Luka Dončić: der 19-jährige Veteran
In unserer neuen Rubrik „Spieler des Monats“ nehmen wir regelmäßig einen NBA-Spieler genauer unter die Lupe. Unsere Redaktion stellt vier Kandidaten zur Wahl – und ihr könnt auf Twitter mitentscheiden. Der Akteur mit den meisten Stimmen wird von einem Mitglied unserer NBA-Redaktion analysiert. In der dritten Ausgabe setzte sich Luka Dončić deutlich gegen Paul George, Joel Embiid und Anthony Davis durch.
Die Umfrageergebnisse sind ein weiteres Indiz für den aktuellen Hype um Rookie Luka Dončić. Der 19-Jährige hat die NBA im Sturm erobert und übertrifft sich augenscheinlich von Spiel zu Spiel. Wie groß der Wirbel um den slowenischen Teenager ist, zeigt besonders das Fan-Voting für das All-Star Game: Dončić erhielt über 4,2 Millionen Stimmen und landete damit vor Stars wie Kevin Durant, Stephen Curry und Kawhi Leonard auf dem dritten Platz. Dennoch wurde er nicht zum Starter im All-Star Game gewählt, was hitzige Diskussionen bei Fans und Medien auslöste. Durch eine Nachnominierung der Coaches könnte er zum ersten Rookie im ASG seit Blake Griffin 2011 werden.
Vom Euroleague-MVP zum Draft-Steal
Wie konnte in einer halben Saison ein derartiger Hype heranwachsen? Hierbei spielt auch die (mediale) Entwicklung vor dem Draft eine Rolle. Rookies wie Trae Young oder der Nummer-eins-Pick Deandre Ayton erhielten die ganze College-Saison lang Aufmerksamkeit und steigerten damit die Erwartungshaltung bei Teams, Fans und Medien. Wohingegen dem Rookie aus Europa eher mit Argwohn begegnet wurde. Zu groß scheint in den Staaten die Angst davor, den nächsten Darko Miličić zu draften. Und das, obwohl mit Giannis Antetokounmpo einer der aktuell fünf Besten der Liga ebenfalls aus Europa kam. Und das, obwohl Dončić sein Können drei Jahre lang in der spanischen Liga ACB, einer der stärksten Ligen außerhalb der NBA, unter Beweis stellte.
Mit nur 16 Jahren debütierte er für die A-Mannschaft von Real Madrid und erarbeitete sich seine Fähigkeiten gegen erfahrene und körperlich überlegene Spieler. In der vergangenen Saison gewann er mit Real die EuroLeague und wurde sogar als MVP und Finals-MVP ausgezeichnet. Daraus ergibt sich ein großer Vorteil gegenüber US-Rookies, die am College nur auf gleichaltrige Gegenspieler treffen. Somit war der Slowene am weitesten in seiner Entwicklung – „NBA-ready“, wie die Draft-Experten es nennen. Trotzdem gab es Zweifel, allen voran an Dončićs vermeintlich mangelnder Athletik.
Step-backs und Gamewinner
Wie „NBA-ready“ der Forward tatsächlich war, erstaunte in der Liga die meisten. Zur Hälfte der Saison besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Dallas Mavericks sein Team sind. Mit 20,4 Punkten pro Partie ist er der Topscorer der Mannschaft. Doch nicht nur das: Vielmehr zeichnet ihn aus, wie er das Spiel an sich reißt und keine Verantwortung scheut. Der Teenie nimmt bereits spielentscheidende Würfe – und trifft sie. Unter anderem die Minnesota Timberwolves und Portland Trail Blazers fielen ihm schon zum Opfer.
„Am Ende des Spiels muss Luka den Ball in der Hand haben“, sagt Teamkollege und Veteran J.J. Barea über den Crunchtime-Plan der Mavs. Und das zu Recht: Der Slowene ist einer der besten Spieler ligaweit, wenn in den letzten Minuten der Sieg auf dem Spiel steht. Im Dezember war er gar der Spieler mit der besten Wurfquote in diesen Situationen.
Seine Spielweise hat viele Besonderheiten. So agiert der Forward als primärer Ballhandler, ähnlich wie Ben Simmons in Philadelphia. Auch dank seiner Größe von 2,01 Metern behält Dončić den Überblick und besticht durch tolle Übersicht, selbst wenn er von Gegenspielern gedoppelt wird. Davon profitiert häufig Center DeAndre Jordan, der Dončićs Lobs oder Anspiele aus dem Pick-and-Roll kraftvoll stopft.
Der Slowene verfügt zudem über einen butterweichen Floater, den er aus allen möglichen Positionen innerhalb der Dreipunktelinie versenkt. Generell ist er bereits recht effizient, beim PER rangiert er derzeit ligaweit im Bereich der Top-50. Die gefährlichste Waffe in seinem Arsenal stellt aber der Step-back-Dreier dar, den er in bester James-Harden-Manier über sämtliche Gegner trifft.
Natürlich hat Dončićs Spiel auch noch Makel. 5,4 Vorlagen pro Spiel sind noch ausbaufähig, ebenso seine – für Rookies typische – erhöhte Turnoverzahl von 3,2 pro Begegnung. Dazu kommt, dass er trotz guter Feldwurfquoten Probleme an der Freiwurflinie (73,3% FT) hat.
In der Defensive ist er durch seine fehlende Geschwindigkeit ein Ziel für den gegnerischen Angriff. Durch seine körperliche Robustheit schafft er es zumindest, gegen größere oder stärkere Spieler dagegenzuhalten und Post-Ups aufzunehmen. Er ergattert zudem eine hohe Anzahl an Rebounds (6,9 RpG) – und das, obwohl er mit Jordan einen der besten Rebounder der Liga in seinen Reihen hat.
Die Mavericks hat der Rookie mit seinem Spiel elektrisiert, die für eine kurze Zeit dank Dončić sogar von den Playoffs träumen durften. Mittlerweile haben sie sich in der hart umkämpften Western Conference auf Platz zwölf eingefunden. Dennoch ist die Franchise zuversichtlich, in Dončić ihren neuen Heilsbringer gefunden zu haben.
Rekorde über Rekorde
Gegen die Milwaukee Bucks legte Dončić sein erstes Triple-Double auf und wurde zum zweiten Teenager der Geschichte nach Markelle Fultz, dem dies gelang. Nur eine Woche später stellte er gegen Toronto zwei neue Rekorde auf: Mit 35 Punkten, 12 Punkten und 10 Assists ist er der jüngste Spieler, der ein Triple-Double mit über 30 Punkten auflegte. Zudem erreichte in der NBA noch kein Teenager vor ihm mehrere Triple-Doubles. Als wäre das allein nicht beeindruckend genug, gelangen Dončić diese Zahlen gegen die Bucks und die Raptors, also gegen zwei der drei beiden Teams der laufenden Saison.
Eine Ausbeute von 32 Punkten, 8 Assists und 8 Rebounds erreichten vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr nur zwei andere Spieler: LeBron James und Kevin Durant. Und sollte Dončić seine aktuellen Werte über die ganze Saison halten können, befände er sich damit ebenfalls in elitärer Gesellschaft.
Lob von allen Seiten
„Er wird ein Problem werden. Er ist jetzt schon ein Problem!“, lobte Warriors-Big Man Draymond Green den Rookie der Mavs. Es scheint, als habe Luka Dončić sich mit seinen Leistungen in kürzester Zeit nicht nur den Respekt seiner Teamkollegen, sondern auch den seiner Gegenspieler verdient. LeBron James nannte den 19-Jährigen als einen der Spieler, mit denen er gerne in einem Team zusammenspielen würde.
„Er bleibt ruhig bei allem was er tut. Er weiß, wo jeder auf dem Feld steht und was gerade gebraucht wird. Und er hat Mut. Er nimmt die wichtigen Würfe und tut alles, um ein Basketballspiel zu gewinnen“, sagte Gregg Popovich über Dončić im Rahmen des Duells der San Antonio Spurs gegen Dallas. Das Spiel entschieden Popovichs Spurs mit 105:101 für sich, Dončić hinterließ dennoch einen Eindruck bei der Trainerlegende. 25 Punkte, 8 Rebounds und 8 Assists legte der Europameister von 2017 auf. „One hell of a basketball player – and person”, lautete Popovichs Fazit.
Und Green fasst zusammen, was mittlerweile allen klar geworden ist: „Vorab stellte sich die Frage: Kann er das, was er in Europa gemacht hat, auch in der NBA machen? Er kann!“
Selbstverständlich ist auch Dirk Nowitzki voller Lob für den Rookie, der seinen Mavs soviel Hype wie zuletzt bei der Meisterschaft 2011 beschert. Vielleicht hat Nowitzki, der als Dončićs Mentor fungiert, Lust dazu, noch eine weitere Saison mit dem Slowenen zusammenzuspielen. Falls nicht, weiß er sein Team in guten Händen, bei einem Rookie, der nicht wie einer wirkt: „Er spielt mehr wie ein Veteran als ein 19-Jähriger.“ Man darf gespannt, wie die Entwicklung des Rookie-Veteranen weitergehen wird.