Jaleen Smith: ein MVP-Case mit Hilfe von InStat
Jaleen Smith oder Trae Bell-Haynes? Derzeit spricht vieles dafür, dass einer der beiden Guards von Überraschungsteams der BBL zum MVP gekürt werden wird. Was für Ludwigsburgs Smith spricht, zeigt eine Analyse mit Hilfe der Scouting-Plattform InStat.
Team-Bestwerte bei Punkten, Rebounds, Assists, Steals und Blocks pro Partie. Was ein Novum in der Basketball-Bundesliga sein dürfte/könnte, gelang Jaleen Smith in den ersten Saisonmonaten: Der Guard der MHP RIESEN Ludwigsburg führte seine Mannschaft in der Tat lange Zeit in jenen fünf Kategorien an.
Smiths Block-Werte sind mittlerweile etwas gesunken. Zudem ist mit Jamel McLean ein starker Rebounder neu in die Barockstadt gekommen. Dennoch: Smith hat mit dieser Boxscore-Fülle und damit Vielseitigkeit beste Eigenwerbung in Sachen MVP-Award betrieben.
Nach zwei Saisondritteln erzielt Smith durchschnittlich 17,3 Punkte (fünftbester Wert der BBL), 6,3 Rebounds (9.), 5,3 Assists (7.) – bei nur 1,7 Ballverlusten –, 1,7 Steals (3.) und 0,4 Blocks. Die Ludwigsburger rangieren mit einer Bilanz von 20-2 auf dem ersten Platz. Und stehen auch im jüngsten basketball.de Power Ranking ganz oben. Alles Argumente für eine MVP-Auszeichnung.
Das sind natürlich nur die oberflächlichen Zahlen. Gemeinhin ist es im BBL-Kosmos schwierig, über solche Statistiken hinauszugehen. Mit dem Scouting- und Analyse-Unternehmen InStat hat man die Möglichkeit, viel tiefer in den Zahlenwald vorzudringen.
InStat: Lineups, Shot-Charts… immer mit Videos
Das 2007 gegründete Unternehmen begann zunächst mit der Analyse im Fußball-Bereich, 2016 kamen Eishockey und Basketball hinzu. Mittlerweile stehen auch Handball und Futsal im Portfolio, als nächstes soll Volleyball aufgenommen werden. Die meisten Klienten sind Profimannschaften und Profiligen. „Aber auch immer mehr Basketballjournalisten und unabhängige Scouts sehen einen Mehrwert in unserem Angebot und eine Möglichkeit, InStat für ihre Bedürfnisse zu nutzen“, erklärt Ermay Duran, der „Assistant Direct of Basketball“ von InStat.
In der BBL arbeitet InStat mit rund der Hälfte der Teams zusammen – unter anderem mit den HAKRO Merlins Crailsheim. Deren Coach Tuomas Iisalo ist ein sehr zahlenaffiner Trainer und nutzt InStat unter anderem dafür, um verschiedene Lineups seines Teams und der Gegner zu analysieren.
Lineups? Ganz genau. Um zu Jaleen Smith und den MHP RIESEN Ludwigsburg zurückzugehen: Dort werden sämtliche Formationen des Teams nach der gemeinsamen Einsatzzeit aufgelistet. Man sieht, dass Smith in den 18 am häufigsten genutzten Formationen immer auf dem Parkett steht. Und 14 jener 18 Lineups haben einen positiven „+/-“-Wert!
Ludwigsburgs Starting Five aus Smith, Jordan Hulls, Yorman Polas Bartolo, Tremmell Darden und Jonas Wohlfarth-Bottermann steht in 80:18 Minuten übrigens bei +44. Das würde bedeuten, dass eine solche Formation über ein komplettes Spiel den Gegner mit 22 Punkten Differenz schlagen würde.
Mit 34,2 Minuten pro Partie ist Smith in dieser Saison der Marathonmann der BBL. Dass der 26-Jährige hinsichtlich des defensiv anspruchsvollen, da so intensiven Defensivsystems von Head Coach John Patrick auch offensiv so abliefert, ist aller Ehren wert. Wie wertvoll Smith zudem ist?
Nachdem Elias Harris (als wichtiger Gegenpol zum offensiven Guard-Terror) die Ludwigsburger in Richtung Saragossa verlassen hatte, und ehe Jamel McLean das Team verstärkt hatte, hielten die Schwaben ihre Siegesserie aufrecht und gewannen unter anderem gegen Ulm, Bamberg sowie Oldenburg. Auch dank Smith: 19,4 Punkte – bei einer Dreierquote von 39,5 Prozent –, 5,7 Rebounds, 5,3 Assists – bei nur 1,4 Ballverlusten – und 1,6 Steals erzielte der Guard in jenen sieben Partien durchschnittlich.
Jaleen Smith im Vergleich zu Trae Bell-Haynes
Schlägt man bei InStat zu Jaleen Smith nach, zeigt die Übersichtsseite neben Basic Stats, einer Short-Chart und Links zu allen seinen Spielen ein Menü zu den Kategorien „Games“, „Field Goals“, „Pick’n’Rolls“, „Skills“, „Career“, „Video Summaries“, „Compare“ und „Playtypes“ an.
Mit „Compare“ kann man Smith mit jedem anderen Spieler vergleichen. Warum also nicht mit einem anderen heißen MVP-Kandidaten, also Trae Bell-Haynes? Unter anderem kann man hier nach individuellen Offensiv- und Defensiv-Ratings der Spieler filtern. Während beide Guards ein Offensiv-Rating von 112 aufweisen, spricht für Smith das bessere Defensiv-Rating von 99 (Bell-Haynes: 103).
Dass Smith der bessere Verteidiger als Bell-Haynes ist, lässt sich auch daran festmachen, dass Smiths Gegenspieler nur 43 Prozent ihrer Würfe verwandeln. Bei Bell-Haynes sind es 46 Prozent. Mit seinen 1,93 Metern und seiner physischen Statur passt Smith gut in John Patricks Defensivsystem, weil dort auch immer wieder geswitcht wird. Die 1,00 Punkte pro Possession, die Smith im Post-up seinen Gegnern gewährt, sind für einen Guard durchaus solide. Die 0,60 Punkte pro Possession aus Eins-gegen-Eins-Aktionen sind überragend.
Derweil weist Smith einen um fünf Punkte besseren „InStat Index“ als Bell-Haynes auf. Der „InStat Index“ ist ein dynamischer und komplexer Statistikwert, der die Leistung eines Spielers bewertet. Dabei werden verschiedene Aktionen je nach Spieler unterschiedlich gewichtet, zudem wird die Leistungsstärke der Gegner berücksichtigt. Ende Februar stand Smith übrigens bei einem Wert von 264 – Ligabestwert zusammen mit Berlins Luke Sikma.
Jaleen Smith: wertvoll, da vielseitig
Unter der Kategorie „Skills“ werden je nach Spieler unterschiedliche Stärken mitsamt einem Perzentil-Wert aufgelistet, die die vergangenen 20 Spiele umfassen und sich damit auch im Saisonverlauf verändern. Bei Smith findet man Stärken wie „Clutch-Plays“, „Assisting“, „Pick-and-Rolls Handler“ oder „Draw-Foul-Rate“ ebenso wie „Three-Point-Shots defending“, „Pick-and-Roll Defending“, „Help-Defending“ oder „Defensive-Rebounding“ vor. Auch hier wird Smiths „Two-Way“-Potential als Spielmacher und Verteidiger ersichtlich. Im MVP-Diskurs wird gemeinhin gerne mal der Defensivaspekt unterschlagen.
Wählt man eines der Skills, gelangt man direkt zu einer Video-Playlist. Bei „Three-Point-Shots defending“ lassen sich beispielsweise Clips studieren, wie Smith Closeouts läuft. Die Video-Sektion ist eine der großen Stärken von InStat.
Bei der Kategorie „Field Goals“ findet man zwei Shot Charts vor, die man nach allerlei Parametern filtern kann: nach den verschiedenen Play-Types wie einer Aktion des Ballhandlers im Pick-and-Roll oder dem Catch-and-Shoot, nach contested oder uncontested Würfen, nach Dribble-Moves (wie Step-back, Jab-Step oder In-and-Out-Dribbling) oder Shot-Types (wie Jumper, Floater, Layup usw.). In der Shot-Chart werden dann alle Treffer und Fehlwürfe angezeigt – beim Klick auf das entsprechende Symbol gelangt man direkt zum Video-Clip.
Der Menüpunkt „Playtype“ führt die verschiedenen Abschlussarten auf – die in Smiths Fall zeigen, wie facettenreich und ausgeglichener als noch in der vergangenen Saison der Guard auftritt. Derweil hat sich Smith beim Sprungwurf stark verbessert: von 0,95 auf 1,18 Punkte pro Possession im Catch-and-Shoot. Und eigentlich dürfte Smith ruhiger noch häufiger in das Post-up gehen und dort seine Größenvorteile ausspielen.
Im Menüpunkt „Pick’n’Rolls“ lässt sich herausfiltern, wie Smith mit welchen Mitspielern das Pick-and-Roll läuft. Generell fällt auf, dass Smith meistens in einem High-Pick-and-Roll agiert – was auch am Ludwigsburger Offensivsystem liegt. Bei Side-Pick-and-Rolls sind die Aktionen auf beiden Seiten gleich verteilt – was für Smiths Fähigkeit spricht, das Two-Man-Game über beide Seiten zu laufen.
Smith mag derweil nicht den explosivsten ersten Schritt haben, aber bei Drives deutet der Guard an, wie entscheidend die letzten beiden Schritte in solchen Aktionen sind: wenn Smith mit langen Schritten und gegen Kontakt abzuschließen weiß.
Himar Ojeda: InStat ein „zentrales Hilfsmittel für Berlin“
Unter „Career“ sind die Statistiken Smiths in den einzelnen Saisons aufgeführt, unter „Video Summaries“ kann man nach Offensive und Defensive Actions filtern – ebenso zudem nach Mitspielern und Gegnern. Und dies erneut veranschaulicht anhand von Videos. Man kann bei InStat Stunden verbringen.
In der InStat-Datenbank sind schließlich über 2.000 Mannschaften enthalten, pro Monat werden über 6.000 Spiele analysiert. „InStat hat sich zu einem zentralen Hilfsmittel für ALBA BERLIN entwickelt. Unsere Coaches haben all die Werkzeuge, um Gegner zu studieren und sich auf Spiele vorzubereiten“, erklärt so auch Berlins Sportdirektor Himar Ojeda den Nutzen von InStat für sein Team.
Neben der Analyse und der Vorbereitung kommt sicherlich auch ein Nutzen bei der Spielerrekrutierung hinzu. Und für Journalisten ist es die Möglichkeit, sich detailliert über Teams und Spieler zu informieren, mit Zahlen Eindrücke zu untermauern oder zu revidieren, und in Jaleen Smiths Falls zu verdeutlichen: Er ist bis dato der BBL-MVP 2020/21.