Supercup: Gradmesser vor der Weltmeisterschaft
Für die deutsche Nationalmannschaft steht mit dem Supercup in Hamburg ein Gradmesser für die Weltmeisterschaft an. Paul Zipser spricht über die Variabilität des deutschen Teams, während Daniel Theis in Dennis Schröder sofort wieder mit einem der „besten Point Guards der Welt“ harmoniert.
Die deutsche Nationalmannschaft ist komplett – oder sie hätte es zum Start des Supercups in Hamburg sein können. Während Dennis Schröder in dieser Woche zum Team gestoßen ist, nachdem der Guard das erste WM-Testspiel gegen Schweden verpasst hatte (über die genauen Gründe wollte Schröder nicht sprechen), fällt nun der Kapitän aus: Robin Benzing wird zumindest beim ersten Supercup-Spiel gegen Ungarn nicht auflaufen können, nachdem der Forward im Training weggerutscht war und sich eine leichte Knieverletzung zugezogen hat.
Der Supercup nimmt mit drei Spielen innerhalb von drei Tagen dennoch einen hohen Stellenwert für die DBB-Auswahl ein – zumal Schröder als Offensivmittelpunkt natürlich wieder ins Zentrum des Teams rückt „Wir müssen jetzt erstmal sehen, wie das alles zusammenpasst. Die ersten Eindrücke sind sehr gut“, äußerte sich Bundestrainer Henrik Rödl beim Medientraining am Donnerstag zum Status Quo. „Das Turnier ist ein kleiner Gradmesser um zu sehen, was daraus werden kann und wie gut wir sein können. Dementsprechend ist der Supercup für uns sehr wichtig.“
Als Vorbereitungsturnier gehe es natürlich darum, viel auszuprobieren. Doch laut Rödl „sollen das schon Dinge sein, die klappen“, womit man vielleicht nicht mehr ganz so viele Experimente anhand vieler verschiedener Lineups wie noch gegen Schweden erwarten kann.
„Wenn ich auf der Zwei spiele, sind wir sehr athletisch und sehr groß“
Beim 78:46-Erfolg gegen das skandinavische Team avancierte Paul Zipser zum Topscorer. Der 2,03-Meter-Mann startete dabei als Shooting Guard. Über die basketball.de-Frage, auf welcher Position er sich denn am wohlsten fühle, musste Zipser nicht lange nachdenken:
„Ich fühle mich auf dem Feld am wohlsten“, machte Zipser deutlich, was man ihm nach seinem verletzungsgeplagten letzten Jahr auch angemerkt hat. „Die Zwei ist für mich selbst ein wenig neu. Aber schon bei Bayern hatte ich, je nach Gegner, auch mal auf der Zwei gespielt. Offensiv kann ich die Position spielen; es geht dann eher darum, dass du deinen Gegenspieler von dir halten und ihn verteidigen kannst. Das hat für das erste Spiel schon mal ganz gut funktioniert.“
Zipser auf der Zwei, dazu Benzig auf der Drei sowie ein NBA-Big-Men-Duo aus Maxi Kleber und Daniel Theis: Damit kann eine deutsche Formation – so wie sie gegen Schweden gestartet war – einiges an Größe aufbieten, wie auch Zipser meint: „Wir sind sehr athletisch und sehr groß, wenn ich auf der Zwei spielen kann. Ich denke, das könnte für uns eine Möglichkeit sein, es unserem Gegner sehr schwer zu machen.“
Mit einem erstarkten Zipser, der in der Rückrunde der Saison 2018/19 in Spanien wieder seinen Rhythmus gefunden hatte. Der Flügelspieler mag bei San Pablo Burgos nicht mit großen statistischen Werten aufgefallen sein, jedoch nahm Zipser viel von der etwas anderen spielerischen Kultur mit. „Bevor ich nach Chicago gegangen bin, dachte ich immer, dass die ACB ein Ziel für mich sei – gerade aus dem Grund“, blickt Zipser auf seinen Engagement in Spanien zurück. „Dinge für den Low-Post, ein paar andere Cuts und Verteidigungsarten, die wir jetzt auch spielen können, haben mir als Spieler auf jeden Fall weitergeholfen.“
Mit solchen Lineup-Veränderungen wie von Zipser und Niels Giffey auf die Zwei – die sich in der Partie gegen Schweden angedeutet haben –, kann sich natürlich auch dahingehend der DBB-Kader ändern. Zwei Spieler wird Henrik Rödl vor dem WM-Start noch streichen müssen. Dass dies nicht unbedingt einen Guard und einen Big Men treffen muss, deutet die Variabilität im deutschen Team an.
„Es kann auch sein, dass wir mit 14 Spielern nach Japan fahren“, scheint sich Rödl zudem noch nicht zu früh festlegen zu wollen, wie sein letztendlicher WM-Kader aussehen wird. Den Spielern sei diese Situation, dass zwei Akteure noch gestrichen werden müssen, bewusst. Die Motivation erhöhe dies aber nicht, „weil sie sind sowieso schon so motiviert – das kann man gar nicht mehr steigern.“
„Henrik Rödl legt einen sehr hohen Wert darauf, den Spielern viele Freiheiten zu lassen“
Ein Streichkandidat könnte Moritz Wagner sein, der gerade erst sein A-Nationalmannschaftsdebüt absolviert hat und sich mit einer starken teaminternen Konkurrenz auf den großen Positionen auseinandersetzen muss. Trotz DBB-Premiere gegen Schweden hat Wagner bereits mit Henrik Rödl zusammengearbeitet: bei der U20-EM 2017, als Rödl als Head Coach fungiert hat. Somit weiß Wagner auch, was Rödls System auszeichnet:
„Henrik ist ein Coach, der zwar ein strukturelles System vorgibt, aber einen sehr hohen Wert darauf legt, den Spielern viele Freiheiten zu lassen – damit diese das selbst interpretieren. Es macht Spaß, Teil dieser Gruppe zu sein.“
Dass Wagner seinen Teil als großer Kommunikator der Truppe beitragen kann, ließ sich schon allein in den letzten Minuten des Medientrainings erkennen – als sich Wagner Eins-gegen-Duelle mit der Guard-Riege Deutschlands um Schröder, Maodo Lo, Ismet Akpinar und Isaac Bonga lieferte. Gegen Guards? Auch ein Indiz für die Variabilität auf den großen Positionen.
„Die Harmonie mit Dennis Schröder war gleich im ersten Training wieder da“
So scheint Joe Voigtmann mit seinen Passqualitäten ein Aufbauspieler im Körper eines Centers zu sein. Maxi Klebers „Three and D“-Facetten als Teil der Dallas Mavericks machen ihn zu einem sehr wertvollen Teil des DBB-Teams. Danilo Barthel hat sich in den letzten Jahren als vielleicht dominantester Low-Post-Akteur in der BBL etabliert. Johannes Thiemann kann in die „Enforcer“-Rolle schlüpfen. Und Daniel Theis ist der vielleicht stärkste Abroller des Teams …
… der gerade auch deswegen so wichtig im Zusammenspiel mit Dennis Schröder ist. Wie lange hat es durch deren gemeinsame Zeit in Braunschweig gedauert, bis sie die Harmonie auf dem Parkett wieder gefunden haben? „Im ersten Training war die schon wieder da. Unser Spiel ist stark auf das Pick-and-Roll ausgelegt. Und er gehört einfach zu den besten Point Guards der Welt. Das ist natürlich auch für mich ein Vorteil, weil Dennis im Pick-and-Roll so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er spielt dann die Pässe, die wir als Team brauchen: entweder zum Schützen oder zum Großen.“
Mit einem der „besten Point Guards der Welt“, einer hohen Flexibilität und einer Quantität wie Qualität vor allem auf den großen Positionen, die im deutschen Basketball bisher unerreicht ist: mit diesen Voraussetzungen will die deutsche Mannschaft hoch hinaus. Ziele Spielern und Verantwortlichen zu entlocken, ist nicht immer so einfach, doch es schimmert durch, dass es nach Olympia gehen soll – ob durch die direkte Qualifikation durch die WM oder eines der Quali-Turniere. Der Supercup soll dafür ein erster Baustein sein.