Zion Williamson: Was steckt hinter dem Hype?
Zion Williamson ist der meistgehypte College-Spieler seit… wem eigentlich? Die halbe NBA tankt, um eine Chance auf den Duke-Akteur zu haben. Was zeichnet Williamson aus?
Backstory
Obwohl in North Carolina am 7. Juli 2000 geboren, wuchs Zion Williamson im benachbarten South Carolina auf. Dass Williamson später einmal mit Sport seine Brötchen verdienen würde, ist dabei kein Zufall: Seine Mutter war Sportstipendiatin für Leichathletik, sein Vater spielte für das North Carolina State Wolfpack Football – sportliche Gene waren also vorhanden.
Williamsons Vorname ist eine biblische Referenz zum Berg Zion. Aufgewachsen ist das Top-Talent seit seinem vierten Lebensjahr bei seiner Mutter und seinem Stiefvater Lee Anderson. Dieser stellte auch die Verbindung zum Basketball her: Selbst als großes Talent in South Carolina bekannt, zerstörte ein Autounfall abrupt die Träume des damals jungen Clemson Tiger auf eine Karriere als Basketballspieler. Als Trainer fand er jedoch seine Erfüllung und brachte seinem Stiefsohn in der High School das Basketballspielen bei.
Wie so häufig war ein Wachstumsschub maßgeblich dafür verantwortlich, dass Williamson auf der nationalen Basketball-Bildfläche erschien. Mit 1,75 Metern und knapp 55 Kilo auf den Rippen war er in der achten Klasse noch ein unscheinbarer Point Guard. Über den Sommer legte Williamson dann mächtig zu und wuchs um fast 20 Zentimeter.
„Der Wachstumsschub war verrückt für mich. Ich habe noch ein bisschen Gewicht und eine verrückte, gottgegebene Athletik dazugewonnen. Ich wurde immer selbstbewusster, wodurch ich mich traute, Dunks auszuprobieren, die ich noch nie vorher probiert hatte – im Spiel“, blickt Williamson im folgenden Interviewausschnitt zurück.
Williamsons Hype explodierte förmlich. Seine Mixtapes auf Plattformen wie Ballislife führten zu internationaler Anerkennung unter Fans und Prominenten. Der Höhepunkt des Hypes war ein AAU-Spiel gegen die Big Baller um LaMelo Ball in Las Vegas im Sommer 2017. Bei dem größten High-School-Spektakel des letzten Jahrzehnts wurde LeBron James quasi ausgeladen, weil die Halle bereits aus allen Nähten platzte.
Fun Fact: Williamsons AAU-Coach trainierte die South Carolina Supreme zum Sieg, während er ein Kind auf dem Arm trug, das friedlich schlief.
Williamson brachte den Hype immer mit sich. Mittlerweile hat der 18-Jährige 2,6 Millionen Follower auf Instagram – mehr als Karl-Anthony Towns, LaMarcus Aldridge, Bradley Beal, Kawhi Leonard, Kemba Walker, Khris Middleton, Kyle Lowry und D’Angelo Russell. Allesamt nahmen am All-Star-Spiel 2019 teil. Seine Follower-schaft reicht dabei von Musikern wie Drake bis hin zu Athleten aller Art – von der NFL bis in die NBA.
Während seines High-School-Senior-Jahres entschied sich Williamson, für die Duke Blue Devils in der NCAA aufzulaufen – und damit gegen die Clemson University, die Alma Mater seines Stiefvaters. War er zu Beginn noch als Top-drei-Pick gehandelt worden, lief er Mitspieler RJ Barrett in dem Rennen um den Top-Pick schnell den Rang ab. Wieso? Weiterlesen!
Skillset
Zion Williamson ist ein „Freak of Nature“. Der Blue Devil ist ein Unikat, was die Athletik angeht. Mit knapp 2,01 Metern bringt der Top-Athlet schlanke 129 Kilogramm auf die Waage. Nach jetzigem Stand ist nur der 20 Zentimeter größere Boban Marjanovic in der gesamten NBA schwerer als der potentielleTop-Pick 2019. 129 Kilogramm sollten eigentlich nicht das machen dürfen:
Man bemerke: Er vollzieht eine komplette 360-Grad-Drehung während des Aufsteigens! Auch sein Closeout-Block gegen Virginia wurde mittlerweile millionenfach geklickt:
Beobachtungsaufgaben: Wie hoch ist sein Kopf, wie hoch ist der Ball beim Moment des Blocks, wo springt Williamson ab, und wo wird er voraussichtlich landen? Einen Spieler mit seinen physischen Tools, der mit diesem Gewicht so eine „Range of Motion“ und außerirdische Athletik besitzt, gab es noch nie. Nicht überzeugt? Wagen wir ein Blick auf die vertikale Sprungkraft von „schwergewichtigen“ NBA-Spielern:
Miles Plumlee (Denver Nuggets) wiegt knapp 15 Kilo weniger und springt 12 Zentimeter kürzer. Omari Spellman (Atlanta Hawks) kommt eher an Williamsons Gewicht heran; seine Vertikalität ist dafür jedoch deutlich geringer.
Im Vergleich zu Plumlee ist Williamson viel beweglicher. Dukes Nummer 1 hat, wie es scheint, eine intuitiv gute Fußarbeit. Seine Role-Moves oder auch seine ultra schnelle Zirkulation bei seinem 360-Grad-Dunk sollten mit 129 Kilogramm nicht möglich sein.
Auch lateral hat der 18-Jährige gute Füße. Wenn er „locked in“ ist, schafft er es, die Top-Guards in der ACC, der wohl besten Conference in der NCAA, vor sich zu halten – was bei Dukes Switch-lastiger Defense häufiger vorkommt. Williamson besitzt das Potenzial, in der NBA vier, bei Small-Ball-Lineups sogar fünf Positionen adäquat verteidigen zu können.
Auch sein Ballhandling ist für einen Spieler seiner Statur ausgesprochen gut. Anscheinend aus Point-Guard-Zeiten in der Mittelstufe besitzt der im Basketball-verrückten North Carolina Geborene patente Skills am Ball, um sich durch die Defensivreihen zu tanken. Häufig zu sehen ist dabei ein abruptes „Behind-The-Back“-Dribbling mit anschließendem Tempowechsel. Vor allem in der Transition ist Williamson mit großer Kreativität und Varietät nicht zu halten. Hinzu kommen sehr gute Fähigkeiten als bereitwilliger Passer.
Das weiß Coach Mike Krzyzewski. „Coach K“ lässt Williamson immer öfter nach dessen Defensivrebound den Ball nach vorne bringen – mit Erfolg! Als Starting-Point-Guard Tre Jones (der kleine Bruder von Tyus Jones) gegen Pittsburgh ausfiel, übernahm Williamson als Point Forward das Steuer. 27 Punkte (11/13 FG) und sieben Assists bei nur zwei Turnovern – statistisch überzeugend. Als wahrer „Freight Train“ passt sein Spiel exzellent in eine immer schneller werdende NBA.
Williamson hat dabei ein Gespür dafür, wann er selber abschließen kann…
… oder auf den besser postierten Mitspieler passt.
Gleichzeitig zeigt der Spielausschnitt, mit welcher Energie und Leidenschaft Williamson spielt. Zuerst bekommt er fast einen Steal, schafft es fast rechtzeitig zum Closeout, wird über die Mitte geschlagen und blockt (Goaltending) den Ball, schnappt sich nach dem anschließenden Wurfversuch das Leder und trifft in der Offense die genau richtige Entscheidung.
Williamsons herausragenden Basketballinstinkte helfen dem Goliath dabei auch beim Rebounding:
„Er ist ein athletisches Unikat mit Instinkten. Williamson liest perfekt die Flugbahn der Würfe, ist vor allen anderen bei der Stelle, wo der Ball landet, und nutzt erst seine elitäre Sprungkraft, um sich dann über Normalsterbliche zu erheben und den Ball einzusammeln.“ So beschreibt Kevin O’Conner von The Ringer Wiliamsons unfaire Kombination aus körperlicher und kognitiv-instinktiver Dominanz.
Elitäre Reboundfähigkeit, plus Point-Forward-Skills, plus außerirdische Sprungkraft? Eine Formel, die Dukes Freshmanan die Spitze sämtlicher Draft Boards katapultiert hat.
Zudem hat der sichere Top-Pick einen Motor, der bei den Blue Devils seines gleichen sucht. Er hechtet jedem Ball hinterher, versucht, jeden Wurf zu blocken, und geht immer hart zum Rebound – an beiden Enden des Feldes. Manchmal scheint es, dass er nur durch pure Willenskraft einen seiner seltenen Fehlversuche bei seinem zweiten, dritten oder vierten Nachsetzen, umringt von vier Verteidigern, im Korb unterbringt.
Auf dem Feld bringt der Forward viel positive Energie. Er redet viel und laut, er ist stets präsent, um seine Mannschaft zu pushen.
Zusammengefasst: Williamson ist ein Bär, mit der Wendigkeit eines Tigers und der Sprungkraft eines Springbocks, der jeden Kampf motivierter annimmt als Russell Crowe in „The Gladiator“. Er ist ein athletisches Jahrhunderttalent mit überragenden Instinkten und einem stetig laufenden Motor (sollte das Schuhwerk halten).
Wieso sind sich dennoch einige Experten nicht zu 100 Prozent sicher, dass Williamson als Top-Pick vor RJ Barrett oder Ja Morant gedraftet werden sollte?
Bevor es mit den Baustellen weitergeht, wird allen Stat-Nerds der folgende Artikel von The Ringer ans Herz gelegt.
Baustellen
Fundamentals: Instinkte sind nicht alles in der Basketball-Welt. Und dass Williamson in South Carolina nie gegen wirkliche Top-Teams gespielt hat, ist in einigen Spielsituationen auffällig:
Basics, wie einen Schritt Abstand zu nehmen („jump with the pass“), nachdem sein Gegenspieler den Ball gepasst hat, führen ab und zu zu einfachen Punkten. Auch im Closeout ist an der einen oder anderen Stelle zu sehen, dass der Feinschliff (noch) fehlt. Außerdem spekuliert Williamson manchmal zu sehr auf den Steal.
Gleichzeitig ist es trotz seiner physischen Fähigkeiten schwierig, knapp 130 Kilogramm abrupt zu bremsen. Wenn sich Defensiv-Konzepte gut auf Williamson eingestellt haben und ausreichend lebensmüde Spieler vorhanden sind, die sich bereitwillig umrennen lassen, gerät Williamson schnell in Foul-Trouble.
Außerdem sind seine Längenmaße maximal NBA-Durchschnitt. Nur 2,01 Meter Körperlänge und 2,08 Meter Armspannweite könnten ein Problem darstellen. Ähnliche Spielertypen (Undersized Power Forwards/ Small Ball Center) wie Draymond Green oder Paul Millsap weisen bei ähnlicher Körpergröße deutlichlängere Armspannweiten auf (Green bei 2,01m Größe 2,17m, Millsap bei 2,03m Größe, 2,18m). Genau gleiche Längenmaße hat DemarDeRozan. Der einstige Abo-All-Star verteidigt (wenn er es denn mal tut) dabei kaum Forwards oder Center, dazu fehlt ihm nicht nur die Masse, sondern auch die Länge. Wie sehr kann Williamson also, trotz Längendefiziten, in der NBA physisch dominieren?
Williamson macht fehlende Zentimeter zwar mit extra viel Einsatz wett – fraglich auf die lange Sicht ist, wie gut dies sein Körper mitmacht. Seine leichte Knieverletzung kann ein erstes Indiz dafür sein, dass knapp 130 Kilo schwere Menschen nicht ständig 115 Zentimeter hochspringen sollten. Es existieren jedoch auch Gerüchte, dass Williamson seinen Schuh über mehrere Wochen trug, was auf professionellem Spielniveau eher unüblich ist – vor allem, wenn Nike einen Deal mit deiner Universität hat.
Das letzte, große, Fragezeichen ist Williamsons Wurf. Zu High-School-Zeiten konnte Williamson beliebig oft zum Korb ziehen. Auch am College ist er kaum zu halten. Ein probates Mittel, das Athletikmonster zu stoppen, ist allerdings,extrem weit abzusinken und ihn zu Würfen zu zwingen. Immerhin nimmt er 1,8 Dreier pro Spiel und trifft dabei ausbaufähige 29 Prozent. Sein Wurf ist kein totaler Ausfall wie beispielsweise bei Ben Simmons. Giannis Antetokoumpo beweist derweil in der NBA, wie auch ohne ein gutes Händchen von draußen physisch dominiert werden kann.
Williamsons Wurfform sieht dennoch sehr unorthodox aus.
Er springt kaum, wirft von relativ weit vor dem Körper und bringt den Ball, wie es scheint, in einer sehr abgehackten Bewegung nach oben. Aus dem Dribbling nimmt er so gut wie keine Würfe, seine 29 Prozent sind zu großen Teilen ohne Contest. 67 Prozent von der Freiwurflinie animieren zumindest nicht zum „Hack-a-Zion“, Bäume reißt er damit jedoch nicht aus. Trotz alledem scort Williamson unheimlich effektiv (0,70% TS).
Meckern auf hohem Niveau, denn was passiert, wenn Williamson seine Fundamentals besser beherrscht? Wenn er seinen Wurf konstanter trifft, zumindest so, dass Verteidiger ein aggressives Closeout laufen müssen? Und wenn er vielleicht noch ein paar Kilos abnimmt? 120 Kilogramm sind immer noch mehr als genug, und ob er „Thicc oder Fat“ ist, darüber sind sich die „Experten“ noch nicht einig…