So verrückt ist das Basketball-Land China!

Wenn Maxi Kleber zuletzt Spazieren ging, musste er so viele Selfie-Wünsche erfüllen wie nie. „Denn die Menschen hier in China sind super fasziniert von unserer Größe, vor allem, wenn wir als Gruppe herumlaufen“, erzählt der 2,07 Meter lange Basketball-Nationalspieler. „Dann drehen sich alle um, gucken uns an und wollen Bilder mit uns machen. Das kennt man zum Teil auch aus Europa, aber hier sind die Menschen noch ein bisschen aggressiver, was das angeht.“

1,4 Milliarden Menschen sind in China zuhause, fast alle lieben Basketball. Daher ist die Euphorie, die im Reich der Mitte herrscht, derzeit riesengroß. Zwei Wochen lang sind die besten Basketballer aus der ganzen Welt hier zu Gast, um den Weltmeister 2019 zu krönen. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen geworfen, woher die Basketball-Begeisterung rührt. Und welche Eigenheiten es bei den Fans und für die Spieler gibt.

„Es ist schon deutlich spürbar, dass es einen großen Hype um die NBA gibt“, sagt Maxi Kleber, der selbst in der nordamerikanischen Topliga für die Dallas Mavericks aktiv ist. Damit ist er einer von drei NBA-Profis, die im deutschen WM-Kader stehen. „Als wir zum Auftakt gegen Frankreich gespielt haben, war es bei der Teampräsentation enorm auffällig, dass die fünf französischen NBA-Spieler viel, viel lauter bejubelt wurden als ihre Teamkollegen“, sagt Kleber. „Und zwar, weil sie in China so bekannt sind.“

Der Mann, der diese Welle ausgelöst hat, heißt David Stern. Der heute 76-Jährige war von 1984 bis 2014 nicht nur Chef der NBA, sondern immer auch ein Vordenker. So klemmte er sich Mitte der 1980er Jahre, also kurz nach seinem Dienstantritt, eine Videokassette unter den Arm. Darauf zu sehen: spektakuläre Spielszenen seiner Liga. Damit machte er sich auf den langen Weg nach China, um einen neuen Markt zu erobern. Mit riesigem Erfolg.

Das chinesische Fernsehen war sofort begeistert, bestellte regelmäßig Videomaterial von Stern. Persönlich vorbeigebracht wird dies natürlich längst nicht mehr. Stattdessen laufen heute fast täglich NBA-Spiele live im chinesischen TV. Aufgrund der Zeitverschiebung meist morgens von 7 bis 10 Uhr. Perfektes Frühstücksfernsehen.

„Es gibt kaum ein Land, das so basketballverrückt ist wie China“, sagt die deutsche Basketball-Legende Henning Harnisch. Der Europameister von 1993 reist häufig nach Asien, weil sich sein Heimatklub Alba Berlin im Reich der Mitte stark engagiert. „Gerade weil China ein recht isoliertes Land ist“, sagt Harnisch, „finde ich es umso wichtiger für die Menschen hier, dass die Basketballwelt derzeit bei ihnen zu Gast ist“.

Auf den Straßen der acht Spielorte, in Peking, Shanghai oder Shenzhen, sind momentan viele Einheimische zu sehen, die sich ihre NBA-Trikots übergestreift haben. Von Kobe Bryant. Von LeBron James. Oder von Michael Jordan. „Bei den Chinesen dreht sich fast alles rund um Stars und Show“, sagt Harnisch, „was auch in den Hallen deutlich zu merken ist“. Das bestätigt Kleber: „Die einheimischen Zuschauer wissen oft gar nicht, wem sie bei der WM die Daumen drücken sollen. Daher bejubeln sie meistens einzelne, spektakuläre Aktionen.“

Ähnlich gestrickt ist die chinesische Basketballliga CBA. Pro Team sind dort nur zwei Ausländer erlaubt – fast ausschließlich hochbezahlte, alternde und ausrangierte Ex-NBA-Stars, die für die chinesische Liga aber viel zu gut sind. Daher legen sie meist 30, 40 oder mehr Punkte auf. Werden von den Zuschauern bejubelt. Behindern aber gleichzeitig die Entwicklung einheimischer Talente. Denn die Budgets der Klubs werden vorrangig für die US-Importe verschleudert, ohne auf nachhaltige Strukturen zu setzen.

Aus diesem Grund tat sich die Chinesische Nationalmannschaft traditionell schwer, verpasste die Zwischenrunde. „Der Druck auf die Chinesen war enorm“, sagt Harnisch, „weil die ganze Nation auf sie schaut“.

Eine außergewöhnliche Nation, die es mitreisenden Fans und Journalisten aus Deutschland anfangs sehr schwer machte. Manche bekamen ihr Einreise-Visum erst einen Tag vor dem Abflug ausgestellt. Und auch vor Ort gibt es die eine oder andere Besonderheit, die es zu beachten gilt. „Wenn wir außerhalb des Teamhotels essen, müssen wir unser Fleisch fotografieren. Darum hat unser Doc gebeten“, verrät Nationalspieler Kleber. „Anscheinend gab es schon Fälle, bei denen positive Doping-Kontrollen herauskamen, nachdem außerhalb gegessen wurde. Deswegen sollen wir alles dokumentieren.“

Für viele der deutschen Nationalspieler war es der erste Trip nach China. So auch für Maodo Lo vom FC Bayern München. „Es ist schon eindrucksvoll, wie modern und westlich angehaucht die Städte hier sind. Das hätte ich ganz anders erwartet. Das hätte auch Downtown Houston oder Downtown Las Vegas sein können“, sagt Lo und ergänzt: „Es ist schon krass, dass wir als Europäer so wenig Ahnung von einem Land haben, das 1,4 Milliarden Einwohner hat.“

Ein basketballverrücktes Land. Mit so vielen Selfie-Wünschen wie nie.