Martin Geissler: „Ich kann den Sponsoren gerade nicht viel versprechen“
Für den SYNTAINICS MBC ist die BBL-Saison 2019/20 vorbei, der Club aus Weißenfels plant für die neue Spielzeit. Geschäftsführer Martin Geissler spricht im Interview über die Herausforderungen.
basketball.de: Die Corona-Krise hat den Alltag von uns allen verändert. Wie sieht aktuell dein Arbeitstag aus, auch im Vergleich zu vorher?
Martin Geissler: Der große Unterschied ist, dass einige Meetings jetzt digital mit Zoom stattfinden, statt im persönlichen Gespräch. Ein anderer Unterschied ist sicher, dass gerade keine Spiele vorzubereiten sind. Es finden keine Fahrten statt; man geht nicht in die Halle oder zum Training. Das hätte die Tage im April in einer normalen Situation schon noch geprägt.
Jetzt geht es mehr darum, Aktionen wie die Crowdfunding-Aktion durchzuführen. Diese hat uns alle sehr in Anspruch genommen. Natürlich führe ich viele Telefonate mit Sponsoren und Agenten – das früher intensiver, als das in einer normalen Saison der Fall gewesen wäre.
Am 27. April haben sich die Clubs der BBL virtuell „getroffen“ und entschieden, dass die Saison in einem Turnier mit zehn Mannschaften fortgesetzt werden soll. Der SYTAINICS MBC hat sich gegen eine Teilnahme entschieden. Haben dafür ausschließlich wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt? Oder gab es auch andere Aspekte?
Sicherlich waren wirtschaftliche Aspekte ein Hauptargument. Auf der anderen Seite war ich der Meinung, dass – wenn man Playoffs spielt – auch die besten Mannschaften der Liga teilnehmen sollten. Mein Vorschlag – und auch der einiger Kollegen – war, dass man ganz klar die Zahl Acht für diese „Festival-Playoffs“ – oder wie man die auch bezeichnen will – hätte nehmen sollen. Da hätte man eine Verbindung zu den ursprünglichen Playoffs gehabt. Das wäre für die Leute verständlicher gewesen, auch was die Wertigkeit anbelangt.
Am Ende kann ich genauso gut nachvollziehen, dass es Clubs wie Frankfurt gibt, für die aus wirtschaftlichen Gründen die Teilnahme am Wettbewerb wichtig ist. Für uns kam das nicht in Frage. Wir sind Tabellensechzehnter und haben den Klassenerhalt geschafft. Wir sind sportlich weit davon entfernt gewesen, über das Thema Playoffs nachzudenken.
„Die Gefahr wäre gewesen, dass der BBL und den Clubs Gelder in Millionenhöhe verloren gegangen wären“
Über diese Entscheidung gibt es in der öffentlichen Diskussion unterschiedliche Meinungen. Einige sprechen von einer Sonderrolle, die der Sport im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen einnimmt. Hat dies auch eine Rolle gespielt?
Auch im Sport ist das Wichtigste – und das ist auch Beschlusslage der BBL vom 27. April –, dass die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten im Vordergrund steht. Wenn diese nicht garantiert werden kann – sprich, wenn Mitarbeiter oder Sportler in Gefahr gebracht werden –, dann wird dieses Konzept, das die BBL gerade erarbeitet, auch nicht von den Behörden genehmigt werden. Dann finden mit Sicherheit auch keine Spiele statt. Dementsprechend gilt für Sportler das gleiche wie auch für andere Arbeitnehmer.
Es ist auch notwendig, dass man genau wie in anderen Branchen schaut, dass dieser Wirtschaftszweig nicht kaputt gehen darf. Die Gefahr wäre gewesen, dass der Basketball-Bundesliga als Organisation und damit auch den beteiligten Clubs Gelder in Millionenhöhe verloren gegangen wären, wenn man die Saison beendet hätte bzw. man nicht alles dafür tun würde, um noch Spiele durchzuführen. Das wäre ein nachhaltiger Rückschritt für die Liga.
Ähnlich wie im Fußball: Wenn es die Gesundheit und die Sicherheit erlaubt zu spielen, dann sollte man das auch tun. Auch wir wollen irgendwann wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren, unsere Jobs ausführen, unsere Leidenschaft erleben und an die Menschen draußen bringen. Das alles, wie schon mehrfach gesagt, unter dem Aspekt der Gesundheitssicherung.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir erst in einem Jahr wieder Basketball-Bundesliga durchführen“
Kommen wir zurück zum MBC. Durch die Entscheidung der Liga ist klar, dass der MBC auch in der kommenden Saison in der ersten Basketball-Bundesliga spielen kann. Nun hat sich Puraglobe zum MBC bekannt. Ihr habt aber auch immer wieder betont, dass die vielen anderen Sponsoren auch eine wichtige Bedeutung haben, um das Budget zusammenzubekommen. Wie sind die Signale der anderen Sponsoren?
Bisher muss ich sagen, dass zumindest die Gespräche, die ich geführt habe, durchweg positiv sind. Alle haben gesagt, dass sie zum MBC stehen. Das Problem ist, dass ich als MBC den Sponsoren aktuell noch nicht ganz so viele Sachen versprechen kann. Für Sponsoren geht es auch um das Erlebnis in der Halle: dass da Menschen sind, die unsere Spiele feiern, mit uns mitfiebern und natürlich die Auftritte der Sponsoren wahrnehmen. Die Sponsoren selbst kommen auch gerne in die Halle und genießen die Atmosphäre. Ich weiß nicht, wann das hier weitergeht, wieder Leute in die Halle dürfen oder wann die nächste BBL-Saison überhaupt stattfindet. Solange das so ist, macht es die Gespräche sehr, sehr schwer.
Es gibt allerdings, wie von Puraglobe oder anderen Partnern, klare Aussagen wie: „Wir sind in eine Situation gekommen, für die der MBC 0,0 kann. Wenn die nächste Saison zum Teil oder im Worst Case komplett ohne Zuschauer ausgetragen werden würde, dann stehen wir trotzdem zu euch; auch wenn wir es sehr vermissen werden, in die Halle zu gehen.“ Trotzdem ist der MBC ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität hier und die Orientierung der Menschen in Mitteldeutschland. Das gibt uns natürlich auch Hoffnung, dass hoffentlich so viele Sponsoren wie möglich sagen: „Unabhängig davon, wann wieder Leute in die Halle dürfen, wollen wir, dass der MBC nächste Saison spielt.“ Ob das dazu reichen wird, das Sponsorenbudget bei 100 Prozent, 50 Prozent oder bei welcher Zahl auch immer zu halten, können wir jetzt noch nicht sagen. Das werden die nächsten Gespräche ergeben.
Am Ende bringt jeder Tag auch neue Herausforderungen mit neuen Verordnungen mit sich. Ich denke, es wäre für uns als MBC und für die BBL trotz aller Bedeutung der Zuschauereinnahmen sehr schlecht, wenn wir uns für ein Jahr oder für einen sehr langen Zeitraum komplett mit unserem Wettbewerb aus der Öffentlichkeit zurückziehen: Damit verschwinden wir in der Bedeutungslosigkeit. Das können wir uns nicht erlauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir erst in einem Jahr wieder Basketball-Bundesliga durchführen. Irgendwann ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben. Wenn wir nicht spielen, werden am Ende auch Sponsoren nicht bezahlen. Dann ist infrage gestellt, wie lange wir uns als Club es noch leisten können, unsere Mitarbeiter zu behalten. Das will ich unter allen Umständen natürlich vermeiden.
Du hast es vorhin schon angesprochen: Ihr habt eine Crowdfunding-Aktion mit einem Zielwert von 85.000 Euro ins Leben gerufen – einer sehr hohen Summe, welche sogar übertroffen worden ist. Habt ihr eine Auswertung gemacht, wie sich die Spender zusammensetzten? Um wieviele Unternehmen und Privatleute es sich handelt, und aus welchen Regionen sie stammen?
So eine prozentuale Auswertung haben wir nicht gemacht. Auch wenn zwei von den großen Paketen gekauft worden sind, wurde die große Masse von den rund 97.000 Euro von Privatmenschen gezahlt. Das ist klar feststellbar. Sehr offensichtlich ist, dass die Aktion deutschlandweit für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Es gibt eine große Zahl an Partnern, die uns nicht nur aus der Region Mitteldeutschland unterstützt haben; es gibt auch Menschen aus Österreich und Belgien, die sich beteiligt haben. Wir haben uns auch gefreut, dass Nelson Weidemann aus Bamberg ein Paket gekauft hat. Da gibt es ein positives Feedback.
Wenn man jetzt schaut, wieviele Teams nachziehen, die Aktion auf dem gleichen Portal durchführen und welche Pakete sie anbieten, dann kann man schon sagen, dass wir ein bisschen Ideengeber waren. Wenn ich mir die Pakte angucke – sei es bei Jena, Tübingen, Braunschweig und anderen –, ist es spannend zu sehen, wie sich die Pakete gleichen. Auch die Kreativität, die unsere Mitarbeiter an den Tag gelegt haben, hat guten Anklang gefunden.
„Das ist ein überragendes Zeichen der Identifikation mit dem SYNTAINICS MBC“
Über 11.000 Euro gehen an die Nachwuchsarbeit. Nun hat man weniger den Einblick, wie diese Summe im Verhältnis zum Gesamtbudget der Nachwuchsarbeit steht. Ist es auch nur eine Unterstützung, z.B. für die Trainer, die bezahlt werden müssen? Oder ist es für den Nachwuchs eine große Summe?
Wir geben ca. 250.000 Euro für Nachwuchsarbeit aus. Da machen 11.000 Euro schon einen erheblichen Anteil aus. Nun haben wir uns entschieden, dass der Überschuss in die Weißenfelser Nachwuchsarbeit gehen soll, also an den MBC e.V. Der MBC e.V. wird dadurch in die Lage versetzt, auch in der Corona-Krise seine fortlaufenden Verbindlichkeiten zu erfüllen. Das ist auf jeden Fall ein gutes Signal für die Zukunftssicherung unseres Nachwuchsvereins.
Ihr habt kürzlich eine Pressemitteilung bezüglich der Rückerstattung von Ticketpreisen herausgegeben. Wie groß waren im Vorfeld dieser Pressemitteilung die Zahl der Rückmeldungen, auf die Rückerstattung verzichten zu wollen?
Beim Thema Dauerkarten kann man sagen, dass die Zahl der Menschen, die eine Rückerstattung bei der Dauerkarte wollen, bei allen Dauerkartenkäufern einstellig ist. Das haben wir schon vor mehreren Wochen verbindlich abgefragt. Das ist ähnlich wie die Crowdfunding-Aktion für uns ein überragendes Zeichen der Identifikation mit dem SYNTAINICS MBC, wenn nur eine einstellige Zahl von Menschen sagt, dass sie eine Rückerstattung wollen. Wir haben eine pauschale Rückerstattung in Höhe von 25 Prozent angeboten. Alle anderen verzichten größtenteils komplett oder haben ein Angebot über eine reduzierte Dauerkarte in der nächsten Saison angenommen. Das hat uns auf jeden Fall auch sehr geholfen.
Jetzt geht es darum, für die letzten sechs Spiele, bei denen teilweise der Vorverkauf schon angefangen hatte, eine faire Lösung für die Käufer zu finden – insbesondere für das Gießen-Spiel, das einen Tag vor dem Spiel abgesagt wurde, und auch für das ALBA-Spiel, bei dem auch schon einige Tickets verkauft waren. Die Online-Ticket-Käufer haben die Möglichkeit, das mit dem Online-Anbieter zu erledigen; alle anderen, die in den Vorverkaufsstellen gekauft haben, direkt über die MBC-Geschäftsstelle. Auch da hoffen wir natürlich auf eine Rückendeckung unserer Fans, auf die Rückerstattung der Tickets zu verzichten oder unser Angebot über eine Gutscheinlösung für Dauerkarte, Einzelticket oder Fanshop-Artikel anzunehmen, um uns in der aktuellen Lage im Bereich Liquidität das Leben nicht schwerer zu machen.
Wir haben beim letzten Mal über die Vermarktung der Namensrechte der Stadthalle gesprochen. Das würde dem MBC dringend benötigtes Geld einbringen. Wie ist da der Stand?
Da muss man ehrlich sagen, dass uns die Corona-Krise überhaupt nicht hilft. Diejenigen, die ein solches Namensrecht erwerben, wollen natürlich, dass Zuschauermassen in die Halle schwärmen. Danach sieht es erstmal greifbar nicht aus. Das ist ein Thema, dass wir erst einmal hinten anstellen. Ich glaube nicht, dass wir es leicht haben werden, diese Namensrechte zu veräußern, bevor sich nicht die Weltwirtschaftslage bzw. die Wirtschaftslage in Deutschland wieder beruhigt hat. Das ist durch die Corona-Krise keine greifbare Sache geworden.
Laut der Mitteldeutschen Zeitung plant ihr nächste Saison mit einem geringeren Budget, u.a. auch ohne Zuschauereinnahmen. Habt ihr mehrere Szenarien (mit und ohne Zuschauer) durchgespielt? Oder plant ihr mit dem Worst-Case-Szenario?
Momentan warten wir auf Vorgaben der BBL in Bezug auf das Lizensierungsverfahren. Dort müssen wir verschiedene Szenarien auch darstellen. Das Worst-Case-Szenario, dass über die gesamte Saison null Zuschauer in die Halle kommen, können wir nicht ausschließen. Natürlich wünschen wir uns das nicht. Damit verbunden wäre natürlich, dass es über den eigentlichen Rückgang des Sponsorings auch noch einmal Einschnitte geben kann, wenn – wie vorhin gesagt – keine Zuschauer und die Sponsoren selbst nicht in die Halle können.
Das sind sicherlich Szenarien, die wir hier alle intern durchrechnen und durchplanen. Dies ist vor allem auch bedeutend in der Planung für die Verpflichtung von Spielern und Trainern oder anderen Sachen, die wir uns als Club leisten können oder eben nicht mehr leisten können.
„Wir wollen gerne mit Silvano Poropat zusammenarbeiten“
Zurück zum Sportlichen: Die Nachricht des Klassenerhalts war bisher immer der Punkt, bei dem der MBC angefangen hat, über den Kader für die kommende Saison intensiver nachzudenken und auch die Verhandlungen zu intensivieren. Wie sieht es bezüglich der Verhandlungen bei Trainer und Spielern aus?
Das große Problem ist ja wirklich, dass wir beim Budget nur nach Gefühl und weniger nach Fakten handeln können. Das ist eine gefährliche Situation. Wir wollen das Risiko nicht überstrapazieren. Aber wir müssen natürlich trotzdem ein bisschen in die Zukunft schauen und werden jetzt nicht plötzlich anfangen, alle Operationen einzustellen.
Wir wollen gerne mit Silvano Poropat zusammenarbeiten, auch in dem Team mit Aleksandar Scepanovic. Allen ist bewusst, dass sich unsere wirtschaftliche Lage, wie auch beim Rest der Liga, nicht verbessern wird. Dennoch habe ich das Gefühl, dass bei Silvano auch eine gewisse Bereitschaft da ist, darüber wieder intensiver zu sprechen. Ich hoffe, wir sind da dieses Jahr erfolgreicher als vergangenes Jahr. Davon wird am Ende viel abhängen, mit welchen Spielern wir sprechen, welche Optionen wir bei den Spielern nutzten wollen und wie wir uns sportlich für die neue Saison neu aufstellen.
Klar ist natürlich, dass wir mit dem sportlichen Verlauf dieser Saison nicht zufrieden sein können. Hierfür gibt es viele Gründe, die wir da analysieren müssen und angehen werden, um im nächsten Jahr möglichst aus unseren Rahmenbedingungen mehr rauszuholen, als wir das diese Saison getan haben.