BBL-Saisonvorschau: 18 Fragen zu 18 Teams
Die BBL-Saison 2021/22 steht vor der Tür, welche Fragen stellen sich bei den 18 Clubs? Die BBL-Saisonvorschau ordnet die Teams auch in ein Power Ranking ein.
Eine Rückkehr zur Normalität. Das erhoffen sich auch die BBL und ihre Clubs für die neue Saison 2021/22. Mit Fans in den Arenen, teilweise in voller Auslastung, mit einer starken Impfquote bei den Mannschaften und mit einem breit aufgestellten Euro-Starterfeld stehen die Vorzeichen dafür gut. Womit der Fokus auf den sportlichen Wettbewerb gelegt werden darf.
Darauf will sich auch diese BBL-Saisonvorschau fokussieren und stellt zu jedem Team eine Frage: zu Trainern, Spielern und Rotationen. Die Saisonvorschau ist zudem in Gruppen hinsichtlich Leistungsstärke kategorisiert („Tier“ sagt der US-Basketballer dazu), die 18 Teams wie schon zur vergangenen Saison in ein Power Ranking aufgeteilt. Textlich stehen aber die Team-Fragen im Vordergrund.
Erste Ebene: Titelkandidaten
FC Bayern München
Was kann die deutsche Rotation?
Ein Schlüssel für die BBL-Finals-Niederlage des FC Bayern München gegen ALBA BERLIN war sicherlich die schwächere Rotation unter Spielern mit deutschem Pass. Auch wenn beim Team von Andrea Trinchieri Verletzungsprobleme hinzukamen, so war schon vor dem Saisonstart die Frage nach der Qualität auf den einheimischen Positionen gestellt worden – relevant zumindest in der BBL. Welche Frage nach dem Abgang von Maodo Lo im Sommer 2020 auch weiterhin bleibt: Wer ist der Ballhandler mit deutschem Pass? Oder muss Trinchieri trotz Rotationsprinzip häufig das Duo Corey Walden / Zan Mark Sisko zusammen auf das BBL-Parkett schicken?
Hier wird die Personalie Andreas Obst noch interessanter. Schon häufiger ist Obsts Entwicklung weg vom reinen Off-Ball-Scorer zum effizienten Ballhandler thematisiert worden. Aber: Obst besitzt seine Stärken als sekundärer Ballhandler, der im Lauf eines Spielzugs an den Ball kommt und forciert, und dann auch eher für sich selbst. Der Typ Spielaufbau, der Guard, der die Defense seziert und andere in Szene setzt, das ist weniger Obsts Spiel. Kann und muss Obst dies in der (BBL-) Saison übernehmen?
Zudem: Was kann man vom immer noch talentierten Joshua Obiesie nach eher enttäuschenden Jahren in Würzburg unter einem extrem fordernden Andrea Trinchieri erwarten? Auf Groß: Wer der deutschen Bigs sorgt für Spacing und kann vielleicht auch (defensiv) auf die Vier rotieren? Leon Radosevic wird erneut so wichtig werden.
Auf internationalem Parkett ließe sich eine andere Frage stellen. Denn im Gesamten scheint der Bayern-Kader hinsichtlich Qualität, Tiefe und Vielseitigkeit noch stärker zu sein.
ALBA BERLIN
Wie sehr wird Aito fehlen?
Vielleicht beginnt Aito ja jetzt, auf seinem Instagram-Accout Basketballphotos zu teilen. Nach vier Jahren als Head Coach von ALBA BERLIN legt die spanische Trainerlegende eine Pause ein. Sein Einfluss auf die Berliner Kultur wie auch die BBL als Liga ist unbestritten. Wie sehr wird Aito den Berlinern nun fehlen? Mit Israel Gonzalez folgt ein Zögling Aitos, der insgesamt sechs Jahre dem Lehrmeister assistiert hat. Wieviel vom Berliner Stil samt Flow-Offense und Defensiv-Innovationen wird man auch bei Gonzalez sehen? Welche neuen Elemente wird er einbringen? Und wie sehr wird er während einer Partie (taktisch) eingreifen (was Aito in geringem Maß getan hat)?
Als Entwickler wird auch Gonzalez gefragt sein. Nach dem Abgang von Niels Giffey könnte es an Louis Olinde gelegen sein, seine Vielseitigkeit als Dreier und Vierer und Beweis zu stellen. Hüne Christ Koumadje geht in sein erstes volles Jahr in Berlin, Yovel Zoosman soll der nächste Small Forward werden, der den Abgang von starken Flügelspielern auffängt, und Jaleen Smith hat es nun mit dem Monster EuroLeague zu tun. Auch wenn Aito weg ist, Himar Ojeda ist geblieben.
Zweite Ebene: Sichere Playoff-Teams
ratiopharm ulm
Wie feiert die BBL Per Günthers letzte Saison?
In einem der gemeinsamen GotNexxt-Podcasts mit André Voigt blickte Per Günther auf die Netflix-Doku „The Last Dance“ zurück. Nun ist für die Ulmer Vereinslegende selbst der letzte Tanz gekommen. Vergleiche mit Michael Jordan sollen natürlich nicht herhalten, doch in der Tat wird Günther von Kameras begleitet werden: Tim Kraushaar, ein ehemaliger Ulmer Jugendspieler und der Bruder von 46ers-Guard Bjarne Kraushaar, ist Student an der Filmhochschule Ludwigsburg und plant eine Doku über Günther.
Auch wenn die Rolle Per Günthers in der jüngeren Vergangenheit in Ulm kleiner geworden ist, seinen Stellenwert in der BBL hat sich der 33-Jährige auch durch sein Auftreten abseits des Parketts erarbeitet. Während des BBL-Final-Turniers machte sich Günther für die Meinungsfreiheit seiner Ligakollegen stark, beim Gewinn des Dreier-Contess 2016 teilte er das Preisgeld mit dem zweitplatzierten Amateur – und wortwörtlich auch den Check in Übergröße. Er servierte beim Ulmer Orange-Dinner im Adonis-Look nach Spendenaufruf, supportete die Ludwigsburger im selbstgemalten WOBO-Shirt, was letztlich dem Nachwuchs beider Clubs zu Gute kam. Unvergessen auch sein All-Star-Dunk über John Bryant. Wir sind gespannt, welche Highlights die letzte Saison bereithält. Kreativ dürfen hierbei auch gerne Liga und Clubs werden.
EWE Baskets Oldenburg
Wie stark fällt der spielerische Umbruch aus?
Vom Team mit der größten Kontinuität in den vergangenen Jahren zum Team mit dem wohl größten (spielerischen) Umbruch innerhalb einer Offseason. Die EWE Baskets Oldenburg dürften 2021/22 kaum wiederzuerkennen sein. Mit Rasid Mahalbasic als Point-Center suchte keine BBL-Mannschaft häufiger den Weg über den Zonenrand (Anteil der Abschlüsse aus dem Post-up laut InStat: 13,8% 2020/21; 16,5% 2019/20; 12,6% 2018/19: 11,9% 2017/18). Nun hat Mahalbasic die Oldenburger verlassen, und ein athletischer Rim-Runner wie Tai Odiase besetzt die Center-Position.
Die Oldenburger wollen athletischer werden, was Odiase als Ringbeschützer auch in der Verteidigung einbringen soll. Alen Pjanic ist ein deutscher Highflyer, der auf der Vier für ein Transition-Spiel wie geschaffen ist. Die Wirbelwind-Combo auf der Eins aus Rückkehrer Phil Pressey und Neuzugang Bennet Hundt verspricht eh ein schnelles Umschaltspiel (wenn sie defensiv auch angreifbar sein mag). Und mit Rickey Paulding häufiger als Vierer könnten die Baskets auf Smallball gehen. Vielleicht profitiert von diesem Umbruch auch Sebastian Herrera, der nach seinem Wechsel nach Oldenburg nie so recht seine prominente Rolle wie zuvor in Crailsheim erfüllen konnte.
MHP RIESEN Ludwigsburg
Wird Oscar Da Silva Ludwigsburg im Saisonverlauf verlassen?
Mit dieser Frage soll nicht die Kaderrochade in einem John-Patrick-Team aufgeworfen, sondern vielmehr Da Silvas Entwicklung thematisiert werden. Den Stanford-Absolventen zum Ende der vergangenen Spielzeit verpflichtet zu haben – nach dessen College-Saison, noch vor dem NBA-Draft –, darf durchaus als Coup betrachtet werden. Doch schon damals war klar: Der Big Man könnte Ludwigsburg auch bald wieder verlassen. Schließlich sind in dessen 1+2-Vertrag Ausstiegsklauseln enthalten. Da Silva wollte sich in der NBA Summer League bei den Oklahoma City auch für ein NBA-Engagement empfehlen, letztlich ist der 23-Jährige für die Saison 2021/22 nach Schwaben zurückgekehrt.
Je nach Entwicklung dürften aber auch größere (deutsche EuroLeague) Clubs anklopfen. Da Silva mag nicht mit einem auffälligen, flashy Offensivspiel daherkommen – auch das haben seine ersten BBL-Auftritte bestätigt –, doch der Big Man ist ein spielintelligenter Akteur, der Facetten eines versierten Offensivspiels präsentiert hat. Und der nach seinem U19-WM-Auftritt 2017 doch auch gerne mal wieder das DBB-Trikot überstreifen darf (damals u.a. mit Isaac Bonga, Philipp Herkenhoff, Bennet Hundt und Louis Olinde in einem Team).
Brose Bamberg
Wird wieder der Reset-Knopf gedrückt?
Mit der Verpflichtung von Johan Roijakkers als Head Coach im Sommer 2020 schien der berühmt-berüchtigte Reset-Knopf von Michael Stoscheks Schreibtisch in der Schublade verkramt worden zu sein, auch durch dessen kleinen Schritt in den Hintergrund. Doch nach Roijakkers‘ Auftreten in einem Bamberger Parkhaus und dem Auftreten des Teams in der Qualifikation zur Basketball Champions League hat sich noch vor BBL-Saisonstart einiges an Unruhe aufgetan. Schließlich werden die Bamberger das erste Mal nach rund zwei Jahrzehnten nicht im internationalen Geschäft vertreten sein.
Was es auch für Roijakkers nicht einfach machen wird: Denn der Kader ist durchaus tief aufgestellt, mit einer Rotation von bis zu 13 Spielern. Ohne Doppelbelastung gilt es für Roijakkers, die Minuten nun gerecht zu verteilen. Trotz Fehlstarts hat der Bamberger Kader dennoch das Zeug, die BBL-Playoffs sicher zu erreichen, die deutsche Rotation gehört zu einer der besten der Liga.
Hamburg Towers
Wer wird die nächste Calles-Entdeckung?
T.J. Bray, Seth Hinrichs, Austin Hollins, Kameron Taylor, Ishmail Wainright … In der jüngsten Vergangenheit haben einige Akteure ein Team von Pedro Calles als Sprungbrett genommen, um sich mitunter für EuroLeague-Teams zu empfehlen – was natürlich auch für die Arbeit Calles‘ spricht. Wird es auch in der Saison 2021/22 eine solche Entdeckung geben? Während die Vertragsverlängerung von Center Mai Kotsar als kleiner Coup gelten darf, sei hierbei auch die Entwicklung von Lukas Meisner genau verfolgt.
In der Saison 2019/20 machte Wainright den nächsten Schritt (nach vorheriger ProA-Station), Vechta war trotz der Doppelbelastung aus BBL und Champions League erneut auf Playoff-Kurs. Diese Doppelbelastung werden auch die Towers in der neuen Saison bewältigen müssen, treten sie doch im EuroCup an. Mit seinem Hintergrund als Athletiktrainer weiß Calles selbst viel über Regeneration und Belastungssteuerung. Mit dem neuen Modus im EuroCup, der an eine Mini-Version der EuroLeague erinnert, ist dies dennoch eine größere Herausforderung.
Dritte Ebene: Mögliche Playoff-Teams
Telekom Baskets Bonn
Hat Tuomas Iisalo wieder einen Point-Guard-Trumpf gezogen?
Dass die HAKRO Merlins Crailsheim in den vergangenen beiden Jahren eine Cinderella-Story schrieben, lag zu großen Teil an der guten Arbeit des Head Coach Tuomas Iisalo – und dessen Rekrutierung. Im Pick-and-Roll-intensiven Offensivsystems Iisalo nahmen die Point Guards eine wichtige Rolle ein. Mit DeWayne Russell und Trae Bell-Haynes führten dabei zwei Spieler die Merlins an, deren Leistung vor Saisonstart nicht viele Experten erwarten haben dürften. Schließlich kamen sowohl Russell (zweite französische Liga) als auch Bell-Haynes (erste finnische Liga) nicht gerade von großen Programmen.
Mit Parker Jackson-Cartwright hat Iisalo nun erneut einen Spieler solchen Schlags als Point Guard verpflichtet, Jackson-Cartwright lief zuletzt in der zweiten französischen Liga auf. „Seine Spielweise und Schnelligkeit passen gut zu unserem System, in dem es auf Geschwindigkeit und schnelle Entscheidungen ankommen wird – sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung“, erklärte Iisalo bei der Verpflichtung. Der US-Amerikaner überzeugte als MVP der zweiten Liga Frankreichs und mit 1,16 Punkten pro Possession aus dem Pick-and-Roll. Dort kommt es natürlich auch immer auf die Big Men an. Mit Leon Kratzer und Michael Kessens findet sich dort allerdings weniger ein Komplementärduo, Pick-and-Pop-Elemente und vertikales Spacing ebenso wenig.
medi bayreuth
Sehen wir mehr Drei-Guard-Lineups als Post-up-Offense?
Welches Team wird nach dem Umbruch in Oldenburg das Post-fixierteste der BBL werden? Eigentlich würde sich nun medi bayreuth anbieten, das unter Raoul Korner hinter Oldenburg wohl am stärksten das Scoring im Low-Post gesucht hat. Auch wenn Andreas Seiferth als weiterhin sehr versierter Low-Post-Scorer geblieben ist, so stechen die Guards heraus: Bastian Doreth hat eine Karrierejahr absolviert und Schritte als effizienter Ballhandler mit mehr Scoring-Fokus gemacht. Mit Marcus Thornton kam einer der besten Clutch-Spieler der vergangenen Saison aus Chemnitz nach Bayreuth. Und der einmalige BBL-All-Star Cameron Wells ist in die Liga zurückgekehrt.
Schreit alles nach einer Drei-Guard-Lineup, wie man es in Wells‘ Fall schon bei den Wucherer-Teams in Gießen und Würzburg erlebt hat. Verschiebt sich dahingehend auch die Offensive Bayreuths auf mehr Aktionen aus dem Eins-gegen-Eins und der Ballhandler? Wobei: Wells war in seiner BBL-Zeit einer der besten Post-up-Guards. Es wird spannend zu beobachten sein, wie Korner seine Offensive aufstellen und ausbalancieren wird.
NINERS Chemnitz
Würde eine „Executive des Jahres“-Auszeichnung nach Chemnitz gehen?
Mit Jan Niklas Wimberg und Jonas Richter haben die Chemnitzer ein deutsches Big-Men-Duo mit Upside nicht nur für ein weiteres Jahr, sondern gleich für zwei Spielzeiten an sich gebunden. Mit Nelson Weidemann wird ein U20-Bronzemedaillen-Gewinner von 2018 den Backup-Point-Guard geben. Mit Isiaha Mike kehrt ein Highfyler mit Upside zurück. Und in Frantz Massenat verstärkt ein Combo-Guard den letztjährigen Aufsteiger, welcher 2019 die Durststrecke in der BBL von einem Jahrzehnt ohne 40-Punkte-Spiel beendet hatte.
Das Duo um Head Coach Rodrigo Pastore und Geschäftsführer Steffen Herhold scheint in der Offseason sehr gute Arbeit geleistet zu haben – wobei die Verpflichtung eines Forwards als sechster ausländischer Spieler eigentlich noch ausstehen sollte. Überraschten die Chemnitzer in der vergangenen Saison mit Siegen über Playoff-Teams wie München, Bamberg und Hamburg und bewegten sich in Playoff-Reichweite, könnte in dieser Saison die Endrundenteilnahme noch realistischer werden.
Hier Rodrigo Pastores Play, das ich im Heft aufgezeigt habe – einer meiner liebsten Spielzüge in der #easyCreditBBL. Alle fünf Spieler sind in Bewegung und ändern Position. Shallow-Cut (des Aufbauspielers) erweckt Anschein eines Off-Ball-Screens. Hohes Switch-Potential. pic.twitter.com/LfbZOAPWzi
— Manuel Baraniak (@manuel_baraniak) March 30, 2021
HAKRO Merlins Crailsheim
Wie steckt das Team die Doppelbelastung weg?
Zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte werden die HAKRO Merlins Crailsheim auf internationalem Parkett auflaufen, mit dem FIBA Europe Cup im viertstärksten europäischen Wettbewerb. Die Frage nach der Doppelbelastung werden in der kommenden Saison zwar ganze sieben bis acht BBL-Teams beantworten müssen, für die Merlins ist diese Frage aber nicht nur aus sportlicher, sondern auf Grund des Novums auch aus infrastruktureller Sicht interessant. Und auf mittel- und langfristige Sicht gesehen: Ist dies ein weiterer Schritt zur Etablierung in der Basketball-Bundesliga als konstanter Playoff-Anwärter?
Apropos Infrastruktur: Mit Sebastian Gleim haben sich die Merlins die Dienste von einem von aktuell nur zwei deutschen Trainern gesichert, zudem wird mit Eric Detlev ein ausgewiesener Nachwuchsexperte Gleim assistieren. Insofern passt es, dass die Merlins ihren deutschen Kern halten konnten – vor allem hinsichtlich des Umbruchs im Coaching-Stab bemerkenswert. Die Achse um Maurice Stuckey, Fabian Bleck und Bogdan Radosavljevic ist stark und ergänzt sich vor allem gut, die doppelten Kovacevics stehen dahinter bereit.
Vierte Ebene: Niemandsland
s.Oliver Würzburg
Ist Würzburg die größte Wundertüte der Liga?
In vier Jahren in Folge als BBL-Cheftrainer hatte es Denis Wucherer geschafft, seine Teams stets auf Playoff-Kurs zu bringen. Wäre die Corona-Pandemie nicht gewesen, wäre es ihm mit s.Oliver Würzburg 2019/20 vielleicht auch geglückt. Der Club war wohl wie wenige andere so stark von finanziellen Einschnitten gebeutelt – und taumelte vergangene Spielzeit mehr zum Klassenerhalt. Welches Team erleben wir in der kommenden Saison?
Zwei südamerikanische Nationalspieler in Uruguays Luciano Parodi und Chiles Nicolas Carvacho, ein lettischer Flügel-Ballhandler in Aigars Skele, ein Deutsch-Australier mit „Australien Rules Football“-Vergangenheit in Craig Moller: Würzburg verfügt über eine spannende Mischung, die auch gut in eine Wundertüte passt. Wucherer hat immer wieder gezeigt, dass er als Trainer eine Mannschaft zur Überperformance coachen kann.
BG Göttingen
Wie wird nach der Saison 2021/22 über Roel Moors urteilen?
Die BG Göttingen war 2020/21 das Team der zweiten Saisonhälfte: Denn kein Team verbesserte sein Net-Rating von der letzten Nationalmannschaftspause Ende Februar bis zum Hauptrundenende so stark wie die Veilchen. Einen großen Anteil hatte daran sicherlich Rihards Lomazs, mit dem der (offensive) Aufschwung in Göttingen einherging – und mit dem die Veilchen beinahe noch in die Playoffs gestürmt wären.
Coach Moors geht in sein zweites Jahr in Göttingen. In seiner bisher kurzen Zeit in der BBL ist über den Belgier ganz unterschiedlich geurteilt worden: 2019 war er als erfolgreicher Trainer in Antwerpen, samt dritten Platz in der FIBA Basketball Champions League, nach Bamberg gegangen – nur um nach einem Jahr wieder das Team verlassen zu müssen. Er schien für die Ambitionen Bambergs nicht der richtige zu sein. Der Saisonstart 2020/21 mit der BG war schwach, die Rekrutierung in der Offseason holprig – welche im Saisonverlauf aber saß und die Göttinger zu einem der heißesten Teams der Liga machte. Was folgt 2021/22? Kein Team setzt mehr auf Europa-Rookies als Göttingen, mit der Verpflichtung zweier G-League-Akteure (Jake Toolson, Jeff Roberson) und eines NCAA-Spielers (Zack Bryant). Auch James Dickey und Kamar Baldwin sind noch nicht so lange in Europa aktiv. Ist das Team erfahren genug, um erneut an die Playoffs zu kratzen?
Fünfte Ebene: Klassenerhaltskampf
SYNTAINICS MBC
Avanciert Jakub Garbacz zu Michal Michalak 2.0?
In der Offseason 2020 hatte der MBC mit Michal Michalak einen polnischen Nationalspieler verpflichtet, der zuvor als Topscorer der polnischen Liga dort auch die Meisterschaft gewonnen hatte. Und 2021? Dort holen die Wölfen mit Jakub Garbacz ebenfalls einen polnischen Nationalspieler, ebenfalls als polnischer Titelträger – samt Finals-MVP-Auszeichnung. Wird Garbacz nun ähnlich überzeugen wie Michalak, der in der vergangenen Saison mit 20,5 Punkten pro Partie zum BBL-Topscorer avancierte?
Laut InStat sind bei beiden Spielern aber Unterschiede auszumachen: Während Michalak als Leitwolf seine meisten Abschlüsse aus dem Pick-and-Roll forcierte, agierte Garbacz 2020/21 meist aus dem Catch-and-Shoot. Im Spot-up zielte Garbacz mehr auf den Wurf als auf den Drive, bei Michalak waren diese Aktionen ausgeglichen verteilt. Anteile im Eins-gegen-Eins und nach ballfernen Blöcken waren aber bei beiden Flügelspielern gleich. Wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen, könnte durchaus „Garbacz-Time“ – in positivem Sinne – angesagt sein. In der Vergangenheit hatten die Wölfe immer wieder starke Scorer in ihren Reihen.
JobStairs GIESSEN 46ers
Wie passt John Bryant in ein Pete-Strobl-Team?
In seinen ersten ersten beiden Jahren als Head Coach in Braunschweig hat sich Pete Strobl nicht nur einen Namen als Trainer gemacht, der deutschen Youngstern und Akteuren mit Upside viel Verantwortung schenkt – sondern auch einen Fokus auf Verteidigung legt. So rangierten die Löwen in den zwei Jahren mit Strobl im oberen Drittel, was das Nutzen einer Press-Defense betrifft. Inwieweit lässt sich dieser Stil bei Strobls neuem Engagement übertragen?
Mit Bryant als immer noch offensivstarken Big Man, der jedoch in der Pick-and-Roll-Defense angreifbar ist, der zuletzt aber immerhin 26 Minuten pro Partie auf dem Feld stand. Dann lieber eine Zone? Kein Team verteidigte laut Synergy mehr mit einer Zone als die Löwen unter Strobl (knapp zehn Prozent in der Zeit)! In der vergangenen Saison wiesen die 46ers das mit Abstand schlechteste Defensiv-Rating auf, die Braunschweiger rangierten immerhin auf dem 13. Rang. Über eine solche Platzierung dürften die Hessen sicherlich froh sein.
FRAPORT SKYLINERS
Wie sehr wird man in Frankfurt einen spanischen Einfluss spüren?
Der Aito Coaching Tree schlägt in der BBL weiter Wurzeln, auch bis nach Frankfurt, wo Diego Ocampo in diesem Sommer übernommen hat. Aito hat viele Trainer beeinflusst, Ocampo assistierte der europäischen Trainerlegende sogar zwei Jahre in Sevilla. Wird sich dies hinsichtlich Taktik und Philosophie auch bei den Hessen niederschlagen? Und wenn ja, mehr offensiv oder mehr defensiv?
In der Saisonvorbereitung waren defensiv Run-and-Jump-Elemente zu erkennen. Sollte Ocampo, wie Aito, auch mal auf eine Zone setzen, wäre diese eine große Umkehr im Frankfurter Basketball. Offensiv scheint Ocampo weniger ein Flow-Offense zu integrieren wie das Aito getan hat. Interessant ist, dass Ocampo – wie auch Aito in seiner Trainerkarriere – mit Matt Haarms einen 2,21-Meter-Center am Brett zur Verfügung hat. Apropos Offensive: Wer dort als Go-to-Guy auftreten wird, ist derzeit noch fraglich. Einen Offensivspieler wie Matt Mobley haben die Hessen nicht zur Verfügung. Kein Spieler musste 2020/21 mehr Verantwortung bei einem Team schultern.
MLP Academics Heidelberg
Führt die Mischung aus letztjährigen ProA-Spielern und BBL-Rückkehrern zum Klassenerhalt?
Sechs Spieler des aktuellen Elfer-Kaders haben vergangene Saison in der ProA gespielt (Neuzugang Courtney Stockard wäre der siebte, der letztjährige Schwenninger Small Forward wird verletzungsbedingt aber nicht zum Einsatz kommen können). Drei ausländische Akteure sind in der BBL bereits aufgelaufen, mit Brekkot Chapman und Robert Lowery zwei letztjährige Würzburger Akteure. Einzig auf Center Osasumwen Osaghae trifft keine dieser beiden Komponenten zu. Reicht diese Mischung für den Klassenerhalt?
Zumal der Heidelberger Kader nicht gerade tief besetzt ist, es auf den deutschen Positionen und auf der Fünf etwas an Qualität mangelt. Vor allem das ehemalige Würzburger Duo sowie Kelvin Martin müssen einschlagen.
Basketball Löwen Braunschweig
Wie schwer wiegt der Abgang des deutschen Kerns?
Karim Jallow, Bazoumana Koné, Lukas Meisner, Kostja Mushidi, Gavin Schilling, Lukas Wank, Garai Zeeb. Kein anderes BBL-Team musste einen solchen qualitativ wie quantitativ hohen Verlust bei deutschen Spielern hinnehmen wie die Basketball Löwen Braunschweig. In einem tuffen Sommer, nicht nur für Alleingesellschafter Dennis Schröder, schien sich die Aufbruchstimmung in Braunschweig in Niedergeschlagenheit umzukehren. Denn die FIBA hatte dem Club nach dem Rechtsstreit mit Trevor Releford eine Sperre hinsichtlich der Registrierung von Spielern auferlegt …
… welche im Lauf der Offseason aber geklärt und beigelegt worden ist. Startpunkt einer Kehrtwende? Zumal die Löwen versucht haben, den Verlust jenes deutschen Kerns aufzufangen. So holten sich die Löwen vom FC Bayern München mit David Krämer und Robin Amaize zwei Flügelspieler, die sich im Dunstkreis der deutschen Nationalmannschaft bewegen. Krämers Karriereweg verlief nach seinem Wechsel aus Ulm alles andere als geradlinig, der 24-Jährige hat aber immer noch Upside. Amaize schloss die vergangene Saison, samt Defensive und Aufbau-Sekundärrolle, sehr ordentlich ab. Hinzu kommen mit Forward Luc van Slooten und Center Benedikt Turudic zwei Akteure, die in Braunschweig Fuß gefasst haben. Zudem hält der Club einige Stücke auf die Tischler-Zwillinge … womit Liviu Calin hinsichtlich des Potentials sogar von „den besten Deutschen, die wir je hatten“ spricht. Inwiefern das schon für 2021/22 reicht, da man hinter den (noch nicht voll besetzten) ausländischen Positionen Fragezeichen stellen muss, bleibt abzuwarten – Braunschweig wird um den Klassenerhalt kämpfen müssen.