Jaleen Smith: „Es geht nur über Vertrauen“

Auch bei ALBA BERLIN hat Jaleen Smith in seinem zweiten Jahr einen großen Schritt gemacht. Im Interview spricht der Guard über die Gründe für seine Leistungssprünge im zweiten Jahr, seine Basketball-Odyssee von Texas über die ProA bis zur kroatischen Nationalmannschaft und Heimweh.

Von Freeport, Texas, über New Hampshire in die ProA zum BBL-MVP: Jaleen Smiths Basketballkarriere verkörpert den deutsch-amerikanischen Traum. Viele US-Amerikaner wagen mangels Alternativen in den Staaten den Sprung über den Atlantik – die Dunkelziffer an gescheiterten Karrieren ist dabei ziemlich hoch. Auch für Smith war es ein steiniger Weg. Mittlerweile hat sich der Texaner nach Startschwierigkeiten in Berlin in der EuroLeague etabliert und sorgte auch mit der kroatischen Nationalmannschaft für Furore. Als bester Passgeber und zweitbester Scorer der Kroaten bei der Europameisterschaft stach Smith in einem Team, das mit gestandenen NBA-Profis gespickt war, hervor.

Die Reise beginnt: von einer texanischen Küstenstadt über die Ostküste nach Deutschland

Knapp 10.500 Menschen wohnen in Freeport, Texas. Eine „geschlossene Gemeinschaft“, wie Smith selbst behauptet. „Die meisten Leute bleiben hier und verdienen ihr Geld in Kraftwerken“, fügt Smith nachdenklich hinzu. Smith hatte das nicht vor – ganz im Gegenteil: An der Brazosport Highschool, in der er vier Jahre spielte und zu der er immer noch eine enge Bindung hat, machte sich Smith einen Namen. Bereits im letzten, dem Senior-Jahr, bekam Smith ein Stipendium für das Basketballprogramm der New Hampshire University an der Ostküste. Für „Parks, Recreation and Leisure Studies“ schrieb Smith sich ein und trat in die Fußstapfen seiner Mutter, die „in einer Kindertagesstätte gearbeitet hat – sie liebt Kinder einfach.“ Vier Jahre blieb Smith in der verschlafenen Kleinstadt und wagte dann mangels Alternativen den Sprung zu den MLP Academics Heidelberg.

basketball.de: Du bist in Texas aufgewachsen, in Freeport, nahe Houston. Folgst du dem Houstoner NCAA-Team, das im Moment ziemlich gut ist?

Jaleen Smith: Sie spielen in letzter Zeit ziemlich gut. Das weiß ich. Normalerweise bin ich nicht auf dem Laufenden, was College-Basketball angeht, aber sie sind im Moment das zweitbeste Team der NCAA.

Ich glaube sogar, dass sie die Nummer eins sind.

Das könnte sein. Ich glaube, sie haben noch kein einziges Spiel verloren [mittlerweile haben die Cougars ihr erstes Spiel verloren, stehen bei 12-1 und sind nun das drittbeste Team des Landes, Anm. d. Red.]. Houston spielt einen modernen Stil mit fünf Spielern, die defensiv switchen können. Am College ist es wirklich schwer, dagegen zu spielen. Bei den Profis ist das anders, aber auf College-Ebene gibt es nicht viele kreative Guards, die wissen, wie man eine Switch-Defense aushebelt.

Du bist von Freeport, einer kleinen Hafenstadt in Südtexas, nach New Hampshire in den Osten gegangen. Das muss ein großer Schritt gewesen sein.

In Freeport leben wahrscheinlich 10.000 Menschen. Also kannte jeder so ziemlich jeden. Man konnte auch nicht allzu viel unternehmen. Es war eine sehr geschlossene Gemeinschaft. Die meisten Leute sind nach der High School dort geblieben und haben Ihr Geld in Kraftwerken verdient. Meine Mutter hat in einer Kindertagesstätte gearbeitet – sie liebt Kinder einfach. Und als ich dann nach New Hampshire ging, war es ganz anders. Es gab zwei Sachen: Studenten und Rentner. Ungefähr 80 bis 90 Prozent waren Studenten, und der Rest ältere Rentner, die an einem ruhigeren Ort leben wollten.

Das klingt interessant… Seid ihr manchmal mit den alten Leuten angeeckt, wenn ihr eure Studi-Zeit ausleben wolltet?

Nein, eigentlich nicht. Die Städteplanung sorgt dafür, dass sich die Wege nicht so oft kreuzen. Das College ist quasi die Innenstadt, an der Hauptstraße sind die Uni-Gebäude, und in den hinteren Teilen, mit Highschool-ähnlichen Häusern, die aber Seniorenheime sind, wohnen die Älteren. Und so gut wie niemand von uns ging dorthin. Also blieben wir getrennt.

Jaleen Smiths Junior-Year-Mixtape an der New Hampshire University

Wie sehr spielt der Ort eine Rolle bei deiner Entscheidung für ein neues Team?

Ich denke, der Basketball macht etwa 60 Prozent aus. Der Stil, die Trainer, mit denen ich zusammenarbeiten werde, die Spieler, die zum Team zurückkommen: das ist ein großer Teil, das Team. Und 40 Prozent sind wahrscheinlich die Stadt. Erst habe ich in Heidelberg gespielt, dann in Ludwigsburg: zwei wirklich kleine Städte im Vergleich zu Berlin. Zu diesem Zeitpunkt war mir die Stadt nicht so wichtig, aber jetzt, wo ich eine Frau und ein Kind hier habe, ist sie mir wichtiger, weil sie sich auch wohl fühlen müssen. Trotzdem steht der Basketball an erster Stelle.

Wie bist du damals nach Deutschland gekommen?

Mein vorheriger Agent hatte mir von zwei Teams berichtet, die an mir interessiert waren: Heidelberg und Hanau. Außerdem sollte die zweite Liga eine gute Liga sein, um hier anzufangen. Nachdem ich mich mit den Städten auseinander gesetzt habe, ist mir bei Heidelberg aufgefallen, dass die Stadt sehr schön ist. Und so fiel dann meine Entscheidung.

Außerdem habe ich gehört, dass Deutschland von der Lebensqualität und auch von der Professionalität im Basketball eine der besten Adresse sei. In anderen Ländern soll man, auf jeden Fall wurde mir das so erzählt, teilweise nicht rechtzeitig bezahlt werden, und auch die Wohnsituationen sind nicht besonders gut vorbereitet. Jetzt ist Deutschland mittlerweile meine zweite Heimat.

Du hast dich auch über die Gesundheit, vor allem mit Blick auf die Ernährung, positiv über Deutschland geäußert. Gibt es trotzdem etwas Ungesundes, was dir zusagt?

In Berlin gibt es so viele Restaurants, bei denen man sich im Menü verlieren kann und wo ich echt alles mögliche bestellen möchte: zum Frühstück, zum Mittag- oder zum Abendessen. Aber du hast auch gesunde Möglichkeiten: von vegetarischen Optionen bis hin zu verschiedenen Salaten. Und das gibt es natürlich auch bei Lieferando, ein Win-Win aus meiner Sicht.

Was war deine Erwartungshaltung ans Essen? Und wie war es dann, als du hier angekommen bist?

Ich wusste, dass es anders sein wird. Überrascht war ich, dass abgesehen von den Fast-Food-Restaurants, das Essen sehr anders war. Aber es hat mir sehr zugesagt. Mein erstes Essen war Schnitzel mit Pommes mit allem Drum und Dran. Das habe ich direkt gemocht. Berlin ist kulinarisch natürlich noch einmal anders. Generell finde ich die Kultur in allen Facetten großartig.

Jaleen Smith, MLP Academics Heidelberg
Smith im Trikot der MLP Academics Heidelberg

„Ich hatte erwartet, dass ich in der zweiten Liga dominieren würde – und war danach schockiert“

Wie wars auf einer sportlichen Ebene?

(überlegt) Ich wusste nicht so viel über die Sportkultur. Natürlich kannte ich Dortmund und Bayern, weil deutscher Fußball, mit Schalke 04, natürlich auch in den USA viel gezeigt wird. Basektballerisch konnte ich nicht besonders viel sagen. Ehrlich gesagt hatte ich fast erwartet, dass ich in der zweiten Liga dominieren würde und zu gut dafür bin. Dann hat die Saison angefangen, und ich war schockiert, wie gut die Spieler hier sind: auch in der zweiten Liga.


Jaleen Smith ist ein Second-Year-Guy! Was damit gemeint ist? Im zweiten Jahr kommt bislang immer ein Leistungssprung. Als Grund dafür nennt Smith selbst das ihm entgegengebrachte Vertrauen. Auch bei ALBA BERLIN hatte der kräftige Point Guard Startschwierigkeiten. Jayson Granger und Peyton Siva verließen die Hauptstadt, und Smith hatte ziemlich große Fußstapfen in einem sehr unorthodoxen Spielsystem auszufüllen. Auf den Presseplätzen und auch den Rängen waren die ersten drei Smith-Monate nicht immer schön anzusehen. Wenngleich Smith in der aktuellen Saison wieder mal eine gesteigerte Leistungskurve zeigt, war er in Berlin schon zur Mitte seiner ersten Saison bereit – beim Pokal. Wie kommt das? Vielleicht am uneingeschränkten Vertrauen, das der Verein seinen Spielern entgegenbringt. ALBA-Präsident Marco Baldi drückte sich zum Pokalsieg im Februar 2022 folgendermaßen über Smith aus:

„Ich habe ihn gerade wirklich in den Arm genommen. Der hat jetzt [basketball-technisch] komplett Neuland betreten in unserem sehr freien Spielsystem. Und Spieler, die oft den Ball haben, die brauchen Zeit, um in das System hineinzuwachsen. Und diese Zeit haben sie bei uns. Wir brauchen Geduld, und das ist auch für einen Trainer sehr wichtig. Dass er weiß, wenn wir mal ein paar Spiele verloren haben, dass sein Stuhl nicht wackelt, sondern dass man an dem Weg, den wir seit ein paar Jahren gehen, festhält. So etwas beruhigt, aber es muss trotzdem immer eine maximale Intensität geben. Das fordern wir im Frontoffice, im Backoffice und natürlich auch auf dem Court. Wir fordern diese maximale Intensität, sonst kann man keine Titel gewinnen.“

Marco Baldi nach dem Pokalgewinn 2022

Mittlerweile spielt Smith unbekümmert auf und trifft viele gute Entscheidungen auf dem Feld. Seine Basketball-Odyssee brachte ihn im Sommer dann sogar bis nach Kroatien, bzw. über Kroatien zurück nach Berlin im Trikot der kroatischen Nationalmannschaft. Bevor er über seinen Agenten angefragt wurde, wusste er nicht, wo Kroatien liegt. In Deutschland, wo die Nominierung von Nick Weiler-Babb für das eigene Nationalteam heiß diskutiert wurde, kam durchaus Kritik an dem Wechsel auf. Smith ließ sich scheinbar nicht beeindrucken und startete neben drei NBA-Profis (und Mario Hezonja) in das Abenteuer EuroBasket.

„Die kroatische Nationalmannschaft hat sich an meinen Agenten gewandt und ihm gesagt, dass sie einen Aufbauspieler brauchen“

Wie bist du in der kroatischen Nationalmannschaft gelandet?

Die Nationalmannschaft hat sich an meinen Agenten gewandt und ihm gesagt, dass sie einen Aufbauspieler brauchen. Ich weiß eigentlich gar nicht, wie sie das geschafft haben. Aber bumm, bumm, bumm, sie haben mir einen Pass besorgt, und jetzt bin ich Kroate. Und Amerikaner. Das werde ich meinem Sohn erzählen, wenn ich älter bin. Ich bin kroatisch-amerikanisch, und er ist es auch (lacht). Das war eine wirklich coole Erfahrung. Es war wirklich anders, da ich bislang immer in Deutschland war. Alle hier [in Deutschland] sprechen wirklich gut Englisch. Der kroatische Trainer sprach nicht so viel Englisch, also hatte ich bei den Treffen einen englischen Übersetzer, der einer der Assistenztrainer war. Das war wirklich anders.

Vom Team her war es wirklich cool. Ich habe mich mit Mario Hezonja und Dario Saric angefreundet, auch mit Ivica Zubac. Von Zeit zu Zeit schreiben wir uns, und ich frage sie, wie es ihnen drüben in den USA geht. Als wir gegen Madrid gespielt haben, habe ich mich mit Mario getroffen.

Kriegst du durch deine Kontakte zu den NBA-Spielern auch eher ein Fuß in die Tür zur NBA?

Ja, auf jeden Fall! Zubac spielt wirklich seinen besten Basketball. Zubac hatte zuletzt ein 30/20-Spiel.

Fast 30/30.

Ja, 30/29, er war richtig heiß. Aber wie Giannis und Luka schon sagten: Es ist wirklich schwer, hier – bei der EuroBasket oder generell in Europa – zu punkten. Ich glaube, das hat mir bei der Vorbereitung auf die Saison sehr geholfen. Es war wirklich wie ein Trainingslager mit Wettbewerbscharakter. Es kam in dieser Hinsicht auf jeden Fall für die verpasste Zeit in Berlin auf. Ich meine, ich habe bei der EM gegen Giannis und in einem Freundschaftsspiel gegen Luka gespielt. Das ist wirklich anders. Man merkt wirklich, dass diese Jungs auf einem anderen Level sind. Sie sind einfach anders, und sie sind nicht ohne Grund wirklich gut.

Tyrese Haliburton von den Indiana Pacers, momentan der beste Passer der NBA, hatte mal behauptet, er sei überrascht, wie wenig Spieler in der NBA wirklich gut Basketball verstehen. Kroatien, auf der anderen Seite, die ganze Region, ist dafür bekannt, sehr intelligenten Basketball zu spielen. Wie hast du das erlebt?

Sie sind wirklich stolz auf ihre Basketball-Geschichte. Bevor die Region [wegen des Jugoslawienkrieges] geteilt wurde, waren sie so dominant – das wusste ich nicht. Aber ich weiß, dass sie, oder besser gesagt wir, gut spielen und diese Dominanz aufrechterhalten wollen. Im Moment haben wir ein bisschen zu kämpfen. Aber wir können das schaffen. Die Kroaten sind sehr stolz auf ihren Sport, vor allem auf Fußball und Basketball. Es ist echt irre.

Das Land hat eine kleinere Bevölkerung als der Großraum von Berlin oder Houston, und sie spielen einen so starken Basketball und standen im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft – das ist unglaublich. Zurück zum Basketball: Was macht deiner Meinung nach den Unterschied aus, zwischen solchen Top-Spielern und dann wiederum Spielern von einem Kaliber wie Nigel Hayes oder Carsen Edwards, die zuletzt mit Fenerbace in Berlin waren: beides unfassbar gute College-Spieler, die aber in der NBA nicht Fuß fassen konnten. Zusätzlich ist in der BBL auch ein großes Leistungsgefälle, und dann kennst du ja noch die ProA…

Ich denke, es geht vor allem um die Möglichkeit, die dir geboten wird. Ich meine, in meinem ersten Jahr in Heidelberg war ich nicht so gut. Im zweiten Jahr bekam ich dann aber eine wirklich gute Chance. Der Trainer hat mir mehr Spielzeit und Freiheiten gegeben als in meiner ersten Saison, so konnte ich mich auf ein neues Niveau spielen. Das Gleiche passierte in Ludwigsburg. Ich würde sagen, dass ich in meinem ersten Jahr ziemlich gut gespielt habe, aber in meinem zweiten Jahr wurde ich schließlich zum MVP gewählt – und das lag nur daran, dass ich die Situation kannte, in die ich zurückkam, und wusste, was der Trainer wollte. Er hat mir sozusagen den Zügel in die Hand gegeben, damit ich die Offensive leiten und machen kann, was ich will. Mein Spiel ist in diesen zwei Jahren wirklich aufgeblüht.

Dann Berlin: für mich ein neues Team, neue Trainer. Der Kern des Teams war schon seit mehreren Jahren zusammen, die meisten der Jungs kamen zurück, und jeder wusste, wie man miteinander spielt. Also mussten Yovel Zoosman, Tamir Blatt und ich uns erst einmal integrieren. Jetzt, im zweiten Jahr in Berlin, hat Israel Gonzalez viel Vertrauen in mich. Er hat mir zu Beginn der Saison viele Minuten gegeben, und ich konnte mich wieder einmal stark verbessern. Man braucht eine Bühne, die auf deine Fähigkeiten zugeschnitten ist, um seine Talente zu zeigen.

Also setzt du sehr viel Wert auf Vertrauen…

Es geht nur über Vertrauen. Es ist wirklich schwer, wenn man alleine dasteht, und es hilft wirklich, wenn man jemanden um sich hat. Zum Beispiel eine Freundin. Sonst steigt es dir zu Kopf, wenn du nicht gut spielst. Oft denkt man über seine Zukunft nach. Jeder hat mal mit ein paar schlechten Spielen zu kämpfen. Und wenn du keine Ablenkung um dich herum hast, kann dir das ganz schön auf den Geist gehen. Andernfalls mit Familie, Freundin, Besuch von Freunden: Du machst dir nicht nur Gedanken über Basketball. Man merkt, dass es etwas außerhalb des Basketballs gibt. Irgendwann wird auch meine Karriere vorbei sein, aber wir müssen unser Leben leben, wir müssen weitergehen – der Ball wird weiterrollen. Es ist wichtig, sich ab und an auf etwas anderes zu konzentrieren als nur den Basketball.

„Es ist wichtig, sich abzulenken. Du kannst nicht nur gut drauf sein, wenn du gut Basketball spielst“

Interessanter Punkt, du hast mittlerweile die Lebenserfahrung. Und Druck ist oft etwas, das man sich selbst auferlegt, all die Zweifel und so weiter, und das behindert die eigene Entwicklung, oder?

Auf jeden Fall! Wenn ich einen Rat für junge Spieler habe: Versucht, euch auch manchmal vom Basketball fernzuhalten. Der Sport ist immer da, wenn du ihn willst. Du spielst wahrscheinlich schon seit mindestens zehn Jahren Basketball, bevor du Profi wirst, seitdem du kleine bist. Aber du weißt, dass du dich auch auf andere Dinge konzentrieren musst, fernab vom Basketball. Guck dir mal die Stadt an, in der du lebst, oder in der du gerade für ein Auswärtsspiel bist. Es ist wichtig, dich abzulenken. Du kannst nicht nur gut drauf sein, wenn du gut Basketball spielst. Das wird deine Entwicklung nur einschränken.

Wie wichtig ist es, dass man sich, auch außerhalb vom Basketballfeld, wohlfühlt? Wird das unterschätzt?

Auf jeden Fall. Das wird viel zu sehr unterbewertet. Damals habe ich mich nicht wie ich selbst gefühlt. Ich hatte niemanden, zu dem ich nach Hause gehen konnte. Das hat mich beschäftigt, und ich habe mich unwohl gefühlt. Jetzt habe ich einen Sohn hier – das ändert viel. Auch der Winter war echt anstrengend. Der Winter in Berlin… es ist nichtmal einmal irgendwie richtig schlechtes Wetter. Es ist einfach permanent bewölkt. Das hat meine Stimmung dann auch beeinflusst.

Was hat dir geholfen?

Die Menschen, die mich besucht haben. Meine Frau hat mich damals in Heidelberg für einen Monat besucht. Jemand, der dir vor allem außerhalb vom Basketball helfen kann und dir vermittelt, dass alles gut ist. Das nimmt einem Druck, weil man sich auf Dinge außerhalb vom Basketball ändern kann.

Leider hast du Aito nicht erlebt, der großer Freund dieser Einstellung war.

Ich habe gehört, dass er die Spieler gefragt hat, was in den Nachrichten los ist. Das ist… spannend (lacht).

Du hast in der ProA angefangen und hattest Startschwierigkeiten. Wie stark war der Druck für dich, dich hier nicht durchsetzen zu können?

Der Druck war immer da. Ich hatte keine anderen Optionen, die gab es nicht. Ich wollte nach Deutschland kommen, etwas Geld verdienen und den Rest auf mich zukommen lassen. Im ersten Jahr habe ich meine und die Erwartungen anderer nicht erfüllt. Aber zum Glück hat Heidelberg mein Potential gesehen und an mich geglaubt. Im Sommer habe ich dann sehr viel an meinem Spiel gearbeitet und hatte meinen ersten Durchbruch im zweiten Jahr.

Du musstest bestimmt viele Opfer bringen…

Total! Ich habe meine Familie und meine Freundin, die jetzt meine Frau ist, vermisst. Sie musste in den Staaten arbeiten und konnte erst über den Dezember herkommen. Zu Weihnachten, Thanksgiving und den Ferien in den USA habe ich meine Familie sehr vermisst. Ich vermisse sie immer noch. Aber jetzt mit Frau und Kindern in Deutschland habe ich zumindest meine eigene Familie hier.

„Es sollte in den USA ein EuroLeague Game of the Week geben“

Was würdest du am deutschen Basketball ändern, damit sich Profis wie du hier besser einleben können?

Es sollte eher mehr europäischen Basketball in den USA geben. Wenn du mit Kids am College sprichst, wollen alle in die NBA gehen. Das quasi die umgekehrte Welt wie bei euch mit dem Fußball – wobei ihr irgendwie auch die MLS empfangen könnt. Es wäre toll, wenn in den USA zumindest die Top-Spiele im TV zu sehen wären.

Kevin Durant war von der Atmosphäre in Priäus ziemlich beeindruckt…

Ich bin mir sicher, dass er so eine Atmosphäre in der NBA nicht erlebt hat. Vielleicht in den FIBA-Wettbewerben. Aber hier ist das Spiel viel physischer. Und die Teams wollen jedes Spiel gewinnen. Wie ich bereits sagte: ein EuroLeague Game of the Week in den Staaten.

Wie würdest du die Atmosphäre vergleichen?

Hier sind die Fans etwas ungehaltener, so wie im College. Wobei die Fans hier erwachsen sind, deshalb wirkt es noch ungehaltener… Das ist echt verrückt.

Wo in Basketball-Europa herrscht deiner Meinung nach die beste Atmosphäre? Berlin ist natürlich außen vor…

Das werde ich häufiger gefragt, und ich sage immer: Belgrad. Dicht gefolgt von Fenerbace. Dort gibt es echt sehr euphorische Fans, die ihr Team lieben.

Im zweiten Teil des Interviews, das kommende Woche erscheint, spricht Smith über seine Zeit bei ALBA, seine verbesserte Wurfform, Manipulation als Ballführer im Pick-and-Roll, Kendrick Lamar, Marvel und vieles mehr.