Instant Replay System: Im Gespräch mit Jens Staudenmayer
Vorbemerkungen
Zur Saison 2014/15 führte die easyCreditBBL zunächst testweise das Instant Replay System (nachfolgend IRS genannt) ein. Dabei werden Livebilder mit Kameras „aufgenommen“ und können unmittelbar nach der Aufnahme vom Schiedsrichter auf einem IPad in Augenschein genommen werden. Die Situationen, in denen das IRS genutzt werden darf, sind abschließend in den Standards geregelt und wurden bereits zweimal aktualisiert.
In folgenden Situationen darf das IRS konsultiert werden:
- Bei erfolgreichen Würfen,
- ob der Wurf ein Zwei- oder Drei-Punkt-Wurf war. (seit der Einführung)
- ob dies – bei Freiwürfen – ein gültiger Ein- oder Zwei-Punkt-Wurf war. (seit der Saison 2015/2016)
- Zur Identifikation des richtigen Freiwerfers. (seit der Einführung)
- Zur Identifikation der Beteiligung von Spielern, Trainern und/oder Mannschaftsbegleitern i. S. e. körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Spielbeteiligten und der Bestimmung der daraus resultierenden Strafe. (seit der Einführung)
- Zur Verifizierung einer getroffenen Entscheidung hinsichtlich der entsprechenden Foulart gemäß den Offiziellen Basketballregeln (Differenzierung persönliches Foul – unsportliches oder disqualifizierendes Foul) bei Verdachtsmomenten von Sportdisziplinverstößen i. S. d. der BBL-Spielordnung. (seit der Saison 2015/2016)
- Bei Ablauf der Spielperiode und der 24-Sekunden-Uhr zur Identifizierung, ob
- a) der Ball noch auf der Hand des Werfers war (bzw. bei Ablauf der 24-Sekunden-Uhr, ob der Ball den Ring berührt hat) (seit der Einführung) oder
- b), ob sich ein geahndetes Foul innerhalb der 24-Sekunden- oder Spielperiode ereignet hat. (Einführung seit der Saison 2017/2018)
- Korrektur der Spieluhr bzw. der 24-Sekunden-Uhr aufgrund eines Bedienerfehlers. (seit der Einführung)
- Zur Identifizierung des Spielers, der einen Ausball verursacht hat. (seit der Saison 2017/2018)
Wann das IRS genutzt wird, liegt dabei im Ermessen der Schiedsrichter. Ergibt die Nutzung des IRS keine zweifelsfreie Widerlegung einer getroffenen Entscheidung, so bleibt diese Entscheidung bestehen.
Die easyCredit BBL hat zum IRS ein Video produziert, in dem verdeutlicht wird, was das IRS ist und wann es zum Einsatz kommt. Auch Trainer berichten von ihren Erfahrungen.
basketball.de hat sich mit dem Sportlichen Leiter der easyCredit BBL, Jens Staudenmayer, über das IRS unterhalten.
Interview mit Jens Staudenmayer
basketball.de: Herr Staudenmayer, das IRS ist bereits die dritte Saison im Einsatz. Sind Sie zufrieden damit, wie das IRS genutzt wird?
Jens Staudenmayer: Ja, die Erfahrungen sind überwiegend sehr positiv. Wir haben uns bei der Einführung größte Mühe gegeben, die Regeln für den Einsatz so einfach wie möglich zu halten und die Komplexität zu reduzieren. Auch war uns wichtig, dass wir das IRS stufenweise einführen – damit sich alle Spielbeteiligten und die Fans daran gewöhnen können.
Gibt es statistische Erhebungen, wie oft das IRS genutzt wurde, ggf. auch ob ein Trend absehbar ist bzw. wie oft durch Nutzung des IRS eine andere Entscheidung getroffen wurde?
Wir erfassen jeden IRS-Fall, so dass wir dezidiert wissen, wie viele Entscheidungen korrigiert wurden und in welchen Fällen es konkret eingesetzt wurde. Ein Einsatz erfolgte in etwa jedem dritten Spiel, dabei wurden getroffene Entscheidungen in rund der Hälfte korrigiert. Die meisten Fälle bezogen sich auf die Spieluhren, gefolgt von den Feststellungen, ob es sich um einen Zwei-Punkte- oder Drei-Punkte-Wurf gehandelt hat. Wir können auch konstatieren, dass die meisten IRS-Nutzungen in der zweiten Halbzeit stattfinden, dort insbesondere im letzten Viertel.
Das IRS ist schon mehrere Spielzeiten im Einsatz. Kann von zu Saison zu Saison eine Zunahme der Nutzung des IRS konstatiert werden? Oder ist die Zahl der Nutzungen (mit den üblichen Schwankungen) auf etwa dem gleichen Niveau?
Sie ist in etwa auf gleichem Niveau.
„So viel wie notwendig, so wenig Unterbrechungen wie möglich!“
Gibt es seitens der Liga Empfehlungen, wann das IRS genutzt werden sollte, oder überlassen Sie diese Entscheidung komplett den Schiedsrichtern?
Unsere Devise lautet: So viel wie notwendig, so wenig Unterbrechungen wie möglich! Ansonsten ist und bleibt das den Schiedsrichtern überlassen, und diese gehen damit sehr verantwortungsvoll um. Schließlich wissen sie am besten, wann sie sich absichern müssen. Und glauben Sie mir: Kein Schiedsrichter macht gerne Fehler, deswegen hat er auch keine Sorge davor, sich mit technischen Hilfsmitteln noch vor Ort und unmittelbar zu korrigieren.
Die Schiedsrichter können nur die Perspektive sehen, die auch die Fernsehzuschauer gesehen haben. Sie begründen dies damit, dass Sie Waffengleichheit zwischen den Fernsehzuschauern und den Schiedsrichter haben wollen. Gibt es Überlegungen, die Perspektiven zu erweitern, um für noch mehr Gerechtigkeit zu sorgen?
Die gibt es tatsächlich. Jedoch gilt es zu überlegen und abzuwägen, welchen Zugewinn das unter Kosten-/Nutzen-Aspekten bringt. In den vergangenen Jahren waren jeweils in deutlich über 90 Prozent aller Fälle die gelieferten TV-Bilder ausreichend, um die Szene exakt zu klären. Man sollte auch nicht auf eine Scheingenauigkeit hinarbeiten. Schließlich führen noch mehr Perspektiven auch nicht zu 100 Prozent Gerechtigkeit – und die Zeit, die dafür aufgewendet werden müsste, wäre erheblich mehr.
Welche technischen Möglichkeiten bietet das IRS? Ist es zum Beispiel möglich, die Situation Bild für Bild abzuspielen oder zu zoomen?
Der Schiedsrichter hat bereits die Möglichkeit, die technischen Gegebenheiten umfänglich zu nutzen: Er kann vor- und zurückspulen, er kann eigenständig eine Slomo einspielen, er kann den Zoom nutzen oder sich in engen Zeitsituationen zehn Bilder pro Sekunde anzeigen lassen.
Mit der Einführung des IRS war geregelt, dass die Schiedsrichter vor Nutzung des IRS eine Entscheidung getroffen haben mussten. Dies hat man zur aktuellen Saison geändert. Nun kann das IRS auch genutzt werden, ohne dass vorher eine Entscheidung getroffen wurde. Was war der Hintergrund dieser Änderung?
Wir haben lediglich eine formale Anpassung vorgenommen, mehr nicht: Oberste Prämisse bleibt aber weiterhin, dass die Schiedsrichter immer eine Entscheidung treffen sollen, schließlich sind sie ja keine TV-Analysten.
Ebenfalls geändert wurde, dass das Fordern des IRS nicht mehr mit einem Technischen Foul zu ahnden ist. Ist diese Änderung der Tatsache geschuldet, dass diese Strafe kaum verhängt wurde?
Der Grund für diese Änderung hat damit zu tun, dass auch die Coaches in den vergangenen Jahren mit dem IRS sehr verantwortungsbewusst umgegangen sind, so dass „Forderungsfälle“ die große Ausnahme waren.
„Die Challenge gibt es im Basketball nicht. Wir dürfen uns kein eigenes Regelwerk schaffen“
Im Hockey zum Beispiel kann jede Mannschaft pro Halbzeit einmal den Videobeweis anfordern. Behält die anfordernde Mannschaft Recht und die kritisierte Situation wurde falsch bewertet, so darf sie ein weiteres Mal den Videobeweis anfordern. Gibt es solche Überlegungen auch in der easyCredit BBL?
Die sogenannte Challenge gibt es im Basketball nicht. Weder ist diese im internationalen Regelwerk verankert, noch wird sie in den internationalen Wettbewerben zugelassen. Insofern dürfen und können wir uns kein eigenes Regelwerk schaffen.
Gibt es bereits Überlegungen, das IRS weiterzuentwickeln (z.B. neue Situationen zuzulassen)?
Da alle Fall-Einsätze in einer Datenbank festgehalten werden, analysieren wir nach jeder Saison, was uns weiterhelfen könnte, welche „Grenzfälle“ es gab und beobachten die Vorgaben des internationalen Regelwerkes. Ich denke, dass es auch zur Saison 2018/2019 Anpassungen geben könnte. Wie diese im Detail aussehen könnten, ist offen.