Die neuen Positionen im NBA-Basketball

Der sogenannte „Skillball“ erobert die Liga und stellt die Fähigkeiten der Spieler in den Mittelpunkt. Hierdurch haben sich neue Rollen entwickelt, die die alteingesessenen Positionen zur Nebensache verkommen lassen.

Point Guard, Shooting Guard, Small Forward, Power Forward, Center. Seit den Anfängen des Basketballsports bis heute bezeichnen diese fünf Positionen die unterschiedlichen Spielertypen und deren Aufgabenbereiche auf dem Court.

Vom körperlich kleinsten Mannschaftsteil, dem Point Guard, der als Aufbauspieler den Ball nach vorne bringt und an seine Mitspieler verteilt, über den knapp zweiter Meter großen Small Forward, der auf dem Flügel agierend den Korb attackiert, bis zum in der Zone ackernden Seven-Foot-Center, der seine Offensive mit dem Rücken zum Korb gestaltet. So hat sich vereinfacht skizziert lange Zeit ein Basketballteam umreißen lassen.

Dabei galt zusätzlich die Grundregel, dass die durchschnittliche Körpergröße der Spieler mit der Nummernzuordnung ihrer Position (1-5) ansteigt. Ausnahmen gab es schon früher, als zum Beispiel in den 1980ern Earvin „Magic“ Johnson mit seinen 2,06 Metern, eigentlich den Maßen eines Power Forwards, den Point Guard gab. Nach Meinung vieler Experten machte er dies sogar besser als alle anderen Point Guards vor oder nach ihm.

Doch diese Ausnahmen werden immer mehr zur Regel. Vermehrt finden wir zum einen Point Guards, die die Zwei-Meter-Marke knacken, und zum anderen Center, die diese Grenze unterschreiten.

Aber nicht nur die körperlichen Attribute der Positionen haben sich verändert, auch die Aufgabenbereiche weichen heutzutage stark von ihrer ursprünglichen Jobbeschreibung ab. Der sogenannte „Skillball“ erobert die Liga und stellt die Fähigkeiten der Spieler in den Mittelpunkt. Hierdurch haben sich neue Rollen entwickelt, von denen immer häufiger die Rede ist und die die alteingesessenen Positionen zur Nebensache verkommen lassen. Die geläufigsten davon werden in diesem Artikel vorgestellt.

Klassischer Big

Jeder basketballerischen Evolution zum Trotz gibt es eine Kategorie Spieler, die zwar um ihre Daseinsberechtigung kämpft, wahrscheinlich jedoch nie vollständig aussterben wird. Der gute, alte Big Man, der im Angriff stark limitiert meist nur als Blocksteller und Abroller aus dem Pick-and-Roll agiert, auf beiden Seiten Rebounds einsammelt und in der Defensive als Ringbeschützer fungiert.

Während einige Vertreter der Seven-Footer-Zunft nach und nach ins Abseits gerieten, konnten sich manche einen festen Platz in modernen NBA Spielsystemen erarbeiten.

Rudy Gobert von den Utah Jazz ist als Mastermind der Defensive (zweifacher DPOY) ebenso wenig aus der Liga wegzudenken wie Steven Adams mit seinen knallharten Blöcken und seinem unermüdlichen Kampfgeist unter dem Korb.

Da dennoch selbst der seit Jahren beste Rebounder der Liga, Andre Drummond, und auch begnadete Shotblocker wie Jarrett Allen oft infrage gestellt werden, können wir nur gespannt sein, wie sich die Zukunft der Oldschooler in der NBA gestalten wird.

Dirk Nowitzki

Stretch-Big

Als Stretch-Bigs werden Spieler auf den historisch großen Positionen Power Forward und Center bezeichnet, die den Dreier mindestens durchschnittlich treffen und daher von Verteidigern nicht unbeachtet hinter der 7,24-Meter-Linie stehengelassen werden sollten.

Die Rolle des Stretch-Big kann in Deutschland kaum beschrieben werden ohne Dirk Nowitzki zu erwähnen. Er war nicht der erste große Spieler, der den Drei-Punkte-Wurf in sein Angriffsrepertoire aufgenommen hat, er war jedoch einer der ersten, der diese Waffe so regelmäßig und gefährlich eingesetzt hat, dass sich gegnerische Defensiven komplett umstellen mussten. Durch den daraus resultierenden Freiraum in der gegnerischen Zone entstanden völlig neue offensive Möglichkeiten.

Heute, ein paar Jahre nach Dirks kleiner „Revolution“, gehört diese Spielweise zum aktuellen NBA-Standard, und nahezu jeder Big Man sollte über einen halbwegs adäquaten Distanzwurf verfügen, um im modernen Basketball bestehen zu können.

Neben Dirk Nowitzki als Pionier sind als aktuelle Beispiele Kevin Love, Brook Lopez (der in Milwaukee den Wandel vom klassischen zum Stretch-Big vollzogen hat) oder Kristaps Porzingis zu nennen.

LeBron James Los Angeles Lakers

Playmaker

Übernimmt ein Spieler im Angriff seiner Mannschaft den Ballvortrag, sagt Spielzüge an und kreiert Abschlussmöglichkeiten für seine Mitspieler, so sprechen wir bei diesen Spielern gemeinhin vom Playmaker.

Die meisten Playmaker in der heutigen NBA sind nach wie vor auf der ursprünglich dafür angedachten Position des Point Guards zu finden. So sind Akteure wie Chris Paul oder Ricky Rubio klassische Aufbauspieler mit Pass-First-Mentalität im Stile eines Floor-Generals.

Es gibt jedoch mittlerweile immer mehr Mannschaften, in denen diese Aufgaben von Spielern übernommen werden, die auf dem Scouting Report nicht mit „PG“ gekennzeichnet sind. Als prominentestes Beispiel ist hier sicher LeBron James von den Los Angeles Lakers zu nennen. Gelistet als Small Forward, ist er seit Beginn seiner NBA-Karriere Dreh- und Angelpunkt der Offensive seiner Teams gewesen und hat somit den Begriff des Point Forwards maßgeblich mitbegründet oder zumindest erweitert.

Noch einen Schritt weiter gehen beispielsweise die Denver Nuggets, die mit Nikola Jokic ihr Spiel sogar über einen Point Center aufbauen. Als Ballverteiler am Zonenrand oder im High-Post baut er, anders als seine Playmaker-Kollegen, das Spiel nicht von jenseits der Dreierlinie auf.

Combo-Guard

Die Allzweckwaffen im Backcourt eines NBA-Teams nennt man Combo-Guard. Hierzu zählen Spieler, die sowohl den Spielaufbau bzw. Ballvortrag übernehmen, wie auch abseits des Balles, beispielsweise aus dem Catch-and-Shoot, agieren können.

Zwangsweise befand sich Devin Booker bei den Phoenix Suns in dieser Rolle, was seine Assistwerte für einen bis dato als reinen Scorer verschrienen Spieler enorm in die Höhe schnellen ließen. Andere Guards wie Donovan Mitchell oder Shai Gilgeous-Alexander fühlten sich von Beginn an etwas wohler in dieser sehr vielseitigen und anspruchsvollen Rolle.

Der derzeit wohl beste Combo-Guard ist wahrscheinlich Washingtons Bradley Beal, der sich während der langen Abwesenheit von John Wall in der jüngeren Vergangenheit das benötigte, breite Fähigkeitenspektrum eines Combo-Guards angeeignet hat.

Shooter

Als im Jahre 1979 die Drei-Punkte-Linie in der NBA eingeführt wurde, stieß sie zunächst auf wenig Gegenliebe. Es brauchte einige Zeit, bis sich der Distanzwurf als Angriffsoption etablierte, und erst vor wenigen Jahren begann der unaufhaltsame Aufstieg des „Trey“.

Die mathematischen Analysen, angetrieben von Daryl Morey (daher wird die auf den Drei-Punkte-Wurf ausgelegte Offensive auch als „Morey-Ball“ bezeichnet), ergaben eine höhere effektive Punkteausbeute, wenn die Teams und Spieler es schafften, den Distanzwurf überdurchschnittlich zu versenken. Seitdem steigt die Zahl der Abschlüsse jenseits der vom Korb 7,24 Meter entfernten Linie stetig an.

Diese Veränderung brachte Spezialisten hervor, für die diese Linie ein Art Handballkreis zu sein scheint. Bei Distanzexperten wie Davis Bertans, Duncan Robinson oder JJ Redick wirkt es, als befände sich innerhalb dieses Bereichs brodelnde Lava. Sie brauchen den Ball nicht in der eigenen Hand, bewegen sich enorm geschickt in freie Räume und zögern nicht lange, wenn sie den Ball in geeigneter Position erhalten.

Obwohl defensiv meist angreifbar, ist der reine Shooter aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten in der modernen NBA sehr begehrt, was sein Durchschnittsgehalt in der jüngeren Vergangenheit explodieren ließ.

Robert Covington

Three-and-D

Fügt man dem oben beschriebenen, puren Distanzwurfexperten überdurchschnittliche Verteidigungsqualitäten hinzu, so erhält man einen sogenannten „Three-and-D“-Spieler.

Schon seit einigen Jahren steht dieser Spielertyp bei vielen NBA-Teams auf dem Wunschzettel, wenn er sich nicht bereits im Kader befindet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Fähige Individualverteidiger wie Robert Covington oder Jae Crowder, die dazu noch den Dreier hochprozentig treffen, sind in der Lage, dem besten Flügelspieler des Gegners das Leben auf dem Court extrem schwer zu machen. Offensiv ständige Gefahr ausstrahlend, sorgen sie am anderen Ende des Feldes außerdem für jede Menge Spacing.

Während die zuvor genannten „RoCo“ und Crowder aufgrund ihrer bulligen Statur manchmal sogar defensiv auf der Fünf aushelfen, sind leichtere „Three-and-D“-Spieler vom Kaliber eines Klay Thompson öfter als primäre Verteidiger starker Point Guards eingeteilt. Da dieser Spielertyp den Ball nicht zwingend in seinen Händen braucht, macht ihn für viele Lineups umso attraktiver.

Two-Way-Player

Die Kategorie des Two-Way-Players beinhaltet aufgrund der vorhandenen Fähigkeiten der Akteure mehr oder weniger nur Stars oder Superstars der NBA: Spieler, die an beiden Enden des Courts zu herausragenden Leistungen fähig sind. Offensive Ausnahmekönner, die für sich und ihre Mitspieler Würfe kreieren, stellen gleichzeitig die defensiven Anker ihres Teams, die es mit dem gegnerischen Superstar aufnehmen.

Als prominentester Two-Way-Player und womöglich derzeit bester dieser Gattung ist sicher Kawhi Leonard zu nennen. Aber auch sein Teamkollege bei den LA Clippers, Paul George, und Miamis Jimmy Butler sind würdige Vertreter dieser elitären Gilde.

Bemerkenswert dabei ist, dass zwei der genannten Beispiele, Leonard und Butler, zu Beginn ihrer Karriere als Defensivspezialisten eingestuft wurden. Ein Kevin Durant, der diesem Spielertyp mittlerweile ebenfalls zuzurechnen ist, war in seinen jungen Jahren hingegen weniger für seine Defensive bekannt. Das alte Sprichwort „Stars werden nicht geboren, sie werden gemacht“ wird also auch im Basketball hin und wieder bestätigt.

Glue Guy

Eine Rolle, die weniger ein bestimmtes Skillset als ein besonderes Mindset benötigt, ist die des sogenannten Glue Guy.

Der Glue Guy erledigt viele kleine, aber enorm wichtige Dinge auf dem Feld, ist oft ein exzellenter Verteidiger und zusätzlich emotionaler Anführer seiner Mannschaft. Diese Eigenschaften machen ihn oft auch zum Fanliebling, da er immer mehr als 100 Prozent zu geben scheint.

Ihr enormes Selbstbewusstsein lässt für sie keine Aufgabe zu groß erscheinen. PJ Tucker von den Houston Rockets verteidigt als 1,98-Meter-Mann ohne mit der Wimper zu zucken die 2,13 Meter großen Center des Gegners. Patrick Beverley von den Los Angeles Clippers nervt seine Gegenspieler oft so penetrant, dass diese sich zu technischen Fouls oder mehr (Hallo, KD) hinreißen lassen. Und Bostons Marcus Smart macht gefühlt einfach alles, um ein Basketballspiel zu gewinnen.

Der erfolgreichste Glue Guy der letzten Jahre ist zweifelsohne Draymond Green. Ohne den DPOY von 2017 hätten die Golden State Warriors ihr damals so spezielles System nie in dieser Art umsetzen können. Fehlte Green, brach dieses System immer wieder zusammen.

Glue Guys sind meist nicht die talentiertesten Basketballer auf dem Feld, dafür jedoch fast immer die härtesten Arbeiter.

Fazit

Die genannten Rollen sind natürlich nicht in Stein gemeißelt. Oft bewegen sich Spieler zwischen ihnen, sind einer einzelnen Rolle nicht klar zuzuordnen oder füllen eine ganz andere, oft nicht klar definierbare Rolle in ihren jeweiligen Teams aus.

Superstars wie Giannis Antetokounmpo, Anthony Davis oder auch Kristaps Porzingis (bei uns unter den Stretch-Big genannt) verfügen über außergewöhnliche Fähigkeiten, die mit ihrer Körpergröße so einmalig sind, dass man sie oft als „Einhörner“ bezeichnet.

Wir befinden uns auf dem Weg zum „Skillball“, bei dem es das Ziel ist, die fünf besten Spieler aufs Feld zu bringen, unabhängig einer ihnen – aufgrund ihrer Körpergröße oder Aufgabengebiete – zugewiesenen Position.

Der langjährige Coach der Miami Heat, Erik Spoelstra, sagte schon 2012 über die Ausrichtung seines damaligen Teams: „Wir müssen diese Mannschaft aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Wenn wir versuchen, konventionell zu denken und Jungs in bestimmte Schubladen oder Positionen zu stecken, dann schränkt uns das ein. Nicht nur in Bezug auf unseren Flow, aber auch geistig. Wir haben den Begriff des [positionslosen Spiels] eingeführt, damit unsere Jungs verstehen, wie vielseitig wir sind und wie wir zu spielen haben.“ 

Noch befindet sich die Liga in der Übergangsphase zum „Skillball“, und viele Aspekte dieser Phase lassen sich nur schwer in Zahlen festhalten. Die Auswirkungen der Analytics-Revolution sind noch in vollem Gange, und viele Teams sind auf der Suche nach passenden Spielern, um „Morey-Ball“ möglichst effektiv spielen zu können.

Wir können gespannt sein, welche Spielerrollen die zukünftige Ausrichtung eines NBA-Teams weiterhin bestimmen, welche vielleicht komplett überholt und dadurch überflüssig sein werden und welche neuen, noch unbenannten Skillsets die Liga brauchen wird. Vielleicht wird es nach Abschluss dieser Phase auch nur noch die Rolle des „Basketballspielers“ geben. Lassen wir uns überraschen.