Martin Geissler: „Teilweise hat der Kampfgeist gefehlt!“
basketball.de: Die Hinrunde ist für den MBC fast vollständig absolviert [bis auf eine Partie gegen Alba Berlin], und morgen findet gegen ratiopharm ulm das erste Spiel der Rückrunde statt. Der Mitteldeutsche BC steht mit drei Siegen auf dem 16. Platz. Wie ist deine Einschätzung zur bisherigen Saison, insbesondere in Bezug auf das große Ziel „Klassenerhalt“?
Martin Geissler: Ich glaube, man muss das zweigeteilt betrachten. Zum einen muss sagen, dass wir über dem Strich stehen, mit Crailsheim und Bremerhaven zwei sehr wichtige Auswärtssiege eingefahren haben und dementsprechend in der aktuellen Tabelle vor diesen zwei Mannschaften stehen. Das muss auch das Ziel für die Rückrunde sein.
Auf der anderen Seite sind drei Siege aus 16 Spielen nicht zufriedenstellend für uns. Wir können bei allen Problemen, die bis hierhin aufgetreten sind, nicht sagen, dass wir zufrieden sein können und dass wir dreimal gewonnen haben. Realistisch gesehen hätte die Mannschaft in der Lage sein müssen, zum jetzigen Zeitpunkt fünf bis sechs Siege auf dem Konto zu haben. Ich denke, wir haben Chancen wie gegen Vechta oder Frankfurt weggeworfen. In Vechta hatten wir das Spiel eigentlich schon klar gewonnen, aber wir haben es nicht gepackt, in 30 Sekunden einen Fünf-Punkte-Vorsprung über die Zeit zu retten. Das sind Sachen, mit denen wir nicht zufrieden sein können.
Wir haben deswegen auch mit den Nachverpflichtungen von Tremmell Darden und Jovan Novak reagiert. Man muss dem Team aber auch zugestehen, dass die Mannschaft Schwierigkeiten mit Verletzungsproblemen hatte. Angefangen mit Aleksandar Marelja, der eigentlich seit der Vorbereitung bis weit in die Saison lange verletzt gewesen ist, sowie mit James Farr, der sich am ersten Spieltag in Gießen schwer verletzt hat und glücklicherweise schon nach zwei Spielen wieder zurückgekommen ist. Und dass in einer Mannschaft, die komplett neu zusammengestellt war.
Ich glaube, wir müssen uns den Fehler ganz klar zuschreiben, dass wir die Besetzung der Aufbauposition unterschätzt haben. Wir sind davon ausgegangen, dass die Spieler, die wir zu Saisonbeginn hatten – mit Trevor Releford als klassischen Aufbauspieler in Kombination mit Kenneth Viglianisi, Ferdinand Zylka und Adika Peter-McNeilly –, in der Lage sein müssten, 40 Minuten lang den Aufbau ordentlich zu gestalten. Das war zu viel Druck auf Releford. Releford war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht beim MBC und in der BBL angekommen. Dementsprechend war es ein Fehler, dass wir bei der Mannschaftszusammenstellung nicht von Beginn an zwei klassische Aufbauspieler verpflichtet haben.
„Wir haben eine junge Mannschaft mit wenig BBL-Erfahrung“
Wenn wir über die bisherigen Saisonspiele reden, gibt es gerade in den sozialen Netzwerken immer wieder Kritikpunkte, u.a. die Verteidigungsleistung des MBC (88 Gegenpunkte im Schnitt), die Freiwurfquote (durchschnittlich nur 69,9%) und das Coaching. Wie stehst du zu den angesprochenen Punkten in Bezug auf die bisherigen Saisonspiele?
Ich glaube, man kann zu Recht kritisieren, dass die Mannschaft einzelne Spiele hatte, in der sie nicht mit der richtigen Intensität in die Partie gegangen ist; in der die Einstellung in Phasen – manchmal am Anfang des Spiels, manchmal in der zweiten Halbzeit – nicht so war, wie sie eine Mannschaft haben muss, die um den Klassenerhalt kämpft. Der Kampfgeist hat teilweise gefehlt. Dementsprechend gibt es eben auch Spiele, in denen wir uns in der Verteidigung über Phasen völlig blamiert haben, wie letztens in Ulm.
Dort haben wir in der ersten Halbzeit so viele Punkte kassiert, wie manche Mannschaften im ganzen Spiel. Das habe ich so beim MBC noch nicht gesehen. Auf der anderen Seite macht es aber wieder Hoffnung, dass die Mannschaft in der anderen Phase wieder zu ihrem Spiel findet, Rhythmus findet, den Gegner mit einer harten Verteidigung unter Druck setzt und ruck zuck von 26 Punkten Rückstand wieder im Spiel mit 6 Punkten ist. Daran kann man auch sehen, wie viel Qualität diese Mannschaft hat.
Zum Thema Freiwürfen: Es ist sicherlich ein Thema, woran man erkennen kann, dass die Mannschaft oftmals nervös ist und der Mannschaft in gewisser Weise Selbstvertrauen fehlt. Auch das ist für den MBC nicht typisch, die schlechteste Freiwurfmannschaft der Liga zu sein. Ich erinnere mich, dass wir immer eine der Top-Freiwurfmannschaften der BBL gewesen sind. Aber auch das kann man damit erklären, dass wir eine Mannschaft haben, die die jüngste Mannschaft in der BBL. Wir haben eine junge Mannschaft mit wenig BBL-Erfahrung. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum man an der Freiwurflinie oftmals auch Nerven zeigt. Da müssen wir stabiler werden. Gerade in diesen knappen Spielen, von denen ich vorhin gesprochen habe, die wir abgegeben haben, haben die Freiwürfe sicherlich einen entscheidenden Anteil gehabt, dass wir am Ende nicht gewonnen haben.
Und das Dritte, Coaching: Ich denke, dass Aleks Scepanovic mit viel Leidenschaft und viel Knowhow die Mannschaft seit Saisonbeginn trainiert. Die Mannschaft arbeitet im Training hochkonzentriert. Das Problem ist, dass wir die Leistungen aus dem Training oftmals nicht in die Spiele bringen können. Der Trainer hat einfach in vielen Phasen damit zu kämpfen gehabt, dass nicht die ganze Mannschaft fit war und das Spieler auf Positionen eingesetzt werden mussten, die nicht ihre eigentlichen Positionen sind, wie vorhin besprochen Aufbauposition und später Centerposition; wo Spieler immer auf andere Stellen ausweichen mussten, wofür sie eigentlich nicht in der Mannschaft sind. Das muss man ihm am Ende auch zugutehalten. Am Ende müssen wir aber auch sehen, dass wir unser Saisonziel realistisch im Blick bewahren müssen.
Wir haben schon über Nachverpflichtungen gesprochen. Der MBC hat schon dreimal nachverpflichtet und hätte also noch die Möglichkeit, einen Spieler nachzuverpflichten. Betrachten wir die Verpflichtung von Alex Ruoff: War er denn als Spieler gemeldet oder war das aufgrund des Fitnesszustandes nicht möglich, für ihn eine Lizenz zu bekommen. Ich frage vor dem Hintergrund, weil er jetzt zu einem anderen Verein gewechselt ist und auch schon ein Spiel mit 28 Minuten Spielzeit bestritten hat. Wie ist dies zu sehen?
Ich glaube, Alex Ruoff muss man auch zu den Punkten von vorhin dazu rechnen. Wir haben die Mannschaft ursprünglich so aufgebaut, dass Alex Ruoff eine ganz wichtige Rolle in dieser Mannschaft, sportlich und auch menschlich, hätte spielen sollen. Ich glaube, er kam auch mit einer großen Motivation hierher, aber sein Körper war zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht in der Lage, auf Bundesliganiveau Basketball zu trainieren, geschweige denn zu spielen. Alex hat von den ganzen Trainingseinheiten, bis er uns verlassen hat, 30 Prozent absolvieren können. Dazwischen waren Phasen, in denen er physiotherapeutisch behandelt werden oder sich rehabilitieren musste. Von den Spielen, die er gespielt hat; acht oder neun Spiele war er da und hat insgesamt vielleicht 20 Minuten gespielt. In der Folge kam er am Ende mit den Wunsch auf uns zu, den Vertag aufzulösen. Er konnte der Mannschaft so nicht helfen, wie er und wir uns das damals gewünscht hätten.
Wir haben sicherlich auch viel getan, um ihn überhaupt zu verpflichten und dementsprechend war es zu dem damaligen Zeitpunkt der einzige Weg, dass wir eine Chance hatten, auf der Position Luft zu bekommen, um einen anderen Spieler zu verpflichten, der ein Leistungsträger werden sollte.
Das war dann Lee Moore. Wäre Alex nicht mit dem Wunsch auf uns zu gekommen, den Vertrag aufzulösen, hätte er einen festen Vertrag gehabt. Wir hätten keine Chance gehabt, für diese Position einen anderen Spieler uns leisten zu können, der uns auch nur ansatzweise hätte helfen können. Dementsprechend war zu dem Zeitpunkt klar, dass er den Vertrag beenden wollte, um sich zuhause der Reha zu widmen. Seitdem ist jetzt auch fast ein halbes Jahr vergangen. Daran kann man auch erkennen, wie weit Alex Ruoff von seiner eigentlichen körperlichen Leistungsfähigkeit entfernt war. Ich freue mich, dass er überhaupt wieder Basketball spielt. Zum damaligen Zeitpunkt war es allerdings eher fraglich, ob er wieder zurück auf’s Feld kehren kann. Er war bei uns aber nicht gemeldet und es hätte auch keine Möglichkeit gegeben, ihn in die Mannschaft wieder zurückzuholen. Es wäre dann auch eine Nachverpflichtung gewesen.
Bleiben wir beim Thema Nachverpflichtung. Eine Nachverpflichtung wäre wie gesagt noch möglich. Die Konkurrenz rüstet jetzt auf, insbesondere wenn man in Richtung Jena schaut. Bei denen stehen zurzeit deutlich mehr als 6 Ausländer unter Vertrag, wobei der ein oder andere sicher noch wird gehen müssen. Ist der MBC auch auf der Suche nach einer Verstärkung oder will man Stand heute versuchen, den Klassenerhalt mit dem aktuellen Kader erreichen?
Ich denke, wir haben in der Saison mit der Verpflichtung von Tremmell Darden und Jovan Novak schon zwei absolute Leistungsträger verpflichtet. Wir haben also schon eher nachverpflichtet, als das jetzt andere Teams machen. Ich glaube, dass die Mannschaft prinzipiell genügend Qualität hat, um ausreichend Spiele zu gewinnen, um in der Liga zu bleiben. Das Thema ist, mit welcher Intensität wir in Spiele gehen, um Spiele zu gewinnen. Da muss jeder Spieler für sich begreifen, dass er auch für sich spielt, denn wenn der Spieler beim MBC nicht eine erfolgreiche Saison haben wird, wird er in der nächsten Saison nicht bei einem Europapokal-Team bzw. bei einem Team landen, was größere Ambitionen als der MBC hat. Ich glaube, dass dieses Verständnis teilweise noch wachsen muss, die Mannschaft hat aber viel Qualität. Wir müssen hoffen, dass die Mannschaft über einen langen Zeitraum verletzungsfrei bleibt. Wenn wir wirklich alle Spieler immer einsetzen können, haben wir schon oft gezeigt, welche Qualität die Mannschaft hat, um in der Liga zu bestehen. Wir haben noch die Chance, einen Spieler nachzuverpflichten.
„Wir sind optimistisch, das Ziel wirtschaftlich erreichen zu können“
Wir haben jetzt viel über die sportliche Situation des MBC gesprochen. Zu Beginn der Saison hast du im Interview mit basketball.de gesagt, dass diese Saison die wichtigste Saison des MBC ist, was die Erreichung von Zielen angeht. Wenn man so will, ist jetzt auch wirtschaftliche Halbzeit: Wie weit sind die Verhandlungen mit den Sponsoren fortgeschritten, um das Ziel „Basketballbundesliga 2019/20“ wirtschaftlich auch stemmen zu können?
Natürlich ist das auch geprägt, von dem sportlichen Eindruck, den die Mannschaft macht. Es wäre viel leichter, wenn wir die Überraschungsmannschaft der Liga wie Vechta wären und alle sagen würden: „Wow, da geht’s sportlich ab“. Wir kämpfen um den Klassenerhalt und das ist am Ende auch die realistische Situation für den MBC mit seinem Budget.
Wir nehmen trotzdem wahr, dass die Sponsoren zu uns stehen und jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten alles tun wird, dass der MBC wirtschaftlich in der BBL bleiben kann. Es gibt auch sehr positive Gespräche zum Teil, die uns hoffnungsvoll in Richtung Ziel 3 Millionen blicken lassen. Noch sind wir aber noch nicht so weit. Die Verhandlungen müssen noch bis zum Ende geführt werden und die Tinte muss trocken sein. Wir sind optimistisch das Ziel wirtschaftlich erreichen zu können.
Ein anderes Thema: Ihr habt euch entschieden, den Fanshop selbst zu übernehmen und betreiben. Wie bewertest du die Entscheidung? Gibt es Überlegung das wieder zu ändern?
Für uns war das kaufmännisch die richtige Entscheidung. Ich glaube, dass wir – wenn wir das selbst betreiben – den engeren Draht zu unseren Fans haben, was die Wünsche anbelangt, wie wir uns weiter entwickeln können, welche Produkte gefragt sind und wir auch mehr Leidenschaft hineinsetzen, als wenn das ein externer Dienstleister machen würde, weil es unser eigenes „Ding“ ist. Wir sind da zufrieden. Es ist sicherlich auch davon abhängig, wie es sportlich läuft. Wenn die Mannschaft mehr Siege einfährt, werden sicherlich auch mehr Schals oder Trikots verkauft. Aus jetziger Sicht war das die richtige Entscheidung, dass wieder in die eigene Hand zu nehmen.
Zum Schluss ein allgemeines Thema. Es gibt aktuell Diskussionen in Bezug auf das Ticket-Kontingent für die Gastmannschaft im Pokalwettbewerb. Die Entscheidung darüber treffen ja die BBL-Klubs mehrheitlich. Alba Berlin hat Anspruch auf 500 Karten, hätte aber deutlich mehr Fans nach Bamberg mitnehmen wollen. Marco Baldi hat sich ja für einen neutralen Ort für das Pokalfinale ausgesprochen. Andere sind der Meinung, in Bezug auf die Kontingente etwas zu ändern. War das Gästekontingent im Vorfeld der Änderung des Modus großartig Thema oder ist das ein Sachverhalt, der in der Praxis erst hochgekocht ist?
Ich glaube, dass das Ganze wie eine Testsaison für den neuen Pokalmodus war. Ganz viele Sachen sind gut gelaufen, bei manchen Dingen hätte man ein bisschen mehr Liebe in die Ausgestaltung des Pokals stecken können. Insgesamt ist der neue Pokalmodus angenommen worden. 16 von 18 Klubs waren dabei. Ich kann nur von mir sagen, dass alleine die Tatsache, dass man da in der Auslosung mit drin ist, gegen wen spielt man, dann fiebert man auf das Spiel hin… Das ging wahrscheinlich nicht nur mir so, sondern auch allen Fans. Das macht den Pokal auf jeden Fall viel authentischer. Es hat Spaß gemacht, es gab größtenteils spannende Begegnungen und auch die ein oder andere Pokalüberraschung. Man hat, als wir den Pokal vor einem Jahr so festgelegt haben, auch gesagt, dass wir gucken müssen, ob das alles so funktioniert, wie wir es uns vorgenommen haben. Ich glaube, damals hat niemand daran gedacht, dass es ein Pokalendspiel gibt, bei denen zwei Mannschaften aufeinandertreffen, die so viele Fans zu einem Pokalendspiel bewegen, dass da 500 Karten nicht reichen. Wahrscheinlich hätten bei keinem der BBL-Klubs 500 Tickets gereicht. Da muss man in der Zukunft etwas ändern. Sicherlich ist es schön, dass die Vereine damit Geld verdienen können, aber Ende müssen die Fans mitgenommen werden. Die Fans müssen den Pokal feiern und – egal wo in Deutschland – ein großes Basketballfest haben können.
De muss man etwas tun. Beim Final Four gab es ja größere Kontingente für die Fanklubs der teilnehmenden Mannschaften. Da muss man einen Modus finden. Vielleicht sollte auch die Zeit zwischen Halbfinale und Finale größer sein, damit der Heimklub und die Auswärtsfans in der Vorbestellung der Tickets besser planen können.
Wenn man es irgendwie hinbekommt, dass man das Finale ein Monat später stattfinden lässt, zum Beispiel durch einen Tausch von Allstar-Day und Pokalfinale, dann ist das auch nicht so schwer eine Möglichkeit zu schaffen, dass da mehr als 500 Fans kommen können. Aus meiner Sicht ist das auch schwer vorstellbar, dass man sagt, dass Berlin zum Pokalfinale nur 500 Fans mitbringen darf, vor allem weil die Fans den gesamten Pokalwettbewerb über kein Heimspiel hatten. Die Diskussion, ob man das Pokalfinale an einem neutralen Ort macht, hatten wir auch schon vor einem Jahr. Ich glaube, die Diskussion kommt auch durch den Eindruck, dass man das letzte Pokalspiel auch wieder auswärts bestreitet. Ich bin mir sicher, die Diskussion wäre nicht gekommen, wenn Alba Berlin zuerst gezogen wäre und Brose Bamberg als zweite Mannschaft. Ich glaube, dass man sieht, wenn ein BBL-Klub dieses Pokalfinale ausrichtet, wie riesig die Nachfrage ist, sonst würden wir nicht darüber sprechen. Momentan ist die BBL gut beraten, das Pokalfinale nicht wieder an einen neutralen Ort zu geben und dann möglicherweise vor einer Geisterkulisse zu spielen.