Steve Bittner: „Die zweite Staffel #RefEd sollte noch interaktiver werden“

Steve Bittner, Nicolas Rotter und Carsten Straube wollen die Schiedsrichter-Community stärken und ihr etwas zurückgeben: durch das digitale Projekt #RefEd. Im Interview erklären die drei Schiedsrichter ihre Idee.

Im Mai 2020 wurde #RefEd – die digitale Bildungsinitiative für Basketball-Schiedsrichter*innen von den vier Landesverbänden Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ins Leben gerufen. Die Schiedsrichter*innen konnten sich in Pandemiezeiten digital im Rahmen von Webinaren weiterbilden. Dieses Angebot wird nun vom Deutschen Basketball Bund federführend fortgesetzt. basketball.de hat dies zum Anlass genommen, um mit den Initiatoren zurückzublicken und einen Ausblick auf die zweite Staffel zu wagen, die am 3. Februar beginnt.

Rückblick: „Wir sind begeistert, wie groß die Resonanz in der Schiedsrichter-Community ist“

basketball.de: #RefEd geht in die zweite Runde. Lasst uns aber nochmal zurückgehen ins letzte Jahr. Wie kam es eigentlich zur Konstellation Steve Bittner, Nicolas Rotter und Carsten Straube?

Steve Bittner: Ich vermute stark, dass Carsten und ich als Schiedsrichterwarte von Sachsen-Anhalt und Sachsen als erstes darüber gesprochen haben, was man während der Corona-Zeit für unsere Kolleginnen und Kollegen machen kann. Nico und ich haben über die Regionalliga Südost ohnehin sehr viel Kontakt während der Saison. Wir sind beide im Fortbildungs- und Videoteam.

Dann hat eins zum anderen geführt: Sowohl die Regionalliga-Saison als auch die der Landesverbände wurden ausgesetzt. Dann haben wir drei zueinander gefunden. Wir haben Zoom entdeckt und #RefEd „erfunden“. Carsten und ich bzw. Nico und ich hätten das alleine nicht stemmen können. Habe ich das so richtig rekonstruiert?

Carsten Straube: Das hast du sehr gut rekonstruiert. Wir wollten als Verantwortliche in unseren Landesverbänden und in der Regionalliga Süd-Ost Angebote schaffen. Da man sich nicht treffen konnte, musste alles digital ablaufen. Wir haben uns relativ früh damit befasst, bevor andere irgendetwas gemacht haben. Wir wollten eine Möglichkeit für unsere Schiedsrichter*innen in den Landesverbänden anbieten. Die Resonanz war aber so groß, dass aus „für unsere Landesverbände“ dann ein „landesverbandsoffenes Angebot“ wurde.

Mit welchen Erwartungen seid ihr an das Projekt gegangen? Habt ihr die Teilnehmerzahlen so erwartet? Oder hat euch das positiv bzw. negativ überrascht?

Nicolas Rotter: Wir sind tatsächlich ziemlich unvoreingenommen reingegangen. Wir haben gedacht: erstmal das Projekt machen, und dann schauen wir einfach mal, was passiert. Wenn es 20 bis 30 Teilnehmer*innen gewesen wären, dann hätte das für uns auch gepasst. Dann hätten wir gute Arbeit gemacht und ein paar Leute weitergebildet. Wir haben am Anfang keine logistischen Überlegungen angestellt, sondern einfach darauf los geplant.

Doch irgendwann hatten wir hunderte Anmeldungen. Wir hatten von Anfang an immer einen professionellen Anspruch, erstellten dann unsere eigene Homepage und Social-Media-Kanäle. Am Ende freuten wir uns über mehr als 300 Anmeldungen bei dem ersten Webinar. Wir waren und sind begeistert, wie groß und stark die Resonanz in der Schiedsrichter-Community ist. Deswegen gibt es auch Staffel zwei. Die Nachfrage ist da.

Ist während des Projektes alles so verlaufen, wie erwartet? Oder welche Hürden/Stolpersteine gab es noch zu überwinden?

Carsten Straube: Natürlich gab es Herausforderungen und Stolpersteine. Als wir das Webinar von Benjamin Barth machen wollten, gab es technische Störungen. Zu diesem Zeitpunkt fiel in ganz Deutschland Zoom aus. Darauf mussten wir spontan reagieren. Das Gute an uns dreien ist: Von der Vorbereitung über die Durchführung bis hin zur Nachbereitung war alles professionell. Es gibt immer das Vier-Augenprinzip, wenn nicht sogar das Sechs-Augenprinzip.

Nach jedem Webinar haben wir im Anschluss entweder mit dem Referenten oder zu dritt eineFeedbackrunde durchgeführt. Dort wurde ausgewertet, was gut lief bzw. was noch besser laufen kann. Von Webinar zu Webinar haben wir kleine Feinheiten angepasst, ohne dass man das von außen vielleicht mitbekommen hat. Da hat das Teamwork extrem gut funktioniert.

Die Resonanz war so gut, dass es jetzt Staffel zwei gibt. Wir haben aus den Herausforderungen, die uns Staffel eins geboten hat, gelernt und uns weiterentwickelt. Von Online-Seminar zu Online-Seminar werden wir das auch weiter tun. Davon bin ich überzeugt.

„Auch FIBA-Kollegen aus dem Ausland haben an #RefEd teilgenommen“

Wie war das Feedback zur ersten Runde, insbesondere auch von den nicht beteiligten Landesverbänden? Ihr habt ja die Webinare verbandsoffen angeboten.

Steve Bittner: Wir haben am Anfang die vier Landesverbände Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammengeholt. Das war natürlich etwas Aufwand. Am Anfang hatten wir gesagt: „Die vier Landesverbände machen das. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter aus den vier Bundesländern können teilnehmen.“ Es kamen aber unmittelbar nach der Veröffentlichung der Idee extrem viele Anfragen von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Landesverbänden wie: „Ich habe mit meinen Kumpels geredet. Wir wollen da alle mitmachen. Was können wir dafür tun?“ Zusätzlich gab es auch Anfragen aus den Niederlanden, Dänemark, Österreich, Luxemburg und sogar Finnland, die das Projekt cool fanden und mitmachen wollten.

Wir haben uns dann relativ schnell kurzgeschlossen und #RefEd für alle aufgemacht. Die anderen Verbände haben sich gefreut, dass etwas während des ersten Lockdowns passiert. Wir haben großen Zuspruch bekommen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass das Projekt als sehr gut erachtet wird. Die Resonanz war echt gut.

Carsten Straube: Man muss dazu auch sagen, dass unter den Schiedsrichter*innen, die aus dem Ausland teilgenommen haben, auch FIBA-Kollegen waren, die sich beteiligt haben und dazulernen wollten. Das zeigt das Interesse daran, Themen zu hören, mit denen man sich sonst nicht beschäftigt. Wir greifen ja Inhalte auf, die weder in der Ausbildung noch in den Fortbildungen thematisiert werden. Wir haben Themen, die außerhalb des Spektrums laufen und mit denen man sich nicht alltäglich auseinandersetzt. Das ist auch ein Säule von #RefEd.

Nicolas Rotter: Wie du schon gesagt hast: Auf der einen Seite haben wird den FIBA-Ref, der schon jahrelange Erfahrung hat, und auf der anderen Seite ist das Spektrum relativ groß. Wir haben Kreisklasse/Kreisliga-Schiedsrichter*innen und auch Teilnehmer*innen aus den Regionalligen. Jede/r darf mitmachen. Das macht #RefEd auch aus.

Wobei diejenigen, die aus dem Ausland teilnahmen, vermutlich deutsch konnten?

Carsten Straube: Kennzeichen von Staffel eins war, dass alles auf Deutsch war. Das wird sich in der zweiten Staffel ein stückweit ändern.

Ausblick: „Wir wollen #RefEd auch ein Stück weit internationalisieren“

Ihr habt damals offen gelassen, wann und wie es mit dem Projekt weitergeht. Jetzt geht es im Februar in die nächste Runde. Welche Fragen gab es in der Zwischenzeit zu klären?

Steve Bittner: Die erste Staffel war sehr kräftezehrend – im positiven Sinne. Ich hatte manchmal das Gefühl, als würde ich halbtags für #RefEd arbeiten. Wir haben das alle ehrenamtlich gemacht. Die Fragestellung war tatsächlich: Wie können wir Kraft sammeln, um dann wieder die gleiche oder sogar noch mehr Qualität zu liefern? Das hat nichts damit zu tun, dass wir mal zwei Tage ausschlafen wollten. (lacht) Die Fragen waren eher: Wie können wir wieder tolle Referentinnen und Referenten finden? Welche neuen Themen können wir anbieten? Welche neuen Ideen gibt es? Neue Ideen kommen nicht vom „Lass mal kurz nachdenken. Ja okay, die vier Sachen“. Man braucht ein bisschen Abwechslung, etwas Abstand.

Wir haben uns auch individuell als Schiedsrichter weiterentwickelt und über den eigenen Tellerrand hinausgeguckt. Wir haben uns gefragt: Könnte dies und das interessant sein? Nico schreibt zum Beispiel seine Masterarbeit über interpersonelle Kommunikation von Basketballschiedsrichter*innen. Die Fragestellung war also: Wie können wir mit Qualität, neuen Themen, neuen Referentinnen und Referenten Staffel eins fortsetzen und eigentlich noch einen draufsetzen. Ich finde zum Beispiel auch den Trailer der zweiten Staffel von #RefEd spektakulärer als alle Trailer von Staffel eins. (lacht)

Nicolas Rotter: Ja, jetzt wollen wir das Ganze noch ein bisschen größer und attraktiver machen. Auf der anderen Seite müssen wir aber schauen, dass wir uns nicht überfordern. Keiner von uns ist Profi-Schiedsrichter. Der Beruf Profi-Schiedsrichter*in existiert in Deutschland nicht wirklich. Ich studiere und schreibe aktuell meine Masterarbeit. Steve ist mittlerweile …

Steve Bittner: … praktizierender Politikwissenschaftler.

Nicolas Rotter: Und Carsten ist …

Carsten Straube: … Lehrer, abgeordnet ins Landesschulamt.

Nicolas Rotter: Jeder von uns hat neben dem Pfeifen und Ehrenamt eine Arbeit. Wir mussten schauen, dass wir #RefEd mit unseren Berufen vereinbaren können. Mittlerweile ist das ein Herzensprojekt. Wir haben viel Arbeit hineingesteckt und sehen, dass das Ganze angenommen wird. Das tut gut.

Was ändert sich in Staffel zwei? Was können die Teilnehmer*innen erwarten?

Carsten Straube: Organisatorisch ist es so, dass die digitale Bildungsinitiative der vier Landesverbände (Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) jetzt mit dem Deutschen Basketball Bund durchgeführt wird. Der DBB hat den Hut mit uns zusammen auf. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können wieder eine Vielfalt an Themen erwarten.

Das erste Thema wird „Schiedsrichtervorbilder“ sein. Das Webinar wird von BBL-Referee Nesa Kovacevic gehalten. Wir wollen auch in den Bereich der Wissenschaft gehen. Es sind ebenfalls hochkarätige internationale Referent*innen angefragt, einige haben schon zugesagt. Das Spektrum wird thematisch herausfordernd. Wir versuchen aber auch eine Bandbreite anzubieten, mit der wir alle – von jung bzw. niederklassig bis alt bzw. höherklassig – erreichen können. Zudem wollen wir das Ganze auch ein Stück weit internationalisieren.

Es wird immer wieder davon gesprochen, dass man nach der Pandemie einige Sachen, die aus der Not heraus geboren wurden, beibehalten könnte. Wie ist eure Meinung zum Thema digitale Aus- und Fortbildung von Schiedsrichter*innen? Sollte man dies in den kommenden Jahren mehr auf das Digitale verlagern, oder haltet ihr Präsenzveranstaltungen doch zielführender?

Carsten Straube: Als Pädagoge greife ich die Bildungsfrage mal auf. Das Thema Schiedsrichterausbildung ist aus meiner Erfahrung heraus etwas, dass durch soziale Kontakte, durch das Miteinander, durch Abgucken und durch Nähe geprägt ist. Das sind wichtige Themen, die in der Schiedsrichterausbildung sein müssen. Natürlich kann man eine/n Schiedsrichter*in digital ausbilden. Es geht aber auch um Kleinigkeiten, wie das Sprechen, sofort auf Fehler zu reagieren und Gelungenes zu loben. Das physische Miteinander hat einfach Vorteile. Ich sehe die Schiedsrichterausbildung auch weiterhin in Präsenz.

Es sollte aber ein Mix aus beiden Kategorien sein. Präsenz ist wichtig, um z.B. Laufwege auf dem Feld zu üben. Das geht nicht digital. Deswegen ist #RefEd auch etwas Zukunftsweisendes. Unsere Idee ist auch, dass #RefEd neben den Ausbildungs- und Fortbildungsthemen andere Themen aufgreift, die man ergänzend bzw. weiterführend anbieten kann. Es ist ein zusätzliches Angebot.

„Digitale Formate laden stärker dazu ein, dass die Wissenshierarchie flacher wird“

Zum Abschluss vielleicht von jedem ein Statement: Was wünscht ihr euch bzw. erwartet ihr von Staffel zwei?

Nicolas Rotter: Das Projekt ist – wie du schon sagtest – aus der Not heraus geboren. Wir haben die Chance ergriffen, die Corona-Situation zu unseren Gunsten zu nutzen, um ein großartiges Projekt auf die Beine zu stellen. Wir wollen in der zweiten Staffel weiter Gas geben und möchten gleichzeitig Schiedsrichter*innen, die nicht wie wir die Chance haben, ihre Spiele zu pfeifen, ein Lernangebot und Zeitvertreib bieten. So sind sie für die Saison gerüstet, wenn sie fortgesetzt wird.

Steve Bittner: Ich erwarte von Staffel zwei, dass sie die gleiche, eigentlich sogar eine höhere, Qualität wie Staffel eins hat. Für mich persönlich ist es tatsächlich eine Herzensangelegenheit, dass man trotz der Pandemie etwas anbietet und selber dazulernt. Ich fand die Webinare als Moderator bzw. #RefEd-Teammitglied selbst auch spannend und habe oft gedacht: „Krass, darüber habe ich noch nicht oder nicht in dieser Weise nachgedacht.“ Wenn man in Fortbildungen geht, ist man meist der „Wissende“ und Lehrende. Digitale Formate laden vielleicht noch viel stärker dazu ein, dass die Wissenshierarchie ein bisschen flacher wird. Auch wenn es etwas schwieriger ist, weil sich die Leute manchmal nicht trauen, sich zuzuschalten.

Die zweite Staffel sollte noch interaktiver werden. Wir sind eine große lernende Gemeinschaft. Es bringt nichts, wenn nur zehn Schiedsrichter top sind. Es bringt etwas, wenn 10.000 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sehr gut aus- und weitergebildet sind. Das erwarte ich tatsächlich auch von Staffel zwei: dass wir uns gemeinsam fortbilden und voneinander lernen. Es kann auch sein, dass ein LSE-Schiedsrichter aus der Bezirksliga sagt: „Ach übrigens, ich habe das so gelöst.“ Und alle sagen: „Voll die gute Lösung. Da wären wir BBL-Schiedsrichter nicht darauf gekommen.“ Ich glaube, der Austausch ist extrem wichtig.

Was ich noch von der zweiten Staffel erwarte, ist, dass wir noch mehr Leute erreichen. Gegen Ende, Richtung Sommerpause, wurden es immer weniger. Ich hoffe, dass wir bei #RefEd 2.0 dauerhaft viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben, die an dem Projekt partizipieren und es auch als ihr eigenes Projekt verstehen. Staffel zwei läuft unter dem Slogan: „Von Referees für Referees“. Damit soll klar werden: Wir als DBB-Schiedsrichter machen das zwar; aber nicht für uns, sondern für alle. Gemeinsames Lernen finde ich extrem wichtig. Carsten, du hast das Schlusswort.

Carsten Straube: Ich erwarte von Staffel zwei auf jeden Fall, dass wir mehr Leute erreichen, die Interesse haben, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Der Großteil aller Schiedsrichter*innen kann aktuell nicht seinem Lieblingssport nachgehen. Mit #RefEd wollen wir einen kleinen Lichtblick geben. Wir sind bereit und wollen mit euch arbeiten. Wir wollen mit und von euch lernen. In dieser anstrengenden Zeit, in der die schönste Hallensportart der Welt nicht stattfindet – zumindest im Breitensportbereich nicht –, wollen wir Unterstützung anbieten. Wir brauchen viele Leute an der Basis, die in den Landesverbänden und in den Regionalligen aktiv sind. Daraus entstehen irgendwann in fünf, zehn oder 20 Jahren mal die Top-Schiedsrichter*innen. Auf dem Feld kann man nur bestehen, wenn man als Team arbeitet, als Einheit auftritt und sich auf den anderen verlassen kann.

Diese Grundprinzipien wollen wir auch in den Online-Seminaren vermitteln. Das wollen wir den Leuten an die Hand geben bzw. auch vorleben, in dem Sinne, dass einer von uns dreien immer moderieren wird. Es ist ja auch nicht alltäglich, dass sich Schiedsrichter, die in den Bundesligen oder international aktiv sind, für so ein Projekt auch Zeit nehmen. Wir wollen etwas zurückgeben. #RefEd steht auch symbolisch dafür, dass man Teil des Ganzen ist.

Daher freuen wir drei uns sehr, dass der Deutsche Basketball Bund das Projekt federführend fortsetzt. Zum Schluss noch der Hinweis, dass unsere Homepage wieder online ist und alle Refs über die Social Media-Kanäle des DBBs und von #RefEd selbstverständlich die aktuellsten Infos bekommen. Wir freuen uns auf viele Anmeldungen für Staffel zwei.