Wie sich Schiedsrichter auf die Saison vorbereiten
Nicht nur Teams, auch Schiedsrichter müssen sich auf eine neue Saison vorbereiten. Der Preseason-Lehrgang der easyCredit BBL umfasste unter anderem das Feedback von Clubs, die Schulung beim Instant Replay, die Analyse von Videosequenzen und das Saisonbriefing.
Nicht nur die Teams müssen sich auf die neue Saison vorbereiten, auch die Unparteiischen. Am Wochenende des 31. August / 1. September war es wieder soweit: Die Schiedsrichter der easyCredit BBL und diejenigen, die auf Ansetzungen in der kommenden Saison hoffen dürfen (sog. Perspektivkader-Schiedsrichter), trafen sich zum Preseason-Lehrgang. Aber auch die Kommissare und Schiedsrichter-Coaches folgten der Einladung nach Göttingen.
basketball.de hat die Schiedsrichter über das Wochenende begleitet und gewährt Einblicke in die Inhalte des Vorbereitungslehrgangs der Schiedsrichter. Vorbereitet und durchgeführt wurde dieser Lehrgang vom Führungskreis der BBL, bestehend aus Dr. Winfried Gintschel, Franz-Josef Rytlewski, Boris Schmidt, Uli Sledz und Jens Staudenmayer.
Erster Tag
Der Samstagmorgen begann mit einer Aussprache der Schiedsrichter mit eben jenem Führungskreis, bevor der obligatorische Lauftest anstand. Basketball ist ein schneller Sport. Dies erfordert auch entsprechende körperliche Fitness seitens der Schiedsrichter. Nur wer diese durch Bestehen des Lauftestes nachweist, kann auch in der BBL Ansetzungen erhalten.
In Anschluss an das gemeinsame Mittagessen wurden die Teilnehmer (Schiedsrichter, Kommissare, Coaches) in drei Gruppen aufgeteilt. In diesen Gruppen wurden die Themenfelder „Basketball-Know-How“, „IRS-Technik“ und „IRS im Team“ bearbeitet. Zwischen den Einheiten fanden Präsentationen seitens des Führungskreises der BBL statt.
Basketball-Know-How
Bei der Einheit „Basketball-Know-How“ wurden Verteidigungssysteme der BBL-Clubs analysiert und den Schiedsrichtern mittels Videoclips gezeigt. Nicht nur für Spieler ist es von Vorteil, ein Spiel lesen zu können – auch für Schiedsrichter. Sie sollen den Platz, den ihnen die Spieler geben, nutzen, um die bestmögliche Position einzunehmen. Natürlich sollen die Spieler dabei nicht behindert werden. Eine gute Position bedeutet aber auch eine gute Perspektive auf die Spielsituationen. Schlechte Perspektiven hingegen können zu Fehlentscheidungen führen. Dies gilt es zu vermeiden.
Außerdem gibt es zur Saison 2019/20 eine Änderung bei den Zuständigkeitsbereichen auf dem Feld betreffend Distanzwürfen aus der Ecke bis auf Höhe der Freiwurflinie. Diese wurde den Schiedsrichtern erläutert. Die BBL profitiert dabei von positiven Erfahrungen in der Euroleague.
Saisonrückblick
Nachdem alle drei Gruppen die erste Einheit absolviert hatten, trafen sich alle wieder im Konferenzsaal. Es folgte der Rückblick auf die vergangene Saison, unter anderem in Bezug auf die Bereiche Vor- und Nachbereitung, Teamwork, Gamemanagement, Mechanics und Kriterien. Der Führungskreis der BBL gab den Teilnehmenden eine Rückmeldung darüber, was in der vergangenen Saison gut funktioniert hat und was aus deren Sicht verbesserungswürdig ist.
Währenddessen wurde es auch ein wenig philosophisch. Was hat der Agraringenieur Maximilien Ringelmann mit Teamwork zu tun, fragte Dr. Winfried Gintschel. Ringelmann untersuchte unter anderem die Effizienz von Menschen in Gruppen beim Ziehen von Lasten und stellte fest, dass die Effizienz des Einzelnen mit zunehmender Anzahl an beteiligten Personen abnimmt. Übertragen auf das Schiedsrichtersein bedeutet das, dass der Einzelne im Team dazu neigt, nicht 100 Prozent zu geben. Diese Erkenntnis hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf das Spiel, sondern auch auf die Vor- und Nachbereitung. Auch wenn der Beitrag des Einzelnen nicht genau ermittelbar ist, muss für den Einzelnen klar sein bzw. klar gemacht werden, dass sein Beitrag für den Erfolg des Teams „relevant“ ist.
Die BBL-Clubs haben übrigens die Möglichkeit, während der Saison Fragen und Eingaben zu einzelnen Spielen oder Szenen an das BBL-Schiedsrichter-Referat zu senden. In der vergangenen Saison war dies 32 Mal der Fall. Mehr als die Hälfte der Anfragen konnte innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Die betroffenen Schiedsrichter wurden immer auch über die Antwort in Kenntnis gesetzt.
Den Schiedsrichtern wurde in diesem Block auch mitgeteilt, was die Trainer anlässlich des Head-Coaches-Workshop zurückgemeldet haben und womit sie unzufrieden sind – angefangen vom im Weg stehenden Schiedsrichtern bis hin zur Differenzierung von unsportlichen Fouls in der Transition.
Nach der Saison wurde weiterhin bei den BBL-Clubs abgefragt, wie die Clubs/Trainer die Schiedsrichter in den Kategorien Fachkompetenz, Auftreten, Gamemanagement und Konsistenz bewerten. In allen Bereichen ist eine Verbesserung der Bewertungen im Vergleich zur Vorsaison zu verzeichnen. Natürlich gibt es auch noch Luft nach oben, insbesondere in der Kategorie Konsistenz. Das wissen aber auch die Schiedsrichter, die dies ähnlich einschätzen. Eben dazu dienen auch derartige Veranstaltungen.
Instant Review
Auf die Saisonauswertung folgend widmeten sich Jens Staudenmayer und Anne Panther dem Thema IRS (Instant Replay System) in der Praxis. Dieses Thema war einer der Schwerpunkte des Lehrganges. Immerhin bezeichnete Staudenmayer das IRS als die wichtigste Regeländerung der letzten Jahre (basketball.de berichtete).
Insgesamt ist die BBL zufrieden mit der Nutzung des IRS. Insbesondere in der letzten Saison wurde das IRS sehr häufig für die Verifizierung von Fouls (persönliche Fouls, unsportliche Fouls, disqualifizierende Fouls) genutzt – also für Fälle, in denen ein IRS-Einsatz geboten ist. Anne Panther stellte einige Videoclips vor, in denen IRS genutzt wurde, und forderte ihre Kolleginnen und Kollegen auf zu beschreiben, was passiert. Beschrieben werden sollte aber nicht nur die Spielsituationen, sondern auch der Ablauf der Nutzung des IRS. Dieses Thema wurde in der Einheit „IRS im Team“ intensiviert (später dazu mehr).
IRS-Technik
Am Abend stand dann noch einmal „rollierende Gruppenarbeit“ auf dem Plan. In der Einheit „IRS-Technik“ unter der Leitung von Ravi Sharma (BBL) und Björn Scholvin vom Technikdienstleister Sportlounge ging es vor allem darum zu vermitteln, was das System kann und wo die Grenzen des Systems liegen. Die Bilder der TV-Kameras werden am Spieltag über einen Server, der am Kampfgericht steht, unmittelbar an die angeschlossenen Tablets verteilt.
Tablets? Ja, an diesem Server sind mehrere Geräte angeschlossenen. Zum einen ist natürlich das für das IRS vorgesehene Tablet angeschlossen, für dessen Bedienung übrigens der Heimverein zuständig ist. Diesbezüglich sind auch noch Technikeinweisungen seitens der Liga vorgesehen.
Zum anderen ist aber auch ein Tablet für das Scouting angeschlossen, und falls anwesend das Tablet des Schiedsrichter-Coaches (zu dessen Aufgaben berichtete basketball.de ausführlich). Schließlich sind auch die drei Tablets der Schiedsrichter angeschlossenen, damit sie die Videobilder für ihre persönliche Spielnachbereitung nutzen können.
Den Anwesenden wurde die Software mit ihren Funktionen ausführlich erläutert. So wurde unter anderem gezeigt, wie eine Szene separiert werden und in Echtzeit, Zeitlupe oder Frame-by-Frame abgespielt bzw. eine Lupe aktiviert werden kann. Mittlerweile kann die separierte Szene zeitgleich aus mehreren Perspektiven neben-/untereinander angesehen werden. Danach kann die beste Perspektive ausgewählt werden.
Ab dieser Saison verfügt die Liga sogar über ein Monitoring-System, um die Tablets überwachen zu können, sodass der Grund eines Ausfalls (z.B. ein zu geringer Akkustand des Gerätes) schneller geklärt und damit die Zahl der Ausfälle möglichst auf null reduziert werden kann. In dieser Einheit konnten sich alle auch praxisbezogen mit dem System vertraut machen.
Gegen 19 Uhr endete der Lehrgangstag. Die Teilnehmer machten sich wenig später auf zum gemeinsamen Abendessen mit anschließendem gemütlichen Beisammensein.
Zweiter Tag
IRS im Team
Bereits um neun Uhr ging es weiter: mit dem dritten Teil der rollierenden Gruppenarbeit. Das letzte Thema trugden Titel „IRS im Team“ – nur für Crew Chiefs sollte man meinen. Doch weit gefehlt, und zwar aus zwei wesentlichen Gründen.
Erstens: „Wer ist denn für das IRS zuständig, wenn der Crew Chief bei einem Spiel einmal ausfallen sollte?“, fragte Anne Panther, die die Einheit zusammen mit Franz-Josef Rytlewski gestaltete, rhetorisch. Natürlich ist dann der zweite Schiedsrichter verantwortlich. Folglich sollte auch er die Regeln, wann das IRS eingesetzt werden darf, kennen und mit der Technik vertraut sein.
Zweitens, und das ist neu, werden künftig in jedem Fall zwei Schiedsrichter die Spielsituationen bewerten, insbesondere derjenige, der die initiale Entscheidung getroffen hat. Dies soll den Crew Chief bei der Entscheidungsfindung helfen. Schließlich wird das IRS immer dann genutzt, wenn eine Entscheidung nicht eindeutig möglich war.
In dieser Gesprächsrunde wurde aber auch der Ablauf von der initialen Entscheidung bis zur Spielfortsetzung nach der finalen Entscheidung besprochen. Möglicherweise ist ein IRS-Einsatz gar nicht erforderlich, wenn das Gespann vorher im Team die Spielsituation bespricht und/oder den Kommissar befragt. Das IRS sollte als Rückfallebene gesehen werden, nicht als erstes Mittel der Wahl. Auch die Außenwirkung von bestimmten Abläufen wurde andiskutiert.
Themenspezifische Arbeit in Gruppen
In der nächsten Einheit wurden die Schiedsrichter wieder in Gruppen eingeteilt. Die Aufgabenstellung war diesmal für die Gruppen aber die Gleiche: Es sollten Videoclips unter bestimmten Gesichtspunkten bewertet werden.
Die Gesichtspunkte waren jedoch unterschiedlich: Die erste Gruppe beschäftigte sich mit Schrittfehlern, die Zweite mit unsportlichen Fouls, und die Dritte mit Block/Charge – Flopping. Es sollten zunächst die Kriterien erarbeitet werden, um sie danach auf den Einzelfall (Videoclip) anzuwenden. In den meisten Fällen bestand Einigkeit bei der Bewertung der Spielsituationen. In einigen Fällen gab es aber auch Anlass zur Diskussion, zum Teil wurde dann mit neuem Ergebnis abgestimmt. Solche Grauzonen wird es auch in Zukunft geben.
Ziel der Übung war es, über sie zu diskutieren und den Schiedsrichterkader weiter zu harmonisieren. Die Ergebnisse wurden im letzten Agendapunkt, dem Saisonbriefing, als Auflockerung des Frontalvortrags, vorgestellt und bei Bedarf vom Führungskreis kommentiert. Der Führungskreis berücksichtigte dabei auch Anregungen aus dem BBL-Trainerworkshop zur Bewertung der zur Debatte stehenden Grauzonen.
Saisonbriefing
Auf das Mittagessen folgend stand bereits der letzte Punkt an, das eben angesprochene Saisonbriefing. Hier wurde den Schiedsrichtern mitgeteilt, was der Führungskreis von den Schiedsrichtern in der Saison 2019/20 erwartet. Dies betrifft sowohl die Bewegung auf dem Feld und die Anwendungen der Regeln als auch den Umgang mit Fehlverhalten der Spielbeteiligten. Die BBL will durchaus auch Emotionen im Spiel zulassen. Die Frage ist nur, gegen wen oder was sich diese richten. Die Trainer wurden beim Trainerworkshop diesbezüglich auf das Leitbild hingewiesen, auf das sich die Clubs mit der BBL gemeinsam verständigt haben.
Ebenfalls wurde an Punkte erinnert, die bereits in der vergangenen Saison Thema waren, insbesondere Act of shooting, fake a foul und regelkonformes Umsetzen der Kriterien für unsportliche Fouls (basketball.de berichtete).
Nachdem die Schiedsrichter nun wissen, was von ihnen in dieser Saison erwartet wird, kann die Saison mit hoffentlich wenigen gravierenden Fehlern seitens der Unparteiischen verlaufen.