Bastian Doreth: „Was, wenn es das Berufsbild des Profibasketballers nicht mehr gibt?“

Welche Bedenken haben Spieler (immer noch) hinsichtlich des BBL-Turniers? Warum benötigt es eine Gewerkschaft? Und wie ist die Atmosphäre bei Spielen ohne Fans? Diese Fragen beantwortet Bastian Doreth im Interview. Der Guard von medi bayreuth erklärt zudem, warum er Angebote anderer Teams für das Turnier abgelehnt hat.

basketball.de: In der basketballlosen Zeit sind viele Klassiker-Spiele hochgeladen worden – sei es aus der BBL, NBA, EuroLeague oder von Nationalmannschaftsturnieren. Hast du dir irgendwelche dieser Spiele angesehen?

Bastian Doreth: Um ehrlich zu sein: nein. Mir fällt es schwer, Spiele anzuschauen, bei denen ich das Ergebnis schon kenne oder ich mich sogar an einzelne Szenen erinnern kann. Das verliert ein wenig an Reiz. Schon eher schaue ich mir ältere Highlights oder Mini-Movies von den NBA-Finals an.

Wenn du die Wahl hättest, und ein Spiel aus deiner Karriere gestreamt werden würde, was sich die Leute unbedingt ansehen müssten: Welches Spiel würdest du auswählen?

(überlegt) Das ist schwierig zu beantworten. Ein Highlight für mich war die Playoff-Serie 2014 mit den Artland Dragons, als wir in der ersten Runde Bamberg rausgehauen haben – das war ziemlich cool. Sicherlich war auch der Heimsieg mit Bayreuth gegen die Bayern im April 2017 ganz gut. Aber so ein einzelnes Highlight-Spiel kann ich nicht wirklich nennen – leider Gottes waren bei mir keine Finals dabei.

An die Serie gegen Bamberg musste ich auch denken. Nach vier Meistertiteln Bambergs in Folge habt ihr in gewisser Hinsicht die Fleming-Ära beendet.

Definitiv. Und wir sind ja als der krasse Underdog in die Serie gegangen. Hätten wir im Halbfinale das erste Spiel in Berlin gestohlen, wo wir kurz davor standen, hätten wir auch noch die Chance gehabt, ins Finale einzuziehen. So war eben im Halbfinale Schluss. 

Lass uns über die aktuellen Entwicklungen in der BBL sprechen. Die bayerische Landesregierung hat am 19. Mai das Turnier zur Saisonfortsetzung genehmigt. Was überwiegt bei dir: die Freude, das wieder Basketball gespielt werden wird? Oder gewisse Bedenken, weil es seitens der Spieler Fragen hinsichtlich der Gesundheit gibt?

Es sind gemischte Gefühle. Sicherlich werden bis zum Turnier – oder sogar bis nach dem Turnier – noch gewisse Sorgen vorhanden sein, weil man gewisse Dinge noch nicht abschätzen kann: Man weiß nicht, ob irgendwelche Coronafälle auftreten werden; und man weiß derzeit auch nicht, welche Langzeitschäden bei Sportlern auftreten könnten, wenn sie Corona haben oder bekommen sollten und dabei Leistungssport betreiben.

Ich hoffe natürlich, dass sich die Mannschaften und Spieler ordentlich vorbereiten können, damit das Verletzungsrisiko so gering wie möglich ist. Das Hygiene- und Sicherheitskonzept der Liga empfinde ich schon als sehr gut – sonst hätte es die bayerische Landesregierung auch nicht abgeknickt. Natürlich wäre es erfreulich und wichtig, wenn sich die finanzielle Situation etwas entspannen würde. Es wird wahrscheinlich ein weiterer Schritt zurück zur Normalität sein.

„Die Liga hat es von sich aus nicht für nötig gehalten, die Spieler miteinzubeziehen. Dann musste der erste Schritt eben von der Spielerseite kommen“

Wie kam es eigentlich dazu, dass du die Interessen der Spieler vertrittst und mit der Liga kommunizierst?

Als die Corona-Krise begonnen hat, haben sich die Mannschaftsvertreter bzw. ein, zwei Spieler aus jeder Mannschaft mit anderen Spielern zusammengetan und sich ausgetauscht. Aus verschiedensten Kreisen kamen nämlich immer wieder Gerüchte auf, wie die Vertragssituationen einzelner Spieler aussehen – das hat die Spieler verunsichert. Wir haben uns in einem Chat immer wieder über den Stand der Dinge ausgetauscht – weil wir ja auch keine offizielle Gewerkschaft haben. So haben wir auf diesen Weg zusammengefunden, was ganz positiv war.

Als es dann die ersten Anzeichen gab, dass eventuell ein solches Turnier stattfinden wird, waren auch gewisse Bedenken bei den Spielern vorhanden – über die wir auch in diesem Chat kommuniziert haben. Es hat sich herauskristallisiert, dass man mit der Liga eine Kommunikation aufbauen sollte – die Liga hat es von sich aus nicht für nötig gehalten, die Spieler groß miteinzubeziehen. Dann musste der erste Schritt eben von der Spielerseite kommen…

Und da kamst du ins Spiel?

Genau. Das hat sich einfach so ergeben, ich habe mich nicht groß in den Vordergrund gestellt. Ich bin ja auch der Athletensprecher beim DBB und stehe in einem engeren Kontakt mit Sascha Leutloff und Joe Herber, die für den Athleten Deutschland e.V. arbeiten: einer Gewerkschaft für die Kaderathleten. Sie sind mir mit professionellem Rat zur Seite gestanden.

Es wurde von den anderen Spielern auch begrüßt, dass das jemand macht, der selbst nicht beim Turnier spielen wird – zu diesem Zeitpunkt war klar, dass medi bayreuth höchstwahrscheinlich nicht am Turnier teilnehmen würde – und der einen anderen Blickwinkel auf die Sache hat.

Die Kommunikation läuft jetzt wirklich gut. Ich habe bei der Liga einen Ansprechpartner und Kontakt zu einem Spieler aller Teams, die mitspielen werden. Wenn es offene Fragen gibt, werden die praktisch an mich gerichtet, und ich kommuniziere mit der Liga.

Ein Kritikpunkt, den du gerade genannt hast, war die unzureichende Kommunikation, die sich anscheinend verbessert hat. Bedenken hinsichtlich der Langzeitschäden werden sich bis zum Turnierstart wohl nicht ausräumen lassen, weil es noch nicht sehr viele Studien gibt. Aber gibt es weitere Punkte, die ihr vor dem Turnierstart mit der Liga noch besprechen und klären wollt?

Was das Sicherheitskonzept betrifft, ist das alles schon sehr positiv. Auf der anderen Seite ist eine Menge Selbstdisziplin bzw. Verantwortung von den Spielern nötig. Es ist natürlich im Interesse aller, dass sich keiner ansteckt. Ich persönlich und auch die meisten Spieler haben keine wirkliche Angst vor dem Coronavirus – aber wie gesagt weiß man nicht, wie längerfristigen Folgen für Hochleistungssportler aussehen könnten. Von daher hoffe ich, dass jeder verantwortungsvoll mit der Situation umgeht.

Am Anfang bestand ja das Gerücht, dass die Spieler vier bis sechs Wochen isoliert werden und gar nicht aus dem Hotel herauskommen würden – so ist es ja nicht. Und in der Vorbereitungsphase werden sie ganz normal zuhause wohnen. Auch da ist es wichtig, dass jeder ordentlich mit der Situation umgeht. Wenn sich jemand oder mehrere Spieler anstecken würden, könnte das ein Imageverlust sein und das Ganze ins Wanken bringen. So ein wenig hat man das ja auch beim Fußball gesehen.

„Es ist definitiv ein erhöhtes Verletzungsrisiko vorhanden“

Welche Bedenken gibt es noch?

Ein wenig, was die Vorbereitungszeit betrifft, dort gibt es unterschiedliche Voraussetzungen. Ich glaube, es gibt Mannschaften, die werden hierbei keine Probleme haben, weil sie so gut wie durchtrainiert haben. Dann gibt es Mannschaften, die neu zusammengewürfelt sind und bei denen sich vielleicht nicht jeder Spieler in einem top-fitten Zustand befindet. Ich weiß nicht, ob demnach die Vorbereitungszeit nach so langer Pause ausreichen wird, um so viele Spiele innerhalb so kurzer Zeit zu absolvieren.

Was die Liga hierbei allerdings gut gemacht hat, ist die medizinische Betreuung vor Ort: Es werden immer ein oder zwei Ärzte im Hotel anwesend sein. Und wenn etwas Schlimmeres passiert, wird man sich auch außerhalb in einer der besten Sportarztpraxen Deutschlands oder sogar Europas behandeln lassen können. Das ist im Sinne der Spieler.

Wir wollten noch etwas anderes ins Rollen bringen – das hat aber nicht geklappt, weil seitens der Ansprechpartner die Verantwortung ein wenig weggeschoben worden ist: das Thema Versicherungsschutz. Natürlich läuft während des Turniers alles über die Berufsgenossenschaft, aber das ist nicht ganz ausgereift – weil es eben bis jetzt keine Fälle gibt, bei denen sich jemand mit dem Coronavirus infiziert hat. Wenn es während des Turniers passiert, wäre das natürlich auch so etwas wie ein Arbeitsunfall. Aber was passiert danach? Wie sieht die langfristige Absicherung des Spielers aus? Deswegen hätten wir gerne einen zusätzlichen Versicherungsschutz für die Spieler gehabt – gerade für die Spieler, die keinen Anschlussvertrag haben und danach vertragslos werden. Ich denke schon, dass ein erhöhtes Verletzungsrisiko vorhanden ist. Es wäre fatal, wenn sich ein Spieler so stark verletzt, dass er für die kommende Saison ausfällt – und damit einen hohen finanziellen Schaden tragen würde.

Das sind die Dinge, über die man gerne noch einmal reden würde. Allerdings ist das aus unserer Position auch etwas schwierig, da wir keine offizielle Gewerkschaft sind und die Liga sagt, jeder Spieler bzw. jeder Verein sei für sich selbst  verantwortlich. In diesem Punkt sind wir noch nicht weiter gekommen – und ich weiß nicht, ob wir überhaupt noch zu einem Ergebnis kommen werden.

Über das erhöhte Verletzungsrisiko nach so einer langen Pause bzw. einer Vorbereitung unter nicht normalen Bedingungen habe ich auch mit Marcus Lindner, dem Athletiktrainer von UNICS Kazan, gesprochen. Er meinte, dass sechs bis zwölf Wochen ein verantwortungsbewusster Ansatz seien.

Ich habe auch mit mehreren Mediziner gesprochen: Es ist definitiv ein erhöhtes Verletzungsrisiko vorhanden. Allerdings verstehen wir natürlich auch die Seite der Liga: Es ist einfach nicht mehr Zeit vorhanden, das Turnier muss in diesem Zeitraum stattfinden. Es bleibt zu hoffen, dass sich jeder Spieler einigermaßen gut fit gehalten hat und heil aus der Sache herauskommen wird.

Die spanische Liga will ihre Saison auch fortsetzen. In einer anonymen, von der Spielergewerkschaft durchgeführten Umfrage sprachen sich 68 Prozent der beteiligten Spieler gegen eine Fortsetzung aus. Was denkst du, wie eine solche anonyme Umfrage unter BBL-Spielern ausfallen würde?

Ich weiß nicht genau, wie in Spanien die Umsetzung aussehen soll, aber ich glaube, dass eine solche Umfrage in der BBL nicht so krass ausfallen würde. Ich kann mir vorstellen, dass es ein geteiltes Ergebnis wäre: 50:50.

Dadurch, dass man nun Einblicke bekommen hat, hat sich die Lage schon etwas verschärft. Bevor wir Spieler mehr Informationen von der Liga erhalten haben, so denke ich, hätte sich eine deutliche Mehrzahl dagegen ausgesprochen. Ich glaube, dass immer noch viele Spieler dagegen sind. Man sieht ja, dass manche Spieler definitiv nicht zurückkommen werden; vielleicht wird es auch deutsche Spieler geben, die aus unterschiedlichen Gründen nicht spielen wollen.

Ich finde, man darf Spielern aber auch keinen Vorwurf machen, die absagen oder die ihre Mannschaft fragen: „Ist es okay, wenn ich nicht mitspiele?“ Man sollte einfach offen darüber sprechen. Wenn man sich nicht zu 100 Prozent sicher ist, sollte man es auch nicht machen. Es wäre schön, wenn die Mannschaften dann auch Verständnis haben und nichts forcieren.

Nun handelt es sich gerade um eine außergewöhnliche Situation, die wir alle noch nicht erlebt haben. Wäre die Corona-Pandemie nicht aufgetreten: Gäbe es trotzdem Gründe, warum es eine Gewerkschaft benötigt?

Letztlich ist eine Gewerkschaft auch dafür da, um sicherzustellen, dass gewisse Standards umgesetzt werden. Eine Gewerkschaft soll auch eine Anlaufstelle für die Spieler sein, wenn Regeln oder im schlimmsten Fall Gesetze verletzt werden. Man hört immer wieder Gerüchte von verschiedensten Problemen: wie, wenn ein Spieler vom Verein eine Strafe erhält, die er aber nicht für richtig hält.

Gerade ist die Situation extrem, deswegen ist der Schrei nach einer Gewerkschaft auch  extrem laut. Allerdings muss man sagen, dass in Deutschland die Standards extrem hoch sind und von den Vereinen sowie der Liga sehr gut eingehalten werden. Dennoch denke ich, dass eine Gewerkschaft allein deshalb sehr wichtig wäre, weil man in der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber der Liga eine offizielle Stimme hätte: Damit würde man ein anderes Gehör bekommen und hätte auch eine Art Mitspracherecht.

„Ich hatte drei grobe Anfragen aus der Liga“

Für das Turnier können Teams zweimal nachverpflichten. Mit Thomas Klepeisz, Dylan Osetkowski (jeweils Ulm), Marvin Ogunsipe und David Brembly (jeweils Crailsheim) wechselten vier Spieler innerhalb der BBL. Wie hättest du reagiert, wenn eine Mannschaft an dich bzw. an deinen Agenten herangetreten wäre, um dich für das Turnier zu verpflichten?

Ich hatte grobe Anfragen aus der Liga. Mein Agent hat mich gefragt, ob man hierbei weiter kommunizieren sollte. Aber ich habe von Anfang an „nein“ gesagt – aus mehreren Gründen: Wenn ich für Bayreuth spiele, will ich nicht kurzfristig für einen Monat ein anderes Trikot überziehen. Zudem möchte ich in der jetzigen Situation meine Familie nicht für drei Wochen alleine lassen. Ich merke gerade, dass das eine große Herausforderung ist – da möchte ich einfach zuhause sein.

Ich bin zwar fit und halte mich auch fit, möchte aber zudem das Verletzungsrisiko nicht in Kauf nehmen, um dann möglicherweise mit Bayreuth nicht ordentlich in die nächste Saison starten zu können. Es fühlt sich für mich auch irgendwie falsch an, für so kurze Zeit den Verein zu wechseln.

Meiner Meinung nach sind die Vereine eigentlich auch tief genug besetzt, um das ohne große Wechsel zu schaffen. Es wäre auch eine Chance für junge Spieler, ordentlich Minuten zu bekommen und in die Verantwortung genommen zu werden.

Das stimmt. Zudem: Du hast über die Saison hinaus noch einen Vertrag in Bayreuth; für Spieler, deren Verträge ausgelaufen sind, ist die Situation nochmal anders. Kannst du verraten, wieviele Vereine bei dir angefragt haben?

Es kamen drei grobe Anfragen. Im Endeffekt weiß man natürlich nicht, ob das überhaupt zustande gekommen wäre. Wie du sagst, habe ich eben einen Anschlussvertrag. Ich weiß nicht mal, was Bayreuth dazu gesagt hätte. Das alles befand sich eben noch in den „Kinderschuhen“, und ich habe dem Ganzen von Anfang an eine Absage erteilt. 

Ich habe mit Spielern gesprochen, die das gemacht und nochmal ein anderes Angebot angenommen haben. Ich kann das absolut nachvollziehen – alleine schon, weil man den Sport vermisst. In vielen Fällen ist es auch eine finanzielle Sache: Wenn man auf Geld verzichten muss, will man jetzt auch nochmal Geld verdienen. Man möchte vielleicht auch die Chance nutzen, sich noch einmal zu präsentieren. Und du hast die Chance, einen Titel zu gewinnen. Der eine oder andere Spieler denkt vielleicht darüber nach, seine Karriere zu beenden – will aber nicht so aufhören, wie die letzten Spiele vor der Pause gelaufen sind. Da gibt es also ganz unterschiedliche Motive, die ich alle nachvollziehen kann. 

Die Spieler und Mannschaften, die beim Turnier dabei sind, erweisen auch einen Dienst gegenüber den Vereinen, die – auch aus guten Gründen – jetzt nicht mitmachen. Das verdient auch großen Respekt!

„Spiele ohne Zuschauerbeteiligung haben einen Trainingsspielcharakter“

Mit medi bayreuth wart ihr das letzte Team aus Deutschland, das vor der Saisonunterbrechung noch gespielt hat. Im FIBA Europe Cup gegen Cluj seid ihr im Viertelfinalrückspiel ohne Zuschauerbeteiligung aufgelaufen. Aus Testspielen kennt man solche Bedingungen, aber wie war es, eine solche Atmosphäre in einem Pflichtspiel – bei dem es für euch zudem um sehr viel ging – zu erleben?

Es ist eine ganz komische Atmosphäre. Man muss einen ganz anderen Fokus an den Tag legen. Wenn man vor Fans spielt – vor allem vor den eigenen in der eigenen Halle –, bekommt man automatisch Gänsehaut. Und das fokussiert, weil man niemanden im Stich lassen will. So hatte es schon sehr stark einen Trainingsspielcharakter, bei dem man als Mannschaft eine eigene Energie entwickeln muss. Es ist definitiv eine komplett andere Situation.

Aber jeder Spieler muss da auch Profi genug sein, um diese Energie zu entwickeln. Ich denke auch, dass das jeder Spieler tun muss, um sich selbst zu schützen: Keiner will sich schlecht präsentieren oder verletzen. Es ist also eine Menge Fokus nötig. Ich denke aber nicht, dass das ein Problem sein wird – alle Spieler werden motiviert genug sein.

Spiele ohne Zuschauerbeteiligung wird es nicht nur beim BBL-Turnier geben, sondern sehr wahrscheinlich auch zum Start der neuen Saison – sollte sie denn im Herbst beginnen. Inwieweit beeinflusst das die Spieler oder Trainer? Bezüglich der Kommunikation mit den Schiedsrichtern oder hinsichtlich Trash-Talk.

Der eine oder andere wird vielleicht schon daran denken und sich ein bisschen zurücknehmen. Ich kann mir schon vorstellen, dass die eine oder andere Emotion auf der Strecke bleiben wird. Allerdings hoffe ich, dass das jeder so handhaben wird, wie er das sonst auch tut: Sonst kommt das Ganze vielleicht nicht ganz so real am Fernsehen rüber.

Natürlich muss man ein wenig aufpassen und nicht die heftigsten Schimpfwörter verwenden – man hat ja auch eine Vorbildfunktion. Wobei das auch zum Spiel gehört. Man hat das kürzlich auch beim Fußball gesehen, dass das eine oder andere Schimpfwort gefallen ist – das gehört eben dazu. Es wäre falsch, wenn das irgendwelche Strafen zur Folge hätte.

„Diese Situation kann zwei, drei Jahre andauern“

Philipp Schwethelm hat in einem Interview mit der dpa gesagt: „Wenn Unternehmen kürzer treten müssen, werden zuerst im Sport die Kosten gestrichen“ – was auch die Spielergehälter betreffen wird. Demnach sei er „froh, eher am Ende“ seiner Karriere zu sein. Teilst du seine Meinung?

Ach… ein wenig, ja. Im Endeffekt wird man beobachten müssen, inwieweit die Märkte einbrechen bzw. wie schnell sie sich dann wieder zur Normalität entwickeln. Es ist ganz klar, dass die Gehälter aller Beteiligten sinken, wenn weniger Geld auf dem Markt vorhanden ist. Aber ich mache mir da relativ wenig Gedanken – nicht, weil ich für nächstes Jahr einen Vertrag habe, vielmehr weil: Warum sollte es bei uns anders laufen wie in der „normalen“ Wirtschaft? Wir sind letztlich auch nur ein ganz normaler Markt – wenn auch einer, der sehr stark von Sponsoren und von Zuschauern abhängig ist. Letztlich wird der eine Standort schlimmer, der andere Standort weniger stark betroffen sein. Dazu gibt es übrigens eine ganz gelungene Reportage des ZDF, die die Sportarten Eishockey, Volleyball, Handball und Basketball unter die Lupe nimmt.

Dann muss man natürlich auch beobachten, wie du angedeutet hast, wieviele Spiele es ohne Zuschauer geben wird. Vielleicht gibt es Spiele mit begrenzter Zuschauerzahl. Daran kann sich auch im Lauf einer Saison der Markt entwickeln. Vielleicht wird es auch Klauseln in Verträgen geben, in denen festgehalten wird, dass es ein relativ niedriges Niveau gibt, solange ohne Zuschauer gespielt wird. Und wenn Zuschauer wieder zugelassen werden, wird das Niveau angepasst. Ich denke, da sind verschiedene Szenarien möglich.

Es ist ganz klar, dass jeder einen Schritt zurückgehen muss, weil am Ende des Tages einfach weniger Geld vorhanden ist. Der Sport ist auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Ich denke schon, dass diese Situation zwei, drei Jahre andauern kann, ehe sie sich wieder auf dem jetzigen Stand befindet.

In der deutschen Eishockey-Liga DEL sollen „Bestandsverträge so geändert werden, dass 25 Prozent des Gehalts von einer garantierten Zahlung in eine Variable umgewandelt werden. Für Neuverträge soll das direkt so festgehalten werden“, hat der DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke erklärt. Die Variable soll an den Umsatz eines Vereins gekoppelt sein. Ein ähnliches Modell könnte ich mir auch in der BBL vorstellen.

Ja, sicherlich. Das ist aber auch wieder von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Man kann sich jetzt als Spieler überlegen, auch von meiner Position heraus: Ich habe einen bestehenden Vertrag. Pocht man jetzt auf die volle Summe und riskiert dadurch vielleicht, dass der Verein für die kommende Saison nicht so gut aufgestellt ist?

Ich denke, man muss jede Situation einzeln bewerten. Aber eine Lösung mit einer solchen Variable – dass man auf einen bestimmen Betrag verzichtet, und ein Teil wird angepasst, wenn bestimmte Szenarien eintreffen – ist sicherlich vorstellbar. Man hat ja bereits gesehen, dass so gut wie alle Spieler auf viel Geld verzichtet haben – auch von sich aus, als die Corona-Krise begonnen hat. Das war ein gutes Zeichen. Kein Spieler hat die Intention, einen Verein bzw. der Liga zu schaden. Andererseits will man natürlich nicht unnötig auf Geld verzichten, das ist auch klar.

Es ist dann schon traurig zu sehen, dass in gewissen Standorten so etwas in die Öffentlichkeit getragen wird, wie in Bamberg mit Elias Harris. Hierbei stand nie im Raum, dass er nicht auf Gehalt verzichten wolle. Dadurch, dass so etwas in die Öffentlichkeit getragen wird, wird ersichtlich, dass beide Parteien nicht die beste Beziehung zueinander haben.

Man wird sehen, wie das in Zukunft weitergehen wird. Sicher ist nur, dass sich jeder anpassen muss. Das sollte aber bei allen Beteiligten gleich verteilt werden, und nicht nur die Spieler sollten verzichten müssen.

Wieder ein Punkt, um den Kreis zu schließen, der zeigt, dass eine Gewerkschaft nicht schlecht wäre.

Ja, das stimmt. Man wird sehen, ob sich das bald realisieren lässt. Allerdings müssen dafür auch die Spieler bereit sein. Das ist im Moment der Fall. Wie es ist, wenn alles wieder relativ normal läuft, ist eine andere Frage. Wir werden das Thema Gewerkschaft aber sicherlich weiter verfolgen.

Durch diese ungewisse Zukunft und die letzten Wochen, in denen du sicherlich Zeit zum Nachdenken hattest: Hast du dir mehr Gedanken über die Karriere nach der Karriere gemacht?

Ja, klar. Wenn man sich in einer solcher Krise befindet, macht man sich natürlich Gedanken: Was, wenn es das Berufsbild des Profibasketballers in der Form nicht mehr gibt? Kann man seine Familie noch ernähren? Ich glaube, so schlimm wird es nicht kommen. Aber man macht sich schon Gedanken darüber, was man stattdessen machen würde.

Ich bin da aber noch nicht zu einem wirklichen Ergebnis gekommen – weil alles, was mir so im Kopf herumschwirrt, mit dem Berufsbild Basketball zu tun hat. (schmunzelt) Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich kann mir da wirkliche viele Sachen vorstellen: vom Hausmann… (lacht) Meine Frau sitzt gerade neben mir und schüttelt nur mit dem Kopf…