NBA Preview #2 – Boston Celtics – Ära oder Cashout beim NBA Champion?
Beim aktuellen Meister der NBA müsste eigentlich alles eitel Sonnenschein sein. Der wahrscheinlich sauberste und präziseste Umbau der jüngeren NBA Geschichte wurde schlussendlich zum krönenden Erfolg geführt in den letzten Playoffs. Sportlich gibt es wenige Hürden. Aber es gibt sie.
Dennoch steht die Traditions-Franchise am Mystic River vielleicht kurz vor einem zwischenzeitlichen Scheideweg. Die Preview zum aktuellen NBA Champ Boston Celtics.
Boston Celtics – Ära oder Cashout beim NBA Meister?
Das Flügeltandem Tatum und Brown hat sich der ständigen Infragestellung bezüglich der Spielweise und des vermeintlich fehlenden Matches entledigen können.
Der riskante Porzingis-Deal hatte (vorab..?) ein Happy End. Junge Spieler und Rollenspieler wie Pritchard, Hauser, Edel-Roleplayer Horford, Brissett und Tillmann haben sich fast ideal eingefügt. Im Falle von Pritchard lässt sich sogar ein gewisses weiteres Entwicklungspotential vermuten.
Unisono wurden auch im kompletten Roster die mentalen Hürden der Vergangenheit bewältigt und zumindest schon mal mehr Konstanz gezeigt als in früheren Playoff Runs.
Derrick White und Jrue Holiday führen das Team bravourös in strukturellem Playmaking und Defense an. Auch dürfte der Einfluß von Jrue Holiday als hidden „Locker-Room-Captain“ wahrscheinlich noch von viel größerem Wert für die langfristige Entwicklung der IMMER noch jungen Platzhirsche Tatum und Brown sein.
Coach Mazzulla müsste vorerst Ruhe haben und sich nicht mehr so sehr in Kritik wiederfinden. Kritik, die zwar meist subtil geäußert wurde, aber ob der grandiosen Kaderstruktur (und damit vermeintlich dankbar „einfachen“ Aufgabe) einen nicht minder durchschlagenden Tonfall hatte. Was man eben so über sich ergehen lassen „muss“ als NBA Coach.
Über GM Brad Stevens muss man sowieso wenig sagen. Exzellenter Oncourt Coach wird zu exzellentem Kaderplaner und dürfte über kurz oder lang zu einer weiteren Boston Legende im Sinne Auerbachs werden können.
Die Ausgangslage, recht bald auch seinen Vorgänger Danny Ainge zu überflügeln, könnte kaum besser sein. Für einen ähnlichen Status wie Auerbach dürfte der Weg noch sehr weit sein. Für den anderer Legenden des Clubs könnte er jedoch recht kurz sein. Dem modernen Mastermind der grünen Kobolde ist das absolut zuzutrauen.
Wenn Spieler auscashen wollen…
Wieso also ist nicht alles gut im good old, Boston Garden?
Es geht nicht darum, dass man die Jahre voller Teilerfolge in den Playoffs nun mit dem Titel krönen konnte. Oder das man im Grunde seit knapp 10 Jahren in jeder Offseason und zu jeder Trade Deadline mit sehr guten bis grandiosen Ideen geglänzt hat. Diese aber auch immer kritisch und sauber hinterfragt und vor allem proaktiv korrigiert hat. Und diesen Umstand ebenfalls krönen konnte mit dem Titel.
Die Probleme liegen nicht im sportlich operativen. Oder zumindest nicht per se. In diesem Bereich gibt es aber auch Themen.
Der Jrue-Contract könnte je nach körperlicher Verfassung von Holiday zu einem echt harten Bumerang werden. Zumal man im Grunde festgelegt ist auf dieses Roster, da der Jrue-Vertrag ja nicht im luftleeren Raum steht.
Der Brown und der Tatum Vertrag legen zusätzlich und endgültig ein Fundament was äußerst komplex zu managen sein wird für das Front Office. Die Grundlage für neuerliche Diskussionen wird dabei gleich mitgelegt.
Ist Brown den Vertrag wert? Wird wieder die Mär vom „nicht dribbelnden Pseudostar“ reaktiviert? Vermutlich wird hier das Thema zu 99% irgendwann aufkommen. Trotz der eigentlich nun bewiesenen Qualität im Championship-Run. Selbst die größten Kritiker müssten jetzt eigentlich langsam einräumen, dass er auch mentale Qualitäten mitbringt, die ihren Wert haben. Wie gesagt: „Müssten“.
Sollte Tatum der Step zum MVP oder zumindest ernsthaften MVP-Kandidaten nicht gelingen, wird auch er sich irgendwann einer Kritik ob seines riesigen Contracts ausgesetzt sehen. Und mit MVP ist auch im Grunde nicht die Michael Jordan Trophäe für den Regular Season MVP gemeint. Oder die Bill Russell Trophäe des Finals MVPs. Sondern die Wahrnehmung auf breiter Front. Spieler, Fans, Executives, Medien. Da geht es um die breite Wahrnehmung.
Du kannst in diesem Kontext nicht den aktuell höchsten Vertrag aller Zeiten in der NBA innehaben und dann nicht als Top 3 Spieler in Erscheinung treten. Das wird über kurz oder lang zu Unruhe führen. Im Idealfall nur mediale Unruhe die man vielleicht sogar noch ausblenden könnte. Im Worstcase kann das ein Locker Room Thema werden.
Solche Verträge in Verbindung mit der Porzingis Frage und dem Alter von Al Horford erschaffen sportliche Bottlenecks, die man erstmal umschiffen können muss, wenn man den Anspruch hat weiterhin den besten Kader der Liga haben zu wollen. Ob dies gelingt, ist in Anbetracht des neuen CBA absolut nicht automatisch und per se positiv, zu beantworten.
Das wird eine Mammutaufgabe. Boston muss eigentlich neue Schemes im Roster Managing, Trading und Contractlegung erfinden, damit man das unter großen Umständen hinbekommen könnte. Der First und Second Apron lassen munter grüßen dabei.
Porzingis muss man auch zwingend kritisch hinterfragen. Ja der Fit war in den Playoffs exzellent. Das war vorher auch schon absehbar als man für ihn getradet hat. Die große Frage war nie, ob das passen wird mit ihm, sondern immer OB er in den Playoffs zur Verfügung steht und wenn ja, wie LANGE.
Und ob Al Horford nicht “nur” mit ihm oncourt harmoniert, sondern ihn auch EMULIEREN kann, wenn Porzingis mal ausfällt. Vor allem wenn dies längere Phasen betrifft.
Aus Lettland kommen Einhörner
Boston ist sportlich zwar grundlegend seriös, sauber und einfallsreich geführt aber auch nicht unantastbar. Alleine weil die Leistungselite der Teams mittlerweile sehr verdichtet und auch mehr als genug weiteres Talent in der Liga vorhanden ist, können sich selbst die Kelten nicht deutlich genug davon absetzen. Zumindest nicht auf absehbare Dauer oder gar in Stein gemeißelt.
Porzingis fällt hier einfach per Definition eine Sonderrolle zu. Boston ohne Porzingis, oder ohne Porzingis in Form ist ein Eliteteam, das man nur sehr schwer schlagen kann. Vor allem offensiv muss man sich gegen diese Top Defense einiges einfallen lassen.
MIT Porzingis hingegen ist man nah dran an einer fast unschlagbaren Kombination aus defensiver Routine, bei hoher Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit in der Team Defense. Und einer offensiven Vielfalt, die gegnerische Verteidigungen förmlich zerreißen und fast schon geplant standardmäßig kollabieren lassen kann.
White und Jrue bringen sowohl im Playmaking als auch im Perimeter Game und PnR genug Vielseitigkeit mit, die in Kombination mit den Stars Tatum und Brown am Flügel schon enorme Probleme aufwirft. Selbst wenn es noch immer gelegentlich eigentlich klar ist, was passiert sobald einer der Beiden den Ball bekommt und noch immer zu oft der „my Possession, your Possession“ – Modus anspringt dabei.
Fügt man jedoch das Unicorn aus Lettland hinzu ergibt sich eine Mischung, die an eine chemische Reaktion erinnert. Hoch explosiv und was man in der regular Season zwar erahnen, in den Playoffs jedoch dann in voller Kraft begutachten konnte; nah dran an Unaufhaltbar. Auf jeden Fall in der letzten Saison von der Konkurrenz noch nicht zu bespielen defensiv.
Die Porzingis Frage? Oder die Porzingis Falle?
Was jedoch den Porzingis Fakt zur Porzingis Frage werden lässt, ist nach wie vor die Verfügbarkeit von ihm. Von Kritikern des Porzingis Trades bereits letzte Saison gestellt und nur halb beantwortet während der Playoffs.
Porzingis war auffällig oft out während der Playoffs. Und wenn man sich anschaut welcher medizinische Eingriff jetzt postwendend nach den Finals vorgenommen wurde, ist es naheliegend anzunehmen, dass Porzingis in vor allem den wichtigen Serien auf Kosten der Substanz gespielt hat. Durchgespielt hat durch Beschwerden.
Mal abgesehen von der damit deutlichen Beantwortung der Fragestellung, ob er „genug Biss habe und auch durch Verletzungen hindurch“ Leistung zeigen kann (ja eindeutig), so muss man schon auch mal im Hinterkopf behalten, dass dieser Run auch einen Tribut fordern könnte bei ihm.
Andersherum kann es auch sein, dass er mit dieser Operation nebst Reha nun mal endlich beschwerdefrei und vor allem auch mal über eine lange Strecke ausfallsfrei zurückkommen KÖNNTE.
…Letzteres würde ein massives Problem bedeuten für die Konkurrenz um die Larry O’Brien Trophäe…
Im Grunde ist sportlich für mindestens dieses und wahrscheinlich auch nächstes Jahr alles in bester Verfassung für die Celtics. Bis auf die Porzingis Frage und potentielle Caphold Probleme in Punkto Roster Flexibilität gibt es da wenig auszusetzen.
Wenn Owner abcashen wollen…
Während man in den letzten 10 Jahren eigentlich durchweg ein starkes Team mit starken Performances und tiefen Playoff Runs hatte. Konsequent jede knifflige Rosterfrage gut beantworten konnte. Abenteuer wie Kyrie Irving gut überstand. Selbst den moralisch, diplomatisch ausgedrückt, mindestens kniffligen Fall des Umgangs mit IT4 in der Außenwahrnehmung halbwegs gut wegsteckt hat nach einigen Jahren. Volle Heimspiele hatte.
Der Markenwert der Franchise sicherlich nicht darunter gelitten haben dürfte unter dieser Erfolgsgeschichte. Man also in bester Lage ist um eine neue Boston Celtics Ära einzuläuten. Ohne bisher massiv in der Luxury Tax gelandet zu sein.
Ausgerechnet in dieser Situation kommt das größte Fragezeichen vom Kern der Franchise selbst. Der Ownership. Die anscheinend die kommenden Jahre mit potentieller Luxury Tax (nebst etwaigem First oder Second Apron) scheut. Und direkt jetzt nach einem vermeintlichen Hoch die Franchise allem Anschein nach veräußern möchte.
Wirtschaftlich gesehen mag das eine innere Logik haben. Auch wenn man durchaus mal infrage stellen kann, ob der Wert der Franchise nach einer Ära von weiteren Erfolgen nicht auch nochmal einen Tick höher ausfallen kann als nach diesem ersten Hoch.
Man sollte auch so fair sein und festhalten, dass man bei der Luxury Tax potentiell und nach einigen Jahren der Erfolgssucht, wo man die hinnimmt, auch von extremen Beträgen sprechen muss. Das ist nicht einfach so von jedem Owner zu stemmen.
Mindestens aber muss man den Vergleich zur letzten Ära in Golden State ziehen, wo man einen Owner sieht, der zwar auch wirtschaftlich denkt aber ebenso sportlich etwas hinterlassen will. Etwas, dass über die Nullen auf dem eigenen Konto hinaus geht.
Ein neues Stadion nebst dem großen Markenwertzugewinn durch eine fast beispiellose Erfolgsgeschichte auf dem Weg dahin. Sich dabei als fast 100%-ig loyal zu dem Kernpersonal gezeigt zu haben. Auch wenn man mit Klay Thompson jetzt keine Einigung erzielen konnte. Eine Ära geprägt zu haben. Damit in die NBA Geschichtsbücher einzugehen.
Und im Vergleich jetzt zur Boston Situation nicht nur, um in die NBA Geschichtsbücher einzugehen als teuerster Franchiseverkauf aller Zeiten. Das mag in einer Welt des Renditedenkens ja Sinn machen. Aber zeigt auch, dass im Sport immer seltener Tradition bewahrt oder gar aufgebaut wird wie im Fall von Golden State.
Ja es würden Jahre der Luxury Tax anstehen. Ja durch etwaige First und Second Aprons könnte es fraglich werden, ob das automatisch in einer Ära des Erfolgs mündet. Denn selbst wenn man als Owner das Kapital dafür green lighted, heisst dies nicht automatisch, dass ein Front Office die Antworten auf die sportlichen Fragen des Kaderbaus finden kann in so einem Umfeld. Dafür ist das Schwert von vor allem dem Second Apron viel zu scharf geraten im CBA.
Die Bulls profitieren bis heute von den Jordan Jahren und haben trotz einer langen sportlichen Flaute danach ihren Markenwert unermesslich steigern können. Das Logo ist eines der bekanntesten Logos der Welt. 1998. Das liegt einfach mal 26 Jahre zurück. Dennoch profitiert man bis heute noch von dieser Ära.
Ob man sowas aufbauen kann, indem man (klein)krämerisch einige Jahre der Luxury Tax umgeht und einfach so eine Franchise, die in so einer hervorragenden Lage ist, abstößt? Würde ein neuer Owner den Mut hierfür aufbringen? Die nötige Portokasse?
Ironie der Geschichte. Die, mit den Lakers, traditionsreichste Franchise der NBA scheitert grade an der eigentlich einfachen Aufgabe genau jene Tradition zu bewahren. Denn dieser Versuch des Verkaufs wird intern für Unruhe und Unwägbarkeiten sorgen. Wenn nicht bereits jetzt schon ein Front Office ihre Aufgabe schwerer erledigen lassen.
Denn wenn wir von außen mitbekommen, dass man die Celtics verkaufen will, dann werden noch ganz andere Gespräche hinter den verschlossenen Türen geführt.
Und damit eine eigentlich tolle Erfolgsgeschichte unnötig gebremst oder gar riskiert. Der sportliche Sachverstand, der hier durch diverse Personen mühselig eingebracht wurde über mehrere Jahre.. man raubt damit potentiell die Früchte dieser harten Arbeit.
Für. Nullen. Auf. Einem. Konto. Welches sicherlich nicht komplett leer wäre, wenn man durchzieht. Sondern eben einfach nicht mehr ganz so voll. Es geht hier nicht und das ist der große Unterschied zu den Spielern. Es geht hier nicht um „Existenzfragen“ wie bei einem Isaiah Thomas. Sportler haben nur eine Halbwertszeit in der sie für sich und ihre Familien vorsorgen müssen und können.
Sondern darum ob man mit 4 Milliarden ins Plus kommt beim Verkauf. Darum geht es hier grade.
Prognose
Good End:
Porzingis kommt kerngesund und mal ohne Limits zurück. Jrue kann sein Level für weitere 2 Jahre halten und dem Front Office gelingt es den Kader zusammen zu halten und flexibel zu bleiben. Threepeat. Ära. Tatum wächst heran zu einem MVP Kaliber Leader.
Bad End:
Owner verursacht Unruhe. Porzingis nur Teilzeit Profi. Tatum schafft den letzten kleinen Step nicht zur Top 3 Gruppe der Spieler. Second Apron in absehbarer Zeit. Jrue, Brown, Tatum Contract als Sargnagel der größten Stärke der letzten Jahre. Rosterflexibilität. Dennoch in diesem Jahr, so oder so mindestens Conference Semi oder Conference Finale. Eher mehr. Von so einem „bad end“ träumen andere Teams.