Marie Gülich: „Ich bin richtig stolz auf Leonie Fiebich“

Marie Gülich nimmt bei der Frauen-Nationalmannschaft eine Führungsrolle ein. Im Interview zum Olympia-Vorbereitungsstart Ende Juni sprach die spanische Triple-Gewinnerin über den Doubleheader in Berlin, die Aufmerksamkeit für Frauen-Basketball in Spanien und Leonie Fiebichs Rookie-Saison in der WNBA.

basketball.de: Kurz vor Vorbereitungsstart hast du zusammen mit Johannes Thiemann und Gordon Herbert bei der Pressekonferenz zum Doubleheader in Berlin gesprochen, bei der ihr und die Männer-Nationalmannschaft an einem Tag in einer Halle spielen werdet. Was erhofft ihr euch davon?

Marie Gülich: Es wird cool, als eins dazustehen – wir sind zwar ein Frauen- und ein Männerteam, aber spielen eben beide für Deutschland. Dass wir uns auch ein wenig kennenlernen. Bisher gab es nie so viele Kontaktpunkte, wenn man sich besser kennt, kann man sich mehr unterstützen, mit einem Support, der authentisch ist. Und es ist auch cool für die Fans: Die, die bisher nur die Männer verfolgt haben, sehen uns und merken vielleicht auch, dass ihnen unser Basketball gefällt. Dann gewinnen wir vielleicht neue Fans hinzu. Und vice versa.

„In Spanien bekommen Frauen genauso viel Aufmerksamkeit“

Du hast in den vergangenen vier Jahren in Spanien gespielt, wo der Frauen-Basketball ein höheren Stellenwert genießt. Gab es dort auch solche Doubleheader? Und wie wurde generell der Frauen-Basketball gepusht?

Doubleheader hatten wir in Valencia auch ab und an. Die Spielpläne sind natürlich super busy, es gab auch Wochen, da haben wir uns gar nicht gesehen. Valencia hat einen guten Job gemacht, die Frauen- und Männerteams gleichmäßig zu vermarkten. In Spanien werden auch viele Events veranstaltet, wie Award-Galas, wo sich alle treffen. Auf Social Media kriegen die Frauen genauso viel Aufmerksamkeit, es ist alles super gleichberechtigt. Ich hatte Alba Torrens, die ein Urgestein ist, gefragt, wie das alles funktioniert. Sie meinte, dass das natürlich auch ein langer Weg war und sich die Frauen auch erst beweisen mussten. Aber es hat geholfen, dass der Verband in den Frauen-Basketball investiert und daran geglaubt hat. Man sieht, dass sich das auszahlt: am Erfolg und an der Begeisterung der Fans.

Den Frauen-Basketball zu pushen, verfolgt auch die Initiative „The League“. Was hat es damit auf sich?

Ich bin da gar nicht so sehr involviert. Ich trainiere ja ab und zu bei den Towers, mit Annie Brandt [Socia-Media-Managerin der Towers, Anm. d. Red.] habe ich mich ganz gut verstanden. Als ich in Hamburg war, hat sie mich eingeladen und wir haben für das Hamburger Abendblatt darüber gesprochen. Ich finde richtig gut, was sie bei „The League“ machen: Es geht nicht nur um Athletinnen, sondern generell um Frauen im Sport. Das heißt, man muss nicht unbedingt Sport treiben, sondern kann auch im Verein arbeiten. Es geht darum, dass sich Frauen für Frauen einsetzen. Oftmals befinden sich Männer in den Führungspositionen und verstehen vielleicht gar nicht, was es bedeutet, gleichberechtigt zu sein, da ist oftmals Unwissenheit dabei. Wenn Frauen in Führungpositionen sind, kann man wahrscheinlich auch etwas mehr für Frauen voranbringen.

Nach EM-Bronze und WM-Gold der Männer hat man von einem kleinen Basketball-Boom in Deutschland gesprochen, zumindest sind zuletzt die Mitgliedszahlen gestiegen. Hast du das auch bei den Mädchen beobachtet, zumal ihr mit dem EM-Abschneiden und der Olympia-Teilnahme auch erfolgreich wart?

In den vergangenen Jahren bin ich ja nicht so häufig in Deutschland gewesen, deswegen muss ich sagen, dass ich da gar nicht so viel mitbekommen habe. Aber ALBA BERLIN ist für mich ein sehr gutes Beispiel: Sie haben über die Jahre etwas aufgebaut, aber nichts erzwungen, und haben Jahr für Jahr einen Schritt nach vorne gemacht, sich stetig verbessert – in der kommenden Saison spielen sie sogar im EuroCup. Man sieht an der Fanbase, dass sie neben dem Männerteam separat erfolgreich sein können. Das ist schön zu sehen.

Du hast in der vergangenen Saison mit Valencia das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Supercup gewonnen, wirst den Verein aber nun verlassen. Wie ist es zu der Entscheidung gekommen? Wolltest du auf dem Höhepunkt einfach eine neue Herausfordernung suchen?

In der vergangenen Saison hatte ich die ganze Zeit mit einer Patellasehnenverletzung zu kämpfen und hatte Schwierigkeiten, durchzuspielen. Mein Ziel ist es, bei den Olympischen Spielen so gesund wie möglich aufzulaufen und dann bis November erstmal eine Pause einzulegen – einfach, um richtig gesund zu werden, damit ich noch ein paar Jahre spielen kann. Deshalb hat es mit Valencia vom Timing her nicht gepasst. Das bedeutet aber nicht, dass ich dort nicht zurückkehren könnte. Ich selbst war traurig und auch der Verein war enttäuscht, dass ich nicht bleibe, sie meinten aber auch, dass die Türen für mich immer offen stehen werden. Vielleicht sehe ich jetzt etwas Neues, das kann ja auch bei der Weiterentwicklung, Inspiration und Motivation helfen.

„Uns hat eine zweite Point Guard mit dem Skill-Level von Alexis Peterson gefehlt“

Um auf die Nationalmannschaft und euren Kader zurückzukommen: Dass Sonja Greinacher auch Svenja Brunckhorst 3×3 spielen und eurem Team nicht zur Verfügung stehen werden, wurde erst kurz vor Vorbereitsungsstart bekanntgegeben. Wie verlief hierbei der Prozess? Wart ihr involviert, habt ihr euch ausgetauscht?

Nachdem sich Sunny und Svenni qualifiziert hatten, wollte ich ihnen erstmal etwas Raum geben, um sich überhaupt darüber zu freuen – es ist einfach ein Riesenerfolg, sich für zwei Olympische Disziplinen zu qualifizieren. Ich habe versucht, sie so gut es geht in ihrer Entscheidung zu unterstützen. Sunny hat ihre Entscheidung frei getroffen, Svenni hätte aber schon gerne in beiden Disziplinen gespielt. Da waren wir als Team aber gar nicht involviert. Für sie war es letztlich schon schwierig, das Ganze zu verarbeiten, aber die Entscheidung wurde so getroffen und wir müssen damit umgehen können. Natürlich ist das schade: Svenni ist ein starker Charakter, und auch Sunny hat mir mit ihrer Art, Leichtigkeit und ihrem Humor immer sehr geholfen, mit weniger Druck in Situationen zu gehen und einfach Spaß zu haben. Das ist ein harter Schlag, beide werden uns sehr fehlen.

Mit Alexis Peterson habt ihr immerhin eine neue Spielerin auf der Eins. Sie hat mir erzählt, dass ihr in Polen gegeinander gespielt habt. Aus dieser Erinnerung oder deinen ersten Eindrücken nach den ersten Trainingseinheiten: Was kann sie dem Team bringen?

Sehr viel. Am Anfang geht es erstmal darum, sich an eine neue Kultur und eine neue Sprache zu gewöhnen, aber sie macht das richtig gut. Uns hat eine zweite Point Guard mit diesem Skill-Level gefehlt: mit ihrer Schnelligkeit und Fähigkeit, zu scoren und zu kreieren. Da wird sie uns unglaublich viel helfen, auch in der Verteidigung. In den vergangenen Jahren hatten wir immer wieder Probleme, wenn die gegnerische Verteidigung Druck auf unsere Aufbauspielerinnen gemacht hat. Wir hoffen, dass unsere Spielerinnen nun auf ihren Positionen bleiben können und beispielsweise nicht Leo, Satou oder ich mal den Ball nach vorne bringen müssen. Ich glaube, Alexis wird das richtig gut machen.

„Leo hat gezeigt, wieviel Potential in ihr steckt und und dass sie in der WNBA irgendwann eine Leistungsträgerin sein kann“

Du kennst Leonie Fiebich als Mitspielerin bei der Nationalmannschaft, als Gegenspielerin in Spanien, du hast selbst in der WNBA gespielt, du hast also ganz gute Einblicke. Wie hat sie deiner Meinung nach den Übergang in die WNBA gemeistert, und was beeindruckt dich besonders?

Generell ihre Konstanz als Spielerin. Das hat sie schon bei uns im Team und in Saragossa gezeigt. Sie macht ihren Job – egal, wieviel Spielzet sie bekommt. Sie ist in der spanischen Liga zweimal zur MVP gewählt worden und hat in der EuroLeague 30 Minuten gespielt. Dann geht sie in die WNBA, spielt am Anfang nur sieben Minuten – und bewahrt trotzdem die Ruhe, lässt sich davon nicht beeinflussen und bringt konstant ihre Leistung. Das ist super beeindruckend. Ich weiß selbst, wie tough das ist: was in der WNBA drumherum passiert, wieviele Eindrücke man hat, wie dominant die Spielerinnen dort sind. Sich dann mit dieser Ruhe durchzusetzen, finde ich beeindruckend. Auch wenn das verletzungsbedingt im Team der Liberty war, konnte sie sich in ein paar Spielen den Starterposten ergattern und dann zeigen, wieviel Potential in ihr steckt. Sie hat gezeigt, dass sie in dieser Liga mitspielen und irgendwann eine Leistungsträgerin sein kann – ich bin richtig stolz auf sie.