Malte Ziegenhagen: „Ich möchte den Kids etwas zurückgeben“

Malte Ziegenhagen plant für die Karriere nach seiner Karriere. Im Interview spricht der Flügelspieler der NINERS Chemnitz über den Spagat zwischen Profisport und Arbeitswelt sowie die Idee hinter der Bissora und der Raise Up Academy.

Im ersten Teil des Interviews spricht Ziegenhagen über seine erste Profisaison in Bayreuth, die schwerste Niederlage seiner Karriere und den aktuellen guten Mix in Chemnitz.

basketball.de: Du hast Ende 2018 deinen Master abgeschlossen und planst die Karriere nach der Karriere. Was sind die größten Herausforderungen, Profisportler und Vollzeit-Student zu sein?

Malte Ziegenhagen: Die größte Herausforderung ist einfach Zeit. Hier in Chemnitz gibt man mir diese Zeit, deswegen habe ich mich auch bewusst hierfür entschieden. Ich würde nicht sagen, dass ich besonders behandelt werde, aber da ich diese Ambitionen und Zielstrebigkeit habe, gibt man mir die Zeit und den Raum.

In den USA ist das übrigens perfekt angepasst: Man hat morgens seine Vorlesung und macht danach Sport, alles an einem Ort. Hier in Deutschland ist alles weiter auseinander. Ich muss von der Uni zur Arbeit fahren und von dort zum Training; dem Trainer ist es egal, ob ich studiere oder nicht. Der sagt einfach, „Malte, du musst morgens da sein und abends da sein. Ganz einfach“. Dann muss man dazwischen seine Vorlesungen packen, häufig muss man auch anwesend sein – dann geht das manchmal schon gar nicht.

Viele Sportler machen das über Online-Universitäten. Ich bin davon aber kein Freund: Ich muss das Skript in der Hand haben, im Hörsaal sitzen und den Professor sehen. Das hatte ich den USA so, und deswegen möchte ich das hier auch so haben.

Hier in Chemnitz habe ich mit dem Management und dem Trainer eine Vereinbarung, sie unterstützen mich auch dementsprechend. Ich musste im Rahmen meines Masters auch ein Praktikum machen. Ich habe ein junges und aufstrebendes Start-Up-Unternehmen gefunden, das mich auch in der Hinsicht unterstützt. Seitdem ich in der Firma arbeite, sind die auch total begeistert von Basketball und sogar Sponsoren geworden. Sie besuchen jedes Spiel und unterstützen mich. Das ist total schön, weil wir wie eine Familie sind. Dadurch wird der Zeitfaktor nicht zur Nebensache, aber durch alle Parteien wird es mir erleichtert.

Das junge aufstrebende Start-up-Unternehmen ist Staffbase.

Genau, ich habe dort mein sechsmonatiges Praktikum gemacht und bin anschließend als Werksstudent im Marketing und Vertrieb geblieben. Ich wollte unbedingt in dieser Firma längerfristig bleiben und arbeite nun als Junior Customer Experience Manager.

„Wenn man als Sportler nur zuhause herumsitzt, rosten die Gehirnzellen ein“

Du meintest, alle Parteien kommen dir entgegen. Wie läuft das mit der Uni, wenn ein Spiel auf einen Klausurtermin fällt?

Ich habe Glück, in Deutschland gibt es den Bund des Spitzensports. Ich habe mir auch bewusst die Hochschule Mittweida ausgesucht, weil diese Teil dieses Spitzensportbundes ist. Wir haben sehr viele namhafte Wintersportler an der Uni, wie Eric Frenzel, der schon mehrere olympische Medaillen gewonnen hat. Wir haben die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, wenn wir eine Klausur wegen des Sports nicht wahrnehmen können. Dann bekommen wir andere Konditionen und Termine.

Als ich nach Chemnitz gekommen bin, war für mich klar, dass ich studieren möchte. Ich möchte nebenbei was machen. In Bayreuth habe ich das ganze Jahr nur rumgehangen; dort habe ich zwar online meinen Bachelor fertiggemacht, wenn man als Sportler aber die ganze Zeit nur zuhause herumsitzt, rosten die Gehirnzellen irgendwann ein.

Ihr habt vormittags und abends ein Training. Das Vormittagstraining ist teilweise optional. Wie oft nimmst du an diesem dennoch teil?

Letzte Saison war das wirklich alles optional. Dieses Jahr haben wir ein Wurftraining und zwei Krafttrainingseinheiten, die man wahrnehmen muss. Das funktioniert aber sehr gut. Ich nehme das Wurftraining wahr und gehe anschließend zur Arbeit. Auch die beiden Krafttrainingseinheiten in der Woche harmonieren mit dem Job sehr gut, weil wir ja abends trainieren, dann habe ich dazwischen eine ganze Menge Zeit.

Ich finde es klasse, dass du einen Master gemacht hast, um was ging es in deiner Masterarbeit?

Es ging erstmal um Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Besonders in einem „Business to Business“-Unternehmen (B2B) wie unserem ist es wichtig, dass wir unsere Kunden für einen längeren Zeitraum an uns binden. Man kann die Loyalität mit einem „Net Promoter Score“ (NPS) messen, weil wir ein klassisches „Services as a Software“-Unternehmen (SaaS) sind, das Einjahresverträge mit den Kunden abschließt. Wenn man nur einen Einjahresvertrag hat, will man natürlich, dass der Kunde zufrieden ist und nächstes wieder zu uns zurückkommt und einen neuen Vertrag unterschreibt. Dementsprechend ist die Zufriedenheit sehr wichtig. Ich konnte anhand einer Fallstudie in meiner Masterarbeit nachweisen, dass die NPS-Methodik, die ursprünglich auf B2C-Unternehmen („Business to consumer“) abzielt, auch für B2B-Unternemen erfolgreich anwendbar ist.

Das hört sich extrem spannend an! Wie ich mitbekommen habe, hast du deinen Master auch bestanden? Wie lautet die nun die offizielle Bezeichnung?

Ja, das stimmt! Ich bin sehr glücklich, dass das alles so gut verlaufen ist. Offiziell ist das der Master of Science (M. Sc.) Industrial Management.

Du beschäftigst dich mit vielen Dingen neben dem Basketball und warst auch Teil der Bissora Academy. Wie läuft es damit?

Das ist gerade interessant, weil wir jede Menge Geld aus Chemnitz sammeln konnten. Im Benefizspiel gegen Vechta sind knapp 1000 Euro zusammengekommen. Ich war der German Ambassador und habe versucht, das Projekt in Deutschland bekannter zu machen. Das verantwortliche Team war Ende November des vergangenen Jahres für eine Woche nach Guinea-Bissau geflogen und hat dort einen Basketballcourt gebaut. Ursprünglich war die Idee, dass ich während des Nationalmannschaftsfensters mitfliege, aber das Natio-Fenster ist nur für die BBL und nicht für die ProA, weswegen das leider nicht klappte.

Ich bin eine Bezugsperson für die Kids und will ihnen etwas zurückgeben

Du hast schon viele Camps betreut. Wie kam es dazu, dass du eine eigene Academy (Raise Up Academy) gründen wolltest?

Ich habe in der Schweiz bei meinem Kumpel von der Bissora Academy hospitiert, bereits zwei-, dreimal jeweils im Sommer. In den USA war ich auch schon sehr aktiv. Während meines zweiten Jahr in Chemnitz habe ich mich gefragt, warum so etwas nicht hier stattfindet. Wir haben auch Camps, die die NINERS organisieren, aber ich wollte ein besonderes Camp, bei dem die Kids die Möglichkeit haben, die Profis „anzufassen“. Wir wollen natürlich Werte vermitteln, aber auch zeigen, dass wir als Profis auch ganz normale Menschen sind, mit denen man reden kann. Ich bin eine Bezugsperson für die Kids und will ihnen etwas zurückgeben. Ich fühle mich hier so wohl, will den Kids aus Chemnitz etwas Cooles bieten und ihnen im Sommer die Möglichkeit geben, mit einem ihrer „Idole“ (lacht) zusammenzuarbeiten. So kam die Idee der Raise Up Academy.

Ein paar enge Kumpels haben mich in Sachen Website, Logos und Flyers etc. unterstützt. Die Community hier hat mich da total unterstützt. Ich habe auch unseren Assistant Coach Steven Hutchinson miteinbezogen. Das lief alles sehr sehr reibungslos. Wir haben auch schon das Datum für dieses Jahr, die NINERS unterstützen das. Ich möchte einfach etwas zurückgeben und würde mich freuen, wenn es über die Jahre wächst.

Ein weiterer Aspekt welcher mir sehr wichtig ist, ist der kulturelle Mehrwert für die Stadt Chemnitz. Hier in Chemnitz gab es viele Unruhen, welche häufig in den Medien aufgegriffen wurde. Das Ziel der Raise Up Academy ist auch gegen den Rechtsextremismus vorzugehen. Wir möchten den jungen Kids mit einem guten Beispiel vorangehen und diesen unsere Werte, zum Beispiel, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, vermitteln. Das soll der Stadt auch helfen das positive Image weiter aufzubauen.

Zum Abschluss: Wie sieht dein Wunschverlauf der Saison aus, und was ist realistisch?

Der Verein liebäugelt wahrscheinlich schon mit der ersten Liga. Mein Ziel ist es auch, den Verein in die erste Liga zu führen. Das war schon mein Traum im ersten Jahr und auch der Grund für meine Vertragsverlängerung. Das ist auch in diesem Jahr meine Zielsetzung. Dementsprechend versuche ich, meine Jungs zu motivieren, jedes Spiel zu gewinnen. Wir haben bis jetzt das Optimum aus der Saison rausgeholt – das soll am besten auch so bleiben. Ich werde alles dafür tun, dass dieser Verein zum ersten Mal in der Geschichte in die erste Liga kommen und dort auch für längere Zeit bleiben wird!