Knight Rider
Wer hätte das gedacht?! Science City Jena schnuppert als Aufsteiger an den Playoffs. Ein Erfolgsgarant: Marcos Knight. In seinem ersten BBL-Jahr hat er sich als einer der gefährlichsten Offensivspieler etabliert. Nur wie?
„Knight Rider, a shadowy flight into the dangerous world of a man who does not exist.”
Seitdem die Kultsendung mit David Hasselhoff über die analogen Mattscheiben geflimmert ist, hat sich viel verändert: Das Privatfernsehen in Deutschland stand damals noch in den Startlöchern, die Basketball-Bundesliga integrierte erst das Playoff-Format, und Autos fuhren noch ohne G-Kat-Plakette über die Straßen – von Hasselhoffs Auf- wie Abstieg gar nicht erst anzufangen. Und weder war Anfang / Mitte der 1980er Jahre ein Marcos Knight noch ein Club namens Science City Jena geboren.
Und doch ist jener Satz aus dem Knight Rider-Intro aktueller denn je – eben jenem Marcos Knight von Science City Jena sei dank.
„A shadowy flight“
Nur 1,90 Meter groß, dafür aber mit 97 Kilo Kampfgewicht gewappnet. Ein Kugelblitz, der über das Parkett schneller als sein Schatten fliegt. Vor allem dank seines Zugs zum Korb avanciert Marcos Knight mit bisher 18,1 Zählern im Schnitt zum zweitbesten Scorer der easyCredit BBL. Mit einer Quote von knapp 40 Prozent aus dem Drei-Punkte-Bereich mag man geneigt sein, Knight schon an die Ballracks für den Dreier-Shootout zu bitten, doch ein filigraner Schütze ist Knight weniger.
Vielmehr fühlt sich der Jenaer Guard in der Zone zuhause. Mit welchem Dampf das 1,90 Meter kleine Kraftpaket Richtung Korb zieht und dort den Kontakt mit gegnerischen Big Men nicht scheut, sondern regelrecht sucht, erinnert ein wenig an eine Triple-Double-Maschine aus der NBA: Russell Westbrook. Nun deklariert Knight nicht in Westbrook’scher Manier gegnerische Zonen als Startrampen für seine Tomahawk-Dunks – doch nicht selten ist Knight einfach „unstoppable“. Kopf runter, Kugel rein:
„The dangerous world“
Noch eine Westbrook-Parallele: die Rebound-Stärke. Die Mär vom körperlosen Sport wird spätestens dann außer Kraft gesetzt, wenn sich die großen Jungs in der Zone in Position bringen und sich mit Haken und Ösen, mit Ellenbogen und Hüften bekämpfen. Eigentlich eine gefährliche Welt für einen 1,90 Meter kleinen Guard, doch Knight vollbringt das Kunststück, sich 6,4 Rebounds pro Spiel von den Brettern zu pflücken. Seit der digitalen Erfassung der Statistiken zur Saison 1999/2000 hat dies noch kein Außenspieler mit Knights Maßen geschafft.
Beeindruckend muten vor allem Knights zwei Offensiv-Rebounds pro Spiel an, mehr als manche Center auflegen: Devin Booker oder Elmedin Kikanovic pflücken sich weniger Bälle von den Offensiv-Brettern. Knight zeichnet sich durch eine Kombination aus Timing und Intensität, Instinkt und Explosivität, Wille und Kraft aus – und paart das teilweise mit unglaublicher Akrobatik (checkt den TelekomBasketball-Game-Report Jena gegen Bayreuth bei Minute 2:30).
„A man who does not exist“
Da steht nun also hinter Liga-Topscorer Raymar Morgan ein Spieler in der Punkterangliste, der zum ersten Mal überhaupt in der Basketball-Bundesliga aufläuft und der seine ersten drei Profijahre in der zweitklassigen ProA absolviert hat. Ein Spieler, der in gewisser Hinsicht auf dem Bundesligaradar gar nicht existent war. Dass er seinen Wechsel von Heidelberg nach Jena Anfang vergangenen Jahres mit einem Streik erzwungen hatte, mag seinen Marktwert zunächst sicherlich nicht gesteigert haben – das tut Knight aktuell aber umso mehr. Da der Aufsteiger mit dem Abstieg frühzeitig nichts mehr zu tun hatte, hätte man in Jena einen eventuellen Abgang Knights noch in dieser Saison – samt einkassierter Ablösesumme – nicht als großes Übel betrachtet.
Knights individuellen Stärken wurden bereits skizziert, doch Knight lebt auch im Kollektiv auf, im System von Jenas Head Coach Björn Harmsen. Nach der Verpflichtung von Shaq Goodwin mag der Aufsteiger gleich vier Center im Kader haben, dennoch hat Jena gerade zu Saisonbeginn vielleicht am stärksten den Smallball-Gedanken in der Basketball-Bundesliga verkörpert:
Drei Guards gleichzeitig auf dem Feld gepaart mit Immanuel McElroy auf der Vier waren und sind ganz gängige Formationen in Jena; mitunter nutzte Harmsen sogar vier Guards und McElroy auf der Fünf. Außenspieler, die offensiv von Downtown und nach Drives punkten können und defensiv variabel einsetzbar sind, trumpfen hierbei auf. Und wer geht beim Smallball dann in den Post? Natürlich Marcos Knight.
In folgendem Spielzug nutzen die Jenaer zwar meist McElroy auf der Drei als Anspielstation am Zonenrand, doch auch Knight kann in diese Rolle schlüpfen.
Stellt medi bayreuth das Überraschungsteam der Saison, so ist es auf individueller Ebene Marcos Knight. Beide Fälle erinnern uns daran, was wir am Sport so lieben: die Unberechenbarkeit, der Aufstieg eines Underdogs, die schier unbegrenzten Möglichkeiten.
„Da sind wir alle ein bisschen baff, wie sowas passieren kann – wie jemand nochmal so explodieren kann“, zeigte sich auch Per Günther im Post-Game-Interview bei Telekom Basketball überrascht von der Entwicklung seines Guard-Kontrahenten. Spätestens, seitdem Science City Jena an die Playoffs kratzt, sollte jeder Marcos Knight auf der Rechnung haben. Trent Plaisted wird ihn nicht so schnell vergessen. Bleibt uns zu hoffen, dass der Knight Rider auch in der kommenden Saison mit solchen Aktionen über das Parkett fliegt.