WoBo: „Es ist ein gutes Gefühl, Verantwortung zu tragen“
Nach langer Verletzungspause und einem kurzen Engagement bei ratiopharm ulm mit kleiner Rolle zeigt Jonas Wohlfarth-Bottermann derzeit bei den FRAPORT SKYLINERS, was ihn ihm steckt. In Frankfurt zählt der 27-Jährige zu den Leistungsträgern. Mit durchschnittlich 11,9 Punkte, 5,6 Rebounds und 1,9 Blocks pro Spiel – Rang zwei in der BBL in dieser Kategorie – trägt der Center maßgeblich zum guten Saisonstart des Teams bei. Wir haben uns mit „WoBo“ zum ausführlichen Interview getroffen.
basketball.de: Wie viele Profis bist du in den Sozialen Medien unterwegs. Du hast zum Beispiel auf Instagram Fotos gepostet, wo du die Stadt erkundest. Wie hast du dich in Frankfurt eingelebt und wie gefällt dir die Stadt?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Es gefällt mir sehr gut hier. Ich kannte Frankfurt vorher schon ein bisschen. Ich komme aus der Region Köln/Bonn, also nicht so weit weg. Ein sehr guter Freund von mir hat hier schon mal gelebt. Ich war öfters schon hier und war froh, als ich wusste, dass ich hierhin komme, weil ich wusste, dass es mir hier gefällt. Natürlich ist es noch etwas Anderes, wenn man hier lebt; man lernt die Stadt immer noch ein bisschen anders kennen als wenn man nur zu Besuch ist. Ich versuche manchmal, wenn frei ist, mit meinen Freunden ein bisschen was zu unternehmen, was von der Stadt zu sehen und immer hier und da das Angebot wahrzunehmen.
Gibt es Punkte in der Stadt, wo du dich besonders gerne aufhältst?
Ich war im Sommer ein bisschen früher hier, um mit Coach Herbert zu arbeiten. Also hatte ich dann auch ein bisschen Zeit. Dann war es eigentlich an der Mainpromenade ganz cool. Dort kann man sehr schön draußen sitzen, das gefällt mir ganz gut. Und ansonsten natürlich die Innenstadt mit der Skyline. Dort gibt es auch verschiedene Spots mit Restaurants und Bars, die ganz cool sind.
Ich habe den Eindruck, dass ihr euch gut versteht im Team. Mitspieler Shawn Huff hat mir gegenüber im Gespräch auch die Team-Chemie gelobt. Unternehmt ihr viel miteinander und mit wem hängst du häufiger ab?
Ja, wir versuchen schon immer, ein bisschen was zu unternehmen. Es ist wirklich cool, weil ich hier von den Deutschen schon der Älteste bin inzwischen. Shawn, „Tez“ [Robertson] und Mike [Morrison] machen natürlich auch viel mit ihrer Familie, aber selbst die sind öfters auch mal dabei, wenn wir was unternehmen oder mal was essen gehen als Team. Letztens waren wir bowlen. Ich unternehme viel mit Garai [Zeeb], Isaac [Bonga], Richard [Freudenberg] und Niklas [Kiel]. Zu denen findet man auch schon eine Verbindung.
Betreibst du außerhalb des Basketballs auch noch weitere Hobbys?
Das ist ein bisschen schwierig, weil man nicht so viel Zeit hat. Im Moment verbringe ich die Zeit damit, mich auch ein bisschen auf mein Leben nach der Basketball-Karriere vorzubereiten. Ich hatte zum Beispiel mal angefangen, Medienwirtschaft zu studieren, aber dann wieder aufgehört. Das hatte so ein bisschen stagniert. Seitdem ich verletzt war, habe ich mich wieder ein bisschen intensiver damit beschäftigt, was ich eigentlich machen will, wenn ich mal nicht mehr Basketball spiele.
Ich habe verschiedene Leute kennengelernt in den verschiedenen Städten, wo ich gespielt habe und mit denen bin ich immer ein bisschen in Kontakt. Ich schaue da immer ein bisschen zu, damit ich einfach ein bisschen lerne und überlege da, ob ich in dem Bereich arbeiten will. Im Moment geht es ein bisschen in Richtung Medienarbeit, aber ich bin da noch in der Orientierungsphase. Und ansonsten schaue ich mir die Stadt an.
Wäre für dich auch eine Tätigkeit als Trainer oder sportlicher Leiter vorstellbar?
Grundsätzlich würde ich mich natürlich freuen, wenn ich mit dem Basketball in Kontakt bliebe und will das sicher nicht ausschließen. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, Trainer zu werden oder eine sportliche Funktion auszuüben. Aber man weiß nie, das muss man dann sehen.
„Ich will kein Präzedenzfall sein“
Kommen wir zum Thema Trikotname: Seit dieser Saison trägst du die Abkürzung „WoBo“ auf deinem Trikot. Du bzw. deine vorherigen Vereine haben diesbezüglich schon mehrmals bei der BBL angefragt, was aber abgelehnt wurde. Wie ist es jetzt verlaufen? Wer hat die Initiative übernommen und gesagt ‚Komm, wir probieren das noch mal‘: du oder die Skyliners-Verantwortlichen?
Also wie in jedem Verein, für den ich gespielt habe, gab es die Diskussion, wie wir es machen sollen. (lacht) Man muss halt immer eine Lösung finden, weil mein Name nun mal extrem lang ist. Und ja, in Ulm und am Ende meiner Zeit in Berlin haben wir es mit „WoBo“ versucht, aber das ging dann irgendwie nicht. Und natürlich sind auch hier die Leute aus dem Office, also speziell unser Prokurist Jonas [Thiele], auf die Idee gekommen. Ich habe gesagt, dass ich nichts dagegen hätte, aber dass ich nicht glaube, dass das klappt. Er meinte dann, dass er trotzdem mal nachfragen wolle. Und dann ging es doch irgendwie auf einmal. Ich habe aber keine Ahnung warum, ich war selber überrascht. Vielleicht haben die hier die Über-Connection. (lacht)
Ich finde das jetzt auch nicht verkehrt. Natürlich will ich kein Präzedenzfall sein und dass jetzt alle mit ihren Spitznamen kommen, aber bei mir ist es halt auch eine Problemlösung. Und es hat ja wirklich etwas mit meinem Namen zu tun, es ist ja einfach nur eine Abkürzung. Und in der Fußball- und Handball-Bundesliga gibt es da ja glaube ich auch ein paar Jungs, die ihre Namen abgekürzt haben oder sogar Künstler- oder Spitznamen hinten auf dem Trikot haben, wie bei „Zecke“ Neuendorf damals. Aber vielleicht trägt das ja auch ein bisschen zu einer größeren Identifikation bei, das weiß man nie.
Es hat sich aber nicht nur dein Trikotname geändert, sondern auch deine Rolle im Team. Du bist nun Starter und bekommst die mit Abstand meisten Minuten und Würfe in deiner BBL-Laufbahn. Bist du schon mit dieser Erwartung nach Frankfurt gekommen? Hat Coach dir das in Aussicht gestellt oder hast du dir das einfach in der Vorbereitung erarbeitet?
Natürlich führt man vorher Gespräche und teilt mit, wie man sich die Rolle ungefähr vorstellt. Es wurde auf jeden Fall kommuniziert, dass ich die Chance habe, Starter zu werden. Das war klar für mich. Auf der anderen Seite war aber auch klar, dass ich das beweisen muss. Mir wird hier nichts geschenkt so wie bei anderen Vereinen auch nicht. Ich bin froh, dass es sich bisher so entwickelt hat, wie sich beide Seiten das vorgestellt haben. Wir stehen halt auch erst bei knapp einem Drittel der Saison. Jetzt gilt es, dabei zu bleiben. Ich meine, ich bin jetzt wahrscheinlich sowieso noch ein weiteres Jahr hier und da wird noch genug Arbeit sein, sodass ich mich weiter beweisen muss, um hier Starter zu bleiben.
Aber bei deiner Verpflichtung hat Gordon Herbert gleich gesagt, dass er bei dir noch Offensivpotenzial sieht, das er herauskitzeln möchte. Woran habt ihr im Sommer besonders gearbeitet?
Wir sind ein bisschen früher zusammengekommen als zur offiziellen Preseason. Es hatte vorher glaube ich schon ein Minicamp gegeben, wo Richard zum Beispiel dabei war. Daran habe ich noch nicht teilgenommen, weil ich noch mit Ulm in den Playoffs war. Dann hat es aber danach, ebenfalls vor dem Start der Vorbereitung, ein weiteres Minicamp gegeben, wo ich dann auch dabei war bzw. sogar noch eine Woche früher. Ich war somit eine Woche komplett mit Coach alleine in der Halle, Isaac war manchmal auch dabei. Und dort haben wir im klassischen Einzeltraining alles Mögliche gemacht.
Wir haben vor allem an der Offensive gearbeitet: am Hook-Shot beidhändig gearbeitet und natürlich auch viel aus der Mitteldistanz geworfen. Coach hat mir die Spots gezeigt in den Systemen, an denen ich frei werde und von wo ich dann die Würfe nehmen kann. Das haben wir immer und immer wieder wiederholt und das zahlt sich jetzt so langsam aus. Ich habe jetzt das System verinnerlicht und kriege den Ball dann in den Situationen und kann dann sofort die richtige Entscheidung treffen. Es ist dadurch nur noch Wiederholung für mich und ich kann dann eben hochprozentig abschließen.
Obwohl du vorher als besserer Verteidiger bekannt warst, trägst du nun auch viel Verantwortung im Angriff. Oft geht der Ball zu Beginn eines Spiels bzw. einer Halbzeit zu dir und du nimmst dann den ersten Abschluss. Ist das das Ziel des Coaches, dich sofort einzubinden, damit du schnell deinen Rhythmus findest?
Auf jeden Fall. Ich starte ja und Coach will, dass ich einen guten Beginn habe. Wir haben das in den letzten Spielen oft so gemacht, dass ein System für mich oder für Mike gelaufen wird, damit wir den Ball nach innen reinbringen und nicht einen Dreier nehmen müssen. Wenn die Defense kollabiert, kann man den Ball immer noch wieder rausspielen und dann den Wurf nehmen. Es ist natürlich auch ein gutes Gefühl, reinzukommen und zu wissen, dass du sofort Verantwortung trägst.
Du zeigst in dieser Saison auch Dinge, die man vorher nicht so oft von dir gesehen hat. Ich meine damit Szenen, in denen du den Ball auf dem Flügel bekommst und von dort zum Korb ziehst und deinen Mann im Dribbling schlägst. Oder dass du andere kreative Dinge machst wie Fake-Handoffs. Hattest du diese Fähigkeiten schon immer und durftest sie nur nicht zeigen oder hast du dich in Sachen Ballhandling etc. zuletzt einfach deutlich weiterentwickelt?
Da kommen verschiedene Faktoren zusammen: Zum einen habe ich mich natürlich weiterentwickelt, auch wenn ich in Berlin nicht so viel gespielt habe und das nicht immer zeigen konnte. Aber ich hatte dort unter extrem guten Bedingungen gearbeitet und einen harten Wettbewerb gegen sehr gute Spieler, aus dem ich viel mitgenommen habe. Jetzt bin ich einfach in einer Situation, wo ich diese Dinge, die ich gelernt habe, auch anwenden und zeigen kann. Zum einen, weil ich natürlich die Freiheiten, zum anderen auch die Rolle und das Vertrauen bekommen habe, dass ich diese Dinge zeigen kann und darf.
Diese Fähigkeiten und Veranlagungen waren schon immer in mir drin. Ich war schon immer schnell auf den Füßen – in der Defensive sowieso –, aber wieso soll ich nicht auch offensiv schnell auf den Füßen sein? Wieso kann ich dann nicht zum Korb ziehen? Ich hatte damals als 19-Jähriger in Rhöndorf, wo ich auch mehr oder weniger Starter war und 17 Punkte pro Spiel in der ProA aufgelegt habe, auch Jump-Shots geworfen und getroffen. Das war schon ein bisschen ein Spiel von mir.
„Zweifel waren auf jeden Fall da“
Eine deiner Stärken ist auch das Shot-Blocking. Du steht aktuell in der BBL auf Platz zwei bei den Blocks pro Spiel. Du hast deine Athletik angesprochen, die natürlich hilft. Was gehört sonst zu einem guten Wurfblocker bzw. Ringbeschützer?
Athletik ist natürlich ein Punkt, aber es gehört auch Timing und Erfahrung dazu. Du musst ein Gefühl dafür haben und natürlich spekulieren. Es gibt ja auch unfassbare Leute, die vier oder fünf Steals pro Spiel haben. Auch da musst du ein bisschen spekulieren und ein Gefühl dafür haben, wann der Ball da sein könnte. Man muss quasi immer einen Tick früher da sein, und beim Block ist es eigentlich das gleiche. Du musst also in den Moment abspringen, wo du den Ball rechtzeitig bekommst, damit es kein Goaltending gibt. Du darfst aber auch nicht zu früh springen, damit der Gegenspieler auch wirklich den Wurf nimmt und nicht einen Pump-Fake macht. Dafür musst du natürlich auch ein bestimmtes Timing und Gefühl haben.
Du bist aufgrund einer schweren Knieverletzung im März 2016 etwa zehn Monate ausgefallen, standest plötzlich ohne Verein dar. Hattest du irgendwann mal Zweifel, ob du noch mal eine gute Rolle bei einem BBL-Team spielen könntest?
Auf jeden Fall. Es ist schon hart, wenn man nicht weiß, was daraus wird. Zum Teil bekommt man auch Ergebnisse, die ein bisschen ernüchternd sind, weil sich der Heilungsprozess verschleppt, es sehr langsam vorangeht und es immer wieder Rückschläge gibt. Man muss auch erst einmal lernen damit umzugehen. Während der schweren Zeit siehst du viele Dinge, die nicht so gut sind. Erst wenn du das einmal durchlebt hast, kannst du dann deine Schlüsse daraus ziehen und auch positive Dinge sehen, die dich vielleicht sogar verbessert haben.
Aber währenddessen ist es zum Teil echt hart. Du trainierst jeden Tag, gehst täglich für Stunden in die Reha, machst und tust und bist eigentlich immer gewohnt, dass du als Sportler relativ schnelles Feedback dafür bekommst: Wenn du hart trainierst, spielst du auch immer gut oder triffst deine Würfe oder was auch immer. Aber da trainierst und trainierst du und bist gleichzeitig darauf angewiesen, dass dein Körper heilt. Und dann heilt er nicht so, wie du willst und du kannst dennoch wenig Einfluss drauf nehmen und musst einfach lernen, dich durchzukämpfen. Das ist schon hart. Damit bin ich natürlich nicht der Einzige; es gibt viele Spieler, die sich verletzen, aber als Außenstehender kann man das immer erst nachvollziehen, wenn man es selber durchlaufen hat.
Nach einer Rückrunde mit wenig Spielanteilen in Ulm bist du nun richtig zurück und hast hier von Trainer und Verein viel Vertrauen bekommen. Simpel gefragt: War die Unterschrift in Frankfurt die bislang beste Entscheidung in deiner Karriere?
Ich würde sagen, dass ich noch nirgendwo eine schlechte Entscheidung getroffen habe. Bezüglich Ulm muss man zum Beispiel auch berücksichtigen, dass ich von einer zehnmonatigen Verletzung zurückkam. Das war für mich auch noch ein Prozess, erst einmal wieder reinzukommen. Das war den Ulmern und mir klar. Beide Seiten haben versucht, davon zu profitieren. Für mich ging es darum, ein bisschen zu helfen, aber mich auch wieder zu präsentieren und wieder reinzukommen. Natürlich war das eine funktionierende Mannschaft. Es war da natürlich schwierig, wenn man Mitte der Saison dazukommt. Das war ein Überteam letztes Jahr in Ulm, das muss man ja wirklich sagen. Deswegen war das schon ok so, wie es gelaufen ist. Wir sind am Ende auch wirklich offen miteinander umgegangen und schätzen uns auch.
In Frankfurt war jetzt natürlich die Chance für mich da. Es waren immer Gespräche da und Coach hat immer mir klargemacht, dass er was von mir hält. Und ich habe natürlich gesehen, was er mit den Jungs hier gemacht hat, also mit Danilo [Barthel] und Joe Voigtmann zum Beispiel auf meiner Position. Da musste ich nicht so lange überlegen. Ich wusste, dass ich jetzt gesund bin: Wenn ich es noch einmal wissen will, dann muss ich es jetzt machen. Es ging nur darum, zu spielen und um die Situation und um nichts Anderes.