diesen Wurf anbringe.“

Während sowohl Novak als auch Klepeisz den einbeinigen Dreier aus dem Pick-and-Roll werfen, ist Novak in dieser Saison sogar dabei zu beobachten, ihn aus dem Catch-and-Shoot abzudrücken – womit Novak den einbeinigen Dreier auch aus der Ecke anbringen kann.

„Die Moves, die du verwendet hast, um gegen deinen älteren Bruder zu scoren, werden dir auch in der NBA oder BBL am besten liegen“

Einbeinig, einmalig: Jovan Novak und Thomas Klepeisz sorgen mit ihren einbeinigen Dreiern – sei es per step-back oder als Runner – für die interessantesten und aufregendsten Moves der gesamten BBL. Dafür muss man gar nicht in die NBA zu einem James Harden blicken.

Dennoch könnte ein Spieler von Hardens Berühmtheit natürlich dafür sorgen, dass solche einbeinigen Dreier mehr Nachahmer finden – zumal der Pullup-Dreier im postmodernen Basketball an Bedeutung gewinnt. „Wenn ein so krasser Hype entsteht, kann ich mir schon vorstellen, dass viele den Wurf üben und Kinder einem James Harden nacheifern“, überlegt Klepeisz – führt aber aus: „Es macht aber keinen Sinn, sich diesen Wurf unbedingt reinzuzwängen. Ich glaube, dass beispielsweise ein Spieler wie Steph Curry nicht Stunden investieren wird, um sich diesen Wurf anzueignen, weil er von seinem zweibeinigen Pullup-Wurf schon so viel profitiert. Im Englischen sagt man: ,If it doesn’t come natural …’“

Dem stimmt Novak zu: „Ich weiß nicht, wieviele Spieler wirklich an diesen Wurf glauben und wirklich an ihn festhalten würden.“ Klepeisz führt aus: „Moves, die dir von deinem Spielgefühl irgendwie zugekommen sind oder die am Playground entstanden sind, das sind die besten. Die Moves, die du am Playground verwendet hast, um gegen deinen älteren Bruder, deine Geschwister oder deine Freunde zu scoren, die werden dir auch in der NBA oder in der BBL am besten liegen.“

Was Nachahmer betrifft, hat Novak einem Harden derweil auch etwas voraus: „Einer meiner besten Freunde trainiert Kinder in meiner Heimatstadt. Er hat mich mal angerufen und mir gesagt: ,Einige Kinder haben begonnen, von einem Bein zu werfen – wegen dir.’“ Einbeinig, einmalig, ein großer Einfluss.


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