„Fühle ich nicht so, BBL“

Die BBL-Führung um Geschäftsführer Stefan Holz erntet erneut viel Kritik, diesmal nach einem Kommentar zu „politischen Äußerungen“ der Spieler. Auch wenn Holz Fehler eingesteht, dürfte einiges an Vertrauen verspielt worden sein. Ein Kommentar von Manuel Baraniak.

Eigentlich hätte die Vorfreude auf das easyCredit BBL-Final-Turnier so langsam steigen, das Sportliche wieder in den Fokus rücken sollen. Doch am Dienstagvormittag schien all dies zu verschwimmen.

„Für uns gilt wie im Fußball: Wir treiben Sport, und es gibt keine politischen Äußerungen in jedwede Richtung, da öffnen wir nicht die Tür“, antwortete BBL-Geschäftsführer Stefan Holz auf die Frage der dpa, ob vor dem anstehenden Turnier auch Spieler der Basketball-Bundesliga mit Slogans gegen Rassismus protestieren dürften.

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd, ausgelöst von einem Polizisten, und den daraus resultierenden Protesten in den USA gegen Polizeigewalt und Rassismus hatten hierzulande die Fußballer Achraf Hakimi, Weston McKennie, Jadon Sancho und Marcus Thuram Statements gesetzt – wie mit der Aufschrift „Justice for George Floyd“ auf einem Shirt. Der DFB hatte sich letztlich doch dazu entschieden, keine Verfahren gegen diese Äußerungen einzuleiten.

„Grundsätzlich ist es so, dass politische Äußerungen im Ligabetrieb verbal oder nonverbal nicht gestattet ist“, erklärte Stefan Holz im dpa-Gespräch zudem – was zumindest in den Medien- und Marketing-Richtlinien der Ligen festgeschrieben ist. Dort steht, dass das „Werben für politische Gruppierungen oder politische Aussagen nicht zulässig“ sei.

Zu bedenken in Holz’ Äußerungen gibt jedoch Folgendes: Sich gegen Rassismus zu stellen, ist doch weniger eine „politische Äußerung“ als vielmehr ein Eintreten für Gleichheit, Menschlichkeit und Toleranz – was gesamtgesellschaftlicher Konsens sein und demnach auf allen Ebenen zu jeder Zeit begrüßt werden sollte.

Es dauerte nicht lange, ehe sich vereinzelte Spieler der Liga kritisch zu Holz’ Kommentar äußerten. „Fühle ich nicht so… @easyCreditBBL“, schrieb Ulms Andi Obst. Bayreuths Bastian Doreth reagierte mit der rhetorischen Frage: „Wieso bin ich nicht überrascht?“

Ein „trauriges Zeichen unserer Liga“ sah derweil Berlins Niels Giffey in Holz’ Äußerungen und schrieb in seiner Instagram-Story weiter: „Als Spieler sollten wir die Chance haben, unsere Werte und Ethik zu jedem Zeitpunkt repräsentieren zu können. Auf und abseits des Feldes. Rassismus zu thematisieren, ist nicht politisch motiviert, sondern zeugt von Empathie und sozialem Mitgefühl.“

Per Günther ermutigte seine Kollegen sogar zur Positionierung: „Liebe BBL-Spieler, wenn ihr euch beim anstehenden Turnier ausdrücken und ein Zeichen gegen Rassismus setzen wollt – bitte zögert nicht, das zu tun. Die erste 10.000 Euro hohe Geldstrafe geht auf mich“, schrieb der Ulmer Guard auf Twitter.

Stefan Holz bedauert Aussagen

So ehrenhaft Günther auftritt, etwaige Geldstrafen wird es seitens der Liga nicht geben. Nach der breiten Kritik von Spielern und der gesamten Basketball-Community, nach den klarten Statements gegen Rassismus zahlreicher Clubs, zog die easyCredit BBL in Form einer Stellungnahme von Stefan Holz am Dienstagabend nach und erklärte, „selbstverständlich von Sanktionierungen abzusehen.“ Laut Holz gehe es „den Sportlern vor allem um ein Statement gegen Rassismus und nicht um eine individuelle politische Meinungsäußerung.“

Nichtsdestotrotz rückt die Ligaführung in dieser Stellungnahme den Verzicht von Sanktionen in den Mittelpunkt – jedoch nicht die Befürwortung von Haltung der eigenen Profis. Ein klares Statement gegen Rassismus, wie es im Laufe des Tages zuvor viele BBL-Clubs gesetzt hatten, liest sich anders. Vielleicht hätte sich auch ein Blick in die USA gelohnt, wo sich vor allem die WNBA in den vergangenen Jahren als progressive Profiliga präsentiert hat, die gesellschaftliche und sozialkritische Meinungsäußerungen ihrer Sportlerinnen begrüßt (wobei sich die Ligaführung in der aktuellen Situation, entgegen Clubs und Spielerinnen, öffentlich noch nicht wirklich positioniert hat).

Immerhin äußerte sich Stefan Holz in einem persönlichen Statement Dienstagnacht, das überzeugender wirkt als das erste, erneut und machte klar: „Meine Aussagen, die ich aus jetziger Sicht so nicht mehr treffen würde und deren Wirkung ich wohl nicht vollständig bedacht habe, bedaure ich.“ Zudem plane die BBL, sich zum Turnierstart am Wochenende „klar gegen Rassismus positionieren“ zu wollen. Das ist der einzige richtige Weg – auch wenn es begrüßenswert gewesen wäre, wenn dieser Schritt pro-aktiv und nicht nach einem Kritikhagel gegangen worden wäre.

Die Ligaführung hätte es auch besser wissen müssen: Schließlich ist der Basketball, letztlich auch nur ein Teil der Gesellschaft, ebenso nicht frei von Rassismus. Das musste Ludwigsburgs Konstantin Konga zu Saisonbeginn bei einem Auswärtsspiel in Weißenfels erfahren. Die Deutsche Nationalmannschaft hatte sich derweil im Sommer 2018 mit ihrer #WirSindMehr-Kampagne gegen Rassismus gestellt. Initiiert hatte dies Bastian Doreth – welcher seit jeher meinungsstark auftritt und sich aktuell mehr denn je für die Interessen der Spieler einsetzt.

Die Spieler sind erneut vor den Kopf gestoßen worden

„Wir hatten in den vergangenen Tagen überlegt, aktiv auf die Liga zuzugehen. Man hätte ja auch etwas gemeinsam machen können, aber das hat sich wohl erledigt“, zeigte sich Doreth im Interview bei den Nürnberger Nachrichten enttäuscht. Schließlich hätte die BBL nun auch die Chance gehabt – mit mehr Aufmerksamkeit –, sich als progressive Liga zu verstehen, die sich positioniert und die ihre Spieler als meinungsstarke Vorbilder in den Vordergrund rückt sowie ihnen den Rücken stärkt.

Damit sind die Spieler erneut vor den Kopf gestoßen worden. Als die Liga den Plan gefasst hatte, die Saison in einem Turnierformat fortzusetzen, holte sie die Meinungen der Spieler nicht ein – dabei hatten und haben diese berechtigte Bedenken hinsichtlich des Verletzungsrisikos auf Grund der verkürzten Vorbereitungszeit.

Das Vertrauen der Spieler in die Liga ist damit sicherlich nicht gewachsen. Bambergs Bryce Taylor fühlte sich von den Äußerungen Holz’ sogar „wirklich angegriffen“; und Berlins Peyton Siva fühlt sich demnach so, als versuche die Liga, die Spieler „zum Schweigen zu bringen“. Wenngleich das Hygiene- und Sicherheitskonzept bezüglich des Turniers vorherige Fragen beantwortet hat, und wenngleich Bastian Doreth die „medizinische Betreuung vor Ort“ positiv herausstellt: Der Ruf nach einer Gewerkschaft dürfte nun erneut mit Nachdruck erfolgen.

Zudem: Das Turnier soll sicherlich auch neue Fans für den Basketball gewinnen. Ob man dies erreichen wird, und ob man mit den jüngsten Aussagen nicht sogar auch bisherige Fans (zumindest kurzfristig) verlieren könnte, scheinen berechtigte Fragen.  

Zwei Tage noch, und die Liga öffnet die Türen im Audi Dome, um die Saison fortzusetzen. Was bleibt bis dahin Positives? Zum einen ist es erfreulich zu sehen, wie sehr sich die Clubs der Liga von sich aus positioniert haben. Zum anderen dürften die Spieler nun nur noch mehr bekräftigt worden sein, Stellung zu beziehen und Statements zu setzen.

Zehn Teams, 120 bis 150 Spieler, an einem Ort, isoliert in einem Hotel? Ja, es geht um Basketball auf dem Parkett, aber dies dürfte auch die Möglichkeit geben für einen kraftvollen Meinungsaustausch, für ein Entgegengetreten gegen jedwedes „shut up and dribble“. Vielleicht entsteht daraus ja auch etwas Großes.